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Player: Jungkook

"Wohin gehen wir?", frage ich und werfe den vorbei gehenden Menschen Hilfesuchende Blicke zu, aber keiner von ihnen schenkt mir genug Beachtung um sie zu bemerken, nicht einmal die Krankenpfleger. Es ist quasi Hoffnungslos und selbst wenn einer von ihnen stehen bleibt und mich fragt, ob alles in Ordnung ist, was soll ich sagen? In der Gegenwart meines Vaters bin ich Machtlos, alles was ich sage wird er gegen mich verwenden und mich dann bestrafen. 

Ich weiß immer noch nicht ob die Entscheidung ihn in das Zimmer zu lassen die richtige war. Ich dachte, dass es nicht eskalieren könnte, immerhin waren diese Gören drin und es würde die Gefahr bestehen, dass jederzeit jemand rein kommen könnte. Er würde mir in so einer Situation nie etwas tun, das dachte ich zumindest. Ich hatte nicht damit gerechnet das er den Krankenpfleger um einen Rollstuhl bitten würde damit er mit mir spazieren gehen kann und das dieser es bewilligt, damit hätte ich noch viel weniger gerechnet. 

Es braucht keinen Blick von mir in seine Richtung um zu wissen, dass er gerade lächelt um den Schein eines freundlichen Vaters zu wahren. Sein Schauspiel ist perfekt, niemand zweifelt die Geschichte seines psychisch labilen Sohnes an, dem er das Leben gerettet hat, sogar ich habe Momente wo ich ihm seine Sorge beinahe abkaufe, wie vorhin der, in dem er mich vorsichtig und behutsam in den Rollstuhl gehoben hat. Aber diese Momente verfliegen so schnell wie sie kommen, meine Erfahrung lehrt mich eines besseren. 

Dieser Mann kennt keine Liebe und Vorsicht, er kennt nur Kontrolle, die er mit Gewalt bezwingen möchte und nur der Kontrolle wegen ist er überhaupt hier. 

Ich verstecke meine Hände unter der Decke in meinem Schoß, damit er das zittern nicht bemerkt und hoffe das er das laute Pochen meines Herzens nicht hört als wir im vollkommen leeren Besucherraum ankommen, in den sich angehörige von Patienten zurück ziehen können. Ich weiß nicht, ob es ein Zufall ist das hier niemand ist oder ob er extra diesen Raum gewählt hat, weil er wusste dass sich niemand hier aufhalten würde, aber was auch immer es ist, ist eigentlich egal. Ich bin ihm vollkommen ausgeliefert, schon wieder. 

Er schiebt mich an einen der Runden Tische heran, auf dem ein Becher mit heißem Tee steht, das ist an dem Dampf zu erkennen. Ich lasse ihn nicht aus den Augen als er drum herum geht, einen Stuhl nach hinten zieht und sich direkt gegenüber von mir hinsetzt. 

Der Raum wirkt freundlich, von den hellen Tapeten über die Dekoration und das Licht, das durch die großen Fenster scheint und ihm noch mehr positives verleiht. Es wirkt wie ein schöner Raum, in den sich Familie und Freunde wirklich zurück ziehen können wenn sie auf Patienten warten, aber im Moment hat diese Freundlichkeit etwas ironisches für mich. Das hier wirkt lächerlich, weil ich mit ihm hier sitzen muss und nichts, womit er zu tun hat kann in irgendeiner Art und Weise Positiv sein. 

"Wieso siehst du mich so an?", fragt er mit gerunzelter Stirn und lächelt unschuldig. "Ich bin nur hier um mit dir zu reden."

Reden. Ich habe seit einer Ewigkeit nicht mehr mit ihm geredet, das war nicht nötig. Er arbeitet, man mag es kaum glauben, als Sekretär eines recht bekannten Unternehmens hier in Seoul und deswegen sehen wir ihn kaum, aber wenn wir es tun, werden kaum Worte ausgewechselt, sondern viel mehr Fäuste. Es ist also kaum verwunderlich, dass ich bereits vergessen habe wie seine Stimme klingt, dafür aber immer genaustens weiß wie seine Schläge sich an welcher Stelle anfühlen. 

"Reden?", frage ich verächtlich und sehe ihn genau so an. "Du willst mir drohen, also verschwende unserer beider Zeit nicht. Droh mir."

Sein lächeln wird breiter während er sich im Stuhl zurück lehnt und seine Hände ineinander verschränkt flach auf seinen Bauch legt. "Du bist nicht so dumm wie deine Schulnoten es vermuten lassen."

Ich spüre wie er mit den Fuß immer wieder leicht gegen das Bein des Tisches tritt, eine Gewohnheit, die ich von ihm übernommen haben muss. Wenn ich meine Beine übereinander schlage, kann ich das, das oben liegt nie still halten. Ich wackle ständig mit den Füßen als würde ich auf etwas warten. Ich habe also nicht nur das Aussehen größtenteils von ihm, sondern auch einige Angewohnheiten, aber im Moment macht mir das weniger aus als sonst immer. Ich bin nur froh das ich nicht seine Bereitschaft zur Gewalt habe, die ich so sehr verachte. 

"Was hast du dem Arzt erzählt?", fragt er und sieht aus dem Fenster auf den Spielplatz nach unten, wo ein kleiner Junge von seinem Vater auf der Schaukel Anschwung bekommt. 

