32. Silvester

Champagne, cocaine, gasoline

And most things in between

I roam the city in a shopping cart

A pack of camels and a smoke alarm

This night is heating up

Raise Hell and turn it up

Saying "If you go on, you might pass out in a drain pipe"

-Panic! At the Disco "Don't threaten me with a good time"

In dieser Nacht quälten mich ein Albtraum nach dem anderen und als sich die Sonne schließlich erhob, fühlte ich mich nicht einmal annährend dazu bereit auf eine Party zu gehen.

Am Frühstückstisch überlegte ich, ob ich Alan von dem Jungen erzählen sollte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Alan würde in ihm nur eine Bedrohung für seine Familie sehen, was auch verständlich war, doch ich würde nicht zulassen, dass dem Kleinen etwas passierte.

Schließlich war er noch ein Kind. Ein Kind, das versuchte hatte mich zu erstechen, aber selbst das konnte ich ihm nicht verübeln. Damals hatte seine Mutter mich stumm angefleht etwas zu tun, doch ich hatte mich nicht bewegen können. Vielleicht war sie ein Monster gewesen, aber ihr Kind verdiente eine Chance.

Entschlossen zog ich nach dem Frühstück meine Jacke vom Haken und machte mich auf den Weg zu Soraya. Bis zur Party hatte ich noch ein paar Stunden Zeit. Am liebsten wollte ich absagen, aber dann hätte Anni garantiert eine Erklärung verlangt und ich wollte sie weder anlügen, noch die Wahrheit sagen.

Soraya machte mir die Tür auf, ihre Begrüßung beschränkte sich auf ein einfaches: „Guten Morgen". Sie wusste also, weshalb ich da war. Sie führte mich in die Küche, wo wir uns hinsetzten. Ich starrte in die Tasse vor mir auf meine müdes Gesicht im Tee.

„Tochter des Meeres, was bedrückt dich?" Ich sah hoch in ihre immer sanften, dunklen Augen.

„Warum fragst du, wenn du sowieso schon alles weißt?"

Sanft legte Soraya ihre Hand auf meine. „Den meisten hilft es über Dinge zu reden, die sie belasten."

Ich sah auf ihre dunkle, faltige Hand, die gepflegten Fingernägel und den Amethyst an ihrem Finger. „Seine Mutter ist wegen mir gestorben."

„Sie hätte dich gefoltert."

Eine Träne rannte meine Wange runter und tropfte auf Sorayas Hand. „Aber was soll denn jetzt aus dem Jungen werden? Ich habe sein ganzes Leben zerstört. Ich..." Meine Stimme brach. Vor meinem inneren Auge spielte sich immer wieder dieselbe Szene ab. Der flehende Blick, das Blut, der Blütenstaub.

„Mit seiner Mutter wäre er höchstens zum Mörder geworden Angela."

„Das ist noch keine Rechtfertigung."

„Wärst du lieber gestorben?" Sorayas Stimme hatte plötzlich einen scharfen Unterton.

Ich schüttelte den Kopf.

Soraya nahm ihre Hand weg und hob mein Kinn an, so dass ich ihr ins Gesicht sehen musste. Sie lächelte sanft. „Gut", sagte sie ernst und strich mir über die Wange. „Nichts von dem was passiert ist, ist deine schuld. Jeder ist für das, was er tut selbst verantwortlich. In dieser Nacht hat die Frau sich dazu entschieden dich anzugreifen und Alan hat sich entschieden dein Leben zu retten und beide hatten die Konsequenzen zu tragen. Du hast beschlossen nicht sterben zu wollen, also lebe damit."

Ich schluckte schwer und nickte. Nach einer Weile, in der ich weiter nur meinen Tee anstarrte, fragte ich schließlich: „Wie geht es ihm?"

Soraya seufzte und lehnte sich zurück. „Er hat Albträume und redet kaum, aber Mila scheint langsam zu ihm durchzudringen." Sie machte eine Pause und sah mich prüfend an. „Möchtest du ihn sehen?"

