Kapitel 49...Großvater Bowden Harper
°°°SAM°°°
Ich trat näher heran und grüßte den älteren Mann freundlich mit einem:
"Guten Morgen!"
Während des seelenruhigen Melkens grüßte der Mann zurück, ohne mich anzusehen oder zu beachten. Er dachte nicht mal im Traum daran sich nach mir umzudrehen oder seine Arbeit zu unterbrechen, wem die weibliche Stimme gehörte. Dann begann er mit mir zu reden, ohne eine Arbeit aus den Augen zu verlieren. "Sie sind also die junge Frau, die das Herz meines Enkels in Aufruhr versetzt hat!", hörte ich ihn laut mit angerauter Stimme sprechen.
Ich ging langsam auf den seltsamen, älteren Mann zu.
Er war schon sehr ergraut, sein Haar auf dem Kopf schlohweiß und in seinem Gesicht saß ein stoppliger Vollbart. Über den Augen hatte er volle weiße, buschige Augenbrauen. Auf dem Kopf trug er einen zerschlissenen, alten Hut.
Der Mann beendete seine morgentliche Aktivität, band sich den Schemel ab und hängte ihn an die Box, die der Kuh gehörte. Den Eimer stellte er an die Seite, um ihn womöglich ins Haus zu bringen oder die Milch später zu verarbeiten. Die Kuh brachte er auf den Auslauf hinter dem Stall.
Er kam zurück und wusch sich seine Hände und sein Gesicht am Wasserschlauch, der an der Hauswand des Stalles befestigt war und nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse Kaffee, die im Stallfenster stand.
"Wie kommen Sie darauf?", fragte ich ihn und behielt ihn im Auge.
Der alte Mann richtete seine Augen auf mich und kam auf mich zu. "Ich bin Max' Großvater, Bowden Harper....", stellte er sich mir vor. "...Max ist mein Enkel und er vertraut mir so Einiges an...
Allan, sein Vater, ist mein erstgeborener Sohn.", und er gab mir seine rechte, zittrige, faltige Hand. "Meine Schwiegertochter ist der Hausdrachen hier und hat die Hosen in dieser Familie an. Alles hört auf ihr Kommando! Mein Sohn wehrt sich nicht gegen sie und lässt sich alles gefallen und gibt ihren Wünschen nach. Mögen sie noch so teuer erscheinen...Dieses gottlose Frauenzimmer!...", knurrte Bowden vor sich hin.
Soviel zum Thema "Familie Harper". Damit erzählte mir der ältere Mann nichts Neues, denn so weit war ich auch schon mit meiner Zusammenfassung. Er drehte sich zu einem Nebengebäude um, das sich hinter ihm befand. "Das Haus hier gehört mir...Es war so viel Leben darin, bevor meine geliebte Jane starb....", und er blickte traurig darauf.
Es ähnelte dem Baustil von Allans Haus sehr.
"Haben Sie schon gefrühstückt, Miss...", fragte er mich durch seinen weißen Schnurrbart.
"...Oh...Verzeihung!...Ich...Ehm...Ich heiße Sam, Sam Stanford, Mister Harper!", stellte ich mich ihm vor.
"Ich weiß!...Hier gab es wegen Ihnen und ihrer Ankunft sehr viel Aufruhr in den letzten Tagen...vor allem von Billy, Max' Sohn. Er vergöttert Sie Miss Sam...Na kommen Sie!...Ich mache uns erstmal ein schönes Frühstück und eine gute Tasse heißen Kaffee!"
"Hört sich gut an Mister Harper!", entgegnete ich.
"Fühlen Sie sich hier wie zu Hause, als ob hier die Großstadt wär...", und er grinste. "Beginnen alle Leute aus der großen Stadt morgens ihren Tag so wie Sie, Miss Stanford?...Joggen?", fragte er neugierig, während wir nebeneinander her gingen.
