Kapitel 8...Mein Vater und Ich
°°° SAM °°°
Es wurde noch ein aufregender Nachmittag, außer die heikle Diskussion mit meiner besten Freundin Alex. Ein paar weitere neue Gäste checkten ein, nicht nur der gut aussehende wahnsinnsvolle Sexiest Man Harper. Von dem ich Alex noch immer kein Sterbenswörtchen erzählt hatte. Mein Blick auf die große Uhr sagte mir, dass ich schon lange über meinen pünktlichen Feierabend hinaus war. Also schnappte ich mir meine Klamotten aus dem kleinen Büro hinter unserem Empfang und verabschiedete mich von Alex und Tom. Dann lenkte ich meine Schritte in Richtung "Büro Direktor" zu meinem Vater, bevor es nach Hause ging.
Mein Zuhause liegt gleich nebenan am Hotel. Ich brauche nur zur Tür hinaus treten und dann gleich rechts abbiegen. Also hab ich keinen weiten und langen Weg zu bewältigen. Wenn ich schnellst möglichst mal gebraucht wurde, wenn es Not am Mann gab, war ich also schnellst möglichst vor Ort. Von unserer Haustür nebenan raus, links herum und schon bin ich mit einem Fuß bereits im Hotel drin. Ich kam also nie zu spät zur Arbeit...außer...Ich hab es mal verschlafen, was eigentlich sehr, sehr selten vorkam...einmal bisher.
Hier stand ich jetzt nun, vor dem Büro meines Vaters. Eine walnussbraune verzierte Tür trennte mich noch von ihm. Mein letzter Weg, bevor ich heim ging, war immer erst zu ihm. Und das jeden Tag. Dann fragt er mich meistens:
"Wie war dein Tag, mein Kind?
oder...
"Hast du heute schon Feierabend?" oder...
"Schön, dass du nach mir siehst!"
Ich liebe meinen Dad über alles. Er ist das einzige männliche Stanford - Exemplar, das mir meine Tante Helen zurück gelassen hat. Die Beiden waren immer ein Herz und eine Seele, immer unzertrennlich. Man sah nie einen von ihnen ohne den anderen, als ob sie zusammen geklebt waren.
Da stand ich nun vor seiner Bürotür und hob meine rechte Hand zur Faust geballt und klopfte bei ihm an.
"Klopf, klopf!", rief ich an der Tür laut, so dass er mich hören konnte.
So meldete ich mich bei meinem Vater an...Somit wusste er, wer ihn besuchen oder sprechen oder nach ihm sehen wollte. Dann wartete ich davor, bis er mir erlaubte einzutreten.
Es ist nicht so, nur weil ich seine Tochter bin, kann ich einfach so in sein Büro hinein stolpern. Nein! Auch ich unterziehe mich den Regeln, wie es sich auch für die anderen Angestellten gehört...Ich möchte da keine Ausnahme sein, nur weil ich die Tochter des Hotelbesitzers Benjamin Stanford bin.. Hier in diesem Hotel werden keine Unterschiede gemacht. Alle gehören zu einem Team...zu einer großen Familie.
"Herein!", hörte ich es von drinnen...die Stimme meines Vaters...rau, tief, anziehend und ich öffnete die Tür einen Spalt und sah hindurch in sein Büro hinein. Mein Vater saß wieder kopfqualmend über dem Computer. Als ich in sein Büro eintrat, sah er von seinem Schreibtisch auf und strahlte mich an. Es war das charmanteste Lächeln, was ich je kannte und je gesehen hatte. Ich denke, meine Mum hat dieses Lächeln gefallen, sonst hätte sie sich nicht für meinen Dad entschieden. Leider bin ich seine einzige Tochter. Wäre schön gewesen, noch ältere oder jüngere Geschwister gehabt zu haben. Er legte die Schreibutensilien beiseite und erhob sich von seinem Chefsessel. Ich trat ein, schloss die Tür hinter mir und ging lächelnd auf ihn zu.
"Sam!...Hallo mein liebes Kind! Wie war dein Tag?", fragte er mich gut gelaunt, aber auch müde. Siehst du? Was hab ich dir gerade vorhin gesagt? Eine dieser drei Fragen stellt er immer.