Ich nickte langsam. Ich hatte das Gefühl es ihm zu schulden, mich zu vergewissern, dass er es hier guthatte, ihm alle Fragen zu beantworten, die er möglicherweise hatte oder mich einfach von ihm anschreien zu lassen. Was auch immer er brauchte.

Sie waren im Gästezimmer. Als ich jünger war hatte ich manchmal in der kleinen Kammer übernachtet. Wie damals schon bestand die Einrichtung nur aus einem schmalen Holzbett und einem Holzschrank, doch durch die hellgrün gestrichenen Wände und den waldgrünen Vorhängen, fühlte man sich sofort wohl, wenn man das Zimmer betrat.

Mila lag auf dem schmalen Bett, neben sich den kleinen Jungen. Sie hielt ein Märchenbuch in der Hand und las ihm daraus vor.

Ich räusperte mich und betrat langsam den grün-gelben Teppich, der fast den ganzen Boden bedeckte.

Die beiden schauten auf, ein paar goldgelber Augen und ein paar dunkler Augen, die mich fixierten. Entgegen meiner Erwartungen brach nicht das totale Chaos aus. Der Junge starrte mich nur mit ausdruckslosen Augen an, während ich mich ihm langsam näherte.

Ich versuchte so wenig bedrohlich wie möglich auszusehen, während ich mich neben das Bett hockte und zu ihm hochsah. Er war sehr dünn, zu dünn für ein Kind, doch seine blonden Haare waren eindeutig gewaschen und seine Wangen hatten eine gesunde rosige Farbe angenommen.

Ich streckte ihm meine Hand entgegen, woraufhin er zurückzuckte.

„Vorsichtig, er mag keine plötzlichen Bewegungen." Mila legte schützend einen Arm um den Jungen und ich bemerkte dünne schwarze Handschuhe.

„Tut mir leid."

Der Junge starrte mich weiterhin aus großen Augen an.

„Ich bin Angela und wie heißt du?"

Er sah stumm zu Mila hoch, die ermutigend nickte.

„Ilirian." Seine Stimme war rau und gleichzeitig zart und hell.

Ich lächelte leicht. „Das ist ein sehr schöner Name."

Ilirian zuckte nur mit den schmalen Schultern und wandte sich an Mila. „Kannst du weiterlesen?"

„Natürlich. Wo waren wir stehen geblieben?"

„Der Prinz wollte Dornröschen küssen."

„Ah ja genau..." Mit sanfter Stimme las Mila weiter vor.

Ich stand auf und verließ das Zimmer wieder.

Soraya, die im Flur auf mich gewartet hatte, lächelte mich an.

„Er ist nicht sauer auf mich", sagte ich und konnte es immer noch nicht fassen, wie ruhig der Junge, der noch am Vortag versucht hatte, mich umzubringen, gewesen war.

Soraya nickte. „Mila und ich haben mit ihm geredet."

Ich runzelte die Stirn. „Was habt ihr ihm gesagt?"

„Dass du nicht verantwortlich für den Tod seiner Mutter bist."

„Und das hat er einfach so hingenommen?"

„Er war nie wirklich entschlossen dich umzubringen. Er ist einfach nur traurig, weil er seine Mutter verloren hat, aber er versteht nicht wirklich, was genau passiert ist."

Ich nickte. „Woher wusste er überhaupt von dem Angriff?"

„Ich weiß nicht genau, aber ich vermute, dass er dabei war."

Ich schluckte wieder. „Wie lange wirst du dich um ihn kümmern?"

Soraya zuckte mit den Schultern. „Solange wie er bei mir bleiben will. Keine Angst ich werde ihn nicht bei irgendeinem Kinderheim abgeben. Aber du darfst Alan und den anderen nichts hiervon erzählen. Sie würden das nicht verstehen."

Ich nickte. So sehr ich Alan auch mochte, ich traute ihm zu, diesen Jungen kaltblütig umzubringen.