Mir war klar, dass er hier ist um Informationen einzuholen, um zu erfahren ob ich bei seinem kleinen Lügentheater mitgespielt habe, aber es macht mich dennoch fassungslos. Er hat mich nicht gefragt wie es mir geht oder was der Arzt mir zu meinem Gesundheitszustand gesagt hat, es kümmert ihn kein Stück. Es sollte mich nicht verwundern, es hat ihn nie interessiert, aber es verletzt mich dennoch. 

"Ich brauchte ihnen gar nichts zu erzählen, das hast du ja bereits erledigt." Ich versuche die Verachtung in meiner Stimme gar nicht erst zu verstecken, auch wenn es seine Wut nur noch steigern könnte. Diesen Ton hat er schon immer gehasst, aber im Moment scheint es ihn nicht groß zu interessieren, für ihn ist nur sein eigener Ruf, seine eigene Zukunft wichtig und die würde zerstört werden wenn heraus kommt das er Jahrelang seine Frau und seinen Sohn misshandelt hat. 

"Eine gute Geschichte, nicht wahr? Sie deckt alles ab."

"Alles, bis auf eine Sache", sage ich und sichere mir damit wieder seine Aufmerksamkeit. Er wendet sich von dem Fenster ab, zieht eine Augenbraue nach oben und sieht mich an. Ich balle die Hände zu Fäusten. "Wie hast du ihnen den Zustand von Mom erklärt?"

Er mag mir vielleicht eine Flasche über den Kopf gezogen und eine Glasscherbe in das Bein gerammt haben, aber auf meine Mutter hat er immer wieder eingeschlagen und getreten, ihre Verletzungen müssen schlimmer sein als meine. Er hat den Krankenwagen gerufen und ihnen die Geschichte mit dem Selbstmord aufgetischt, aber was hat er zu ihrer Erscheinung gesagt? Sie wird sich wohl kaum selber solche Verletzungen zufügen können. 

"Gar nicht. Deine Mutter war nicht mehr da als der Krankenwagen eingetroffen ist. Ich bin nicht dumm, Jungkook. Ich habe sie ins Ferienhaus geschickt und den Sanitätern gesagt, sie wäre im Urlaub." Er lacht als er mir ins Gesicht sieht und den hasserfüllten Ausdruck darin erkennt. "Du siehst, wie viel Kontrolle ich habe, nicht wahr? Und du weißt, was passiert wenn du deinen Mund zu weit auf machst, habe ich recht?"

Da ist sie, die Drohung wegen der er eigentlich hierher gekommen ist. Es sind nie direkte Drohungen, er versteckt sie häufig hinter solchen Fragen, aber er hat mir als Kind bereits oft genug eingetrichtert was passieren würde, wenn ich mit jemand anderem darüber rede was hinter unseren verschlossenen Türen passiert. Er sagte Privates sollte auch Privat bleiben.

"Du bist erbärmlich", sage ich ohne ihn anzusehen und starre meine Fäuste an. 

"Was hast du gesagt?"

"Du hast mich verstanden!" Wenn ich in der Lage dazu gewesen wäre, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich aufgesprungen und hätte mich nach vorne gebeugt, aber gerade kann ich ihn nur ansehen, mit all dem Hass, der sich die Jahre aufgestaut hat. "Was glaubst du passiert, wenn ich den Mund auf mache? Sie würden dich in das Loch stecken, in das du gehörst und weißt du was mit Menschen wie dir im Gefängnis passiert? Du glaubst du wärst stark, weil du in der Lage bist eine Frau und ein Kind zu verprügeln? Du bist ein Nichts, im Gefängnis würden sie dich bei lebendigem Leib verspeisen."

Es ist das erste mal in meinem gesamten Leben, dass ich ihn Fassungslos sehe. Kein Wunder, wenn man bedenkt das wir kaum Worte miteinander ausgetauscht haben und ich dementsprechend auch nie die Chance hatte ihm meine Meinung und meine Gedanken mitzuteilen, aber vielleicht war das auch gut so. Spätestens als er sich mit den Händen am Tisch abstützt und den Stuhl beim aufstehen umwirft, weiß ich nämlich, dass meine Worte ein riesiger Fehler waren. 

Er kommt um den Tisch herum und geht direkt vor mir in die Hocke. "Du fragst mich, was passieren würde, wenn du den Mund auf machst?", fragt er und nimmt die heiße Tasse Tee in die Hand. Bevor ich reagieren kann, hat er mir bereits die flache Hand auf den Mund gepresst und kippt die heiße Flüssigkeit langsam über meine Brust. Ich schreie sofort auf, aber meine Schreie werden durch seine Hand erstickt, die ich versuche von da weg zu reißen, aber ich scheitere bei dem Versuch daran. 

Tränen steigen mir in die Augen, meine Schreie verwandeln sich in Wimmern. Ich krümme mich als die Flüssigkeit meinen Bauch erreicht. Mir wird heiß und obwohl der Becher auf dem Tisch so klein aussah, fühlt es sich gerade an als wären da mehrere Liter Tee drin. Erst als auch der letzte Tropfen aus dem Becher meinen Oberkörper verbrüht hat, stellt er ihn zurück auf den Tisch und nimmt langsam seine Hand von meinem Mund. 

Ich drehe den Kopf sofort weg um ihn nicht meine Tränen sehen zu lassen, aber er packt mich am Kinn und dreht mein Gesicht wieder zu sich. "Wenn du den Mund auf machst, bringe ich zuerst deine Mutter um." Mit den Fingerspitzen wandert er mein Gesicht entlang bevor er den Daumen auf mein geschlossenes Auge legt. "Und dann werde ich dieselbe Glasscherbe nehmen, die ich in dieses Bein gerammt habe und dir damit deine Augen ausstechen. Wie klingt das für dich?"

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