23. Kapitel, 23. Dezember
Ich wache auf und weiß: Heute ist der große Tag gekommen. Heute werde ich nicht länger nur einen einzigen Gast in meinem Hotel bewirten. Heute kommt eine ganze Fußballmannschaft zu Besuch. Gleich mehrere Familien oder Paare. Ausgebucht. Das erste Weihnachten im Christmas Inn und ich bin ausgebucht. Mein Magen flippt jetzt schon aus. Ich wache auf und habe Hummeln im Hintern. Ich stehe auf, ziehe mich an und kann vor lauter Aufregung noch nicht einmal etwas essen. Ich fahre sofort zu meinen Eltern, damit ich diesen Punkt auf meiner Liste schon abhaken kann. Ich betrete das Krankenhaus und das erste mal in meinem Leben macht es mir nichts aus, die Krankenhausluft zu riechen und zu wissen, dass ich jetzt meine Eltern im Koma besuchen werde. Ich klopfe wieder zaghaft an der Tür, als wenn sie jeden Moment 'Herein" rufen könnten. Dann setze ich mich an das Bett meiner Eltern und erzähle Ihnen alles, was in den letzten Tagen passiert ist. Ich erzähle ihnen von meiner Aufregung und das heute die ersten Gäste kommen. Dass ich es kaum abwarten kann. Dass ich ihren Traum liebe und er zu meinem eigenen geworden ist. Dass ich mir nie wieder was anderes vorstellen kann, auch wenn ich noch gar nicht so viel Hotelluft geschnuppert habe. Immerhin habe ich erst einen Gast. Natürlich liebe ich es, weil ich mich in ihn verliebt habe. Mal sehen, wie es ist, wenn die anderen Gäste erst da sind und die Arbeit so richtig losgeht. Denn eigentlich habe ich gar keinen Plan, von dem was ich tue.
"Aber wie du immer gesagt hast, Dad: Lerning by doing, nicht wahr?" , frage ich, als wenn er antworten könnte. Ich höre seine Stimme förmlich in meinem Ohr. Ich höre mir immer wieder alte Sprachnachrichten der beiden an, weil ich Angst habe, dass ich vergesse, wie ihre Stimmen klingen. Schließlich rede ich noch eine ganze Weile und erzähle ihnen von meinem gesamten Gefühlschaos, bis ich auf die Uhr schaue und merke, wie spät es ist.
"Oh scheiße" , sage ich und muss lächeln, weil ich an Leano denken muss, der mich jetzt wieder auf mein Fluchen hinweisen würde.
"Ja, ich weiß. Man flucht nicht. Entschuldigt, Mum und Dad. Ich bin echt spät dran. Jetzt muss ich rennen. Das wird wohl eine erste, tolle Begrüßung" , sage ich und verabschiede mich noch schnell von den beiden.
"Ich hab euch lieb" , sage ich und gebe beiden jeweils einen Kuss auf die Wange. "Bis morgen"
Dann sprinte ich zurück zum Hotel und komme völlig aus der Puste an. Das Auto der ersten Familie, die uns besuchen will, steht schon auf dem Parkplatz.
"Shit" , fluche ich.
"Das hab ich gehört" , höre ich Leano lachen.
"Hey!" , sage ich. "Wo ist Familie Huber?" , frage ich.
"Schon drinnen. Jul hat mir geholfen. Wir haben die Betten frisch bezogen, die Zimmer für die Erwachsenen und die Kinder hergerichtet und Ihnen alles gezeigt. Sie eingewiesen und alles erledigt" , sagt er stolz.
"Wow. Danke, du bist meine Rettung. Danke, Danke, Danke" , sage ich und umarme ihn stürmisch.
"Ich hab auch mitgeholfen!" , ruft Jul. "Kriege ich jetzt auch eine Umarmung?" , fragt er. Ich erkenne meinen Bruder nicht wieder.
"Seit wann forderst du Umarmungen?" , frage ich grinsend.