An der Haustür nahm mich Soraya in den Arm. Sie drückte mich so fest an sich wie damals, als ein Gewitter uns in ihrem Garten überrascht hatte und ich vor Panik fast durchgedreht war. Ihr Geruch nach Kräutern und Tee beruhigte mich und ich fühlte mich, als würde sie eine Last von mir nehmen, die ich monatelang mit mir rumgetragen hatte.

Die Silvesterparty, organisiert von Anni, Paul, ein paar Cheerleadern und ein paar Fußballspielern, fand am Strand statt. Eine Stunde bevor die Sonne unterging versammelte sich die halbe Schule am vereinbarten Treffpunkt, jeder mit ein paar Holzscheiten in den Händen, die wir alle in sicherer Entfernung zum Wasser in den Sand warfen und so herrichteten, dass sie am Abend gut brennen würden. Die ältesten von uns gingen in der Zwischenzeit Unmengen von Alkohol kaufen. Die Feuerwerke und Bluetooth-Boxen wurden von dem Chauffeur der Jacksons in der Limousine nach unten transportiert. Handtücher wurden überall im Sand ausgebreitet, bis der Strand wie eine riesige Patchworkdecke aussah. Tische mit Snacks und Alkohol wurden aufgestellt und als die Sonne schließlich untergegangen war, rannte Chris brüllend, oben ohne mit einer brennenden Fackel von den Klippen bis zu dem riesigen Holzstapel und zündete diesen an.

Alle brachen in freudiges Gejubel aus und tranken, was auch immer sie in ihren roten Pappbechern hatten auf Ex aus.

Auch ich ließ mich von der allgemeinen Aufregung mitreißen und trank begeistert, die seltsame Mischung, die Anni mir in die Hand gedrückt hatte, aus.

Auf meinem Ex-Internat war Alkohol selbstverständlich verboten gewesen, sowie jegliche Art von ordentlicher Feier. Ich hatte also was nachzuholen. Und ich konnte es auch gebrauchen.

Die Musik wurde auf volle Lautstärke aufgedreht und alle fingen an zu tanzen. Anni, Mary und ich bildeten einen Kreis, lachten und hüpften ausgelassen zur Musik.

Mary hatte ebenfalls entschieden sich an diesem Abend gehenzulassen, denn sie trank wie ein Weltmeister, ebenso wie JJ, der nach einem Bier, wie ein Irrer herumrannte und aus Leibeskräften schrie.

Ich lachte gerade über etwas, was Anni lallte, als mir jemand einen Zettel in die Hand schob und mir zuflüsterte: „Trau dich was."

Verwirrt schaute ich mich um, aber alles was ich sah, waren bunte Kleider und Haut, was daran lag, dass meine Sicht ziemlich verschwommen war.

„Was ist das?", wollte Anni wissen und riss mir den Zettel aus der Hand. Mit zusammengekniffen Augen versuchte sie zu lesen, was draufstand, als Mary ihr zur Hilfe eilte und laut vorlas.

„Zieh dein Oberteil aus!"

„Hä?", verwirrt nahm ich mir den Zettel zurück und starrte auf die immer wieder verschwimmenden Buchstaben.

Anni kreischte begeistert. „Trau dich was hat begonnen!", rief sie laut und die Jugendlichen in unserer Umgebung jubelten begeistert auf.

„Was ist die Quest?"

Anni zeigte mit dem Zeigefinger auf mich. „Zieh dein Oberteil aus!"

Die Nachricht verbreitete sich sehr schnell, denn schon bald war ein großer Kreis um mich gebildet und alle brüllten im Chor: „Zieh dich aus! Zieh dich aus!"

Im Normalfall, hätte ich in diesem Moment wahrscheinlich den Kopf in den Sand gesteckt, aber besoffen, wie ich war, zog ich mein Top über den Kopf und stand im nächsten Moment nur noch in Shorts und einem aufreizenden roten Spitzen-BH vor der Menge.

Erneutes Gejubel erklang und jemand packte mich von hinten und hob mich auf seine Schultern.

