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Player: Jungkook

Sofort reiße ich die Augen auf, kaum das sie zugefallen sind. Ich weiß, dass ich machtlos gegenüber der Müdigkeit bin und das ich irgendwann einfach einschlafen werde, dazu zwingt mich mein eigener Körper, aber solange ich dem widerstehen kann, werde ich das auch tun. Es ist der zweite Tag ohne Schlaf, zwei Tage, in denen ich nichts anderes getan habe als hier zu hocken, ein Küchenmesser in meinen zittrigen Händen und den Blick nervös auf alle Türen in diesem Raum gerichtet, durch die man hinein kommen könnte. 

Niemals hätte ich gedacht, dass ich eine so lange Zeit damit verbringen könnte nichts zu tun, aber ich denke das die Angst einem häufig anderes zeigt. Sogar der Gang auf die Toilette war eine Strapaze, die Angst jeden Moment könnte jemand die Barriere durchbrechen, die nur aus einer Tür und den Fenstern in dieser Wohnung besteht, war so groß, dass ich selbst dort keine Ruhe fand. Ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gespürt, selbst damals nicht bei allem, was mein Vater mir antat.

Vielleicht bestand der Unterschied daraus, das ich damals wenigstes wusste was mit mir passieren würde. Ich wusste, dass er bei Wut mit Gewalt reagierte und das jede Kleinigkeit, jeder in seinen Augen falsche Schritt von mir oder meiner Mutter ihn dazu bringen würde. Er war wie ein Sprengkörper, der nur darauf wartete gezündet zu werden und wir waren nichts weiter als hilflose Menschen auf seinem Minenfeld. Hier weiß man, dass sich ein Sprengkörper vor der Tür befindet, aber man weiß nicht ob und wann er losgehen wird und man kann ihm nicht entkommen. Ich kann nicht entkommen. 

Meine Mutter hat sich seit dem letzten Mal, seit sie mir geschrieben hat nicht mehr gemeldet. Sie sagte, sie müsste ins Krankenhaus für ein Paar Untersuchungen und würde bei ihrer Schwester, meiner Tante schlafen. Sie fragte mich, ob ich auch mitkommen wollen würde, sie hätte es sich gewünscht, weil jeder Moment, den sie nicht bei mir ist, durchzogen ist von Sorgen, aber ich sagte ihr, dass ich nicht könnte und das ich bei einem Freund schlafe sodass sie sich wenigstens ein wenig sicherer fühlen würde. Die Wahrheit ist, dass ich nicht kann, so sehr ich es auch möchte. Ich kann nicht durch diese Tür ohne irgendeine Gefahr befürchten zu müssen und ich hatte zu viel Angst um mich dieser zu stellen. Das sie nicht gekommen ist war etwas gutes, das, was ich auf keinen Fall möchte ist, dass sie in dieses vollkommen wahnsinnige Spiel hinein gezogen wird. 

Deswegen kann ich auch nicht weiter hier hocken. Seit zwei Tagen habe ich nichts gegessen und nichts getrunken, alles wofür ich aufgestanden bin war die Toilette, der Rest war nebensächlich. Irgendwann wird mein Körper das allerdings nicht mehr mit machen und ich spüre bereits jetzt schon wie die Müdigkeit die Oberhand gewinnt. Ich werde im Schlaf nicht kämpfen können, nur sterben. Was bleibt mir also anderes übrig als diese Tür zu öffnen und zu kämpfen?

Kurz überlege ich einfach nach Hilfe zu schreien, an die Wände zu klopfen und zu versuchen die Nachbarn auf mich Aufmerksam zu machen, aber das wäre hoffnungslos. Unsere Wohnung liegt am Ende des Flures wenn man einmal um die Ecke biegt, daneben befindet sich keine andere. Wer auch immer also dort vor meiner Tür auf mich wartet, die Chance von Nachbarn gesehen oder gehört zu werden ist gering. Abgesehen davon habe ich nicht einmal mehr genug Kraft um das zu tun. 

Eine andere Option wäre die Polizei, sie hat uns immerhin bereits bei dem Fall mit meinem Vater geholfen. Wenn sie damals nicht gewesen wären, dann würden wir wahrscheinlich nach wie vor in dieser kleinen Hölle fest sitzen. Aber was bringt die Polizei in einem Spiel, das sich selber als Realität in der Realität beschreibt? Was ist, wenn sie hier ankommen und mich fragen weswegen ich sie gerufen habe, was ist, wenn die Person, die sich vor meiner Tür aufhält aus dem Staub macht? Ich kann ihnen schwer sagen, dass mir mein Spiel gesagt hat, dass da eine Gefahr auf mich lauert. Das führt mich zu der anderen, meiner einzigen Möglichkeit zurück. 

