39. Diese verdammte Familie!


So it don't matter what it looks like

We look perfect to me

We got every kind of love

I feel so lucky indeed

They can keep on talking

It don't matter to me cause

We are, we are family

-Ice Age „We are"

Er kam bei der Villa an und ging geradewegs ins Esszimmer. Layla und Reina waren zum Glück schlau genug gewesen ihm nicht direkt zu folgen. Normalerweise aß er immer allein oder mit einem seiner Geschwister in seinem Zimmer, heute aber setzte er sich zu den anderen an den langen Esstisch. Er wusste nicht, woher dieses Bedürfnis kam, schließlich war das Treffen mit Angelas Freunden und Layla schon unangenehm genug gewesen. Doch manchmal ergriff ein Drang von einem Besitz, den man nicht erklären konnte und er war zu erschöpft, um ihn zu ignorieren.

Sein Vater sah erstaunt von seiner Diplomatenzeitung hoch. Darin stand alles, was für die Dörfer wichtig war, neue Gesetze in der Feenwelt, Verhandlungsmaßnahmen und andere politische Angelegenheiten.

Früher hatte Alan diese immer verbrannt, weil sein Vater ihn zwingen wollte sie zu lesen. Mit den Jahren hatte er aber verstanden, dass das nur dumm war und dass ihm das Wissen nicht schaden konnte.

„Alan! Wie schön, dass du heute mit uns isst", rief seine Mutter, als sie ihn von der Küche aus entdeckte. Geoffrey brachte ihm ein Tablett beladen mit einem kleinen Salat, Suppe und Kartoffelpuffern.

Die anderen waren bereits versorgt. Als Mariyam ebenfalls saß, packte sein Vater die Zeitung weg, nickte in die Runde und wie auf Kommando begannen sie alle zu essen.

Keiner von ihnen fragte, wo er gewesen war, sogar sein Vater beschränkte sich auf einen strengen Blick und das freute ihn. Sie hatten heute wohl beide einen guten Tag.

Nach ein paar Minuten Schweigen räusperte sich Shakir und fragte: „Wie geht es dir, mein Sohn?"

„Gut", antwortete Jack knapp, bevor er merkte, dass sein Vater, Alan über den Tisch besorgt musterte.

Diesem fiel der Kinnladen fast auf den Tisch. „I-ich...m-mir... also...gut! Mir geht es gut", brachte er mit Mühe hervor. Er konnte sich kaum noch an das letzte Mal erinnern, wo sein Vater so etwas wie Besorgnis um ihn gezeigt hatte.

Shakir nickte bedächtig und wandte sich wieder seinem Essen zu. „Du riskierst viel", sagte er leise.

Da dämmerte es Alan. Er sprach von dem Fluch. Wie ironisch, wo er doch derjenige gewesen war der ihn verflucht hatte. „Mir geht es bestens, danke der Nachfrage, Vater", erwiderte er schnippisch und spuckte ihm das letzte Wort förmlich vor die Füße.

„Alan!", rief seine Mutter empört aus.

„Schon gut Mariyam", beschwichtigte Shakir sie, er klang erschöpft. „Ich muss jetzt gehen. Eine Versammlung in London", erklärte er knapp, während er aufstand.

Ein Blick auf sein Tablett bestätigte Alans Vermutung, dass er kaum was gegessen hatte.

Shakir nahm die Zeitung, umrundete den Tisch und blieb neben Alan nochmal stehen. Er legte die Zeitung vor ihn ab. „Die neuste Ausgabe, auswendig lernen, ich frage dich ab, wenn ich wieder zurück bin."

Alan starrte nur stur seinen halb aufgegessenen Kartoffelpuffer an. Er hasste es, wenn sein Vater diesen Kommandoton verwendete. Shakir seufzte schwer und Alan hob doch den Blick. Seine roten Augen wirkten traurig.

„Pass auf dich auf, mein Sohn", sagte sein Vater leise, setzte sich wieder in Bewegung und im Vorbeigehen strich er Alan flüchtig über den Kopf.

In dem Moment war Alan wieder ein kleiner Junge, der versuchte griechische Buchstaben zu entziffern. Sein Vater stand hinter ihm eine große, mächtige Gestalt und jedes Mal, wenn er einen Satz richtig sagte, strich er ihm sanft durch die damals noch glatten Haare. Sein Herz machte einen freudigen Satz und Stolz erfüllte ihn. Er hatte sich damals so sehr gewünscht, ebenfalls so groß und stark zu werden wie er.

