Kapitel 5...Ein neuer Gast
°°° SAM °°°
Ich unterbrach meine Arbeit erneut. Etwas hatte mich abgelenkt. Es musste schon etwas driftiges sein, damit ich meine Arbeit niederlege und da war der Übeltäter. Durch die Drehtür schlängelte sich ein gutaussehender Mann in das Foyer, mit einer Aktentasche in seiner rechten Hand. Lass ihn 1,80 m groß sein und übelst kurze leicht lockige schwarz - graue Haare auf seinem Kopf. Das bisschen Haar, was er besaß, war mit etwas Gel nach hinten gezogen, dass die paar Locken zur Geltung kamen. Sein Gesicht zierte ein Drei - Tage - Bart. Sein Körper wies einen durchtrainierten Oberkörper und breite Schultern auf. In seinem Gesicht saß eine Sonnenbrille mit schwarzem Rahmen auf der Nase. Und...Und...verdammte Sch....Er kommt...Er kommt direkt auf den Empfang zu.
Oh nein! Bitte nicht...nicht jetzt!...Geh bitte nochmal raus auf die Straße und komm später wieder rein, wenn Alex hier steht.
Zum Glück hatte ich das nicht laut gesagt. Das wäre eine volle Blamage geworden. "Mist!", kam dieser Fluch gerade ganz leise über meine Lippen. Mir war der Kugelschreiber im Begriff aus meiner rechten Hand zu rutschen. Gerade so bekam ich ihn noch zu fassen, noch ehe er auf dem Fußboden ankam.
Was war denn nur los mit mir? Kaum tritt so ein richtiger Kerl hier rein, schon kann ich meine Fassung nicht mehr unter Kontrolle halten. Verschwinde! Geh weg! , betete ich insgeheim. Doch er ging nicht. Er war fast an der Rezeption angekommen. Er trug einen schwarzen, langen Mantel, der ihm bis zu den Knien reichte und den er auf dem Weg im Begriff war bis hierher auszuziehen und er steckte nur noch im rechten Ärmel drin.
Wieso zog er sich denn aus? Lass den Mantel an. Zieh ihn wieder an und dreh dich um und verlasse das Hotel! Wieso tat er nicht, was ich wollte?, stammelte ich leise vor mich hin. Ich begann langsam Panik zu schieben, denn gleich würde er mich ansprechen und mit mir ein Gespräch führen wollen. Ich werde sicher kein Wort herausbekommen. Ich werde mich aufführen, als...als...Und seine Tasche landete gerade auf der Empfangstheke. Okay? Sein Mantel liegt jetzt über seinem linken Arm und er...er holte Luft, sah sich kurz hinter mir irgendetwas an und grüßte mich plötzlich mit seiner rauen, festen, tiefen Stimme.
"Guten Tag!...", und plötzlich...nichts mehr. Er starrte mich an.
Wieso redet er nicht weiter? Hat er einen Frosch verschluckt oder was? Ich hörte seine Stimme in meinen Kopf...Oh mein Gott! Das klingt wie Musik in meinen Ohren, wenn er den Mund aufmacht. Seine Lippen sind...Was ist nur los mit mir?
Ich versuchte nochmal nachzuhaken. Meine Stimme hörte sich kratzig an und drohte mich im Stich zu lassen. Meine Augen suchten auf der Empfangstheke nach einem Glas Wasser. Aber Fehlanzeige!
"Sir?"
höre ich von Tom, der neben dem Kerl steht. "Guten Tag! Herzlich Willkommen im Stanford - Hotel! Wen darf ich einchecken?", begrüßte ich ihn höflich und zuvorkommend. Mir war aber nicht nach Höflichkeit und...
Er sollte sich zum Teufel scheren! Was wollte der hier? Es gab noch andere Hotels, in die er einchecken konnte. Warum tat er das ausgerechnet hier? HILFE!
Und ich hielt mich an dem Empfang fest, um nicht mit meinen leicht zitternden Beinen einzusacken.