Vage bekam ich mit, dass es Paul war, der sein Shirt ebenfalls nicht mehr trug.

Ich lachte und fühlte mich wie der Mittelpunkt der Welt, als jemand schrie. „Wir haben hier eine neue Quest! Küss die Person rechts neben dir mit Zunge 20 Sekunden lang."

Alle drehten den Kopf zu Tina um, einem etwas fülligeren Mädchen mit kinnlangen braunen Haaren, dessen Freundin einen kleinen Zettel durch die Luft wedelte. Rechts neben ihr stand ein Kumpel von JJ aus dem Chemiekurs, dessen Ohren rot anliefen.

„Küss ihn! Küss ihn!", begannen alle erneut zu skandieren.

Entschlossen nahm Tina den Shot ihrer Freundin entgegen, trank und packte ihn am Kragen. Sie küssten sich, anfangs etwas ungeschickt, doch bald hatten sie den Dreh raus.

Es ging weiter mit dem Spiel, bei dem ausnahmslos alle mitmachten. Irgendwann setzte Paul mich ab und entfernte sich von der Menge, um zu pinkeln. Ohne Pauls Unterstützung schwankte ich bedenklich mir war schlecht und alles drehte sich.

„Alles in Ordnung?", fragte mich Matts sanfte Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und nickte.

Er kam zögerlich näher. „Ich muss dir etwas sagen."

„Was denn?", nuschelte ich.

„Ich denke ich habe wieder Gefühle für dich."

Kurz starte ich ihn nur an und brach dann in Gelächter aus. Gemein, ich weiß.

„Warum lachst du?", wollte er irritiert wissen.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich kenne dich Matt. Du warst schon immer schrecklich unentschlossen." Ich packte ihn an den Schultern und sah ihm in die immer wieder verschwimmenden Augen. „Nur weil du nicht weißt, was du mit dir anfangen sollst, heißt es nicht, dass du dahin flüchten sollst, wo es vertraut ist."

Er schmunzelte und nahm meine Hände in seine. „Sehr weise, für eine Betrunkene."

„Ich weiß." Ich grinste ihn an.

Schweigend starrten wir uns an, als sich uns jemand halb rennend, halb stolpernd nährte.

„Mary hat eine Quest erhalten!", schnaufte JJ. Er war puterrot im Gesicht und trug nur noch seinen Laborkittel und Boxershorts mit darauf abgebildeten roten Autos.

Ich ließ Matt, Matt sein und zusammen mit Paul, der seine Pinkelpause beendet hatte, gingen wir wieder zurück zu unserer Gruppe.

Paul lachte als er seinen Bruder bemerkte. „Du siehst noch idiotischer aus als sonst", bemerkte er und lag dabei nicht ganz falsch. Auch ich musste grinsen.

JJ zeigte uns den Mittelfinger.

Die Menge hatte sich um Mary herum versammelt und rief: „Kuss! Kuss! Kuss!"

Diese ließ den Blick prüfend über die Menge schweifen, als würde sie jemanden suchen.

„Sie soll den küssen, in den sie verliebt ist", berichtete Anni, die zwischen uns aufgetaucht war und sich mit dem Ellenbogen an mir abstützte. Sie bot uns rote Pappbecher an, die wir dankend annahmen.

Mary schien die Person, die sie gesucht hatte, gefunden zu haben, denn sich bahnte sich zielsicher einen Weg durch die Menge geradewegs auf uns zu. Direkt vor uns blieb sie stehen und erst jetzt bemerkte ich die Angst in ihren Augen. Sie holte tief Luft und...küsste ein Mädchen das schräg vor uns stand.

Das Mädchen war zierlich und trug ihre sandblonden Haare sehr kurz und zu unserer aller Überraschung legte sie die Hände sanft an Marys Wangen und erwiderte den Kuss.

Für einen Moment war alles ruhig, dann erhob sich lautes Gejubel. Solange bis jemand das Mädchen gewaltsam von Mary wegriss.

