𝐷𝑟𝑖𝑡𝑡𝑒𝑠 𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: ᴍᴜᴛ ᴢᴜʀ ʜᴀ̈ssʟɪᴄʜᴋᴇɪᴛ
Pls don't hate me 🥲
♡︎♡︎♡︎
Acht Stunden habe ich geschlafen wie ein Toter und jetzt sehe ich, dass Liam mir in der Nacht noch eine Sprachnachricht geschickt hat. Ich nehme das Handy mit in die kleine Küche und spiele die Nachricht ab, während ich im Schrank nach Tee suche: „Hey, ich hoffe, bei dir ist alles okay! Du warst nach unserem letzten Telefonat so kurz angebunden und ich mache mir inzwischen echt Sorgen! Ich habe gesehen, dass du deinen Instagram-Account gelöscht hast und das machst du doch nicht ohne Grund. Was ist los? Warum wolltest du aus Redditch weg? Soll ich zu dir kommen? Ich bin immer noch bei meinem Stiefvater, aber ihm geht es nicht so schlecht, dass ich nicht kurz vorbeikommen könnte. Ruf mich bitte an, Harry!"Den Teebeutel noch in der Hand starre ich mein Handy an. Ich würde gerne mit ihm reden, aber... ich kann nicht! Wann immer ich über die ganzen Geschehnisse nachdenke, blockt etwas in mir ab. Mir hat jemand K.O.-Tropfen verabreicht! Irgendein Arschloch hat mich betäubt und dann wer weiß was mit mir gemacht! Und jetzt kursiert ein Bild, dass mich für meine Kommilitonen als Schwuchtel abstempelt und wegen dem Dekan Sprout mich von der Uni geschmissen hat! Was wirklich geschehen ist, spielt für ihn gar keine Rolle! Er hat mir nicht mal richtig zugehört! Das einzige, was für ihn zählt, ist, dass er mich ein zweites Mal wegen ungebührlichem Verhaltens abgemahnt hat! Das erste Mal war, als ich hinter der Cafeteria für diesen verdammten Anime-Porno geübt habe, den ich dann schließlich doch abgelehnt habe.
Es ist so verdammt unfair und ich fühle mich einfach nur hilflos!
Das ist das eigentlich schlimme. Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich weiß nur, dass ich auf keinen Fall das Opfer sein will. Nur ist in mir im Moment gar kein Platz für irgendetwas außer diesem Gefühl von Hilflosigkeit und ausgeliefert zu sein. Und es ist egal, wie oft ich mich dusche, mir meine Haut abschrubbe und das Wasser über den Kopf laufen lasse. Es ändert sich nichts daran, wie ich mich fühle. Weil es immer noch dieses Foto gibt! Und jeder auf der ganzen Welt mich sehen kann.
Ich bin immer noch Harry. Und Harry wurde von einem völlig Fremden angefasst!
Ich will Liam wirklich anrufen, aber mir wird schlagartig schlecht.
Hastig lege ich den Teebeutel auf die Küchenplatte und laufe ins kleine Bad.
Auf den Knien hocke ich vor der Toilette, aber die Übelkeit wird weder schlimmer, noch verbessert sie sich.
Sie bleibt einfach da.
Ich wünschte ich könnte mich wenigstens übergeben, weil diese verdammte Situation einfach nur zum Kotzen ist!
Doch es kommt nichts raus.
Mit Tränen der Wut in den Augen knalle ich schlussendlich den Klodeckel zu und mache den Wasserhahn am Waschbecken auf. Es wundert mich, wie das Wasser überhaupt noch fließen kann, so kalt ist es, doch trotzdem schüttete ich es mir mit beiden Händen ins Gesicht, bis der Rand meines Shirts vollkommen durchnässt ist.
Im kleinen Spiegel, über dem Waschbecken sehe ich meine weit aufgerissenen grünen Augen und die brauen Locken. Sie reichen mir knapp über die Schultern.
