Kapitel 7...Alexandra Marshal
°°° SAM °°°
Nachdem ich endlich den Hörer von meinem Ohr entfernen und auflegen konnte, stand Alex wie aus dem NICHTS vor mir. Wann in aller Welt war sie aufgetaucht? Sie zog sich gerade ihre schwarze Jacke über und knöpfte sie sich bis zum Hals zu. Sie tat es so legere, als sei sie gerade zu ihrer Schicht erschienen und würde gleich ihren Dienst antreten.
Aus einer kleinen Drehung nach links heraus erschreckte ich mich vor ihrem plötzlichen Erscheinen. "Scheiße man, Marshal! Hast du mich erschreckt. Beehrst du uns auch endlich mal wieder mit deiner Anwesenheit? Wo zum Teufel hast du so lange gesteckt?...Du lässt mich hier über eine Stunde allein stehen...", zeterte ich auf sie ein.
Bei mir dauert ein Toilettengang nicht länger als nötig. Was dauert denn bei ihr so lange: den Lippenstift oder den Lidstrich nachziehen? Wie wär's mit Nase pudern? Keine Ahnung, was sie da drin solange aufgehalten hat! Vielleicht hat sie eine Zigarette geraucht? Laut Hausordnung ist das verboten oder ist sie vielleicht mal eben kurz aus dem Fenster abgehauen?
Und schon kam ihre spitze Ansage an mich zurück. "Bleib locker, Stanford! Du hast dich nicht dabei überarbeitet, oder? Du stehst immer noch aufrecht wie ein Soldat im Schießregiment und bist noch nicht umgefallen. Das heißt im Klartext: Du warst nicht die Zielscheibe, Schätzchen!"
Alex war gereizt. Wer ist das nicht, wenn er eine Ansage von der besten Freundin und Mitarbeiterin bekommt, die vor ein paar Stunden zur Erbin dieses Hotels ernannt worden war...nicht freiwillig nebenbei erwähnt. Aber darum ging es mir nicht. Es ging darum, dass ich wieder für Alex über eine Stunde ein Alibi gegeben hatte, weil sie der Meinung war, einfach mal so zu verduften. Wohin auch immer. Bisher kam nie ein "Dankeschön" von ihr. Wozu auch? Weil sie alles für selbstverständlich hielt. Also ließ ich nicht locker und gab es ihr zurück. "Du meinst - Erschossen..." stellte ich klar. "... nicht umgefallen, Marshal!", stellte ich in erster Linie richtig und fuhr ihr dabei über ihre große Klappe. Denn das konnte sie überhaupt nicht leiden, wenn man es ihr mit barer Münze zurückzahlte. Denn dann stand nicht Alex ungehalten vor mir, sondern Ares, der Gott des Krieges, aus der griechischen Mythologie.
Alex sah mich, nach diesem Spruch von mir scharf auf sie gemünzt, von der linken Seite an und blinzelte mit ihren voll geschminkten Augen und klimperte mich mit ihren schwarzen, langen, künstlichen Wimpern an. "So kann man es auch sehen, Stanford!...Hab ich in der Zwischenzeit etwas verpasst?", lenkte sie bewusst vom eigentlichen Thema ab.
Wie konnte sie diese Situation nur ins Lächerliche ziehen...Blinzeln und Klimpern?! Als ob die Diskussion damit abgetan und es normal wäre, einfach mal so während der Arbeitszeit zu verduften?...Für sie schon, aber nicht für mich!
Was war denn ihrer Meinung nach so unheimlich dringend wichtig?
Ich verneinte verächtlich ihre Frage. Ich bin doch nicht so blöd und erzähle ihr von diesem peinlichen Aufeinandertreffen zwischen diesem Headset - Kerl! Wie hieß er nochmal?...Harper!...Du kannst es mir ruhig glauben. Ich kam mir so kindisch vor in seiner Anwesenheit. Ich hätte mich ohrfeigen können für mein blödes Benehmen. So etwas wie heute ist mir, solange ich an diesem Empfang tätig bin, noch nicht passiert. Ich glaube, ich hab mich wie der erste Mensch benommen...Nein! Ich muss mich berichtigen...Ich hab mich wie ein Volltrottel benommen...nicht professionell genug.
Ist das für eine Frau normal, wenn man sich so tollpatschig und peinlich, vor allem so hilflos, lächerlich, benimmt, wenn einem so etwas über den Weg läuft? Oh man! So etwas sexy ausstaffiertes wie ER sollte verboten werden. Ganz ehrlich? Tante Helen hat mich so einiges gelehrt und mir beigebracht, aber das Kapitel, wie ich mich als Frau - solch einer Sorte von Mann - gegenüber verhalten und auftreten soll, das war meiner Tante wohl entfallen oder sie hat dieses Kapitel mit Absicht übersprungen. Geht das so einfach?