Die Tür fiel ins Schloss und der Schleier der Erinnerung hob sich. Der Rest seiner Familie beobachtete ihn stumm, alle sichtlich erstaunt. Überwältig schnappte sich Alan die Zeitung und verzog sich in sein Zimmer. Auch er hatte nicht viel gegessen. 

Konferenz in London

Die Oberhäupter aller Stützpunkte werden zu dem in London befindlichen Buckingham Palace gebeten, um mit der dort ansässigen Queen Elizabeth zu verhandeln. Königin Mazaiyana, sowie Vertreter weiterer Erdenländer werden ebenfalls anwesenden sein. Die Themen, die in dieser Konferenz besprochen werden sollen, sind streng geheim. Im Falle des Verrats wird der betroffene unverzüglich verhaftet und in Sepheriya, unserer geliebten Heimat, mit dem Tode bestraft.

Alan las sich den kleinen Artikel aufmerksam durch. Solche Arten von Versammlungen gab es sehr selten und jedes Mal waren sie streng geheim. Er selbst war noch nie auf einer gewesen. So sehr sein Vater auch auf seine Schulung in Sachen Politik und mehr bestanden hatte, zu einer Versammlung oder anderen politischen Angelegenheiten hatte er ihn nie mitgenommen.

Seine beiden älteren Geschwister durften ihn hingegen immer wieder auf seine diplomatischen Reisen begleiten.

Früher hatte es ihn schrecklich wütend gemacht. Überhaupt war er ein sehr aggressiver Teenager gewesen, selbst seiner Mutter gegenüber hatte er sich unmöglich verhalten. Inzwischen war sein Frust verschwunden und Resignation war an seinen Platz getreten.

Die einzige Art von Rebellion zurzeit waren seine Treffen mit Angela, die ihn allerdings Tag für Tag zunehmend auslaugten. Es war noch nichts Gravierendes, doch er schlief immer länger, trainierte und wanderte weniger und half Angela beim Training nicht mehr mit eigenen Magiedemonstrationen. Er hatte überlegt ihr davon zu erzählen, hatte aber den Gedanken sofort wieder abgetan. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte oder schuldig fühlte.

Allerdings wusste er auch, dass sie selbst sah, dass etwas nicht mit ihm stimmte.

Er hoffte nur es würde nicht allzu bald passieren. Er war noch nicht bereit dafür das Training zu beenden.

Alan überflog die Zeitung weiter, als eine kleine Anzeige seine Aufmerksamkeit fesselte.

Farmer in Not

Dachdecker ersucht mit alltäglicher Lebensfreude. Trockenheit, Regen ärgern Gebäude. Erbiete Raststätte.

Er hätte nicht sagen können, was ihn daran so störte, aber er wusste, dass mit diesem kleinen Artikel etwas nicht stimmte. Klar es war sowieso eigenartig diese Art von Anzeige in der Diplomatenzeitung zu finden, aber viel mehr war da ein Gefühl, dass dieser Artikel mehr sagte, als auf den ersten Blick auffiel.

Alan schüttelte den Kopf über sich selbst und legte die Zeitung weg. Jetzt nahm er schon die Paranoia seines Vaters an.

Mit dem Beschluss zu trainieren zog er sich seine Sportsachen an.

Unten auf dem Trainingsplatz fuchtelte sein Bruder bereits mit einem Speer herum. Immer wieder stach er damit in die Luft und macht dabei Geräusche wie: „Huh!" und „Hah!".

Alan packte ein einfaches Ritterschwert von dem am Haus befestigten Magnetstreifen und fing Jacks nächsten Angriff ab.

Überrascht wachte dieser aus seiner Konzentration auf, dann grinste er und griff richtig an.

Der Klang, von Metall auf Metall kratzte über die Lichting.

Immer wieder griff Jack an und mit der Zeit begannen Alans Muskeln zu schmerzen. Was pure Kraft anging war Jack auf jeden Fall der Stärkste seiner Geschwister. Alan war überzeugt davon, dass er fähig war Knochen zu pulverisieren, wenn er wollte.

„Was ist los Ally? In letzter Zeit hast du nachgelassen. Ich fühle mich als würde ich gegen ein Mädchen kämpfen", verspotte er ihn.

„Wäre das der Fall, würdest du keine Sekunde durchhalten, Jacky", erklang die Stimme seiner großen Schwester hinter ihm. Sie kam selbstbewusst anstolziert, wie immer in schwarzes Leder und hohe Stiefel gekleidet.