Ich schmunzelte und beantwortete ihm seine Frage.
"Es gibt viele Frühaufsteher in Chicago, die ihren Tag mit Sport beginnen. Sie drehen ihre Runden im Park. Manche brauchen das, um in den Tag fit zu starten, Mister Harper. Einige von uns haben einen langen Arbeitstag. Ich denke mal, Sie hier auf dem Land auch. Dann haben die Menschen einen Ausgleich. In der Stadt ist es der "Cafe to go" und der Computer, hier sind es die Tiere und die Felder...und der Wein."
°°°BOWDEN°°°
Ich beäugte die junge Frau an meiner Seite, während wir auf das Haus zu gingen. Mein Neffe hatte eine gute Wahl getroffen.
Ihr zierliches Gesicht kam mir so vertraut vor. Die Nase war genau so fein, klein und rund, wie die der Frau, die ich einst kannte...meine damaligen Jugendliebe. Sie gleicht ihr bis aufs Haar. Doch konnte das sein? Das war unmöglich. Wieso muss ich auf einmal an "Sie" denken? Meine Jugendliebe...Sie bedeutete mir alles...Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich habe sie all die Jahre nicht vergessen. Und warum spukt sie mir gerade jetzt im Kopf herum? Liegt es vielleicht an ihr? An dieser jungen Frau hier?
Dann strich ich mir durch den Bart und stellte ihr die folgende Frage.
"Mögen Sie Rührei und Speck auf geröstetem Toast?", während sie langsam neben mir her ging und sie mich in mein Haus begleitete.
Sam half mir beim Frühstückstisch decken auf der Terrasse hinterm Haus und griff mir bei der Zubereitung unter die Arme.
"Mmh...das ist köstlich, Mister Harper!", lobte sie das Frühstück. "Und das riecht so gut."
"Das Rezept ist von meiner Frau. Sie hat es von ihrer Mutter gelernt und die wiederum von ihrer...Gerösteter Toast mit Kräuterbutter bestrichen, lockeres, helles Rührei mit Milch angerührt, noch nicht ganz fest und krosser Speck in dünnen Scheiben...Ein Traum!", erzählte ich ihr und ich schnitt mir ein Stück von meinem belegten Toast ab, steckte es mir in den Mund und kaute im vollen Genuss.
"Wie gefällt es Ihnen hier, Sam?", fragte ich sie mit vollem Mund.
Sam ließ ihre Augen umherschweifen und sagte schließlich: "Es ist so still und friedlich, nur das Gezwitscher der Vögel, summende Bienen und das Rauschen der Blätter in den Bäumen ist zu hören...Ein Ort, an dem man alt werden möchte..."
"...Genau...Sie sagen es, ein Ort, an dem man alt werden und begraben werden möchte...Gott sei Dank sieht meine Jane nicht, was für eine Frau unser Sohn geheiratet hat. Sie lässt alles verkommen und zieht den Besitz herunter.
Georgia bestimmt jeden Tag die Richtung, in die alles verläuft...der Weg in den Ruin, in das Ende des Harper - Imperiums. Max ist der Einzige, der ihr die Stirn bietet...Und ich hoffe, Sie tun das auch, Sam! Georgia braucht ab und zu eine kalte Schulter! Max ist ein guter Junge. Er ist in die Stadt gezogen - weg von all dem Herrischen in dieser Familie. Es war richtig so..."
Ich drehte mich auf meinem Stuhl hin und her. "Eines Tages wird all das hier zu Grunde gehen, wenn Georgia nicht bald damit aufhört, die Familie zu ruinieren! Irgendjemand muss die Reißleine ziehen, damit das aufhört!", schimpfte ich hörbar vor mich hin.
"Sie mögen sie nicht besonders?...Georgia?...", fragte Sam mich vorsichtig.
Ich überlegte kurz, ob ich darauf antworten sollte. "Nein!...Deswegen lebe ich in meinen eigenen vier Wänden. Max hat es mir erbauen lassen.", ließ ich sie wissen.
