14. Kapitel, 13. Dezember
Wir gucken drei statt der zwei versprochenen Folgen Zack und Cody, weil es ein gewisses Suchtpotenzial hat, was Leano gnadenlos ausnutzt. Schließlich raffe ich mich auf und mache den Fernseher aus, woraufhin sofort laute Beschwerden zu hören sind.
"Ich muss jetzt arbeiten" , sage ich mit fester Stimme.
"In dem Aufzug?" , fragt er lachend.
"Sieht mich doch niemand" , sage ich.
"Na, ein Glück sieht man einen nicht beim Telefonieren" , sagt er lachend.
"Hey!" , beschwere ich mich. "Das Outfit ist todschick" , erkläre ich.
"Okay, gehst du mit deinem Todschicken Outfit auch mit mir ins Café?" , fragt er.
"Klar doch" , sage ich voller Selbstbewusstsein und bereue es spätestens am Nachmittag, als Leano diesen Plan tatsächlich in die Tat umsetzen will. Ich arbeite noch, als er ins Wohnzimmer kommt.
"Feierabend!" , verkündet er und schließt meinen Laptop. Es passt tatsächlich perfekt, weil ich gerade meinen letzten Punkt auf meiner Liste für den heutigen Tag abgehakt habe. Schließlich muss ich mich nun auch um meinen Gast kümmern.
"Perfektes Timing. Und du hast deinen Schlafanzug ja tatsächlich noch an. Dann können wir uns jetzt ja auf den Weg ins Café machen" , verkündet er.
"Bist du verrückt?" , frage ich.
"Wieso? Du hast doch gesagt, du gehst auch so ins Café. Das will ich sehen"
"Niemals!"
"Bist du ein Feigling?" , fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Nein"
"Dann beweise deine Frau und geh so mit mir ins Café"
"Aber hier kennen mich doch alle"
"Na und? Ist doch todschick dein Outfit" , erklärt er grinsend und ich gebe mich geschlagen.
"Ich gehe so, wenn du auch einen Weihnachtspyjama anziehst und mit mir mitkommst" , sage ich.
"Okay" , erwidert er.
"Echt jetzt? Okay? So einfach?" , frage ich.
"Ja" , erwidert er. "So hab ich meinen Spaß"
"Dich kennt hier ja auch keiner"
"Doch, inzwischen schon. Aber die Leute wird es freuen, wetten? Wir werden etwas gutes tun und allen Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das ist doch etwas schönes!" , erklärt er mir.
"Naja, die werden uns auslachen. Das sind zwei verschiedene Schuhe"
"Ich werde meinen Spaß und eine unvergessliche Erinnerung haben. Das ist die Hauptsache"
"Ich möchte das Leben mal so positiv sehen, wie du"
"Versuch es" , sagt er. "Diese Tat ist der erste Schritt in die richtige Richtung" , erklärt er. Er zieht sich um und hat einen ebenso süßen Schlafanzug an, wie ich es habe. Auf seinem befinden sich überall Zuckerstangen. Schließlich ziehen wir uns zumindest unsere Winterjacken an, sodass wir bei den eisigen Temperaturen nicht erfrieren. Ich rede es mir schön, in dem ich meine, man sieht so zumindest nur meine Hose und nicht meinen vollen Aufzug. Trotzdem schauen die Leute komisch, als wir an ihnen vorbei ziehen in unserem seltsamen Aufzug. Spaß macht es trotzdem. Das muss ich zugeben und Leano lassen. Seine Ideen sind bescheuert, aber witzig.
"Da wären wir" , sagt er und hält mir die Tür auf.
"Dankeschön" , sage ich und halte nun ihm die Tür auf, damit er mit seinem Rollstuhl hinein fahren kann.
"Ich schreie. Was habt ihr denn da an?" , fragt December uns.
"Todschicke Sachen" , erklärt Leano. "So hat Fjolla mir das zumindest heute morgen erzählt. Und nun sind wir eben hier gelandet. Weil sie kein Feigling ist"
"Darf ich ein Polaroidfoto von euch machen? Das muss in die Geschichte des Zimtschneckenküsse eingehen" , erklärt sie.
"Wen's unbedingt sein muss" , sage ich.
"Das wird eine super Erinnerung" , sagt Leano und ich gebe mich wieder einmal geschlagen. Er posiert und ich lächle gezwungen in die Kamera. Fjolla drückt ab und schüttelt das Foto. Eigentlich muss man es gar nicht schütteln, aber ich lasse sie in dem Glauben und warte gespannt, bis sich die ersten Farben abbilden.
"OMG! Das ist sooo süß" , kreischt December mir ins Ohr. Sie schießt direkt ein Foto von dem Polaroidfoto und drückt es mir in die Hand.
