Hell [1]

Detective Seo Changbin glaubte daran, dass Einsamkeit einen bestimmten Geruch besaß und somit einem trostlosen, stillen Vakuum glich. Es war die Abwesenheit von Leben, von Wärme und Geborgenheit, die dazu führte, dass es schmeckte wie Waschwasser von einer Autoraststätte, welches nicht zum Trinken geeignet war. Einsamkeit tränkte sich mit blassblauer Farbe und schwamm in einem Dunst aus dunkler, vernebelter Masse, die die Fäulnis zu einem großen Kometen zusammenwachsen ließ, um sie letztendlich auf die Welt niederkrachen zu lassen. Einsamkeit roch nach Verlust.
Und mit jedem Atemzug, den er tat, spürte er, wie er den Tod inhalierte. Er rümpfte die Nase, so scheußlich waren die Verwesungsgerüche. Sie sättigten die Luft, dick und schwer. Ihn überkam das Gefühl etwas Pelziges würde durch seine Kehle kriechen. Das Schaudern konnte er gerade so unterdrücken.
"Stinkt ganz schön", meinte eine Stimme, die seine Gedanken gelesen hatte.
Der Beamte wirbelte herum.
Sein gebräunter Teint, die gegeelten, schwarzen Haare und die Designeruhr an seinem linken Handgelenk mit dem dazugehörigen Outfit, welches aus einem weißen Hemd, einer schwarzen Weste und einer passenden Hose zusammengestellt war, fielen ihm als erstes auf. Sie ließen den Neuankömmling so wirken, als wäre er gerade vom Laufsteg einer Fashionshow gekommen. Aber das war nur eines von vielen Rätseln, welche Hwang Hyunjin jedes Mal aufgab. Denn neben seiner Schönheit strotzte sein Kopf nur von Wissen. Er war mit der Gabe beschenkt ein fotographisches Gedächtnis zu besitzen, was dem Jüngeren zwar in seiner Forensiklaufbahn weit gebracht hatte, jedoch ihm als eigenständige Person stets Qualen bereitete.
"Leichen sind eine verdammte Plage."
Changbin nickte zustimmend.
Wann immer er einen toten Körper zu Gesicht bekam, sah er die Stille, sah er die Einsamkeit.
Denn genau das war der Tod: Einsam.
Und in seiner Welt spielten nunmal die Karten gegen das Leben.
Sein Team und er jagten lebende Alpträume, jene, die nicht vor Mord, Vergewaltigung oder Grabesschändung zurückschreckten, jene, die den Pfad des Lebens längst verlassen hatten, um sich der Dunkelheit zu widmen, ihr zu dienen, sich an ihr zu laben, damit die Fäulnis in ihren zerfallenden Knochen getilgt wurde. Der Verstand dieser Monster konnte nicht gerettet werden, nicht mehr. Changbin hatte in seinem unsterblichen Leben einige dieser Wesen aufgespürt, gejagt, getötet.
Ihre dunkelsten Begierden, perversesten Abgründe und grausamsten Fantasien entzogen sich jeglicher Heilung, jeglicher Vernunft. Sie waren verloren.
Und in dieser Zeit, wo Magie durch die Luft stob, schossen diese Monster wie Unkraut aus der Erde. Manchmal glaubte Changbin sie kamen aus der Unterwelt, aus einem Loch tief im Inneren der Erde und wenn sie genug Kraft und Magie besaßen, traten sie an die Oberfläche und verpesteten die Welt wie eine Krankheit.
Seine zugespitzten Ohren nahmen Schritte vor der Eingangstür wahr.
"So langsam glaube ich, dass unser District Nine den Bach runter geht", tönte die Stimme seines zweiten Mitgliedes durch den Flur. Nach wenigen Sekunden betrat ein großgewachsener, breitschultriger Mann den Raum, in welchem Hyunjin und er sich befanden. Chan besaß ein kantiges, ausdrucksstarkes Gesicht, müde, aber harte Augen und einen bunten Haarschnitt ohne Rücksicht auf Mode oder Trends. Der Ältere war auf seine Weise attraktiv, dass man meinen könnte, er sei ein Schatten in einer Stahlkasette. Die rabenschwarzen Schwingen an seinem Rücken gaben ihm die Erhabenheit eines Herrschers der Dunkelheit. Doch die Ironie dahinter, dass sein Kollege einer der freundlichsten Wesen dieses Planeten war, konnte man kaum glauben.
"Das merkst du erst jetzt? Jeglicher Abschaum lebt auf unseren Straßen."
Eine große Gestalt mit sportlicher Figur trat direkt hinter Chan ein. Seine Bewegungen waren geschmeidig und nahezu geräuschlos, wie man sie bei Kampfsportlern beobachtete - eine pantherhafte Leichtigkeit, die binnen eines Wimpernschlages in explosive Brutalität umschlagen konnte.
Lee Minho war eine durchaus erträgliche Mischung äußerer und innerer Qualitäten. Hinter seiner harten undurchdringlichen Fassade steckte mehr als nur rasende Wut, die bei Wölfen oft die Oberhand gewann. Ein blitzgescheiter, rasiermesserscharfer Verstand, welcher ihm das ein oder andere Mal das Leben gerettet hatte. Das gute Aussehen und der politische Durchblick boten sich perfekt in ihrem Job an und nachdem er die Karriereleiter im Sturm eroberte, stand auch diesem Pfad nichts im Weg.