Er kam auf mich zu und schloss mich in seine wohltuende Umarmung zur Begrüßung ein, die mich manchmal vergessen lässt, wie anstrengend und stressig unser Job sein kann. "Ganz gut! Und du, Dad? Geht es dir heute besser?", fragte ich ihn und er geleitete mich an den Kamin und wir setzten uns in die weichen, angenehmen Sessel, die vor dem Kamin standen. Wir saßen dort oft stundenlang und redeten und scherzten und lachten oder planten. Das war für mich der entspannteste, unterhaltsamste und gemütlichste Ort im gesamten Hotel.
Benjamin, so heißt mein Dad, hatte noch Schwierigkeiten beim Gehen. Er stützte sich mit einer Krücke auf der rechten Seite ab. Lieber so sich vorwärts zu manövrieren, als in einem Rollstuhl sitzen, der einem nach einem langen Tag Muskelkater in den Armen bescherte, der einem dann Nachts nicht ruhig schlafen ließ.
Seine Herz - Transplantation war noch nicht allzu lange her. Sie wurde vor ein paar Wochen durchgeführt, bevor Tante Helen starb und beerdigt wurde. Mein Dad stand sehr lange auf dieser Warteliste für ein neues Herz. Doch die Freude daran währte nicht lange, denn seine Schwester verließ uns nach einem langen Kampf gegen ihre Krankheit.
"Geht es dir wirklich gut, Dad?", hakte ich nach, denn die Sorgen um ihn bleiben. Sie gehen nicht einfach so von heute auf morgen weg. Er nickte nur und starrte in die Flammen. Dann sprach er.
"Diese Krücke bringt mich langsamer als eine Schnecke von A nach B...Aber es wird besser...Meinem Herzen geht es auch gut, außer die Trauer, die noch in mir steckt, beeinflusst noch mein Gemüt." Ich wusste, dass er von seiner Schwester sprach, die alles für ihn bedeutete.
"Ist dir warm genug oder soll ich dir eine Decke bringen?", fragte ich ihn, als er auf seinem gemütlichen braunen Ledersessel Platz genommen hatte. Er fühlte sich manchmal so kalt an. Seine Hände nahm ich dann oft in meine und wärmte sie für ihn, bis er aufgewärmt war.
Mein Dad legte seine linke Hand auf meine rechte Hand, die ich auf seine Sessellehne gelegt hatte. "Nein, mein Kind! Das ist nicht nötig...Aber ich danke dir für deine töchterliche Fürsorge." , und er strich mir liebevoll und dankbar dafür über meine linke Wange.
"Du siehst müde aus, Sam.", bemerkte er nebenbei. "Du solltest nach Hause gehen...Ich warte hier noch auf deine Mutter!" Das tat er immer...auf sie warten. Für die Beiden war das ein tägliches, abendliches Ritual, gemeinsam nach Hause zu gehen und den Alltag hinter sich zu lassen. War meine Mum eher mit ihrem Dienst fertig, war sie diejenige, die auf meinen Dad wartete, damit das Ritual nicht unterbrochen wurde.
"Dad?...Warst du heut schon bei Tante Helen auf dem Friedhof?...", fragte ich ihn. Denn aller zwei Tage besuchte er sie auf dem Friedhof. Sie fehlte ihm sehr.
"Wenn deine Mutter mit ihrer Arbeit fertig ist, besuchen wir deine Tante Helen.", sprach er seelenruhig mit einem Blick auf die Flammen im Kamin.
"Ich vermisse sie sehr, Dad!" Ich ging stets an den Tagen, an denen meine Eltern nicht dorthin gingen. Denn ich wollte mit Tante Helen alleine sein, mit ihr reden, mit ihr weinen, mit ihr lachen.
"Ich auch meine Tochter... Ich auch! Vor allem ihre Kochkünste in der Hotel - Küche vermisse ich sehr...Und ihre Stimme, wenn sie nebenan immer laut gesungen oder einen Angestellten ermahnt hat...", und so vertieften wir uns in unsere Erinnerungen an Tante Helen.
Sein Blick fiel auf die Nebentür links von seinem Kamin, die zum Büro seiner Schwester führte. Von der Lobby her gab es auch eine Tür dort hinein.