Ich habe mich in diesen Minuten ihm gegenüber in meiner Haut überhaupt nicht wohlgefühlt. Er muss mich wirklich für eine komplett durchgeknallte Idiotin gehalten haben, die sie auf ihn losgelassen haben. ER und sein blödes Headset...Was hatte er mit seinem Chauffeur so Wichtiges zu besprechen? Das war in meinen Augen einfach nur unhöflich...Ja, das war's, einfach nur unhöflich. Da hätte ich ja gleich mit der Uhr an der Säule neben dem Haupteingang reden können. Egal! Ja nicht weiter darüber nachdenken. Er hat sein Penthouse bekommen und Alex war wieder da. Was wollte ich denn mehr?
Also widmete ich mich wieder meiner Arbeit am Empfang und fragte Alex nebenbei: "Was hast du solange gemacht, Marshal?" Während ich auf ihre Antwort wartete, zog ich mir meine schwarze Weste aus und hängte sie an die Garderobe links neben unserer Bürotür auf. Und Alex checkte die Anwesenheitsliste für den heutigen Tag. Was dauerte denn da so lange mir zu antworten? War doch eine simple Frage oder etwa nicht? Hatte sie meine Frage überhaupt gehört oder ignorierte sie sie mit Absicht?
"Gar nichts!", antwortete sie im Nachhinein ohne von dem Computer aufzusehen und sie pustete sich eilig eine Strähne aus ihrem Gesicht. Ich hob meine Augenbrauen an und konnte jetzt nicht glauben, was sie da von sich gab. Wollte sie mich gerade verar...? Verzeihung! Ich denke mir jetzt mal das abfällige Wort oder ersetze es damit - weiß machen wollen. Schon besser! Ich war verblüfft über ihre Antwort, die sie soeben zum Besten gab und verärgert.
"Gar nichts?...Und das soll ich dir auf's Wort glauben?...", verschränkte ich verärgert meine Arme vor meiner Brust und lehnte mich an den Empfang, mit meiner rechten Beckenseite, vor dem Empfangsbereich und sprach weiter.
"...Für ein - Gar nichts - warst du ziemlich lange genug weg, Alex!...Was hat dich aufgehalten?"
Ihr zorniger Blick von vorn war nicht zu übersehen. Dann brummte sie vor sich hin. "Der Laden ist auch ohne mich in der Stunde gelaufen. Also was beschwerst du dich, Sam?", antwortete sie mir ohne ihren Kopf zu heben, der weiterhin auf den Bildschirm des Computers gerichtet war.
OKAY! Bleib ruhig Sam Stanford!, redete ich mir meditierend ein. Bleib ruhig und reg dich nicht auf. Du müsstest das eigentlich mittlerweile wissen, wie diese beste Freundin Alex tickt.
Doch mit erhobenem Hauptes, ich weiß, es war eine übertriebene Reaktion von mir, konterte ich zurück. "Ich beschwere mich nicht! Und bei dir schon gar nicht!...Aber mal unter uns gesagt: Ist das dein DANKESCHÖN dafür, dass ich dich schon wieder gedeckt habe, Marshal? Das wievielte Mal war's das denn?..."
Doch dann kam mir ein Gedanke. Alex faselte neulich von einem neuen Kerl, den sie kennen gelernt hatte...Und da ging mir ein Licht auf. Und ihr Gesichtsausdruck mit diesem verräterischen Lächeln und diesem schmachtendem Blick, als würde sie meine Gedanken erraten oder lesen können, spuckte ich dieses gezündete Hirngespinst von Gedanke aus. "...Kannst du so etwas nicht zu Hause erledigen? Muss das immer im Hotel sein? Was hat das Hotel, was du nicht zu Hause hast, Alex?"
Ich sah mir Alex genauer an, um mir die Bestätigung zu holen, dass ich richtig lag....und wirklich...ich wurde fündig. Man glaubt es kaum.
"Wie siehst du überhaupt aus? Dein Makeup ist verschmiert. Du solltest es auffrischen!...Deine Frisur sitzt auch nicht mehr...", machte ich sie auf ihr verruchtes Aussehen verlegen aufmerksam. Es sollte eigentlich beschämend und streng klingen, aber Alex merkte schon, wohin das hinaus laufen sollte...und...dass ich sauer auf sie war.
Ihre bittere Reaktion erfolgte sofort darauf. "Hast du sonst noch irgendetwas an mir auszusetzen, Miss Stanford?", keifte sie mich jetzt an, als wäre ich ihr auf den Schlips getreten. Ihr Blick war missbilligend auf mich gerichtet. Ich raffte meinen Mut zusammen und ließ sie Folgendes im Klartext wissen: "Ja, hab ich!...Vergreif dich nicht noch einmal in diesem Ton mir gegenüber!...Ist das klar, Marshal?...", und damit nicht genug. "...Und so heißt du mir keine Gäste willkommen! Such dir einen ordentlichen Kamm und einen Spiegel. Du bist total unordentlich und ramponiert!", regte ich mich über ihr Aussehen auf und betrat wieder den hinteren Bereich des Empfangs.