Changbin sah sich seine Teamkameraden an, es fehlten zwar noch welche, doch der Fae spürte in seinem Inneren, dass er nicht länger warten konnte.
Der Schwarzhaarige drehte sich zu der Tür. Die Zeit des Plauderns war vorbei. Ehe er einen Schritt machen konnte, verschwamm für einen Moment alles vor seinen Augen. Manchmal hatten triviale Dinge etwas Unheimliches, man konnte spüren, dass etwas Grauenhaftes aus ihnen hervorkam oder in ihnen steckte, auch wenn es ganz alltägliche Dinge waren: ein Vorschlaghammer, mit dem ein Schädel zertrümmert wurde, ein Brief mit einem Video von Kindesmisshandlung.
Oder das, was ihn hinter der großen, weißgestrichenen Tür erwartete.
Die längste Sekunde, war die, in der das Grauen auf sich warten ließ, bevor es sich manifestierte. Es war wie ein Jäger, der um seine Beute schlich, dessen düstere, seelenlose Augen einen bis auf die Knochen auszog, um dahinter zu blicken. Es war diese Sekunde, die verging, nachdem man etwas Furchtbares, etwas vollkommen Verstörendes gesehen hatte, bis man es akzeptierte.
Und so erging es Changbin gerade.
Es war ein wortwörtliches Gemetzel völliger Raserei, puren Hasses und Erniedrigung.
"Bei der großen Mutter, was ist hier nur passiert?", murmelte Chan. Seine Blässe war stets porzellanartig, beinahe weiß, bei Wesen der Nacht nicht unüblich. Minho, Jisung und Jeongin waren ebenfalls damit beglückt. Doch jetzt, nachdem sie ihre Blicke durch den verdunklten Raum schweifen ließen, hätte man meinen müssen, Chan wäre durchsichtig, wie ein Geist.
Changbin schüttelte sich innerlich. Für dieses Werk gab es keine Worte. Bemessen an dem Blut, was sich überall befand, an den Wänden, auf dem Boden, auf jedem Schriftstück, auf jedem Buchrücken der Werke in den Regalen, konnte der Detective nicht sagen, was sich in diesem Zimmer abgespielt hatte. Es sah aus, als wäre eine Bombe inmitten des Opfers hochgegangen und hätte jedwede Hoffnung auf ein wieder Zusammensetzen verhindert. Doch er wusste es besser. Er wusste, dass dies keiner Explosion zugeordnet werden konnte, sondern etwas viel Schlimmeren.
"Ich denke, und da spreche ich für uns alle, dass das hier eine riesen Sauerei wird. Die Spurensicherrung tut mir jetzt schon leid."
Changbin blickte Minho an und erkannte darin Verlangen. Verlangen, dass Schwein zu finden, der dies zu Verantworten hatte. Seine Aussage blieb unkommentiert, was meistens so war, denn solche Worte halfen ihnen oft, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen, wenn man zu lange in die Dunkelheit gestarrt hatte.
Und das würden sie, ohne Zweifel, gleich tun.
Wortlos reichte Hyunjin jedem von seinen Kollegen und Freunden ein Paar Einweghand- und Überziehschuhe. Schließlich sollte der Tatort nicht unnötig kontaminiert werden. Einer nach dem anderen trat ein. Seine Nackenhaare stellten sich auf, nachdem ihm klar geworden war, richtig klar geworden war, dass sie das Reich des Todes betreten hatten.