"Da du schon mal hier bist, mein Kind. Können wir kurz über Geschäftliches reden?...Ich brauche jemanden, der sich um die ganzen Utensilien für die Bäder und den Pool kümmert, Reinigungsutensilien und Waschlotionen, Shampoo, Toilettenzubehör für die Zimmermädchen und für die Putzkolonne und für den Wellness - Bereich die Öle und was die Masseure noch alles benötigen...und wie hieß dieses auflösende Zeugs zum Baden nochmal, was die Kinder so sehr lieben?"
"Badezusätze Dad...Die Utensilien für den Pool werde ich an Mister Clarkson weiterreichen. Ich werde gleich noch mit ihm darüber sprechen. Vielleicht kann er jemanden dafür abstellen, der sich darum kümmert. Ansonsten gebe ich eine Stellenschreibung heraus, dass wir jemanden dafür suchen. Männer haben mehr Ahnung vom Pool und das Drumherum...Frauen sollten davon die Finger lassen. Den Rest übernehme ich...Ich tu es gern.", versicherte ich meinem Vater.
"Die ganzen Badezimmer im Hotel müssen kontrolliert werden, ob etwas benötigt wird, mein Kind!"
Ich antwortete flott. "Diese Aufgabe übergebe ich den Zimmermädchen. Wir haben diese Vordrucke für jedes Bad im Hotel in der Wäschekammer liegen. Die Zimmermädchen brauchen nur Kreuze zu setzen, was benötigt wird und die Anzahl dazu. Sie können es notieren, was fehlt, um es wieder aufzufüllen. Sie haben den besseren Überblick, da sie jeden Tag in den Zimmern und Bädern sind und sie sauber machen. Ich werde ein Auge mit darauf haben und laufe mit den Zimmermädchen die Etagen ab. Wir schaffen das, Dad!", bestärkte ich ihn und nahm seine kalten, faltigen Hände erneut in meine und legte meinen Kopf müde darauf.
"Das wollte ich hören, mein Kind!", antwortete er mir stolz...wie so immer, wenn ich weitere Aufgaben in diesem Hotel übernahm. Mein Vater rückte nach einer kleinen Weile noch etwas näher mit seinem Sessel an den Kamin heran.
"Wird dir das nicht zu viel der Verantwortung? Du hast schon genug Aufgaben übernommen.", fragte er mich besorgt.
"Tante Helen ist nicht mehr da, Dad. Einer muss die Aufgaben übernehmen. Du brauchst Mums und meine Unterstützung. Irgendwie muss es weiterlaufen. Ich kann die Ordner und den Computer von Tante Helen mit in das Büro an der Rezeption nehmen und mich einarbeiten in diesen Bereich....Wenn du möchtest, kann ich das auch hier bei dir erledigen, um dir etwas Gesellschaft zu leisten. Dann bist du tagsüber nicht mehr so allein und hast jemanden zum Reden.", streichelte ich ihm seine Wange und lächelte dabei, wie eine Tochter nur liebreizend ihren Vater anlächeln konnte.
"Nein, nein, ist schon in Ordnung!...Gutes Kind! Ich danke dir, kleine Sam!...Warte mal, ich hab da eine Idee!"
"Und die wäre?", stellte ich neugierig in den Raum an ihn.
Er warf einen Blick auf die Tür zu Helens Büro.
"Du könntest das Büro deiner Tante beziehen, um die Arbeit zu erledigen...Wenn du es möchtest, mein Kind.", bot er mir an. Und genau das wollte ich natürlich nicht. Ich wollte keine einsame Stille um mich. Ich brauchte Action, Lautstärke, Trubel. Und den fand ich ganz bestimmt nicht in ihrem Büro.
Ich schaute ebenfalls an die Tür. Seit meine Tante nicht mehr unter uns weilte, hatte ich ihr Büro nicht mehr betreten. Mir fehlte die Kraft dazu. Dafür war die ganze Situation noch zu frisch.
Mein Vater strich mir mit seiner linken Hand über meinen Schopf. Er konnte nur erahnen, was gerade in meinem Kopf vor sich ging. Meine Gedanken überschlugen sich wohl gerade. "Sam?...Gib dir nicht die Schuld für all das!...Sie konnte nicht mehr dagegen ankämpfen...Da, wo sie jetzt ist, geht es ihr besser und sie ist dort gut aufgehoben."
Meine Augen suchten die meines Vaters, während sich meine mit Tränen füllten. Dann sprudelte es aus mir heraus..
"Und hier war sie es nicht?...Gut aufgehoben?"