Das Haar, dass er angefasst hat. Das Haar, mit dem man höchstwahrscheinlich nachweisen kann, dass Drogen in meinem Körper waren.
Sehe ich noch aus wie ein normaler Mann? Oder wie ein Mann, dem man K.O.-Tropfen verabreichen und den man begrabschen kann, wenn man Bock darauf hat?
Ich weiß es nicht.
Ich atme so oft tief ein und wieder aus, bis das Beben in mir sich wieder legt und ich endlich wieder klarer denken kann.
Ich will nicht mehr so aussehen, wie ich! Und vor allem, will ich verhindern, dass mich hier irgendwer erkennt!
Dies schaffe ich aber nur, wenn ich keine Ähnlichkeiten mit dem alten Harry habe.
Ich laufe zu Liam's Schreibtisch und suche die unzähligen, kleinen Schubladen, vergebens nach einer Schere ab. Auch in der Küche ist keine zu finden. Wieder zurück im Bad reiße ich den Spiegelschrank auf, der über dem Waschbecken hängt, doch alles, was ich dort finde, ist eine winzige Nagelschere. Wenn ich es damit versuche, würde ich wahrscheinlich noch bis Übermorgen hier sitzen und hinterher auch noch aussehen wie Edward mit den Scherenhänden.
Vor Verzweiflung könnt ich schreien! Ich brauche etwas, irgendwas! Wenn ich hier nichts finde, werde ich gleich zum nächsten Supermarkt laufen und mir eine Packung Blondiercreme kaufen! Aber das würde nichts ändern, oder? Die Drogen, oder was auch immer man mir gegeben hat, sind dann noch immer in meinem Haar!
Ich gehe in die Knie und öffne den Schrank, der sich unterhalb des Waschbeckens befindet, schiebe ein paar Klopapierrollen und einige Putzmittel beiseite. Meine Finger stoßen ganz hinten auf ein Kabel. Ich ziehe daran, doch es scheint zu klemmen. Da muss irgendetwas hinter den Schrank gekommen sein. Ich hole die Putzsachen aus dem Schrank und ziehe diesen ein Stückchen voran. Dann zerre ich nochmals an dem Kabel.
Eine Sekunde später halte ich einen Langhaarschneider in der Hand. Er sieht wirklich uralt aus und ist vollkommen verstaubt. Anscheinend ein Überbleibsel eines vorherigen Bewohners. Ich richte mich auf und mein Blick geht zwischen meinem Spiegelbild und der Maschine hin und her.
Soll ich es wirklich machen? Ich will es- und ich will es auch wieder nicht. Wenn ich mir die Haare abrasiere, dann... Können das alle sehen! Aber wenn ich es lasse, dann muss ich für immer daran denken, dass das Betäubungsmittel dort drin steckt!
Ich weiß nicht wie viel Zeit schon vergangen ist, als es plötzlich an der Haustür klingelt.
Mein Herz setzt kurz aus, nur um kurz danach sofort wieder loszugaloppieren.
Unschlüssig starre ich auf den Langhaarschneider und dann wieder auf die Tür.
Wer auch immer da geklingelt hat, ich werde garantiert nicht aufmachen!
Ich will einfach niemanden sehen!
Es klingelt ein weiteres Mal und ich sage laut: „Nein!", zu meinem Spiegelbild.
Nein, ich werde nicht aufmachen! Nein, ich bin nicht dieser Harry! Nicht dieser Opfer-Harry! Ich will das zurücklassen! Ich will ganz neu anfangen! Und ich will auf keinen Fall Drogen in meinen Haaren haben!
Direkt nach dem Aufwachen hatte ich, neben einer neuen Nachricht von Nick schon wieder zwei von unbekannten Nummern, die mich beschimpft haben. Ich werde mir eine neue Handynummer besorgen und nie wieder an Redditch denken!
