Family [17]
Felix stellte fest, während er auf dem Weg zum Hauptquartier war, dass er sein Mittagessen Zuhause vergessen hatte.
Und das stimmte ihn traurig.
Mit hängenden Schultern trat er durch das Eingangstor des Polizeireviers und ließ sich einmal von dem Pförtner durchchecken. Eines der wichtigsten Dinge in diesem Gebäude war die Sicherheit. Und Kim Namjoon nahm diese sehr ernst. Chan hatte ihm erklärt, dass vor einem halben Jahr ein Junkie eine Waffe hier hineinschmuggelte, um wild um sich zu schießen. Allerdings bedachte der Mann nicht, die Sicherheitsvorkehrungen, die ähnlich wie bei einem Flughafen waren. Er musste also durch die Kontrolle und dort entdeckte man die Sig Sauer, welche er in seinem Hosenbund versteckte. Bevor der ungebetene Gast auch nur einen Schuss abgeben konnte, entledigte man ihm seiner Waffe und führte ihn ab. Erst zu spät bemerkte es Felix, nachdem er den Raum betrat und was er erblickte, ließ ihn stehen bleiben. Hyunjin hatte ihn noch nicht entdeckt. Seine Aufmerksamkeit war auf etwas in seiner Hand gerichtet. Der Blonde machte einen Schritt zur Seite, sodass der Eingang den Blick auf ihn versperrte und spähte in seine Richtung.
Hyunjin sah traurig aus.
Nicht einfach nur traurig, sondern verloren.
Sie kannten einander zwar noch nicht lange, aber er hatte den Schwarzhaarigen hochmütig, sanft, wütend und witzig erlebt, was auch immer, aber niemals traurig.
Nie so wie jetzt.
Und er wusste irgendwie, dass es nichts mit ihrer jetzigen Situation zu tun hatte.
Was auch immer er in der Hand hielt, es betrübte die Sirene und das schockierte Felix. Er war sich sicher, dass es etwas Privates war. Hyunjin würde nicht wollen, dass er ihn so sah. Also nahm der Blonde kurzerhand sein Handy heraus und tat so, als würde er sich lautstark von einem imaginären Freund verabschieden. Er betrat den Raum und ließ einmal den Kopf schweifen. Zu seiner Rechten befand sich ein Whiteboard, welches die komplette Wand einnahm. Zu seiner linken ein Fernseher und eine eingerahmte Leinwand mit einem Bild, welches sich Felix ehrlicherweise noch nicht einmal angesehen hatte. Vereinzelt im Zimmer standen Tische mit Computern. Hier und da etwas Deko, sodass wenigstens ein bisschen der weiblichen Noten zwischen all dem Grauen und dem Tod Platz fand. Die Sirene hatte sich aufgesetzt und ein Lächeln erzwungen, dass nicht seine Augen erreichte. Felix beschlich das Gefühl der Ältere würde keine Lust auf Smalltalk haben, weswegen er ihm kurz zu lächelte und sich direkt an die Leinwand wandte, um diese genauer zu inspizieren.
Acht Wesen grinsten mit erhobenen Daumen oder Peace-Zeichen in die Kamera. Ein jeder von ihnen war in Farbe getaucht, als hätten sie gerade ein Haus gestrichen, doch ihre kugelsicheren Westen sprachen dagegen.
Hinter ihm hörte er Hyunjin sich erheben.
"Das war unser allererster Einsatz als Team. Es ging um einen Kindesentführung. Zwischenzeitlich steckten wir sogar in eine Dürreperiode, wo kein Hinweis einging. Bis Woojin-"
Die Stimme des Schwarzhaarigen senkte sich und Felix hätte schwören können, dass er Trauer darin vernahm.
"-Er hat einen Durchbruch erzielt. In einer Farbfabrik, nahe von Chans Heimatstadt, sollte sich das Kind aufhalten. Demzufolge haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt und sind ausgerückt. Letzen Endes sind wir einer nach dem anderen in einen Wirbel aus Farben gerannt, um die Täter zu schnappen. Und es war das beste Gefühl der Welt."
Felix nickte schmunzelnd. Ja, einen Gejagten einzubuchten, war ein großartiges Gefühl.
"Ich hatte Wochen später immer noch einen blauen Hals, dass meine Mutter dachte, ich wurde verprügelt", mischte sich eine neue Stimme mit ein. Jeongin gesellte sich zu ihnen. Dahinter folgte der Rest.
Ehe Changbin die all morgendliche Besprechung beginnen konnte, erschien der Pförtner von unten.
"Detective Lee? Hier sind zwei Personen, die gerne mit Ihnen sprechen würden."