"Sei schnell. Das wird so schnell nicht wieder vorkommen" , sagt er. Dann umarme ich auch meinen Bruder fest.
"Danke, ihr seit meine Helden des Tages" , sage ich.
"Wo warst du denn?" , fragt Leano mich, als Jul wieder verschwunden ist. Wahrscheinlich zum zocken in sein Zimmer.
"Bei meinen Eltern" , erkläre ich. "Ich hab die Zeit völlig vergessen. Danke, dass ihr das übernommen habt" , bedanke ich mich noch einmal bei ihm.
"Gern geschehen. Es hat sogar Spaß gemacht. Auch wenn es nicht einfach ist in einem Rollstuhl ein so riesiges Bett zu beziehen. Deshalb musste ich Jul um Hilfe bitten"
"Er kann ganz in Ordnung sein" , sage ich grinsend.
"Dein Bruder ist toll"
"Ebenso toll, wie ich?"
"Mindestens" , erwidert er.
"So, jetzt muss ich mich aber noch um die restlichen Zimmer kümmern. Die anderen müssten auch jeden Moment auftauchen können.
"Ich helfe dir, dann geht es schneller" , erwidert Leano.
"Du musst das echt nicht tun" , sage ich.
"Was denn?"
"Na, mir helfen. Du bist immerhin auch Gast. Kein Mitarbeiter" , erwidere ich.
"Aber es macht Spaß. Und ich verbringe eben gerne Zeit mit dir. Außerdem geht es zu zweit schneller, als alleine" , widerspricht er mir.
"Ich kann dich wohl nicht davon abhalten, was?" , frage ich.
"Nö- Niemals" , bestätigt er und so machen wir uns gemeinsam daran, die Betten noch einmal für die neuen Gäste frisch zu beziehen und den Boden zu saugen. Alles schön herzurichten und kleine Weihnachtsschokoladenmänner auf den jeweiligen Kopfkissen zu verteilen. Damit sind wir eine ganze Weile beschäftigt. Gleich nach den Zimmern fange ich noch einmal an das ganze Hotel zu putzen. Ich bin gerade dabei , das Wohnzimmer noch einmal sauber zu machen, als ich ein Hupen von draußen höre. Das muss die nächste Familie sein. Meine ersten Hotelgäste, die sich angekündigt haben, die ich selbst begrüßt habe. Meine Güte, ist das aufregend. Das Kribbeln in meinem Bauch wird immer stärker und ich lasse den Wischmopp links liegen.
"Willkommen im Christmas Inn" , begrüße ich die fünfköpfige Familie.
"Dankeschön" , sagt der Vater, der ein kleines Baby auf dem Arm hat.
"Es war eine echt lange Fahrt. Können sie uns direkt unser Zimmer zeigen?" , fragt die Frau mich nun.
"Natürlich. Alles, was sie wünschen" , sage ich und krame hinter dem Tresen einmal den Schlüssel für das Zimmer heraus, was sie gebucht haben. Sie haben eine der größeren Zimmer bekommen, denn sie haben immerhin ein Baby, ein Hund und ein kleines Kind dabei.
"Hier befindet sich ihr Zimmer. Wenn sie etwas brauchen, melden sie sich bei mir. Auf den Zimmern sind kleine Telefone. Die schalten direkt zur Rezeption, wenn sie die eins drücken. Ansonsten können sie auch jederzeit herunterkommen. Machen sie es sich erst einmal gemütlich und packen sie aus. Dann können sie noch einmal runterkommen, wenn sie angekommen sind und ich zeige ihnen alles" , sage ich und verabschiede mich von der Familie. Ich werde nicht die ganze Zeit hinter dem Tresen stehen können. Irgendwann werde ich dafür einen Mitarbeiter einstellen. Vielleicht ist aber auch gerade das der Charme. Den Urlaub verbringt man normalerweise nicht nur auf dem Zimmer. Mein Hotel ist eben kein typisches, schickes Hotel. Eher ein gemütliches. Bei dem die Gäste die meiste Zeit gemeinsam im Wohnzimmer Zeit verbringen.