Mit zitternden Fingern stöpsel ich den Stecker ein. Die Maschine hat ein beruhigendes, geradezu hypnotisches Brummen, das nur vom wiederholendem klingeln unterbrochen wird.
Das ist jemand verflucht hartnäckig!
Aber Liam ist nicht hier und die einzigen Personen, die wissen, dass ich hier bin sind er und Louis. Okay, und dieser überdrehte Jason und seine Freundin, aber die werden mich ja wohl kaum um halb neun besuchen wollen.
Ich setzte die Maschine an meiner Stirn an und Tränen treten mir in die Augen. Ich kneife sie fest zusammen, während ich den Aufsatz gegen meine Kopfhaut drücke und nach hinten gleiten lasse. Die Maschine gibt merkwürdige Geräusche von sich, als wäre sie jetzt schon völlig überfordert.
Blind taste ich mit meiner anderen Hand an die Stelle, fühle kurze Stoppeln.
Es funktioniert also.
Mit wild pochendem Herzen öffne ich die Augen und starre auf mein Spiegelbild. Und ich... Sehe erbärmlich aus! Wie ein umgedrehter Irokese. An den Seiten lang und in der Mitte kahl.
Ich spüre, wie ein hysterisches Lachen in mir hochsteigt.
Oh Gott, das ist sowas von überhaupt nicht lustig!
Ich will die Maschine gerade ein zweites Mal ansetzen, als die Person draußen wild anfängt auf die Tür einzuschlagen.
Was zum-
Das hört sich ziemlich brutal an. Ich schlucke.
Was ist denn verdammt noch mal so dringend?
Ich ziehe den Stecker aus der Wand und stoße die Badezimmertür auf, als im selben Moment ein splitterndes Geräusch ertönt und jemand durch die Tür bricht.
Oh Gott, das ist ein Albtraum! Es kann nur ein Albtraum sein!
In Wirklichkeit stolpert nicht gerade Liam's Stiefbruder Louis, durch die kaputte Tür in die Wohnung und starrt mich mit einem vollkommen schockiertem Gesichtsausdruck an. In der Realität stehe ich auch nicht mit einem Langhaarschneider vor ihm, als würde ich ein Laserschwert von Star Wars halten und habe dabei eine Frisur, wie ein Zombie.
„Fuck!", stößt Louis hervor und dieses eine Wort vermittelt mir deutlich schnell, dass das alles hier leider doch real ist.
„Fuck!", sagt er noch einmal.
Dann dreht er sich um und geht auf den Flur hinaus, als hätte er nicht gerade Liam's Wohnungstür eingetreten. Er bückt sich, um eine Papiertüte und einen Karton aufzuheben.
Ich stehe da, wie festgewachsen, als Louis wieder reinkommt und der Tür einen Tritt gibt, die daraufhin zu und direkt wieder aufschwingt.
„Du hast die Tür eingetreten!"
Ich bin immer noch fassungslos.
„Du hast nicht aufgemacht."
Das kann doch nur ein Scherz sein! Das muss ein Scherz sein!
„Ich war im Bad beschäftigt!", mein Herz rast so schnell, dass mir das Blut in den Ohren rauscht. „Wer tritt denn die Tür auf, nur weil er mal ein paar Minuten ignoriert wird?!"
Er Zuckt mit den Schultern.
„Ich- ich...!"
-Ich kann nicht fassen, dass ich dieses Gespräch mit Liam's Stiefbruder führe! Er gehört zu seiner Familie.
Aber Himmel, wenn er so gewalttätig ist, dass er mal eben eine Tür eintritt, dann ist ihm alles zuzutrauen, oder?
Louis klemmt sich den Karton unter den Arm und kratzt sich mit der freien Hand am Kopf.
„Liam hat mich angerufen, als ich gerade Frühstück holen war und mir gesagt, dass ich ein Auge auf dich haben soll, bis er hier ist. Er macht sich wirklich Sorgen um dich!"
