No. 7

Nikolaus wurde bei uns noch nie großgeschrieben. Meine Mutter war noch nie typisch dafür mir meinen Stiefel zu füllen oder mich mit etwas anderem zu überraschen. Weder als ich noch in den Kindergarten ging, noch als die Schule mich gefesselt hat und schon gar nicht nachdem ich zur Uni gegangen bin.

Das letzte Mal einen gefüllten Schuh hatte ich als meine Großmutter noch lebte. Sie forderte jedes Jahr aufs Neue von mir meine Winterstiefel zu putzen und am Abend vor den 6. Dezember vor unsere Haustür zu stellen. Am nächsten Morgen habe ich neben einen Haufen leckerer Schokolade im auch Zehn Pfund unter dem Schuh vorgefunden. Ich habe mich immer total drüber gefreut und fand es tatsächlich, vor allem in den ersten zwei Jahren schade, dass es von meinen Eltern nicht weitergeführt wurde.

Ich habe gar nicht mehr groß daran gedacht, bis ich gestern Morgen einen riesigen roten Plastikschuh vor meiner Wohnung gefunden habe, nachdem ich von der ersten Gassi Runde mit meinem Hund wiedergekommen bin. Diesmal hatten wir es einigermaßen trocken durch unsere erste Runde früh am Morgen geschafft, nicht zuletzt durch den neuen, zugegen ziemlich coolen Schirm und meinen warmen, wasserdichten Boots.

"Statt Päckchen! Und denk dran: Lass dich einfach darauf ein." - stand auf der Karte.

Wieder war ich mir nicht sicher, ob ich mich nun Freuen soll oder es noch immer gruselig finde. Auf der einen Seite ist die Geste echt süß, auf der anderen Seite ist es noch immer ein komisches Gefühl nicht zu wissen, wer mich jeden Tag aufs Neue Überrascht.

Ich hatte den Schuh mit reingenommen, ausgeschüttet und nicht nur eine Menge von meiner Lieblingsschokolode gefunden, sondern Tatsächlich auch zehn Pfund. Seither Überlege ich tatkräftig wer von diesem verdammten Geld weiß, welches mir meine Großeltern immer versteckt haben - denn von Zufall kann man hier ganz sicher nicht mehr die Rede sein.

Eigentlich wissen Lediglich meine Mum, mein Vater, welcher schon seit Jahren abgetaucht ist und sich seither nicht mehr gemeldet hat, und Penny von der besagten Extraeinlage und deren, wenn auch nicht sehr originellen, Versteck. Jedoch traue ich diese Aktion noch immer weder meiner Mutter, noch Penny zu - ganz zu schweigen von dem Mann der es die letzten Jahre eh nicht für Nötig gehalten hat sich bei mir zu melden. Das er plötzlich die Eingebung hat, dass er in London eine Tochter hat, die er nun nach all den Jahren ohne Lebenszeichen mit kleinen Dingen überraschen mag, glaube ich kaum.

Mit den anderen beidem habe ich ganz am Anfang schon einmal darüber geredet und bin eigentlich noch immer der Ansicht, dass beide eigentlich viel zu Ideenlos sind - und die Tatsache das sie sich dann bisher noch nicht verraten haben, spricht eigentlich auch dafür, dass sie es definitiv nicht selber machen.

Die einzige Möglichkeit, die mir heute Morgen einfallen ist, ist eigentlich nur noch, dass einer der Beiden mit der oder demjenigen unter einer Decke stecken. Geheime Tippgeber sind und in dieser ganzen Aktion einfach mit Insiderwissen unterstützen.

„Du bist heute so still Schatz - ist alles in Ordnung?", will meine Mutter von mir wissen und kommt mit dem Korb gespülter Tassen und Teller wieder nach vorne. Das Waschbecken hier vorne leckt seit gestern ziemlich, weswegen wir beschlossen haben, dass Besteck und Geschirr heute Mal in der Küche zu spülen bis jemand draußen war und sich unser Waschbecken hier vorne angeschaut habe.

Ich nicke und runzle dann die Stirn. „Du steckst nicht mit dem oder der Geheimnisvollen Packet Versender unter einer Decke oder?", will ich von ihr wissen. Warum spekulieren, wenn ich sie auch hier direkt Fragen kann.

Überrascht sieht sie mich an. „Wie kommst du denn darauf?", hakt sie nach. Ich zucke mit den Schultern. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich der oder diejenige einfach ziemlich gut kennt.", informiere ich sie. „Und da kommst du auf mich? Schon wieder? Ich dachte wir haben dieses Thema mittlerweile besprochen.", kontert sie. Ich zucke mit den Schultern. „Eigentlich schon und ich glaube auch gar nicht, dass du allein hinter dem ganzen steckst, aber vielleicht kennst du den oder diejenige ja und gibst hinten rum ein paar Tipps.", lasse ich sie wissen. „Nein. Finnja, dass meine ich auch ernst! Ich weiß, dass du deine Bedenken diesbezüglich hast und dir die ganze Sache auch nicht geheuer ist, deshalb glaub mir würde ich dir sagen, wenn es tatsächlich so ist.", versichert sie mir. Ich nicke und glaube ihr tatsächlich.