Doch ehrlich gesagt, hatte Alex mich neugierig gemacht und ich stellte ihr die berüchtigte Frage. "Gib es zu: Du konntest es nicht lassen, Alex oder?...Wer war es dieses Mal?" Alex zog ihre Haare aus der Jackett - Jacke nach hinten heraus und räusperte sich mir gegenüber. Ich wartete auf eine Antwort. Schließlich fragte ich sie: "Hast du es denn so nötig, Marshal?" Alex ignorierte mich gekonnt und tippte auf der Tastatur des Computers herum.
Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und raunte vor mich hin.
"Du genießt und schweigst?" "Zufriedenstellend?"
"Ausreichend?" Meine Stirn zog sich schon in Falten.
"Hallo?". signalisierte ich ihr. "Genießbar?"
...Doch dann platzte meine Neugier. "War er so grottig, weil du nicht antwortest?", und ich klatschte mit meinen Händen ganz laut, denn ihre Stille machte mich wahnsinnig. Ich hasste es, wenn man ihr alles aus der Nase heraus ziehen musste.
Alex sah mich an und begann zu lächeln und dann erstrahlte ihr ganzes Gesicht wie ein Honigkuchenpferd.
"Es war mehr als nur zufriedenstellend. Es war EXPLOSIV...Es war...!"
Okay! Ich glaube, das reicht. Ich hab genug gehört und ich hielt mir die Ohren zu. Allein die Vorstellung, dass sie mit ihrem Lover in unserem Hotel...
"Oh Gott! Ich will es überhaupt nicht wissen. Das ist ja widerlich!", schüttelte ich mich.
Dann wählte ich die Durchwahl zur Kaffee - Bar und bestellte den Kaffee für Mister Harper in der Stanford Road, denn den hätte ich beinahe im Eifer des Gefechts wegen Alex vergessen. Ich drehte mich danach zu ihr um und sagte: "Ich rede jetzt von Freundin zu Freundin mit dir, Alexandra Marshal! Du solltest damit aufhören, für deine Schäferstündchen die Hotel - Zimmer zu benutzen. Es geht eine Weile gut, Alex. Aber irgendwann werden sie dich erwischen und dann war's das für dich."
Alex lachte etwas mädchenhaft vor sich hin. "Ach du kleines Dummerchen! Was soll denn schon passieren? Das wird keiner erfahren! Die Zimmer sehen danach aus wie geleckt...", wollte sie mich besänftigen oder wie ein kleines Mädchen behandeln. Beides würde ich sagen. Denn beruhigen tat mich das mit Sicherheit nicht. "Außerdem sind die Matratzen so herrlich widerstandsfähig.", setzte sie noch oben drauf, als ob sie mit mir pokern würde.
"Ooooh Alex! Das ist ja...Du bist...Verdammt unausstehlich und nervig, weißt du das?...itch hasse dich, Alex Marshal!", beschimpfte ich sie mit einem freundlichen Ton. Jedenfalls sollte es nicht all zu streng klingen.
"Ich weiß, Stanford!", scherzte sie.
"Und was unsere Zimmer betrifft: Wie viele davon ramponierst du denn?", fragte ich sie nun etwas leicht böse veranlagt und nahm einen Schluck aus meiner Tasse Kaffee, die neben dem Telefon seit heute Morgen stand. Doch leider schmeckte er nicht mehr so wirklich...kalt sog ich ihn mir ein, wie immer. Es verging kein Tag, an dem ich meinen Kaffee mal im heißen Zustand zu mir nahm.
"Meinst du etwa am Tag oder in der Woche?...Keiner hat etwas mitgekriegt, Stanford.", meinte sie nun leicht genervt zu mir. Doch die Antwort ließ ich nicht auf mir sitzen. Ich stocherte noch etwas darin herum. "Das möchte ich auch sehr hoffen, für dich, Marshal!...Und außerdem:
Sag niemals nie, Alex!
Lass dir das für die Zukunft gesagt sein, Marshal! Hör auf damit, ja? Es ist es nicht wert, dass du dadurch deinen Job verlierst!", versuchte ich ihr ins Gewissen zu reden, falls sie so etwas überhaupt besaß.
°°° ALEXANDRA °°°
Wenn ich gewusst hätte, wie recht meine Freundin Sam damals damit hatte. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mich vor diesem Tag davor gewarnt habe. Doch wer nicht hören will, muss bekanntlich fühlen. Denn die Hotel -Direktion schläft nie...Nicht mal ihr Vater, Benjamin Stanford!
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