12. Ich liebe dich, vergiss das nicht, das können sie uns nicht nehmen!


She said, "I love you no matter what

I just want you to be happy and always be who you are"

She wrapped her arms around me

Said, "Don't try to be what you're not

'Cause I love you no matter what"

She loves me no matter what

-Calum Scott „No matter what"

Das Klingeln des Weckers riss mich grausam aus dem weichen, tiefen Schlaf. Es war sieben Uhr.

Nach der kleinen Heulattacke hatte Alan mich nach Hause gebracht und ich war sofort todmüde ins Bett gefallen. Das ist um ungefähr vier Uhr morgens passiert. Jetzt nur drei Stunden später, wollte ich lieber sterben, als aufzustehen. Aber da war noch ein Bedürfnis, das stärker war. Das Bedürfnis mit meiner Mutter darüber zu reden, was ich heute Morgen erfahren hatte.

Ich hievte mich schwerfällig aus dem Bett und ging schwankend runter in die Küche. Dort trank ich erstmal mehrere Tassen Kaffee. Nachdem ich mich wieder einigermaßen zurechnungsfähig fühlte, zog ich mich an und betrat das Arbeitszimmer meiner Mutter.

Es sah, dafür, dass das Haus neu war, ziemlich alt aus. Die Wände waren mit alten, hohen Regalen verstellt, die sich unter dem Gewicht, der zahlreichen, achtlos draufgeworfenen Bücher, bogen. Es roch stark nach Papier, altem so wie neuem.

Mitten in dem Chaos stand der uralte Schreibtisch meiner Mom, der, mit dem Geld, das sich meine Großmutter gekrallt hatte, das einzige war, was Großvater ihr hinterlassen hatte, bevor er gegangen war.

Ob er wohl eine Nymphe gewesen war? Kopfschüttelnd tat ich den Gedanken ab. Es war nicht wichtig, jetzt ging es um meinen Vater.

Meine Mutter saß hinter dem Schreibtisch in ihrem alten, abgewetzten Lederdrehstuhl. Licht fiel durch remefarbene Vorhänge, die das große Fenster hinter ihr verdeckten, auf den Schreibtisch. Vor ihr türmten sich Haufen von Dokumenten und Büchern. Sie selbst hatte ihre Brille aufgesetzt und sah hochkonzentriert aus, während sie etwas auf ein Blatt Papier kritzelte.

Ich lief entschlossen durch den Raum und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

Sie zuckte erschrocken zusammen und schaute aus ihren wässrigen, grau-blauen Augen zu mir hoch.

Ich sah diesen verträumten, naiven Blick und eine noch nie erlebte Wut ihr gegenüber machte sich in mir breit. Tränen traten mir wieder in die Augen, diesmal Tränen der Wut und Enttäuschung.

"Wann hattest du vor mir zu sagen, dass ich ein Monster bin Mom?" Trotz des Dranges wieder zu heulen war meine Stimme fest. Belegt, aber fest.

Sie blinzelte verwirrt und ich wusste, sie würde mich fragen, was los war und so meine Frage umgehen.

Wieder schlug ich auf den Tisch. "Hör auf mit diesen Spielchen Mom! Hör auf so zu tun, als wüsstest du von nichts! Du hast noch nie ordentlich mit mir geredet, ohne abzuschweifen oder abzulenken. Du kannst nicht vor jedem Konflikt davonlaufen. Ich will eine Erklärung!"

Sie senkte den Blick und legte ihre Hand über meine. "Dein Vater konnte nicht da sein, um dich mit mir zu erziehen, aber er war kein Monster und ich wollte auch nie, dass du ihn als solches wahrnimmst. Oder schlimmer: Dich selbst."

Meine Unterlippe bebte. "Aber ich..."

Sie strich mir sanft über Finger und Handrücken, den Blick immer noch gesenkt. "Alles was du wissen musst ist, dass ich deinen Vater geliebt habe und er uns ebenfalls. Doch manchmal, verliert man die, die man liebt und man kann nichts dagegen tun." Endlich hob sie den Blick und was ich darin sah, verschlug mir den Atem. Schmerz und Leid, wie ich es noch nie bei ihr oder sonst jemandem, gesehen hatte. Doch das alles wurde überschattet von Liebe, grenzenloser Liebe. Eine Liebe, die verloren war und eine die sie für immer gedachte zu behalten.