Himmel! Das geht überhaupt nicht! Was in aller Welt war nur los mit mir? Ich merkte, wie Hitze in mir aufstieg und sich in meinem Körper verteilte...bis ins Gesicht über den Hals und...WOW! Meine Ohren begannen zu glühen. Na klar! Jetzt verwandle ich mich auch noch in ein Glühwürmchen! Das ist doch lächerlich! Was sind denn das für neue Aussichten? Als ob ich nicht gerade genug Probleme hätte!......Ich erwischte mich, wie ich ihn anstarrte und schallt mich innerlich ganz leise, das sein zu lassen. Das gehört sich nicht Sam!
Fühlte es sich etwa so an, wenn man im Begriff war sich zu verlieben? Ich meine so verängstigt, so hilflos, so voll daneben und kein Körperteil gehorcht einem mehr.
Voll in Panik und Alarmbereitschaft sah ich mich in der Lobby nach meiner Kollegin um. Wo zum Geier blieb Alex?
Okay Sam! Du kannst nichts weiter tun, als die Datei aufrufen und diesen Kerl hier einchecken. Ist doch kinderleicht, aber nicht deine Aufgabe. Ging es mir durch meinen vernebelten Kopf.
Jetzt mal unter uns gesagt, war ich wirklich froh, dass Alex nicht in diesem Moment hier war. Sie würde mich aufziehen und sich noch lustig darüber machen, wie ich mich hier gerade anstelle und schlage.
Der Kerl hatte wohl seine Fassung wieder gefunden. Er lehnte sich an die Empfangstheke an und nahm seine Sonnenbrille ab. Wenn ihr jetzt das sehen könntet, was ich gerade sehe, dann hättet ihr laut vor Schmachterei geschrien. Solche Augen, wie sie jetzt zum Vorschein kamen, hatte ich noch nie gesehen...azur - blau...umrandet von langen, schwarzen Wimpern.
Aber jetzt reicht's mir! Wieso tut er mir das an? Das grenzt doch schon an Quälerei, verdammt. Ich flehe dich an, ja? Setz die Brille bitte wieder auf und setzt sie nie wieder ab. Bettelte ich insgeheim in meinem Kopf.
Ich muss euch sagen, dass machte mich schon sehr nervös, als er mich mit diesen Augen so ansah.
Tom, neben ihm, riss seinen Mund auf und nuschelte in sich hinein. "Was für ein Auftritt!"
Jetzt ist Schluss mit Schmachten und auf zum Geschäftlichen!, schallt ich mich erneut. "Sir?", überwand ich mich endlich und redete drauf los. "Ihr Name!"
Er reagiert nicht mal auf meine Frage. Dann geh doch woanders hin, wenn du der Meinung bist, dich nicht mit mir zu unterhalten! Brauchst du etwa eine Extra - Einladung? Idiot! Und hör auf mich so anzustarren! Das musste gerade ich denken, denn ich war auch nicht besser veranlagt. Ich starrte ihn ja auch an. Merkte er das überhaupt? Sicherlich nicht! Um so besser.
"Ehm...Entschuldigen Sie...Ich hab Ihnen nicht zugehört!...", sprach er mich jetzt an. Das war ja mal wieder typisch "Mann". Frau kann reden, was sie will und Mann hört nicht zu. Lass sie doch labern! Die hat eh keine Ahnung! Denkste Mistkerl! Hier bin ich die Frau vom Fach. Also spuk' aus, was du mir zu sagen hast!
Ehm!...Hallo? Redete er gerade mit mir? Kann er doch sprechen? Na dann lass mal hören, du Genie!
"...Ich hab eine Verbindung zu meinem Chauffeur über Headset. Ich hab ihm gerade...nicht Ihnen...Verzeihen Sie Miss!", redete er einfach weiter.
Ich sah Tom den Kopf schütteln und schmunzelte leicht zu ihm herüber.
"Max Harper!", stellte er sich mir vor. Jetzt hatte ich einen Namen, den ich eintragen konnte. Als ich so darüber nachdachte, musste ich feststellen, dass der Name eigentlich heute morgen nicht auf der Liste stand, die ich gecheckt hatte zwecks Neuzugang für diesen Tag. Ich tippte ihn in den Computer ein und drehte mich zur Schlüsselportwand um und suchte seinen Schlüssel. "Stanford - Road" las ich über dem Schlüssel eingemeiselt und nahm ihn von der Portwand ab. Ich reichte ihm das Gästebuch, damit er sich verewigen konnte und beobachtete ihn dabei, wie er mit einer feinen Handschrift seinen Namen einschrieb.