"Für dich. Darf ich noch eins machen?" , fragt sie. "Setz dich mal auf Leanos Schoß" , sagt sie. Sag mal, weiß meine Freundin, dass Leano eigentlich nur ein Gast ist? Sie kann doch nicht einfach verlangen, dass ich mich auf den Schoß eines Hotelgastes setze. Schließlich habe ich ihr nicht von der letzten Zeit erzählt, was zwischen uns vorgefallen ist. Sie kann das doch nicht einfach erwarten, nur weil wir im gleichen Alter sind.
"Na los, mach schon" , sagt sie, als ich keine Anstalten mache. Es ist mir peinlich und ich traue mich auch nicht Leano zu fragen, ob es okay ist.
"Ist okay" , sagt er, als wenn er meine Gedanken gelesen hat. So setze ich mich nun mitten im Café in meinem Weihnachtspyjama auf dem Schoß von Leano, um für Decembers Fotosession zu posieren. Sie schießt etliche Polaroidfotos und ich kann schon gar nichts mehr sehen vor lauter Blitzen. Trotzdem sehe ich noch, wie alle Gäste uns anstarren.
"Schau mal, wie die alle gucken" , flüstere ich Leano zu.
"Lass sie doch" , sagt er. Ich wünschte, ich wäre mehr wie er. Ich wünschte, es wäre mir egal, was die anderen Leute von mir denken. Aber ich will gemocht werden. Ich will, dass die Leute gerne in mein Hotel kommen. Es ist mir leider nicht egal, was die Leute denken. Nach ungefähr hundert Fotos stehe ich wieder auf und wir setzen uns an einen der Tische.
"Oh Fjolla, ich spüre meine Beine nicht mehr" , sagt er.
"Oh scheiße, alles okay? War ich zu schwer?" , frage ich und mache mir direkt wieder Sorgen.
"Scheiße, Fjolla. Nein!" , sagt er. "Das sollte ein Witz sein. Ich spüre meine Beine nie" , erklärt er.
"Oh, entschuldige" , sage ich. Manchmal trete ich durch seine Witze in große Fettnäpfchen. Manchmal verstehe ich seinen Humor nicht. Eigentlich ist es witzig. Ich mag das, aber dieses Mal habe ich einfach nur ein Unwohlgefühl empfunden.
"Entschuldige dich bitte nicht ständig bei mir. Es gibt keinen Grund dazu"
Die Leute wenden sich wieder ihren eigenen Gesprächen zu und ich bin wahninnig froh endlich aus der Aufmerksamkeit heraus zu sein.
"Tut mir Leid" , sage ich und bemerke es selbst. Ich will mich schon wieder entschuldigen. Die letzte Nacht hat mich verunsichert. Doch für Leano scheint alles beim alten geblieben zu sein. Er behandelt mich nicht anders.
"Wag es ja nicht!" , sagt er. Holly kommt zu uns und nimmt unsere Bestellung entgegen. Wir bestellen natürlich das gleiche, wie immer. Zwei Kakaos und zwei Zimtschnecken. Demnächst müssen sie uns eigentlich gar nicht mehr fragen, sondern nur noch die Bestellung bringen. Leano schaut sich währenddessen zwei der Polaroidfotos an, die December von uns geschossen hat.
"Darf ich eines der beiden behalten?" , fragt er.
"Klar, welches willst du?" , frage ich.
"Das!" , sagt er und nimmt sich eines der beiden.
"Kann ich das andere haben?" , frage ich.
"Klar" , erwidert er und steckt es mir zu. Ich stecke es in meine Handyhülle, sodass ich uns beide immer sehen kann. "So vergesse ich meinen ersten Gast niemals" , sage ich.
"Ich bin nur ein Gast?"
"Du bist so viel mehr als das" , erwidere ich und in diesem Moment kommt unsere Bestellung, über die wir herfallen, als hätten wir seit Tagen nichts gegessen.
"Aufpassen! Sonst beißt ihr mir noch einen Finger ab" , scherzt Oma Holly. Wir genießen unseren Kakao und die Zimtschnecken, bevor wir uns in unseren Schlafanzügen wieder auf den Rückweg ins Hotel machen.
"Und, war das jetzt so schlimm?" , fragt er.
"Naja, die Aufmerksamkeit war schon ein wenig unangenehm. Aber als wir dann saßen war es okay"
"Hattest du Spaß?"
"Schon ein wenig, ja" , gebe ich zu.
"Siehst du. Und nun, da wir schon Pyjamas anhaben und heute Freitag ist, ist das der perfekte Tag für unseren Weihnachtsfilmemarathon. Du hast schließlich einiges nachzuholen" , erklärt er mir in strengem Ton. Ich muss lachen, denn ich kann ihm in seinem Weihnachtsschlafanzug einfach nicht ernst nehmen.
"Tut mir Leid, du siehst einfach zu lustig aus" , sage ich.
"Pf" , erwidert er und Zuhause richten wir gemeinsam die Couch ein. Jul ist schon wieder aus der Schule da und zockt in seinem Zimmer. Leano hat eine lange Liste auf seinem Handy geschrieben, mit Weihnachtsfilmen, die wir gemeinsam sehen müssen. Ich schaue die Liste an, die wirklich endlos lang ist.
