Mass Grave [4]
Felix erste Leiche hatte er als Student gesehen.
Es war eine junge Frau, nicht älter als zweiundzwanzig, die bei einem Hausbrand ums Leben gekommen war. Ihr Körper blieb von den Flammen verschont, doch der Rauch hatte sie erstickt.
Sie lag auf einem kalten Tisch unter dem grellen, entblößenden Licht der Leichenhalle. Ihre Augen waren damals ein Stück weit geöffnet, was trübe, weiße Schlitze entblößte, die in die Endloskeit stierten. Am meisten fiel ihm jeodch auf, wie ruhig sie aussah. So erstarrt und reglos, dass es einem Foto glich. Alles, was sie getan hatte, alles, was sie gewesen war und zu sein hoffte, war zu einem Ende gekommen.
Für immer.
Diese Erkenntnis hatte ihn mit einer solchen körperlichen Wucht getroffen, dass er beinahe hingeschmissen hätte, wäre ihm nicht etwas Schlimmeres widerfahren. Damals wusste er, dass es immer, egal, was er tat und wie viel er lernte, ein Geheimnis geben würde, welches er nicht erklären konnte.
Und zwar den Tod selbst.
Doch das hier und all seine Vorreiter waren etwas vollkommen anderes. Es gab eine Zeit, wo der Blonde sich danach sehnte, Abstand zwischen sich und dem Heimatland zu bringen, was ihm so viel Leid brachte.
Er wollte weg, weit weg.
Also begann er eine humanitäre Arbeit in Uganda. Es war eines der ärmsten Länder der Welt, dessen Magie so schwach war, dass Kriege und Hass die Luft schwängerten. Dieses Land bebte vor Angst. Die Unterdrückten, deren Magie kaum mehr als ein laues Lüftchen auftreten ließen, wurden mit Gewehren, Macheten und Knüppel niedergeschlagen, ohne das die Überlegenen fürchten mussten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sein Team von der Hilfsorganisation verteilte Medikamente und Lebensmittel, doch aufgrund der ewig anhaltenden Straßensperren kamen sie meistens zu spät. Und Felix fragte sich, was er bedeutete, was seine Hilfe bedeutete, wenn die Zeit stets gegen ihn spielte. Der Völkermord warf seine Schatten voraus. Die Straßensperren verdoppelten sich, Hass, Demütigung und Gewalt zehrten an dem Land. Weder die Regierung noch andere Hilfsorganisation konnten etwas ausrichten.
Das Ausmaß der Zerstörung, des Mordens, nahm stetig zu. Es gab kaum mehr etwas zu tun für jene Soldaten und Hilfsorganisationen, die ihre Kraft aufwandten, um zu helfen. Er bildete die Nachhut und trotzdem konnte er nichts ausrichten. Und er hasste sich dafür.
Denn er merkte, dass manchmal das Böse übermächtig war, dass es keine Möglichkeit gab das Leid abzuwenden, wenn es auf dem Vormarsch war. Er sah Geisterdörfer übersät von Blutlachen, aufgeschlitzten Schwangeren, deren Föten an Bäumen zerschmettert wurden, vergewaltigte junge Mädchen, die zu unsagbar schönen Blumen herangewachsen wären, hätte man sie ihres Lebens nicht beraubt.
Felix konnte nicht sagen, wann er seinen ersten Nervenzusammenbruch erlitten hatte, vielleicht Ende Mai, als die Säuberungsaktionen begannen und er die aufgedunsenden, verfaulenden Leichen erblickte, die sich zu Bergen häuften. Vielleicht auch später.
Eines war jedoch sicher. Der Zusammenbruch ereignete sich in einem Flüchtlingslager, wo Epidemien den Völkermord verlängerten. An seine Rückführung nach Australien konnte er sich nicht mehr erinnern. Er hatte geglaubt, so wie er bei der Mordkommission Leichen gesehen hatte, würde er auch dieses Grauen wegstecken. Er dachte, er könne damit leben, wie man mit einer Kugel im Kopf leben könnte. Er hatte sich getäuscht. In einem Maße, dass sein Leben veränderte. Er wurde in eine Klinik eingewiesen, wo sein behandelnder Arzt Depressionen feststellte. Er weinte, wie er noch nie zuvor geweint hatte. Den ganzen Tag. Mit einem Gefühl des Schmerzens und zugleich der Erleichterung. Während seine Seele litt, fand sein Körper Ruhe. Ein Jahr verging, ehe er sich seiner Arbeit bei der Polizei wieder stellen konnte, ein Jahr voller Therapien, voller Medikamente, voller Angst und Erinnerungen.
Und jetzt dachte er an jene Zeit des Verderbens und des Leidens in diesen Ländern zurück, fühlte sich zurückversetzt in jenes Grauen, welches seinen Geist zerstört hatte.
Und ihn beschlich das Gefühl von Innen zu verrotten.
"Hey, Neuling! Alles okay? Du wirkst so blass."
Felix schluckte, ehe er ein Nicken zustande brachte. Der attraktive Vampir zwinkerte ihm mit seinem gesunden Auge zu und er wusste, dass sein Gegenüber merkte, dass er log. Der Blonde biss sich auf die Unterlippe und versuchte die wachsamen und neugieren Blicke von dem Blonden zu ignorieren. Chan stellte ihm auch die letzten beiden Wesen des Teams vor, deren Aufmerksamkeit zuvor allerdings nicht auf ihn selbst, sondern auf ihrem jeweiligen Rivalen hing. Solch eine Kombination an Macht war ihm noch nicht untergekommen. Normalerweise mieden sich Vampir und Wolf, sie lebten sogar in unterschiedlichen Bezirken, dessen Betreten den verschiedenen Fraktionen nicht gestattet war. Ansonsten würde es in einem Blutbad enden.