„Vielleicht hast du ja doch einen heimlichen Verehrer. Jemand der dich schon eine Weile aus der Ferne beobachtet und für den du einfach ein offenes Buch bist.", ist nun ihr Vorschlag. Ich runzle ein wenig die Stirn. Genau dieselbe Idee hatte Penny gestern auch schon und eigentlich habe ich mich mit dieser Idee auch anfreunden wollen, aber die Zehn Pfund unter diesem roten Plastikstiefel können doch kein Zufall sein und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht jedem gleich auf die Nase binde, was meine Großeltern früher zu Nikolaus für Überraschungen für mich in petto hatten...... Nun zucke ich die Schultern.

„Was ist denn mit Philipp oder Henry?", will Mum plötzlich wissen, als ich mit dreckigem Geschirr, von den nun leeren Tischen zurückkomme. Ich schüttle den Kopf. Mit den beiden bin ich zur Uni gegangen und habe mich relativ gut mit ihnen verstanden. Mit Henry war ich ein paar Mal Aus - allerdings ist der Kontakt in letzter Zeit eher sporadisch, zu beiden. „Sicherlich nicht. Das letzte Mal etwas von ihnen gehört habe ich im Sommer, als wir mit ein paar Anderen im Club waren. Ich glaube kaum, dass einer von den beiden plötzlich auf so eine Idee kommt. Ich glaube Henry wohnt noch nicht mal mehr in der Stadt.", gebe ich zu bedenken. Hätte Mama sie nicht erwähnt, würde ich sicherlich noch nicht mal auf die beiden als Idee kommen..... „Was ist mit Niall?", fragt sie mich nun und ich stelle gleich die Gegenfrage wieso sowohl sie als auch Penny immer und immer wieder auf meinen Nachbarn kommen. Sie zuckt mit den Schultern und meint nur ich solle endlich mal mit offenen Augen durch das Leben gehen. „Das tu ich. Wir sind Freunde. Wir verstehen uns gut und......" - ich stocke. Das ich ihn ziemlich gern habe und vor allem unseren gemeinsamen Tag vorgestern besonders genossen habe, dass muss ich ihr nun ja nicht gleich auf die Nase binden - immerhin macht sie gerne mal aus einer Mücke gleich einen Elefanten. Sie zuckt mit den Schultern und beschließt mich für heute nach Hause zu schicken, obwohl es noch nicht annähernd an der Zeit ist. Sie begründet ihren Entschluss mit den Hinweis, dass ich immerhin den Laden zwischen Weihnachten und Neujahr alleine schmeißen werde, außer unsere Beiden Aushilfen stimmen tatsächlich zu diese dreieinhalb Tage zu überbrücken.

Ich lasse mir das ganze nicht zweimal sagen, flitze nach hinten um mir meine Jacke, Tasche und Flöckchen zu schnappen und verschwinde dann nach Hause und in den mir wohl verdienten Feierabend.

Bevor wir nach Hause gehen, spazieren wir noch eine große Runde durch den Park. Ausnahmsweise ist es heute Mal trocken und die Sonne scheint ein wenig.

Nach gut zwei Stunden, sind wir endlich Zuhause. Ich hole meine Post aus dem Briefkasten und schaue sie im Aufzug einmal schnell durch. Mir fällt ein dunkel Grüner Umschlag ins Auge. Stirnrunzelnd schaue ich ihn an. Kein Absender. Keine Adresse. Lediglich mein Name steht vorne drauf. Ich öffne ihn und gebe ein genervtes stöhnen von mir, als ich die Übliche Karte heraus ziehe.

"Lass dich darauf ein und habe vielleicht ein wenig spaß dabei." Ich ziehe die Augenbrauen hoch und schaue weiter in den Umschlag. Ich finde den Flyer eines Weihnachtsmarktes hier in London. Ich schüttle den Kopf. Niemals gehe ich freiwillig da hin. Es ist einfach nur voll und von überall wird gedrängt. 