Im Schlepptau hatte sie Precious, die schadenfroh grinste. Auf frischer Tat ertappt.

Alan trat zur Seite und brachte das Schwert an seinen Platz zurück. Wenn sie mit Jack fertig sein würde, würde dieser sowieso nicht mehr in der Verfassung sein, um weitertrainieren zu können.

Jane zog ein schlankes, blattförmiges Schwert aus porli, einem seltenen Metall aus Sepheriya. Geschmiedet war das Schwert von Elfen. Es hatte seiner Mutter gehört und sie hatte es an seine Schwester weitergegeben, als sich herausgestellt hatte, dass diese keine Hausfrau sein würde.

Sie wirbelte das, in der Sonne funkelnde Schwert, im Kreis herum und stellte sich gegenüber von Jack, auf die Stelle, wo kurz zuvor noch Alan gestanden hatte.

„Oh man", murmelte Jack. Er tauschte sein Speer gegen seine bevorzugte Waffe aus, dem Breitschwert, das immer an seinem Gürtel hing. Im Gegensatz zu Janes war dieses klobig, hässlich und geradezu riesig. Es war aus Eisen geschmiedet worden, verstärkt mit ein paar anderen Metallen und wie Alan aus eigener Erfahrung wusste unheimlich schwer. Eine Riesengruppe hatte es seinem Vater, als Resultat von gut gelaufenen Verhandlungen geschenkt und dieser hatte es an Jack weitergegeben.

Alan stellte sich neben Precious. „Da hat er sich was eingebrockt", sagte er und lachte.

Precious nickte, sie sah äußerst zufrieden aus.

Lauernd umkreisten sich die zwei ältesten Geschwister. „Was ist den los Jacky? Angst von einem Mädchen geschlagen zu werden?", höhnte Jane, doch Jack ging nicht darauf ein. Sie lachte und dann, wie eine Schlange, schoss sie blitzschnell vor, das Schwert auf seinen Hals gerichtet.

Alan und Precious zuckten zusammen, doch Jack hatte es geschafft rechtzeitig zu blocken. Ein Schlagabtausch entstand in dem Jack stoisch im Mittelpunkt von Janes wirbelnden Angriffen stand und mit Mühe versuchte die Schläge zu parieren, wobei er immer wieder kleine Schnittwunden abbekam. Es war wie einen Berg inmitten eines Wirbelsturms zu beobachten. Stück für Stück, Stein für Stein wurde er auseinandergenommen und doch stand er entschlossen weiter und aufrecht da.

„Mach ihn fertig Jane! Ich will ihn am Boden sehen!", brüllte seine Schwester neben ihm.

„Du kleiner Giftzwerg", sagte Alan und versuchte ihr den Mund zuzuhalten.

„Nimm dich vor mir in Acht oder du wirst es bereuen", drohte Precious, während sie sich wie ein kleiner Aal aus seinem Griff herauswand.

„Ach ja? Dann komm doch her", er breitete herausfordernd seine Arme aus und schreiend ging sie mit ihren kleinen Fäusten auf ihn los. Er wehrte ihre Schläge ab, konnte sich allerdings nicht mehr auf den Beinen halten, als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen ihn warf.

Zusammen gingen sie zu Boden und rauften sich dort weiter.

„Hey, eine Prügelei ohne mich?", hörte Alan Jack rufen und im nächsten Moment lag eine riesige Muskelmasse auf ihm drauf.

Alan stöhnte und versuchte seinen Bruder von sich runter zu bekommen, als seine Schwestern „Haufen!", schrien und sich ebenfalls auf ihn und Jack stürzten.

„Runter von mir ihr verdammten Missgeburten", versuchte Alan ihr Lachen zu übertönen, doch es war hoffnungslos.

Sogar Jane schien einige Jahre jünger zu sein und hielt sich an Jack fest, als Alan versuchte sich aufzubäumen.

Sie hätten bestimmt einen seltsamen Anblick abgegeben für einen zufälligen Beobachter. Drei Erwachsene und ein Kind, die laut lachend aufeinander im Gras lagen und sich gegenseitig schlugen und auch wenn Alan kaum unter den mehreren Kilos auf ihm drauf atmen oder sich bewegen konnte, fühlte er sich so frei wie schon lange nicht mehr in der Gegenwart seiner Familie. 