"Mach dir keine Sorgen, dein Geheimnis ist bei mir sicher."
Dank Kim Namjoon, seinem neuen Chef, konnte er sich im Vorfeld einige Details über das Team heraussuchen. Han Jisung gehörte indes zu jenen Wesen, deren Verstand beinahe erschreckend an den eines ihrer Monster heranreichte. Der Kriminalpsychologe schien ein Experte auf diesem Fachgebiet zu sein. Seine Täterprofile erreichten eine fast neunzig prozentige Übereinstimmung. Felix fragte sich jeher, wie normal er selbst sein konnte. Nur ein Mann, der mit der Welt des Bösen bestens vertraut war, konnte so tief in die Gedankenwelt dieser Psychopathen eindringen. Der Blonde fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Anwesenheit. Mit seiner verschlagenen Flüsterstimme und dem bohrendem Blick löste er ein Gefühl der Beklemmung, der Wehrlosigkeit, in ihm aus.
Vielleicht lag es an der Augenklappe, sagte er zu sich selbst, in der Hoffnung er würde es glauben.
Er wandte sich dem Grauen zu.
Vor ihnen erhob sich ein Massengrab.
Felix hatte das Gefühl brechen zu müssen, doch er versuchte sich zusammenzureißen. Schwäche vor Seo Changbin zu zeigen, würde nur Öl ins Feuer gießen und seine Kompetenz in Frage stellen. Gedanklich sonderte er sich deshalb ab, glitt in einen Raum tief in seinem Kopf, wo dieser Horror, welcher sich direkt vor seinem Augen erstreckte, nicht so niederschmetternd wirkte. Er erblickte Leichen, von Mitte Zwanzig bis Anfang sechzig. Trotz der Trümmer und der Intensität der Explosion, waren die Toten gut erhalten. Kaum einer war in Stücke gefetzt wurden, wobei sich Felix nicht sicher war, ob das gut oder schlecht sein sollte.
"Ich glaube, ich muss mich übergeben", hörte er den Seraphim schräg rechts hinter sich murmeln.
Der Detective nickte zustimmend.
"Das...ist einfach nur grausam", flüsterte Chan und ging in die Hocke, um einer weiblichen Seraphim, deren weiße Flügel nur noch qualmende Stummel waren, die Augen zu schließen.
Das Klappern der Macheten hallte über den Boden. Köpfe rollten, Schreie blieben in der Luft hängen.
Felix schüttelte sich und wandte den Blick auf die gaffende Menge.
"Ich habe mit den Einsatzkräften gesprochen", meldete sich die Sirene zu Wort. Der Blonde versuchte sich den Namen seines Gegenübers wieder ins Gedächtnis zu rufen, jedoch geschah nichts, was ihm annähernd half.
"Gegen halb Neun begann der Feueralarm zu kreischen, keine zwei Minuten später ging die Bombe unmittelbar in einem vollbesetzten Büro hoch und riss ein Dutzend Wesen in den Tod. Die Wucht der Explosion ließ das Gebäude innerhalb weniger Sekunden wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Der Rettungsdienst birgt noch immer Leichen."
Der ernüchternde Einsatzbericht ließ Felix erschaudern. Sein Blick galt dem blauen Himmel, der einen schönen Tag hätte ankündigen können, doch nicht für jene Lebewesen, welche einen grauenhaften Tod fanden. Changbins Seufzen zog ihre aller Aufmerksamkeit auf sich.
"Chan, Seungmin, fliegt den Luftraum ab und schaut, ob ihr irgendwas entdeckt, vor allem Überlebende!"
Die beiden geflügelten Wesen nickten und erhoben sich mit einem Stoß vom Boden in die Höhe. Felix beobachtete das Spektakel mit großen Augen.
"Hyunjin, Minho, Jeongin, ihr drei kümmert euch um die Bodenaufklärung. Helft den Kräften, sucht Hinweise über die Täter. In einer Stunde möchte ich Antworten."
Der Blonde wollte sich gerade bemerkbar machen, als ihm Jisung zuvor kam.
"Und was ist mit mir und dem Hübschling?"
Er wollte sich schon über diesen Spitznamen eschaufieren, da starrte ihn Changbin direkt in die Augen. Sein Knurren duldete keinen Widerspruch, was sich Felix automatisch fragen ließ, ob der Fae auch etwas anderes konnte, als nur primitive Laute von sich zu geben.
"Ihr beiden helft mir."
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Guten Abend meine lieben Leser und Leserinnen! Ich weiß, es sind viele Informationen über Felix und was er so gemacht hat. Ich hoffe, es war dennoch einigermaßen verständlich ausgedrückt!
Hier einmal die Erklärung, wer zu welcher Rasse gehört:
Changbin = Fae
Chan = Dämon
Seungmin = Seraphim
Minho = Wolf
Jisung = Vampir
Hyunjin = Sirene
Jeongin = Drache
Was haltet Ihr von dem Kapitel? Von den Eindrücken die Felix beschreibt? Auch von seiner Expedition?
Bang Chan
Yang Jeongin
Han Jisung
Seo Changbin
Lee Felix
Lee Minho
Hwang Hyunjin
Oben sieht man Seungmin
Feel free to comment!
Erin🌸
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