"Das ist doch gut gelaufen" , sagt Leano und erschreckt mich schon wieder.
"Spinnst du?" , frage ich, doch er fängt einfach nur an zu lachen. Ich muss wahnsinnig komisch aussehen, weil ich mich so erschrocken habe.
Draußen höre ich wieder quietschende Reifen und ein weiteres, kleines Auto parkt auf dem Parkplatz ein. Heraus kommen ein junger Mann und eine junge Frau, die ein kleines Mädchen auf dem Arm trägt. Ich schätze das kleine Mädchen auf vier. Sie scheint zu schlafen. Die Mutter der Tochter begrüßt mich leise und führt einen Zeigefinger an die Lippen.
"Okay" , flüstere ich. "Willkommen im Christmas Inn"
"Dankeschön. Ich bin Chandler. Das ist Gwyn, meine Frau und das ist unsere Tochter Nieves" , flüstert er und reicht mir die Hand.
"Freut mich, Sie kennenzulernen" , sage ich.
"Ich zeige Ihnen direkt ihr Zimmer" , sage ich und krame den Schlüssel an der Rezeption hervor. Dann zeige ich ihnen das andere Zimmer, in dem eins der großen Doppelbette steht und ein kleines Bett, wo die kleine sonst auch schlafen kann, wenn sie nicht im Bett ihrer Eltern schläft.
"Danke" , flüstert Chandler und die drei sind auch erst einmal in ihrem Zimmer verschwunden.
Nun erwarte ich noch drei Pärchen, die allesamt heute noch ankommen sollen. Ich kanns kaum glauben, dass bisher alles so perfekt gelaufen ist. Meine Aufregung hat sich ein wenig heruntergefahren, bis ich ein paar Stunden später ein Klopfen an der Tür höre und hinsause.
"Puh, es ist eiskalt draußen" , werde ich begrüßt.
"Hey, Willkommen im Christmas Inn. Hier ist es warm und kuschelig" , nutze ich das Angebot auf seinen Satz einzugehen.
"Das war gut" , sagt er grinsend.
"Soll ich euch direkt euer Zimmer zeigen?" , frage ich die beiden. Eine kleine, zierliche Frau tritt nun neben den jungen Mann.
"Ja, bitte. Wir frieren uns den Arsch ab. Wir mussten mit dem Zug fahren und die letzten Meter waren zu kalt für mich" , sagt sie Frau.
"Wir sind übrigens Youki und Tala" , stellt der junge Mann sich und seine Freundin vor.
"Fjolla" , sage ich und zeige den beiden ihre Zimmer.
"Wir haben auch einen Kamin" , sage ich gerade, als die beiden die Zimmertür betreten. Auf dem Weg dorthin habe ich den beiden etwas über mein kleines Hotel erzählt. Sie stellen bloß das Gepäck in den Raum und sind mir sofort wieder auf den Fersen.
"Sag uns sofort, wo dieser Kamin steht" , sagen die beiden gleichzeitig und beginnen zu lachen.