Tom warf einen erbosten, scharfen Blick auf die Schlüsselportwand und dann auf den Kerl, der sich als Mister, keine Ahnung, vorstellte, denn die "Stanford - Road" war mit die teuerste Wohnung im Hotel, die sich im Erdgeschoß befand.
Tom war weggetreten. Zweimal sprach ich ihn an und beim dritten Mal blinzelte er mich an. Ich fragte ihn: "Tom?...Tom!...Hast du gehört, was ich dir gerade gesagt hab?" Ich bin ruhig geblieben und schnipste ihm auch mal vor seiner Nase herum. Und wie fand er das? Dieses blöde Gezucke von unruhigen Fingern? Tom schüttelte allerdings nur seinen Kopf. "Nimm dir bitte Jonas zu Hilfe, ich kann hier nicht weg. Der Empfang darf nicht unbeaufsichtigt bleiben...Wer weiß, wo Alex schon wieder steckt...Ich danke dir, Tom!"
"Geht klar, Sam!", sagte Tom und richtete sich an Mister Harper. "Wenn Sie mir bitte folgen würden, Mister...Harper?", und Tom knurrte seinen Nachnamen leise und fuhr mit dem Gepäckwagen vorn weg.
Dieser Kerl bedankte sich noch bei mir und ging Tom hinterher. "Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt im Stanford - Hotel, Mister Harper!", stammelte ich ihm noch nach. Er drehte sich nochmal zu mir um und setzte, Gott sei Dank, seine Sonnenbrille wieder auf. Dann sah ich, wie er irgendetwas zu Tom sagte und er antwortete ihm. Ich folgte den beiden mit meinem Blick, bis sie im Fahrstuhl verschwunden waren. Mein Kopf fiel auf die Empfangstheke und ich ärgerte mich dermaßen über mein mädchenhaftes Verhalten ihm gegenüber. "Herrgott Stanford! Reiß dich verdammt nochmal zusammen!", schimpfte ich auf mich selbst.
Dann sah ich auf meine Armbanduhr an meinem rechten Handgelenk. "Alex! Wo steckst du verdammt nochmal?", kam es über meine Lippen.
Zwanzig Minuten später kam Tom zurück und ließ bei mir Dampf ab. "Weißt du, wieviel Kohle dieser Mann verdient? Der muss stinkreich sein, um sich so ein Penthouse leisten zu können...Seine Unterwäsche ist nur vom feinsten...Er..."
Ich unterbrach ihn in seinem Gejammer mit gesenktem Kopf über dem Gästebuch. Ich wehrte das Gerede mit meiner rechten Handinnenfläche ab und erinnerte ihn an seine nächste Aufgabe. "Hast du dem Hausmeister die Liste schon gebracht?"
Tom holte natürlich Luft und schlug sich mit der rechten Handinnenfläche gegen seine Stirn. "Au man! Da war doch noch was zu erledigen. Entschuldige Sam! Das hab ich doch fast vergessen...Danke Sam!"
"Tom?"
"Ja Sam?", blinzelte er mich an.
"Du hast es zu 100% vergessen. Ab in die Spur. Clarkson muss die Liste mit seinen Leuten heut noch abarbeiten. Denen steht auch pünktlich der Feierabend zu. Also worauf wartest du noch?", feuerte ich ihn mit fester Stimme an, ehe er mir die Liste aus meinen Händen nahm.
"Ist ja gut!...Ist ja gut!...Ich bin ja schon weg!...Ich eile so dann, Miss!", und er nahm mir die Liste aus der Hand und rannte los und schlitterte zugleich durch die Lobby zum Kellerbereich, wo sich die Werkstatt und das Büro vom Hausmeister und seinen Gesellen befand. Ich hatte das Nachsehen, wie er geschwind im Fahrstuhl verschwand.
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