Er wirft einen Blick auf sein Handgelenk, doch dort ist keine Uhr.
„Er ist in einer knappen Stunde hier."
„Und deshalb trittst du die Wohnungstür ein?"
Hätte ich Liam doch sofort angerufen und ihn beschwichtigt! Jetzt lässt er meinetwegen, seinen Stiefvater allein. Scheiße!
Meine Finger um krampfen die Maschine in meiner Hand und unwillkürlich sehe ich mich nach einem Fluchtweg um.
Warum hat er das getan?
„Ich habe geklingelt. Liam meinte, dass es dir wahrscheinlich ganz schön beschissen geht. Außerdem warst du gestern schon so seltsam. Und dann kommen Geräusche aus dem Zimmer, die sich so anhören, als würdest du dir- keine Ahnung... Gerade irgendwelche Gliedmaßen abtrennen!"
Okay, falls er wirklich vorgehabt hat, mir irgendwie weh zu tun, dann hätte er dies bestimmt schon getan. Und er würde sich sicherlich nicht stellvertretend für Liam Sorgen um mich machen!
„Ich wollte mir nur die Haare schneiden."
„Das sehe ich."
Er mustert nicht meine Frisur, sondern schaut mir direkt in die Augen. Das Blau in seinen scheint mir heute noch intensiver zu sein, als am Abend zuvor.
„Du hast-", eine Hand schwebt über seinem Kopf und macht mit seinen Fingern seltsam kreisende Bewegungen. „Echt Mut zur Hässlichkeit!"
Ich blinzele gegen die Tränen an.
Verdammt, ich darf jetzt nicht heulen! Wenn ich einmal anfange, kann ich nie wieder aufhören!
„Sorry!" Er sieht ehrlich beschämt aus. „Oh, Scheiße, tut mir leid! Wirklich Harry, lass es mich anders formulieren: du hast einfach Sinn für...Humor?" Er lässt es wie eine Frage klingen. Dann holt er einmal tief Luft und fragt: „Was wird das, wenn's fertig ist? Denkst du, du kommst in deinem Leben besser klar, wenn du aussiehst wie...-" Er wirkt etwas hilflos und scheint keine Worte zu finden. „Nehm es mir nicht übel, aber ein ‚richtiger' Junge?"
Ich blinzle noch heftiger, als zuvor, um meine aufgemischten Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Ja, genau das ist es... Ich denke, dass ich viel besser klarkommen würde, wenn mich nicht jeder als eine Art männliche Frau ansehen würde. Nur weil ich lange Haare habe und meine Lippen ein Pink besitzen, das ausseht wie Lippenstift, heißt es nicht, dass ich für jeden Mann ein Spielzeug bin, mit dem sie machen können, was sie wollen. Oder doch? Nein, ich möchte einfach nicht mehr das Opfer sein.
Er wartet meine Antwort nicht ab.
„Kann ich näher kommen? Oder streckst du mich dann mit einem Ninja-Schlag nieder, weil ich wie das letzte, unsensible Arschloch reagiert habe?"
Ich stocke. Am liebste wäre es mir, er würde sofort verschwinden und mich mit meinem Elend und der verdammten Haarschneidemaschine alleine lassen. Doch dann muss ich gegen meinen Willen plötzlich lächeln.
„Arschlöcher sind draußen eindeutig sicherer!"
„Tja", sagt er. „Ich habe Liam aber versprochen dich nicht aus den Augen zu verlieren und ich habe Donut's mitgebracht! Und Rice Krispies, wenn dir das zum Frühstück liebe ist!"
Er hält die Tüte hoch und zeigt mir dann den Karton mit dem unverkennbaren Logo, den er unterm Arm getragen hat. Ich mag Rice Krispies nicht besonders, aber ich mag Donut's! Sehr sogar. Und erst jetzt bemerke ich, dass in meinem Magen eine gähnende Leere herrscht und ich tatsächlich Hunger habe. Wahrscheinlich bin ich einfach nur Unterzucker. Wahrscheinlich bin ich deswegen auf diese bescheuerte Idee gekommen. Wahrscheinlich hätte ich meine Haare in Ruhe gelassen, wenn Louis ein paar Minuten früher an meine Tür geklopft und irgendwelche Scherze gemacht hätte.