Felix wechselte einen Blick mit dem Fae, um sein Einverständnis zu haben. Zum Glück lagen oder hingen keine Tatort Fotos an der Wand, ansonsten würden sie niemanden hineinlassen.
Im nächsten Augenblick wurde die Tür schlagartig aufgerissen und ein Wirbelwind aus purer Energie rannte auf ihn zu.
"Lixie!!!!"
Der Blonde hatte kaum genügend Zeit sich auf das Kind vorzubereiten, da schmiss sie sich mit ihrem ganzen Körpergewicht auf ihn drauf. Er merkte die fragenden Blicke in seinem Nacken, doch er ignorierte sie, nachdem auch die zweite Person in ihrer vollkommenen Schönheit den Raum betrat. "Olivia! Was habe ich dir gesagt? Du sollst dich nicht immer in die Arme von anderen Leuten schmeißen!", ertönte ihre wohlklingende Stimme. Felix nahm die Braunhaarige auf den Arm und eilte zu dem Neuankömmling hin.
"Mina, was macht ihr hier?", fragte er murmelnd. Er hatte nicht das Bedürfnis sich irgendwie erklären zu wollen, denn so wie er Han Jisung kannte, der ihm seinen Rücken mit Blicken durchlöcherte, müsste er das wahrscheinlich tun. Die Fae hielt eine Tüte hoch und grinste schelmisch.
"Du hast dein Mittagessen vergessen!", posaunte Liv in die Welt hinaus und zappelte wild in seinen Armen herum. Röte schoss dem Blonden in die Wangen. Diese Situation war mehr als nur unangenehm. Er schüttelte den Kopf und bedankte sich. Mina starrte einmal an ihm vorbei und winkte seinen Arbeitskollegen zu. Während Felix die beiden behutsam, dennoch bestimmend zum Ausgang schob, merkte er, wie Minas Augen auf Changbin hängen blieben. Dann wechselte sie einen Blick mit Felix, wo sie wissend mit den Augenbrauen wackelte.
Er verdrehte die Augen.
Dann klingelte ein Telefon, welches sich als Changbins herausstellte. Der Fae ging in den Konferenzraum nebenan, um zu telefonieren, wohingegen Felix sich bemühte die zwei Besucher nach draußen zu bugsieren.
Er gab Liv einen Kuss auf den Scheitel und umarmte Mina kurz.
"Wir sehen uns heute Abend. Wartet nicht mit dem Essen auf mich. Aber zum Gute Nacht-Sagen bin ich da!"
Seufzend sah er den beiden nach, bevor er sich, Schultern straffend, wieder zu seinem Arbeitsplatz begab.
"Es gab einen neuen Mord", äußerte sich Changbin grimmig. Felix legte den Kopf schief. Er hatte das Gefühl, der Schwarzhaarige war mies drauf, was wahrscheinlich an ihm lag. Oder er bildete sich das nur ein. Achselzuckend hängte er sich an das Geschwader dran und gemeinsam eilten sie zum Parkplatz. Glücklicherweise musste er diesmal nicht mit Changbin in einem Wagen fahren. Stattdessen saß er auf dem Beifahrersitz neben Hyunjin, der den anderen drei Fahrzeugen vor Ihnen folgte.
Erleichterung durchflutete ihn, als er merkte, dass die Sirene nicht auf sein Leben oder die Begegnung von vorhin einging. Dafür wirkte der Schwarzhaarige so, als würde er in einem Gedanken festhängen. Einerseits hatte Felix das Bedürfnis, den Älteren zu fragen, was los war, was das Bild bedeutete, auf welches er vorhin gestarrt hatte. Andererseits kam ihm das unhöflich vor. Also ließ er es bleiben.
Der Wagen kleckerte so vor sich hin, der Verkehr war mal wieder auf seinem Höchstmaß, weswegen sie nur schleichen konnten. Wenn er jetzt an Changbin dachte, würde er wahrscheinlich an sein Lenkrad greifen und es strangulieren, eben weil es nicht schnell genug ging. Doch nachdem sie von der Hauptstraße abgefahren waren, lockerte sich die Straße auf und sie kamen schneller an, als Felix lieb war.
Denn jetzt würden sie einer weiteren geschundenen Seele begegnen.
Doch zuvor hörte er noch etwas seitens Hyunjin.
"Manchmal sind wir nur Kollateralschäden in jemandes Krieg gegen sich selbst", flüsterte Hyunjin in die Stille hinein, sodass Felix erschauderte. Der Blonde wollte etwas erwidern, als der Ältere den Wagen anhielt und fluchtartig ausstieg, und ihm keine Zeit gab, auf das Gesagte zu reagieren.
Sie sammelten sich und Changbin gab an, wie es laufen würde.
Heges Treiben herrschte.