Ein paar Sekunden verspätet, kam ein lautes „Hey!", aus Annis Richtung.

Es war ein Junge, den ich nicht kannte. Er war rot angelaufen und schrie: „Was zur Hölle ist los mit euch. Das ist falsch!"

Entsetzt sahen Mary und das Mädchen ihn an und ich wusste, dass genau dieses Verhalten, das gewesen war, wovor Mary Angst gehabt hatte.

„Halt deine verdammte Fresse und verpiss dich." Paul packte den Jungen am Kragen und stieß ihn weg. Ein Mädchen in einem langen Rock fing ihn auf. „Er hat recht und das wisst ihr. Das ist gegen die Natur", fauchte sie.

Auf einmal war Anni zur Stelle. „Fresse!", spuckte sie dem Mädchen ins Gesicht. Diese schnappte empört nach Luft und schubste Anni. Betrunken wie sie war konnte sie sich nicht auffangen und landete auf dem Hintern.

Zusammen mit Paul half ich Anni auf die Beine, die sich, sobald sie wieder stand, kreischend auf das Mädchen stürzte. Ein kleiner Kampf entstand, in dem meine Freunde und ich versuchten, die beiden voneinander zu trennen, was sich als sehr schwer gestaltete, da sich ihr Freund ebenfalls ins Gefecht stürzte.

Die anderen feuerten uns an und ein Blick zu Mary zeigte mir, dass sie immer noch wie erstarrt dastand.

An einem bestimmten Punkt verlor Paul schließlich die Beherrschung, ließ von der um sich schlagenden Anni ab und rammte dem Jungen die Faust ins Gesicht. „Du homophobes Arschloch!", beschimpfte er ihn lautstark.

Das Mädchen warf sich sofort auf Paul, um ihren Geliebten zu rächen.

Anni wand sich aus meinem Griff, wobei ich ihren Handrücken ins Gesicht bekam und ging wieder auf das Mädchen los. „Lass Paul in Ruhe, du Bitch!"

Ich tauschte einen Blick mit JJ, der ein paar Kratzer im Gesicht hatte. Er nickte entschlossen und mit Kampfgebrüll stürzten wir uns wieder in die Schlacht und alles was ich für die nächste Minute sah, hörte und spürte, waren wütende Gesichter, Geschrei und Körperteile, auf die ich versuchte, nicht all zu fest, einzuschlagen.

Irgendwann war es dann endlich vorbei, als ein paar Fußballer uns alle auseinander zogen und in verschieden Richtungen wegbrachten, wobei sie das Pärchen ganz von der Party verbannten.

Ich konnte gerade noch sehen, wie Marys brauner Haarschopf zusammen mit dem Blonden des Mädchens in der Menge verschwand. Sie hatten wohl einiges zu verarbeiten und ich wusste jetzt brauchten sie vor allem einander.

Erschöpft setzte ich mich zusammen mit Paul etwas abseits in den Sand und lehnte mich an seine nackte Schulter. „Das war verrückt", stellte ich mit vom Schreien rauer Stimme fest.

Er lachte. „Ja man, die beste Prügelei seit langem."

Ich kicherte. „Seit wann bist du denn so ein Raufbold?"

„Machst du Witze? Frauen lieben Typen, die sich ordentlich schlagen können."

Ich dachte an Alans Muskelspiel, während er den Boxsack bearbeitete. „Du hast recht, es ist schon irgendwie heiß."

„Oho!", überrascht rückte Paul ein bisschen von mir ab, sodass ich meinen Kopf anheben musste. „Hast du nicht immer gesagt, dass Prügeleien primitiv sind und dass du lieber jemanden super intellektuellen hättest, der schlau ist und nicht so viel Wert auf sein Äußeres und seine Männlichkeit legt?"

„Das hast du dir gemerkt?", Paul war nicht gerade bekannt für sein gutes Gedächtnis.