Wahrscheinlich? Nein, ganz bestimmt!
Ich fühle mich hundeelend.
„Ich...-ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll", sage ich ehrlich und drehe die Maschine unschlüssig in meiner Hand. „Das war wohl ein Fehler, oder?"
„Jep!" Er nickt, dann stellt er das Essen auf dem Tisch im Wohnzimmer ab. „Bestimmt fühlst du dich jetzt mies! Ich kenn das, passiert mir ständig, aber so kann es nicht bleiben! Mit den Haaren kannst du, wenn überhaupt, an Halloween rausgehen!"
Danke für die aufmunternden Worte!
„Versteh mich nicht falsch, es gibt echt schlimmeres! Zum Beispiel Menschen, die richtige Wichser sind, die müssen sicher 'n Tüte über ihren Charakter ziehen! Du hingegen-" Er zuckt wieder mit den Schultern. Soll mich das jetzt wirklich aufbauen?
„Wenn ich irgendwann in meinem Leben mal vorhaben sollte von einer Autobahnbrücke zu springen und mir der letzte Anstoß fehlt, weiß ich jetzt wenigstens, wen ich anrufe! Dankeschön!"
„Bring es einfach zu Ende, okay?"
Er geht an mir vorbei und zieht die Badezimmertür sperrangelweit auf.
„Manchmal kann man nichts anderes machen als weiter! Also los, es kann ja schließlich nur besser werden!"
„Ist das dein verdammter Ernst?"
„Klar, was willst du denn sonst machen? Dir die Haare von der Seite rüber kämmen? Wie bescheuert sähe das denn aus?!"Da hat er allerdings recht. Ich marschiere an ihm vorbei ins Bad, dann werfe ich die Tür zu.
„Ich koche Tee!", kommt es gedämpft durch die Tür.
Ich stütze mich am kleinen Waschbecken ab und atme langsam ein und wieder aus, um mich zu beruhigen. Mir bleibt nicht wirklich eine Alternative, als es jetzt auch wirklich durchzuziehen.
Er hat recht! So kann ich auf keinen Fall rausgehen! Hätte ich die Maschine an der Seite angesetzt hätte man eventuell einen Undercut draus machen können. Aber so?
Ich zähle langsam von drei runter, stecke das Gerät wieder ein und schalte es an.
Zieh es einfach durch, Harry!
Dann fange ich ohne weitere Überlegungen an, die nächste Bahn auf meinem Kopf abzurasieren. Auch, wenn ich dabei am liebsten heulen würde. Es geht nicht leicht, weil sich meine langen Haare an dem Aufsatz verheddern und die Maschine daraufhin empört brummt. Mehrmals muss ich über dieselbe Stelle fahren, um auch wirklich alles wegzuschneiden und am Hinterkopf komm ich so schlecht dran, dass es verheerend aussehen muss. Minutenlang bearbeite ich meinen Kopf, bis ich mir eingestehen muss, dass ich es alleine einfach nicht schaffen kann. Mit den übrig gebliebenen Haarsträhnen, sehe ich noch mehr wie ein Zombie aus, der aus irgendeinem Actionfilm entsprungen ist.
Ich wünschte Liam wäre jetzt schon hier!
Auch wenn ich wegen seines Stiefvaters ein schlechtes Gewissen habe, bin ich froh, dass er gleich kommt. Dann höre ich wie Louis in der Küche hantiert und schließlich seine Schritte, die unschlüssig vor der Badezimmertür enden.
„Alles klar bei dir?", fragt er.