Ich erhob mich und hielt die Hände meines Vaters noch immer mit meinen fest. Dann sagte ich entschlossen:
"Ich werde mein Bestes geben, Dad! Ich möchte Tante Helen nicht enttäuschen! Gib mir ein Versprechen, Dad!" Er sah mich abrupt an. Sein Blick war getrübt und traurig. Ihm fehlte Helen sehr.
"Gib dich nicht auf, hörst du?...Du bist nicht allein! Du hast uns alle hier, die dir helfen, wann immer du einen von uns brauchst, Dad. Halte durch! Tu es für deine Schwester, hörst du?...Tu es für mich!", schluchzte ich leicht.
Mein Vater stand kurz auf und sah mir tief in meine braun - grünen Augen. "Dann gib du mir auch ein Versprechen, meine Tochter...", begann er zu mir zu sprechen. "Wenn es dir zu viel wird, sag rechtzeitig bescheid."
"Es wird mir nicht zu viel werden, Dad! Versprochen!", versprach ich ihm felsenfest.
Er lachte etwas kleinlaut.
Ich sah ihn verwirrt an und wunderte mich über seine Reaktion.
Es war eine Weile her, dass er so lachte wie gerade jetzt...weich und herzhaft. Wie hatte ich das vermisst an ihm.
"Was ist so lustig, Dad?", konnte ich die Frage nicht zurückhalten.
"Kein Wunder, dass du keine Zeit für dich selbst hast, um einen Mann zu finden, weil du so viel und so hart arbeitest."
Ja musste das denn jetzt sein? Mit allem hab ich gerechnet, aber nicht mit dieser Aussage. "Das werde ich schon noch...irgendwann...Versprochen!..." Was besseres als Antwort fiel mir jetzt nicht auf die Schnelle ein, um ihn zu besänftigen.
Wie konnte ich auch ahnen, dass dieser Jemand bereits hier war und um meine Nase herum tanzte.
Ganz ehrlich? Darüber hatte ich mir bis jetzt keinen Kopf gemacht, was Männer angeht...Naja!...Seit dieser Harper hier urplötzlich aufgetaucht ist, muss ich mir jetzt wohl Gedanken darüber machen?...NEIN!...Nicht jetzt! Dafür ist später immer noch Zeit sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Falscher Moment!
"Aber darüber solltest du dir jetzt keine Gedanken machen!", gab ich ihm noch mit auf dem Weg...und ob du es glaubst oder nicht, schwirrte mir schon wieder Mister Max Harper durch den Kopf. - Verdammt! Verschwinde aus meinem Kopf! - herrschte ich meine Gedanken an ihn an. Das war ja nicht mehr auszuhalten. Er hatte jetzt überhaupt nichts in meinem Kopf zu suchen.
"Kann ich dir noch etwas bringen, bevor ich rüber ins Hause gehe?...Einen Tee?...Einen Kaffee?...Möchtest du vielleicht etwas essen?", versuchte ich mich damit abzulenken, denn die Gedanken an ihn waren schon etwas lästig. Geh weg aus meinem Kopf! Na wird's bald?
Vater verneinte und bedankte sich für das Angebot.
"Leg dir noch etwas Holz im Kamin auf, sonst geht es aus, Dad...Wir sehen uns morgen früh! Arbeite nicht mehr solange. Du solltest dich lieber noch etwas schonen, haben die Ärzte gesagt.....!", erinnerte ich ihn noch schnell daran und ließ die Hände meines Vaters endgültig los und verabschiedete mich von ihm mit einer Umarmung und einem töchterlichen Kuss auf seine in Falten gelegte Stirn.
Er zog seine Stirn etwas kraus, als er mich ansah. Was dachte er gerade in diesem Moment? Ob er mir nicht zu viel zumutete? Nein! Auf keinen Fall tat er das. Ich liebte das, was ich hier im Hotel tat. Es füllte mein Leben aus.
"Ich hab dich lieb, Dad!...Gute Nacht!", sagte ich ihm zum Abschied und verließ sein Büro.
"Gute Nacht Tochter!", wünschte er mir hinterher.
Ich hörte seine Worte noch, bevor ich ganz aus dem Büro für den heutigen Tag verschwand: "Ich hab dich auch lieb, mein Kind!", und ich beendete meinen langen Arbeitstag und ging endlich heim und ließ das Hotel und all die Menschen darin für heute hinter mir.
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