"Die hört ja gar nicht mehr auf. Das können wir niemals heute schaffen. Ja, noch nicht einmal in einem ganzen Jahr" , sage ich.
"Dann muss ich wohl oder übel jedes Jahr wiederkommen" , sagt er schulterzuckend.
"Musst du wohl" , erwidere ich und schalte den ersten Film des Abends an. Nach einer Weile kommt Jul hinunter, denn er hat Hunger bekommen. Leano und ich wollen unseren Weihnachtsfilmeabend jedoch nicht unterbrechen, um zu kochen, weshalb wir uns ausnahmsweise Essen ins Hotel liefern lassen, was Jul natürlich ungemein freut. Nachdem wir nun in den letzten Wochen gekocht haben, vermisst er unsere drei Mal in der Woche bestellen doch ein winziges bisschen. Wir entscheiden uns für Pizza. Nachdem wir gerade den zweiten Weihnachtsfilm angefangen haben, klingelt es an der Tür.
"Pizza ist da!" , rufe ich nach oben, als die Pizza angekommen ist. Wir alle drei setzen uns auf das Sofa und während wir die Pizza essen schaut Jul einen der Weihnachtsfilme mit.
"Was für einen Kitsch schaut ihr denn da?" , fragt er mit angeekeltem Blick.
"Prinzessinentausch. Einen Weihnachtsfilm. Ein Klassiker" , erklärt Leano.
"Hat Fjolla mal wieder einen Film ausgesucht? Ich hasse es, wenn sie das tut" , erklärt mein kleiner Bruder.
"Nein, ausnahmsweise geht der Film dieser Art mal nicht auf meine Kappe" , verteidige ich mich.
"Du schaust dir sowas freiwillig an?" , fragt Jul.
"Das ist Filmgeschichte!" , protestiert Leano, doch aus dieser Nummer kommt er nicht mehr heraus. Mein kleiner Bruder hält ihn für ein Weichei.
"Also, eigentlich fand ich dich echt cool, aber das ist echt peinlich" , sagt er.
"Warum denn?"
"Das ist ein Mädchenfilm!" , sagt Jul.
"Oh, kleiner. Du hast noch viel zu lernen. Gerade, wenn man solche Filme schauen kann, ist man ein Mann. Da wird deine Männlichkeit in Frage gestellt, was?" , neckt er meinen kleinen Bruder. "Die meisten Männer haben Angst, wenn sie sowas mögen. Ich nicht. Ich mag solche Filme und ich steh dazu. Ganz egal, was die anderen denken. Und ich glaube, du kommst auch noch an diesem Punkt an. Spätestens, wenn du eine Tochter hast" , sagt er. Ganz der weise Mann.
"Wow, Fjolla. Da hast du dir ja echt den perfekten Freund geangelt" , sagt er und steht auf, um seinen Pizzakarton wegzuschmeißen. Stille entsteht. Rasende Stille. Was ist denn das heute? Alle halten uns für ein Pärchen und auch wenn ich nichts lieber als das wäre, ist es doch jedes Mal unangenehm, weil wir beide noch nicht in Ruhe darüber gesprochen haben. Auch nun schneidet niemand das Thema an. Wir rasen langsam darauf zu.
"Findest du es schlimm, dass ich solche Filme mag?" , fragt er mich leise.
"Nein!" , sage ich lautstark. "Das ist nur gut für mich, denn ich liebe solche Filme. Und niemand will sie mit mir gucken! Ich finde es toll, dass du solche Filme magst und auch dazu stehst" , erkläre ich. "Nicht mal meine beste Freundin" , sage ich. Auch wenn sie blind ist, liebt sie Filme. Ich weiß nicht, warum alle Leute immer denken, dass blinde Menschen keine Filme mögen, nur weil sie nicht sehen, aber Nur liebt eher Actionfilme.
"Danke" , sagt er.
"Du brauchst dich dafür doch nicht zu bedanken"
"Die meisten Leute lachen"
"Die meisten Leute sind Arschlöcher"
"Auch wieder wahr" , gibt er zu. Gleich nach Prinzessinentausch schauen wir den zweiten und anschließend den dritten Teil. Bis es mitten in der Nacht ist und ich einschlafe. Mal wieder neben Leano, der ebenfalls einschläft. Der Abspann des Filmes läuft gerade, als ich wieder aufwache. Ich befinde mich auf dem Sofa neben Leano. Er hat sich zusammengerollt, auf die Seite und mein Kopf liegt auf seiner Brust. Im Schlaf müssen wir uns so zurecht gelegen haben. Ich schalte den Fernseher aus und lege mich exakt genauso wieder hin, weil ich seine Nähe genieße. Ich mag es, so mit ihm einzuschlafen und ebenso mit ihm wieder aufzuwachen, weshalb ich mich einfach wieder hinlege und noch einmal versuche einzuschlafen. Sein Atem beruhigt mich, weshalb mir tatsächlich nach ein paar Minuten wieder die Augen zufallen.
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