„Ja!", sage ich. „Ich denke schon, aber Louis, ich-"
Oh Gott, ich kann ihn das nicht fragen! Wir kennen uns schließlich gar nicht!
Mehrere Atemzüge vergehen, in denen ich meine Möglichkeiten durchgehe. Ich müsste einfach nur auf Liam warten, oder- verdammt! „Ich- ...ich brauche Hilfe!"
„Von mir?!", er klingt entgeistert.
„Nein!", gebe ich Augenrollen zurück. „Von dem anderen Louis!"
Er zieht die Tür auf und lugt so vorsichtig um sie herum, dass ich lachen würde, wenn die Situation nicht so beschissen wäre.
„Ich komm nicht überall dran und mir werden langsam meine Arme schwach!. Die Maschine ist ziemlich stumpf und wahrscheinlich eine Ewigkeit nicht mehr geölt worden und ich-"
Ich sterbe gleich vor Scham, wenn er mich weiter so ansieht!
„Kannst du es vielleicht mal versuchen?"
„Ich soll dir den Kopf rasieren?"
Das ist die Gegenfrage des Grauens! Ganz ehrlich, nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass mich jemand mal so etwas fragen würde. Es fällt mir schon schwer genug ihn darum zu bitten, da könnte er freundlicher Weise so tun, als wäre das alles nicht so dramatisch. Es ist schließlich mein Kopf, nicht seiner!
„Verdammt, so etwas hat noch nie jemand von mir verlangt. Also nicht am Kopf. Das ist irgendwie- fuck!"
Lalalalalalala! Ich will gar nicht wissen, worum ihn seine Freundinnen schon gebeten haben!
Mit einem unterdrückten Stöhnen, lege ich ihm den Langhaarschneider in die Hand und ziehe einen kleinen Hocker heran. Wenn ich sitze, dürfte ihm dies die Arbeit erleichtern. Er ist ja schließlich nicht der größte.
Er stößt einen Seufzer aus und sagt: „Okay, ich krieg das hin!"
Dann schaltet er das Gerät ein und stellt sich hinter mich.
Obwohl ich darauf warte, obwohl ich ihn um genau das hier gebeten habe, zucke ich zusammen, als ich merke wie Louis sich hinter mich bewegt.
Er ist Liam's Stiefbruder! Er ist nett! Vielleicht ein bisschen zu verrückt, aber er ist harmlos! Vor ihm brauche ich nun wirklich keine Angst zu haben! Er hat sich Sorgen gemacht und will mir wirklich helfen! Außerdem weiß er, dass Liam gleich herkommt. Wir werden nicht sehr lange alleine sein. Wenn er mich anfasst, dann ist das etwas völlig anderes, als die Hände von diesem Foto, die mich betatscht haben! Diese Hände, die- die-
Und dann berühren seine Fingerspitzen meinen Hinterkopf.
Bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe, springe ich von dem kleinen Hocker auf und fahre herum. Die Hände zur Abwehr erhoben, weiche ich zurück und presse mich mit dem Rücken gegen die kalten Steinfliesen an der Wand.
„Es tut mir Leid, ich- ich glaub ich kann das doch nicht!"
Louis bleibt einfach stehen und betrachtet mich nachdenklich. Seine geschwungenen Augenbrauen ziehen sich zusammen. Das Gerät brummt und ich wünschte er würde es endlich abstellen.
„Danke, dass du es versucht hast!", schiebe ich schnell hinterher.
Aber Louis macht keine Anstalten, die Maschine wegzulegen. Er runzelt die Stirn und dreht dann beschwichtigend eine Handfläche nach außen.
„Vielleicht mache ich einfach die Tür auf, damit ein bisschen Luft rein kommt. Was meinst du? Ist verdammt stickig hier drin!"
Er zieht die Badezimmertür vollständig auf und sofort merke ich wirklich, dass ich leichter atmen kann. Es ist verrückt, weil er eigentlich nicht wissen kann, dass ich schreckliche Angst vor dieser Enge habe und dennoch bietet er mir einen Fluchtweg an.