Langsam stand sie auf und umarmte mich über den Schreibtisch hinweg. "Es tut mir leid, wenn du dich schlecht behandelt fühlst, aber ich liebe dich und ich würde dir niemals mit Absicht wehtun."

Ich vergrub mein Gesicht an ihrer schmächtigen Schulter und ließ meinen Tränen zum zweiten Mal an diesem Tag freien Lauf.

"Es tut mir leid Mom. Ich wollte nicht so gemein sein", murmelte ich in ihre Haare.

Sie hielt mich nur weiter fest.

Schließlich befreite ich mich sanft, aber bestimmt aus ihrer Umarmung und wischte mir mit meinem Ärmel die Tränen weg.

„Weiß Großmutter davon?"

Mom nickte. „Tatsächlich war dein Opa eine Nymphe. Sie wurde schon vor mir in diese Welt hineingezogen."

„Was ist mit ihm passiert?"

Mom zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Deine Großmutter sagt immer, er war untreu und ist zurück in sein Loch gekrochen. Wer weiß schon was sie damit meint."

„Warte, heißt das du bist auch eine Nymphe?"

Etwas verlegen zuckte meine Mom mit den Schultern.

„Ja, zur Hälfte zumindest. Meine Haare hatten dieselbe Farbe, wie deine, bevor ich sie gefärbt habe. Doch ich habe schon längst mit dieser Welt abgeschlossen."

Etwas perplex sah ich sie mir genauer an. Nichts an ihr wirkte auf irgendeine Weise übernatürlich.

„Musst du nicht in die Schule?", brach sie schließlich das entstandene Schweigen.

Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass sie recht hatte und ich spät dran war. Ich hätte schon längst an der Bushaltestelle sein müssen.

"Stimmt, Anni wartet sicher schon auf mich." Meine Stimme fühlte sich rau an von dem ganzen Geheule.

Meine Mom nickte nur lächelnd und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.

Ich verabschiedete mich und rannte schnell aus dem Haus, den Hügel runter zur Bushaltestelle.

Wie vermutet, wartete dort schon die angepisste Anni, mit vor der Brust verschränkten Armen.

Ich umarmte sie schnell. "Es tut mir so leid Anni, ich hatte noch was mit meiner Mutter zu besprechen."

"Dann hättest du mir schreiben können, dass ich schon mal fahren kann", blaffte sie mich, nicht im Geringsten beschwichtigt, an.

Ich zog ein langes Gesicht. "Dann hätte ich aber nicht mit dir fahren können."

"Das ist mir egal!" Mit einem eleganten Hair Flip drehte sie sich um und stieg in den Bus, der gerade vor uns gehalten hatte.

Grinsend folgte ich ihr, denn ich wusste, dass sie es keine fünf Sekunden aushielt, nicht mit mir zur reden. Und ich behielt Recht.

Sobald wir saßen, unterzog sie mich einer genaueren Musterung. "Du siehst scheiße aus", stellte sie nüchtern fest.

Ich strich mir mit der Hand übers Gesicht. "Ich weiß", gab ich zurück.

"Hast du geheult?" Jetzt war sie besorgt, was mich zum Lächeln brachte. Anni war kein sehr aufmerksamer Mensch, aber sie hatte schon immer gewusst, wenn es mir nicht gut ging, selbst wenn ich versucht hatte es zu überspielen.

"War eine lange Nacht", erwiderte ich nur, mit der deutlichen Botschaft keine Fragen zu stellen, die sie natürlich ignorierte.

"Was ist passiert?"

Ich sah sie für einen Moment wortlos an und überlegte ob ich es ihr sagen sollte. Ich entschied mich dagegen, schließlich musste ich erstmal selbst alles verarbeiten, bevor ich es anderen zumuten konnte.

Also zuckte ich nur mit den Schultern und versuchte die ganze Fahrt über, ihren bohrenden Fragen auszuweichen, wie Minen in einem Minenfeld. In der Schule nahm mich dann Mary in Schutz und so konnte ich dort in Ruhe nochmal über alles nachdenken, was Alan, Soraya und meine Mom mir offenbart hatten.     

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