"Aye Aye" , sage ich und die beiden folgen mir zum Kamin. Die beiden kuscheln sich gemeinsam vor den großen Kamin und ich sehne mich auch nach jemandem, mit dem ich Urlaub zu Weihnachten machen kann und an den ich mich kuscheln kann, wenn wir kalt ist. Morgen werde ich es ihm sagen, was ich für ihn empfinde beschließe ich in dieser Sekunde. Jetzt ist so viel Trubel los, dass ich ihm zur Not auch aus dem Weg gehen kann, sollte er meine Gefühle nicht erwidern. Als ich wieder ein Auto höre, stelle ich mich ans Fenster, weil ich gerade oben bin und noch eins der Zimmer beziehe, welches wir vorhin vor lauter Aufregung übersehen haben. Ich traue meinen Augen kaum, als ich nach draußen schaue. Dort kommt ein Motorrad die Auffahrt herunter gefahren. Das Motorrad parkt vor meinem Hotel. Auf dem Motorrad sitzt ein junger Mann in sehr alten Klamotten. Ich frage mich, warum die Leute heutzutage nicht mehr so rumlaufen, denn das sieht viel besser aus, als die hässlichen Jogginganzüge, die die Jugendlichen heute tragen. Er nimmt den Helm ab und hilft schließlich seiner Freundin den Helm abzusetzen. Darunter kommt eine bildhübsche Junge Frau zum Vorschein. Doch das ist gar nicht das beste an der Szene. Denn erst jetzt sehe ich den Anhänger, der rechts am Motorrad ist. Die junge Frau hilft nun einem kleinen Mädchen ihrem Helm abzusetzen. Das kleine Mädchen strahlt. Sie hat einen kleinen Ballettrock unter ihrer dicken Jacke und ich zerschmelze, denn ich habe noch nie ein so süßes Wesen gesehen! Die drei kommen auf mein Hotel zu. Ich lasse alles liegen und springe nach unten, um diese Familie zu begrüßen. Da öffnet sich auch schon die Tür und die drei kommen herein.
"Hi, wir haben hier über Weihnachten gebucht. Sind wir richtig im Christmas Inn?" , fragt der Mann.
"Hi, Willkommen im Christmas Inn. Ja, sie sind richtig. Ich brauche unbedingt noch ein Schild, damit auch alle den Weg finden" , sage ich verlegen lachend. "Ich bin Fjolla" , sage ich.
"Luz" , sagt die kleine.
"Hi. Wir sind Yeshua und Astraia. Das ist meine kleine Schwester" , sagt die junge Frau.
"Es ist wirklich schön hier. Können wir unsere Sachen aufs Zimmer bringen und Sie zeigen uns alles?" , fragt Yeshua.
"Klar" , sage ich. Erst jetzt bemerke ich, dass ihr Zimmer noch nicht fertig ist. Ich habe eben alles stehen und liegen lassen, als ich die drei gesehen habe. Scheiße, ist das peinlich.
"Warten Sie noch.." , will ich gerade beginnen, als ich Leano anrollen sehe. Er zeigt einen Daumen nach oben und zwinkert mir zu. Wir verstehen uns auch ohne Worte, weshalb ich ihn sofort verstehe. "Danke" , forme ich mit den Lippen und er verschwindet wieder. Dann zeige ich den dreien ihr Zimmer und anschließend das Hotel. Ich lasse die drei im Wohnzimmer stehen, als erneut neue Gäste eintreffen. Die letzten. Mein Bauch kribbelt immer noch vor Aufregung.
"Das war tatsächlich auch alles" , sage ich und verabschiede mich erst einmal von den dreien, um die neuen und letzten Gäste zu begrüßen. Auch die beiden kommen mit einem Motorrad an, aber die junge Frau fährt. Sie setzen die Helme ab und begrüßen mich mit einem strahlendem Lächeln.
"Das sieht wirklich wunderschön aus. Schon von außen" , sagt die junge Frau und streckt mir ihre Hand entgegen. "Robin" , sagt sie. Dann setzt auch der Mann seinen Helm ab und zum Vorschein kommen die blausten Augen, die ich je gesehen habe. Anschließend zieht er seine Motoradjacke aus und nun sehe ich auch seine tätowierten Arme. Er hat nur ein Shirt drunter. Das muss doch kalt sein. Deshalb bitte ich die beiden sofort hinein.
"Kommt, ich zeige euch euer Zimmer. Ich bin Fjolla" , sage ich und zeige auch den beiden ihr Zimmer. Nun kann ich endlich mal durchatmen. Alle Gäste sind angekommen und es ist alles glatt gelaufen. Ich bin total glücklich. Nun streuen sie im Hotel herum, schauen sich alles an und kommen erst einmal an. Alle Zimmer sind mit tollen Menschen belegt und ich kann mein Glück kaum fassen.
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