Ich nehme das Messer nur in eine Hand und stütze mich mit der anderen am Regal hinter mir ab als ich langsam auf stehe. Vor mir tauchen kurz Punkte in den verschiedensten Farben auf und meine Beine drohen unter mir nach zu geben, aber ich bewege mich einfach nicht und schließe die Augen bis mein Körper sich wieder daran gewöhnt auf den Beinen zu stehen. Meine Hände zittern nach wie vor während sie das Messer umklammern, eine lächerliche Waffe, denn egal wer es auch ist, der es auf mich abgesehen hat, er wird etwas besseres mitgebracht haben als er hierher kam. 

Meine Lungen sind nicht mehr in der Lage den Sauerstoff, den ich einatme, aufzunehmen, denn ich atme ihn viel zu schnell wieder aus und mein Herz fühlt sich an als würde es jederzeit explodieren. Vielleicht wäre es sogar besser so, angenehmer, der Tod scheint nur darauf zu warten mich mitnehmen zu dürfen.

Direkt vor der Tür bleibe ich stehen und lege meine linke Hand auf den Türknauf. Dort verweilt sie, ohne die Absicht diese sofort zu öffnen. Kurz überlege ich umzudrehen und mich einfach an meinen Computer zu setzen. Ich könnte meinen Charakter die Tür auf machen lassen und dann reagieren, aber ich habe eine schlechte Vermutung und wenn die stimmt, dann bin ich tatsächlich am Arsch. 


Letztes mal, als mein Charakter verletzt wurde, haben sich die Verletzungen auch auf meinen echten Körper übertragen, ins hier und jetzt. Wenn meine Gesundheit also an ihn gekoppelt ist, dann ist es wahrscheinlich mit meinem Leben auch der Fall und das heißt, dass sein Tod auch den meinen nach sich ziehen würde. Da ich ihn ohnehin nicht richtig kontrollieren kann, ist die Wahl dementsprechend einfacher für mich zu treffen. 

Ich atme einmal tief ein, reiße die Tür auf und springe mit dem Messer in beiden Händen nach hinten. Mein Herz sackt mir in die Hose und meine Beine drohen erneut unter mir nachzugeben, denn die Müdigkeit zieht sich mittlerweile durch jeden Knochen in meinem Körper, aber das Adrenalin bewahrt mich davor einfach umzukippen. Ich bleibe stehen und halte das Messer voller Furcht Richtung Tür gerichtet, selbst als ich sehe, was die Gefahr ist, von der das Spiel gesprochen hat. 

Verwirrt starre ich den Jungen an, der bis eben scheinbar mit dem Rücken an die Tür gelehnt auf dem Boden saß und der jetzt, nachdem ich sie geöffnet habe, regungslos vor mir auf dem Boden liegt. Mein ganzer Körper zittert noch stärker als vorher, trotz der Tatsache das von ihm scheinbar keine Gefahr auszugehen scheint, denn er sieht mehr Tod als Lebendig aus und doch erkenne ich, wie sein Brustkorb sich schwach auf und ab bewegt. Er atmet, aber dem riesigen Blutfleck auf seinem Hemd in der Seite nach zu Urteilen nicht mehr lange. 

Ohne das Messer auch nur ein Stück tiefer zu senken ziehe ich mit der freien Hand mein Handy heraus und öffne das Spiel, mit dem ich mich vor wenigen Stunden verbunden habe. Erneut wird mir eine Gefahr in unmittelbarer nähe angezeigt, aber dieses mal erscheint daneben auch eine Karte von der Stadt, die sich auf meine Wohnung und die Umgebung fokussiert als ich rauf klicke. Darauf sind alle Spieler in der Nähe zu sehen, was außer mir und diesem Jungen niemand anderer zu sein scheint, aber das ist auch alles was zählt. 

Ich sehe noch einmal zu dem Verletzten rüber um sicher zu gehen, dass er auch noch da liegt und klicke dann auf den Pfeil, der seinen Standort anzeigt. Die Karte verschwindet, stattdessen öffnet sich ein Profil auf dem ich Informationen sehen kann, Informationen zu diesem Jungen, allerdings nur den Benutzernamen, für den Rest brauche ich ihn als Freund. Ich dachte ich könnte wenigstens sehen, was er hier von mir wollte und wie er mit vollem Namen heißt, aber das hier ergibt mehr Sinn. Deswegen hat mich das Spiel vorhin gefragt was für einen Benutzernamen ich auswählen möchte, es dient der Anonymität den anderen Spielern gegenüber. Genau so bei ihm hier. 

Ich weiß nicht, was sein echter Name sein könnte, dafür gibt es viel zu viele Möglichkeiten, aber dafür habe ich jetzt wenigstens seinen Spielernamen: ⌈VTae⌋.

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