Ilirian beobachtete mich aufmerksam, während ich den Kopf einer Katze auf seine Jeans stickte. Oder eine Maus. Oder einen Hund. Es kam ganz auf die Betrachtungsweise an. Obwohl meine Mutter mir das Sticken schon in jungen Jahren beigebracht hatte, war ich nicht sehr talentiert darin und doch hatte Ilirian mich gefragt.

Seit ich ihn bei Soraya gelassen hatte, versuchte ich ihn jeden Tag zu besuchen. Erst war es reines Verantwortungsgefühl gewesen, das mich dazu angetrieben hat, doch bald fand ich Gefallen daran mit ihm zu spielen und reden.

In vielerlei Hinsicht erinnerte er mich an Precious. Er war ebenso schlau und reif, gleichzeitig aber verspielt, allerdings war er viel ruhiger und manchmal, wenn ich meine Hand zu schnell hob, zuckte er zusammen, als würde er einen Schlag erwarten.

Anfangs hatte er sich nur in meine Nähe getraut, wenn Mila dabei war, doch bald machte es ihm nichts mehr aus allein mit mir zu sein und nach einer Weile hatte er sogar begonnen mich herumzukommandieren. So wie jetzt.

„Das ist keine Katze, das ist ein Vogel."

Ich seufzte frustriert und ließ die Hose in meinen Schoß fallen. „Das ist überhaupt nicht wahr, du hast einfach nur zu viel Fantasie."

Ilirian grinste. „Nein, du bist einfach nur schlecht."

„Illi, was habe ich dir über Respekt gesagt." Milas strenge Stimme aus der Küche reichte aus, um Ilirian wieder auf den Boden zu holen. Sofort setzte er sich wieder brav neben mich auf das fleckige, braune Sofa und sagte: „Tut mir leid."

Natürlich war die Entschuldigung nicht für mich, sondern viel mehr an Mila adressiert. Während er sowohl mir als auch Soraya auf der Nase herumzutanzen schien, hatte er vor Mila einen gesunden Respekt. Sie behandelte ihn genauso liebevoll, wie wir und verwöhnte ihn auch noch maßlos, doch sobald sie auch nur in irgendeiner Weise Missmut zeigte, war Ilirian brav, wie ein Hund.

Erst hatte ich das nicht nachvollziehen können, doch irgendwann waren mir die Narben an Milas Unterarmen aufgefallen und ich hatte verstanden. Ilirian musste spüren, dass sie jemand war, der gelitten hatte, vielleicht nicht auf dieselbe Weise wie er, doch sie wusste trotzdem, wie es sich anfühlte ganz unten angekommen zu sein. Sie verstand ihn und er wollte diese Freundin auf keinen Fall verlieren.

Ich setzte die letzten paar Stiche und hob die Hose hoch, um mein Werk zu betrachten. „So schlecht ist es doch gar nicht."

Ilirian rümpfte die Nase, sagte aber nichts mehr.

Ich lächelte und reichte ihm die Hose.

Er bedankte sich bevor er in seinem Zimmer verschwand.

Ich stand auf und ging zu Mila in die Küche. Sie saß am Tisch und las ein Buch während sie in ein üppig belegtes Sandwich biss.

„Der Blutmond. Du stehst auf Thriller?"

„Was? Ist das zu viel für dein zartes Gemüt Prinzessin?", erwiderte die Seherin mit vollem Mund, den Blick immer noch auf die Seiten gerichtet.

Meine Beziehung zu Mila war immer noch dieselbe. Sie verhielt sich abweisend und ich versuchte mit aller Kraft nett zu bleiben.

„Tut mir leid, falls ich dich störe. Ich wollte nur Konversation führen."

Diesmal hob Mila ihren Blick. „Ich mag keine Konversation."

Ich verschränkte, die Arme. „Du könntest wirklich freundlicher zu mir sein."

„Warum sollte ich? Ich schulde dir nichts."

Bevor ich etwas erwidern konnte stand Ilirian in der Tür und präsentierte uns seine bestickte Jeans, die er sich inzwischen angezogen hatte. „Schaut mal, es sieht aus wie ein Fisch im Wasser."

Ich runzelte die Stirn. „Oder eine tauchende Katze."

Ilirian sah an sich runter und schüttelte den Kopf. „Nah." Dann huschte er wieder in sein Zimmer.

Ich grinste Mila an, doch sie war wieder in ihr Buch vertieft.

„Na dann, gehe ich mal", sagte ich ergeben und stand auf.

Mila brummte etwas Unverständliches, was ich als Verabschiedung deutete. 

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