Changbin musste schon viele Tatorte sehen, Familien benachrichtigen und miterleben, wie ihre Welt zusammenbrach. Diese altbekannte, beklemmende Atmosphäre hing noch immer in der Luft, genau wie die Angst eines Opfers stets am Tatort atmete, selbst Jahre nach dessen Ermordung. Die Gewissheit, dass hier eine Person um sein Leben gefleht hatte und letztendlich gewaltsam gestorben war, wusste der Schwarzhaarige schon im Flur. Er kannte den süßlichen Geruch des Todes, doch es kam noch ein weiterer hinzu: Der Geruch von Blut und Innereien. Ein Geruch, der auf bizarre Art völlig Fehl am Platz wirkte. Diese Mischung machte den Tatort zu einem Todesort, und daraus den Geruch des Bösen.
Binnen einer Sekunde wechselte Changbin in seine kalkulierende, distanzierte Art. Anders konnte man dieses Leid nicht ertragen. Es war purer Selbstschutz, der ihn aufrecht erhielt. In diesem Teil seines Seins blickte er aus weiter Entfernung auf das Geschehene. Er sah Dinge deutlich schärfer, auch wenn seine Augen die besten im Team waren, fielen ihm Details auf, die manch einer nicht sofort erkannte.
Aber auch die vollkommen banalen Dinge.
Es war eine Frau, Mitte Zwanzig, zierlichen Körperbaus, eindeutig ein Mensch. Das Gesicht zu einem endlosen Schrei verzogen, während ab Hals abwärts kaum noch Struktur vorhanden war. Jegliche Körperinnereien wurden gewaltsam und ohne Rücksicht an den jeweiligen Plätzen zerfetzt und achtlos zur Seite geworfen. Arme und Beine an mehreren Stellen gebrochen, wenn nicht sogar pulverrisiert. Zehen und Finger abgehakt. Die seidigen, langen, roten Haaren, welche im Zimmer verteilt lagen, mussten gewaltsam herausgerissen wurden sein.
Changbin kniete sich zu ihr hinunter. Die Augen starrten in weite Ferne, in die Endloskeit des Todes.
Sie war eine Schönheit. Ein Kind des Lichts.
Jenes Blut, welches in ihrem Körper einmal zirkulierte, fand sich nun an allen Gegenständen des Zimmers wieder.
"Er hat ihr ganzes Blut aufgefangen und damit Van Gogh gespielt", sprach Minho das aus, was Changbin dachte. Das pelziges Etwas kroch wieder durch seine Kehle, brannte sich seine Speiseröhre entlang und säuselte frohen Mutes:
Das ist der Tod und der Tod kommt durch seine Jünger.
Er schüttelte den Kopf und erhob sich wieder.
Ehe er sich irgendwie äußern konnte, ertönte eine lautstarke Stimme aus dem Flur:
"Hey! Sie dürfen da nicht rein, das ist ein Tatort!"

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Herzlich Willkommen zu meiner neuen Fanfiktion!
Ich habe es endlich geschafft zurückzukehren und das pünktlich zu meinem Geburtstag. Also seht dieses Kapitel bitte als Geschenk von mir für Euch!

Ich werde es nicht schön reden, dass es länger gedauert hat, als gedacht. Die letzten Wochen waren körperlich und psychisch für mich sehr anstrengend, weswegen ich gewisse Dinge, wie das Schreiben, hinten anstellen musste.
Nichtsdestotrotz freue ich mich, über jeden, der sich bereit erklärt, dieser Fanfiktion eine Chance zu geben.
Diesmal ist es eine Mischung aus Fantasy und Thriller, in der ich gemerkt habe, dass es viel mehr Input gibt, weshalb diese Fanfiktion auch so lange auf sich warten lässt!

Was haltet Ihr vom ersten Kapitel?

Gut, genug des Geplänkels, ich wünsche Euch viel Spaß! ❤


Hwang Hyunjin

Lee Minho

Bang Chan

Oben sieht man Changbin

Feel free to comment!

Erin🌸

04.03.2022

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