„Am besten setzt du dich anders herum, dann kannst du nach draußen gucken!"
Er schiebt sich zur Seite, damit ich im Engen Badezimmer an ihm vorbeigehen kann, ohne dass wir uns berühren müssen.
Oh mein Gott! Ist es so offensichtlich, wie gestört ich bin?! Okay, dumme Frage, ich habe mir gerade meine Locken abrasiert, also ja.
Ich kaue auf meiner Unterlippe, dann straffe ich meine Schultern und setze mich zurück auf den Hocker. Mein Körper ist so angespannt, als wollte Louis mich mit einem Samurai-Schwert frisieren. Alle meine Sinne sind vollkommen auf ihn konzentriert: ich höre wie er sich langsam nähert. Spüre, wie sein Knie kurz gegen meinen Rücken stößt und er es sofort wieder weg zieht und eine Entschuldigung murmelt. Wie sich daraufhin der Kunststoff des Schneideaufsatzes gegen meinen Kopf drückt, ohne das er mich anfasst. Ich verkrampfe mich sofort, als die Maschine über meinen Kopf fährt. Es surrt nun nur leise, weil der größte Teil der Haare ja jetzt schon weg ist. Ich stütze mich mit beiden Händen auf den Hocker ab.
So könnte ich mich gut abstoßen und wegrennen, wenn es sein muss! Aber es muss nicht sein!
Louis macht keine hektischen Bewegungen, was mich wirklich beruhigt. Gemächlich und mit leichtem Druck, arbeitet er sich von allen Seiten vor. Als er in meinem Nacken ankommt, bittet er mich meinen Kopf nach vorne zu legen und ich starre hinunter auf meine Knie.
„Ich muss mal kurz von vorne dran, sonst kann ich das nicht richtig sehen! Ist das okay für dich?"
Nein!
„Ja."
Seine Jeans streift meinen rechten Oberarm, als er sich an mir vorbei drängt. Dann steht er vor mir.
Und das ist verdammt noch mal überhaupt nicht okay für mich!
Er steht genau zwischen mir und der Tür. Ich konzentriere mich darauf immer wieder langsam und tief zu atmen um nicht in Panik zu verfallen, aber Louis Bauch ist direkt vor meinem Gesicht. Sein Bauch und sein Schritt!
Ich zähle die Knöpfe an seiner Jeans. Es sind vier.
„Ich muss die Haare hinter deinem Ohr noch erwischen", erklärt er. „Ich drück es ein Stück zur Seite, okay?"
„Okay", stoße ich erstickt hervor.
Louis hebt langsam seinen linken Arm. Er legt zwei Finger an meinen Kopf um ihn zur Seite zu neigen, dann biegt er sanft mein Ohr um. Meine Finger verkrampfen sich um den Plastikstuhl und ich halte meinen Atem an, weil er mehrere Anläufe braucht um alle Haare zu erwischen. Jedes Mal, wenn er den Arm hebt, um die Maschine zu bewegen, rutscht sein T-Shirt hoch und ich sehe die nackte Haut über seinem Hosenbund.
Als Louis meinen Kopf zur anderen Seite kippt, ist sein Unterarm genau vor meinen Augen. Aber nur so kurz, dass ich nur einen wagen Eindruck von dem Vogel bekomme, der darauf abgebildet ist. Und den Adern, die bläulich durch seine Haut schimmern.
„Ich denke das wars!", sagt er schließlich und stellt die Maschine aus. „Guck am besten mal selbst in den Spiegel!"
Er tritt von mir zurück und ich richte mich auf.
Es ist seltsam mich so zu sehen, aber Louis war gründlich. Deshalb sieht es gar nicht mal so schlimm aus. Ich habe eine ovale Kopfform mit einem kantigen Kiefer und volle Lippen. Meine grünen Augen wirken mit dem Buzzcut nun übergroß in meinem Gesicht. Ich wirke aber kein Stück ‚jungenhafter', eher im Gegenteil. Da ist nichts mehr, dass von ihnen ablenken könnte.