Zusammen mit Flöckchen steige ich aus den Aufzug und werde direkt beinahe von Niall umgerannt. "Was machst du denn schon hier?", will er von mir wissen. "Wow, du hättest dich auch einfach für mich freuen können, dass ich heute ausnahmsweise mal nur bis um eins Arbeiten musste.", gebe och etwas pissig von mir und gehe dann an ihm vorbei zu meiner Wohnungstür. "So war das doch gar nicht gemeint. Geht's dir gut?", will er von mir wissen, während ich die Tür aufschließe. "Jap, mir geht es super. Mum meinte nur, ich könne heute mal früher gehen. Also habe ich mir das nicht zweimal sagen lassen und war anschließend mit Flöckchen ein wenig im Park.", erzähle ich ihm.  "Machst du gleich etwas Buchhaltung?", fragt er mich. Ich schüttle den Kopf. "Ich habe gestern noch einiges nachgeholt und nehme das Wörtchen frei heute mal ernst.", gebe ich von mir und ziehe mir die Schuhe, heute ausnahmsweise mal schon draußen aus. "Das trifft sich gut.  Vielleicht hast du ja Lust mit mir zum Weihnachtsmarkt zu gehen. Ich wollte gerade los und dich eigentlich auf den Rückweg abholen.", schlägt er mir vor. Ich schaue ihn an. "Ähm Nein. Danke, das kannst du vergessen!" Ich nehme meine Schuhe und will in meine Wohnung. "Ach Finnja komm schon.", höre ich ihn mir hinterher rufen und lasse die Tür absichtlich offen. 

"Seit wann hast du ein Lebkuchenhaus?", will Niall von mir wissen, als er mir durch den Flur folgt. "Vorgestern. Es kam mit den Päckchen.", antworte ich ihn und schüttle erneut den Kopf. Diese Ideen werden langsam immer seltsamer. "Nett." Ich drehe mich zu ihm um. "Blöd nur, dass ich kein Lebkuchen mag.", gebe ich von mir. "Naja, aber wie ich sehe magst du alles andere, was daran klebt und wenn er leer ist bringst du ihn dann einfach rüber.", schlägt er vor. Lachend verdrehe ich die Augen. "Abgemacht. Vielleicht schenke ich dir es auch zu Weihnachten, ganz gleich wie es bis dahin aussieht." "Klingt nach einem Plan. Wie sah der Inhalt des heutigen Päckchens aus?", fragt er mich. "Beschissen. Zum einen gab es überhaupt kein Päckchen und zum anderen war der Inhalt des Umschlages auch nicht besser.", informiere ich ihn und reiche ihm den Umschlag, bevor ich ihn die Küche gehe und ein wenig Gemüse für Buttercup vorbereite. 

"Ich finde es irgendwie cool und ziemlich passend. Wir könnten gemeinsam zur Themse gehen.", schlägt er vor. Skeptisch schaue ich ihn an. "Ähm, nee. Eigentlich habe ich da so überhaupt keine Lust drauf. Auf Weihnachtsmärkten ist es generell immer voll. Von vorne, hinten, rechts und links wird gedrängt und geschoben und man hat überhaupt keine Möglichkeit sich irgendwas anzuschauen.", lehne ich ab. "Es ist noch ziemlich früh. Die meisten gehen eh erst gegen Abend zum Weihnachtsmarkt. Es wird lustig. Außerdem hast du dir den Umschlag schon mal genauer angeschaut? Hier sind noch Gutscheine drin - du willst sie doch nicht etwa verfallen lassen?" Überrascht schaue ich ihn an. Gutscheine? Die habe ich vorher überhaupt nicht gesehen. "Was für Gutschein?", hakte ich schon ziemlich neugierig nach und gehe zum Kaninchengehege um das Gemüse in die Schale zu geben. "Keine Ahnung. Das finden wir wahrscheinlich nur raus, wenn wir zum Weihnachtsmarkt gehen. Hier ist auch noch eine Karte mit Kreuzen drin.", erzählt er mir. 

Ich gehe zu ihm und nehme ihm den Umschlag  und den Inhalt, den er bereits raus geholt hat aus der Hand und tatsächlich finde ich auch keine weiteren Hinweise als die mir Niall eben schon genannt hat. "Das ist doch echt lächerlich, oder?" "Spannend, würde ich es eher nennen." Ich verdrehe die Augen. "Na komm schon - lass uns gemeinsam gehen. Das wird Lustig."

Noch immer nicht begeistert schaue ich ihn an. "Du gehst doch eh, bring mir die Sachen, von den Gutscheinen doch einfach mit, wenn du es so Spannend findest.", schlage ich vor. "Ich bezweifle, dass ich die Gutscheine einlösen kann. Komm schon, lass dich drauf ein.", bittet er mich nun. Laut seufze ich und überlege, die Gutscheine vielleicht einfach verfallen zu lassen - allerdings bin ich da doch ein wenig zu Neugierde und bezweifle, dass ich je einen Tag finden werde, wo es nicht voll sein wird. Jedoch hätte ich zumindest heute ein klein wenig Gesellschaft....

"Okay meinetwegen. Ich gehe nur eben zur Toilette und ziehe mich dann wieder an.", gebe ich nun nach. „Das wird spaßig.“

„Yeay.“

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