Die Spurensicherrung war vor Ort, ein weiterer Gerichtsmediziner, welcher Minho ablöste, um die Leiche in die Gerichtsmedizin zu bringen, mehrere Streifenpolizisten, die den Tatort absicherten.
Das Einfamilienhaus lag still an diesem Donnerstagmorgen.
Häuser starben mit ihrem Bewohner.
Denn danach waren sie nicht mehr als das zu erkennen, was sie einmal waren. Manche Menschen wollte nicht in einem Haus wohnen, in dem ein Mord geschehen war. Manch einer glaubte an ein böses Omen, an einen Fluch, der danach über diesem Heim schwebte. Makler hatten Probleme jene Häuser und Wohnungen zu vermieten, in denen der Tod wütete. Selbst wenn der Preis rapide sank. Die Angst vor dem Tod und dessen Nachwirkungen waren verherrend.
Sag mir, Haus, was ist in dir geschehen?
Zu Felix' Überraschung entschied Changbin dass nur er mit ihm zuerst das Gebäude betrat. Eine Erklärung dazu gab er nicht, aber insgeheim war er dem Älteren dankbar. Nicht weil er gleich eine Tote sehen würde, sondern weil sein Jagdinstinkt aktiviert wurde. Einen Wimpernschlag später folgte er dem Fae in das Innere. Über zwei Treppen gelangten sie schließlich in das Zimmer, wo sich der Mord abgespielt hatte.
Das Blut an den Wände war wieder präzise zur Schau gestellt. So viel Blut.
Es schien Felix beinahe unmöglich, dass eine solche Menge Blut aus dem schmächtigen Körper der jungen Frau kommen konnte. Wie hypnotisiert starrte der Blonde auf das Andreaskreuz, wo die Frau hing. Enorme Eisennägel ragten aus ihren zierlichen Handinnenflächen hinaus. Arterielle Spritzer verflüchtigten sich in jegliche Richtungen. Ihr Körper hing schlaff und beinahe lose herunter, als hätte man sämtliche ihrer Knochen zu Pulver gemahlen. Und dieses sammelte sich in ihren Beinen. Nur mit Mühe konnte der Detective sich abwenden und das sehen, was wie eine Neonleuchtreklame an der Wand hing:
Ein weiteres Kinderlied:
Daddy's at the foot store, Mummy's out of town,
She's working at the hospital, since Rhona came to town,
Hide away, hide away, Miss Rhona comes to town,
Hide away, hide away, she comes to take us down,
Miss Rhona's at the doorstep, I'll keep six feet away,
But Grandma needs the paper, I'll take her some today,
And here's a note from Rhona, she wanted me to say,
Hide away, hide away, keep six feet away,
Hide away, hide away, she brought us down today.
"Das nenne ich gruselig", sagte Seungmin und trat in den Raum hinein. Die Kamera in seiner Hand blitzte auf, nachdem er mehrere Fotos von dem Spruch gemacht hatte. Es handelte sich wieder um ein Kinderlied. Ein Schauer jagte über Felix' Rücken. Sein Gefühl sagte ihm, dass dies noch lange nicht vorbei war. Changbin tauschte mit ihm einen Blick:
Nachher besprechen wir unsere Eindrücke.
"Sie ist seit ungefähr zwei bis drei Tagen tot", sagte Minho, als er neben der Leiche in die Knie ging. Felix konnte ihm nur beipflichten. Es waren zwei Substanzen, die bei bakteriell bedingter Zersetzung von Eiweißverbindungen im Körper entstanden und den typischen Geruch verursachten: Cadaverin und Putrescin. Die beiden Begriffe leiteten sich vom lateinischen cadaver ab, was so viel wie Leiche hieß, und dem Verb putrescere, was so etwas wie 'faulen' bedeutete. Der Geruch beider Substanzen war äußerst penetrant. Atmete man ihn ein wurde man ihn den Rest des Tages nicht los.
Und das war widerwärtig.
_____________________________________________
Guten Abend, meine lieben Leserinnen und Leser! Willkommen zurück zu einem Neuen Kapitel. Wir haben eine Familienkonstellation in Felix' Leben gesehen und Hyunjin hat etwas zu verbergen?
Irgendwelche Ideen Eurerseits?
Han Jisung
Bang Chan
Yang Jeongin
Lee Felix
Lee Minho
Kim Seungmin
Hwang Hyunjin
Das oben verwendete Lied ist eine abgewandelte Version, die ich diesem Schreiben entnommen habe. Weder gehört der Song mir noch weiß ich, wer ihn publiziert hat. Rechte gehören dem Eigentümer!
Oben sieht man Changbin!
Feel free to comment!
Erin🌸
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top