Er verdrehte die grün besprenkelten Augen und schubste mich sanft. „Ich bin kein Goldfisch Ang und ja ich habe es mir gemerkt, weil ich mir damals gedacht habe wie dumm das ist. Warum sollte jemand kein Wert auf sein Äußeres legen?"

Ich grinste und ließ mich wieder gegen seine Schulter fallen. „Ich wollte damit nur sagen, dass die inneren Werte viel wichtiger sind. Und wenn du auch mal danach schauen würdest, würden deine Beziehungen länger dauern."

Er legte seinen Arm um mich und drückte mich an sich. „Wozu denn? Ich habe ja schließlich euch, mehr brauch ich nicht."

Ich lächelte, nahm seine Hand in meine und spielte mit seinen langen Fingern. „Willst du deshalb nichts mit Anni anfangen? Weil du Angst hast, eure Freundschaft könnte daran zerbrechen?"

Er schnaubte. „Wie machen du und Mary das? Seid ihr Gedankenleser?"

Ich schmunzelte. „Nein, wir lassen uns einfach nicht so schnell von Spiegeln oder in JJs Fall explosiven Flüssigkeiten ablenken."

„Mhm, leuchtet ein." Er seufzte schwer. „Es ist so kompliziert Angi, ich liebe sie wirklich, aber so wie ich dich liebe. Woher soll ich wissen, ob da noch mehr sein könnte?"

Ich nickte verständnisvoll. Ich selbst konnte mir auf keinen Fall was mit Paul vorstellen. Klar, er war groß, hübsch, gut gebaut, nicht unbedingt dumm und immer da, wenn man ihn brauchte.

Aber was ich in ihm sah, war der kleine, freche Junge im Kindergarten, der zusammen mit seinem Bruder seine Süßigkeiten mit mir geteilt hatte, oben in dem Baum, an dem wir eigentlich gar nicht hochklettern durften.

Er war mein eigentlicher erster Kuss, der Junge, der mich im Kindergarten hinter die Hecke gezogen hatte, mich geküsst hatte und dafür eine Ohrfeige kassiert hatte.

Er war der Junge, der jedes Mal meine Barbies geköpft hatte und Rotz und Wasser geheult hatte, als ich ihm seine Hot Wheels Autobahn zerstückelt hatte.

Mit ihm hatte ich zum ersten Mal Schule geschwänzt, um zum Strand zu gehen und hatte dafür den größten Ärger meines Lebens bekommen.

Er war der Junge, der sich mit mir über das entsetzliche Internat lustig gemacht hatte und dessen Nachrichten mich am Leben gehalten hatten, da sie das einzige gewesen sind, worüber ich dort hatte lachen können.

Ich hatte ihm beigebracht Klavier zu spielen und er hatte mir beigebracht Gitarre zu spielen.

Er war der Junge, mit dem ich stundenlang zusammen gesungen hatte, bevor meine Sirenengene sich durchgesetzt hatten.

Ich liebte ihn, aber selbst, wenn ich mich nur minimal zu ihm hingezogen gefühlt hätte, wäre ich nie mit ihm zusammengekommen, denn unsere Freundschaft, war etwas, dass ich niemals bereit wäre aufzugeben.

Wir hingen unseren Gedanken nach, als sich uns mehrere Gestalten nährten. Es waren Anni, JJ, Mary und das fremde Mädchen.

Wir standen auf und kamen ihnen entgegen.

Mary griff nach der Hand des Mädchens, das inzwischen glücklich lächelte. Sie hob herausfordernd das Kinn und nahm das Mädchen bei der Hand. „Leute, ich möchte euch meine feste Freundin Sina vorstellen", sagte sie mit bebender Stimme.

Entschlossen ging ich auf die beiden zu und umarmte sie fest. „Willkommen in unserer Familie Sina", sagte ich feierlich und nach und nach kamen JJ, Paul und Anni ebenfalls zu unserer Umarmung hinzu.

In diesem Moment schrien alle anderen: „Drei! Zwei! Eins!", und die Feuerwerke explodierten in allen Farben des Regenbogens über unseren Köpfen.


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