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Player: Jungkook
Trotz der Schmerzen im ganzen Körper stehe ich auf und werfe einen kurzen Blick auf den Bildschirm meines Computers als ich die Hand auf die Klinke lege. Mein Charakter hockt nicht länger vor meiner Mutter auf dem Boden, er steht wie ich an der Tür, die Hand auf der Klinke, bereit sie hinunter zu drücken, aber er tut es nicht und in diesem Moment ereilt mich eine weitere Vermutung.
Was passiert mit dem Charakter in meiner Realität, wenn ich mich im selben Raum befinde wie er? Die leichteste Antwort, die mir einfallen würde wäre die, dass wir beide Coexistieren,dass es zwei von uns gibt, auch wenn das nicht mehr nur verrückt wäre sondern vollkommen wahnsinnig. In einem Spiel, das allerdings in die eigene Realität eingreift, würde mich das nicht wundern. Trotzdem wird das nicht die Erklärung sein, nicht nachdem, wie es jetzt gerade aussieht.
Ich bin mir sicher, dass mein Charakter verschwindet, sobald ich diese Tür öffne. Der Grund, warum er, obwohl er gerade noch bei meiner Mutter hockte, jetzt plötzlich genau auf der anderen Seite der Tür steht ist der, dass er verschwindet wenn ich die Spielfläche betrete. In diesem Moment werde ich zu dem Charakter in dem Spiel.
Langsam öffne ich die Tür, in der Hoffnung, dass ich trotz all den Dingen, die in der kurzen Zeit seit ich das Spiel gestartet habe passiert sind, falsch liege. Trotz allem hoffe ich, dass ich auf der anderen Seite nicht meine Mutter sehe und meinen wütenden Vater, der auf uns beide einschlägt. Ich hoffe mir die Stimme meiner Mutter und die Schmerzen, verursacht durch die Tritte, nur eingebildet zu haben, aber spätestens als ich tatsächlich die Tür öffne und meinen wütenden Vater sehe, der all die leeren Whiskey Flaschen vom Tisch gegen die Wand direkt neben diese Tür befördert, verschwindet alle Hoffnung.
Der Charakter ist tatsächlich weg, vollkommen verschwunden, aber alles andere ist noch da, der ganze Albtraum spielt sich nach wie vor ab. Ich stolpere über meine eigenen Beine als ich ins Wohnzimmer trete und mich direkt auf meine Mutter zu bewege, die schluchzend und in sich zusammengekauert in der Ecke liegt.
Mit großen Schritten kommt mein Vater auf mich zu, tritt mir mit dem Fuß mitten in das Gesicht und sorgt damit dafür, dass mir für einen Moment tatsächlich Schwarz vor Augen wird. Ich habe das Gefühl das Bewusstsein zu verlieren, hoffe es sogar tatsächlich weil ich so wie ein Feigling vor den Schmerzen fliehen kann, Physisch und Psychisch, aber noch während mein Vater mich an den Schultern packt und an die Wand presst, sehe ich wieder die wenigen Farben meiner Umgebung.
"Glaubst du, du könntest den Helden spielen?", fragt er und nimmt mein Gesicht zwischen seine kalten Finger. Ich versuche ihn nicht anzusehen, versuche nicht in das Gesicht zu blicken, das meinem so ähnelt und das mich nur daran erinnert, welches Pech ich habe mit ihm verwandt zu sein, aber es gibt kein entkommen. Er besetzt mein ganzes Blickfeld und er weiß, was er mit all dem erreicht.
Ich schüttle den Kopf, versuche seiner Berührung zu entfliehen und seine Aufmerksamkeit von mir wegzulenken auf etwas anderes, das Fernsehprogramm oder auf die wenigen Flaschen der Cola und des halb auf den Boden entleerten Whiskeys, aber er sieht nur noch mich. Vielleicht ist das auch gut so, wenn er sich mir zuwendet vergisst er meine Mutter, die weitaus mehr durchmachen musste als ich. Es ist gut so, zumindest versuche ich mir das einzureden.
Er schnalzt mit der Zunge und greift mit der freien Hand nach etwas, was neben uns auf dem Boden liegt. Mit einem lächeln leckt er sich über die Lippen als er es vor mein Gesicht hebt und das durchsichtige Glas betrachtet als wäre es Kunst. Es ist Glas von der Whiskeyflasche, die er zuvor gegen die Wand geworfen hat und es ist noch dazu ein ziemlich großes Stück.
"Weißt du, was Helden ausmacht?", fragt er ohne mich anzusehen, den Blick nur auf dieses Stück Glas gerichtet. Ich zucke kein Stück zusammen, versuche nicht einmal mich aus seinem Griff zu befreien als er es hochhebt und es an meine Wange führt. Der Schmerz ist kaum Spürbar, als er mir mit der Spitzen Seite ein Stück über die Haut fährt. Nicht einmal das Blut, das aus der Wunde fließt, bringt mich zurück aus der Leere, in der ich mich gerade befinde.
Alles um mich herum fühlt sich an wie gekünstelt. Obwohl das hier ohne jeden Zweifel die Realität ist, die das Spiel angefangen hat zu manipulieren, fühlt es sich an als wäre ich an einem Ort, der nur in meiner Fantasie oder in einem Albtraum existiert. Ich verspüre keine Schmerzen mehr, kein Interesse an dem, was mir zustoßen oder was er mit mir anstellen könnte. Es ist nichts da außer Resignation.
"Jungkook!" Mit der Faust schlägt er mir mitten ins Gesicht, mein Kopf wird nach hinten gegen die Wand geworfen, aber er fällt auch schlaff wieder nach vorne. Es tut weh, jetzt ist da der Schmerz, den ich spüre und er ist schrecklich, aber ich kann trotzdem nichts tun. Ich bin gerade sogar zu verzweifelt zum weinen.
"Lass dir das eine Lehre sein." Erneut packt er mich am Kinn und zwingt mich ihm in die Augen zu sehen. Sie sind dunkel, Braun, genau wie meine. Wir haben sogar die gleiche Nase, die gleichen Gesichtszüge. Ich sehe ihm so verdammt ähnlich und das macht den Anblick in den Spiegel von Tag zu Tag unerträglicher.
Die Hand mit der Glasscherbe hebt er über seinen Kopf, mit der anderen hält er nach wie vor mein Gesicht fest. "Du bist kein Held, Jungkook", sagt er bevor er die Hand mit der Scherbe heruntersausen lässt und sie mit voller Wucht in mein Bein rammt.
Mein Körper reagiert sofort, noch bevor das Schmerzempfinden oder die Phase des realisierens überhaupt einsetzen kann, versuche ich mein Bein, in dem die Scherbe einige Zentimeter über dem Knie steckt, heran zu ziehen, aber ich spüre es nicht. Ich spüre nur diesen langsam, immer realer werdenden, stechenden und brennenden Schmerz, aber ich kann nicht einmal hinsehen.
Mein Vater hält mein Gesicht nach wie vor zwischen seinen Fingern fest, die Tränen machen es mir schwer zu erkennen was er im Moment tut, aber ich sehe trotzdem die noch intakte Glasflasche in seiner Hand. Er wollte mein Gesicht sehen, wenn er mich verletzt, wollte den Ausdruck des Schmerzes und der Verzweiflung sehen und er genießt es, das sehe ich an seinen Augen und es ist das letzte was ich sehe, bevor er mir die Flasche gegen die Schläfe schlägt und ich das Bewusstsein verlieren.
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