„Dein ganzes Gesicht besteht nur aus Augen!", sagt Louis im selben Augenblick. Er steht seitlich hinter mir, sodass ich ihn durch den Spiegel sehen kann. Sein Mund lächelt nicht, aber da ist etwas weiches in seinem Blick.
„Es ist okay, oder?", frage ich ihn.
„Ja, es ist okay!" Sein Blick fährt über mein Gesicht und dann über meinen Hinterkopf. „Du hast da so ein Muttermal!"
Unwillkürlich fasse ich mir an meine Wange.
„Ja, ich weiß, es ist ja nicht zu übersehen!"
„Ich meine an deinem Hinterkopf. Das kann's du im Spiegel nicht sehen. Hier!" Seine Fingerspitze tippt auf eine Stelle weit hinter meinem rechten Ohr, nur um sich schnell wieder zurückzuziehen.
„Sorry, vielleicht gehst du dich erst ein mal duschen, damit du die ganzen Haare los wirst. Sie kleben alle an deinem T-Shirt. Vor allem am Kragen, wo es nass geworden ist!"
„Danke" ich lächle ihn durch den Spiegel an. „Du hast mich auf eine komisch eArt und Weise gerettet!"
Louis will etwas nettes sagen, dass erkenne ich daran, wie seine Mundwinkel sich nach oben ziehen. Doch dann verdunkelt sich plötzlich sein Blick und seine Lippen werden zu schmalen Strichen.
„Kein Ding. Wenn du mal wieder jemanden brauchst, der dich bei dummen Ideen unterstützt, oder eine Tür für dich eintritt und damit eine Wohnung ruiniert-"
Er lässt den Satz unbeendet und verlässt das Badezimmer. Ich weiß wirklich nicht, warum er jetzt plötzlich so abweisend gegenüber mir reagiert. Vielleicht war das alles einfach ein bisschen zu viel für ihn. Mit mir am Rande des Nervenzusammenbruchs zu balancieren, macht mit Sicherheit nicht besonders viel Spaß. Es tut mir auch leid, dass Liam ihn auf mich angesetzt hat und das er sich verpflichtet gefühlt hat, nach mir zu sehen. Wenn er nach dem duschen noch hier ist, werde ich ihm sagen, dass er sich ab jetzt um mich keine Gedanken mehr machen muss.
Erleichtert, weil ich nun doch ohne Tüte über dem Kopf, nach draußen gehen kann, schließe ich die Badezimmertür zweimal ab, fege die Haare zusammen und lasse sie in den kleinen Mülleimer fallen. Vorsichtig schlüpfe ich aus meinem Anziehsachen, steige in die enge Kabine und drehe den Wasserhahn voll auf. Das Wasser wird schnell warm. Zu schnell. Ich verbrenne mich fast und muss dann den Hahn wieder runter drehen. Ich spüle mir meine Locken ab, die wirklich an meinem ganzen Körper kleben und sehe zu, wie die letzten Haare im Ausguss verschwinden. Und damit auch die Drogen, die sich darin abgelagert haben. Und zum ersten mal seit Tagen habe ich das Gefühl wirklich sauber zu sein.
♡︎♡︎♡︎
Hellou :)
Surprise! Und wie findet ihr's? Hahaha
I'm very sorry for the late update, aber was soll ich sagen... Ich hatte ein paar, wie sagt man so schön: fAmIlÄrE pRoBlEmE ._.
Ich bin seit einer Woche wieder in der Schule 🤠 YEY! Französisch ist immer noch so scheisse wie vor den Ferien und ich bin mal wieder this close 👌🏼 to a mental breakdown
Also, all the fookin love an alle ladies und Gentlebitches da draußen
J
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top