"Sie haben Ihr Elternhaus verlassen, damit sich Ihre Schwiegertochter darin ausbreiten konnte?...Wieso haben Sie das zugelassen?", fragte sie mich leicht verärgert.
Ich lenkte ein. "So kann man das nicht sagen, Miss Stanford...Sie hat mich halbwegs vor die Tür gesetzt, weil ich IHR im Weg war.", gab ich ihr zur Antwort.
Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. "Entschuldigen Sie meine Neugier, Mister Harper:
Darf ich fragen, wie lange ihre Frau schon tot ist?"
Ich stand von meinem Stuhl auf und begann den Tisch abzuräumen. Sam tat es mir gleich und ließ Wasser in das Geschirrspülbecken ein und spülte das Geschirr ab und stellte es zum Trocknen auf der Ablage daneben ab. Ich grummelte in meinen Bart hinein.
"Sie starb, als Max' Schwester geboren wurde...Es heißt ja meistens: Einer kommt, ein anderer geht...Es ist schon sehr lange her.", kam es kaum hörbar durch meinen Bart, doch die junge Frau hörte es.
"Sie haben Sie sehr geliebt nicht wahr?"
"Oh ja! Das hab ich und ich tu es immer noch. Ich vermisse sie Tag für Tag...meine Jane.", seufzte ich vor mich hin.
Nach unserem gemeinsamen Abwasch sah ich Sam begeistert an und fragte sie voller Enthusiasmus: "Ein kleiner Rundgang gefällig? Ich führe Sie herum und zeige Ihnen alles.", bot ich ihr höflich an.
"Sehr gern!", bedankte sich Sam bei mir.
"Wie ähnlich sie meiner Jugendliebe gleicht...ihr zartes Lächeln, wie es erstrahlt. Doch den Gedanken verwarf ich gleich wieder. "Unmöglich!"
°°°SAM °°°
Ich dachte schon, er fragt mich nie. Er war eine sehr angenehme Gesellschaft an diesem Tag für mich. ich legte sogar mein Joggen beiseite, um das alles hier kennenzulernen.
"Na dann kommen Sie, Miss Stanford! Es gibt hier viel zu sehen. Der Tag ist noch jung und hat erst angefangen.", belächelte er meine Antwort. Ich lächelte ihm zurück. Mir fiel auf, dass er immer wieder einen konzentrierten Blick für mich hatte. Was ging ihm nur durch den Kopf? Dann verließen wir gemeinsam sein Haus und Großvater Bowden trottete still schweigend neben mir her in Richtung Garten und Felder und in die Weinberge.
Ja, wieso hatte er bei Georgia nachgegeben und sich aus seinem Haus vertreiben lassen?, fragte ich mich auf unseren entspannten, erholsamen Spaziergang. Bowden wechselte das Thema.
"Wie ist das Leben in der großen Stadt, Miss Stanford?", und er machte eine kleine Pause und wir blieben stehen. Während er sich ausruhte, ließ ich meine Blicke über das ganze Harper - Gelände schweifen. Es war hier so friedlich, saubere Luft, kein Stau von Autos, keine Ampeln, die ewig auf der Farbe "Rot" saßen, kein Geläute der Straßenbahnen und keine Menschen, die einen schubsten oder drängelten, weil sie es eilig hatten und keine Radfahrer, die glaubten, dass der Bürgersteig und die Fußwege ihnen allein gehörten. All das machte den Stadtalltag aus, doch hier auf dem Lande, abseits der großen Stadt, ließ es sich aushalten und es war sehr erholsam und entspannend...und still. Allein schon das Wach werden heute morgen...Kaffeeduft und Vogelgesang, war schon ein Genuß. Besser konnte man nicht geweckt werden. Ich wollte ihn kennenlernen, Großvater Bowden Harper. Er war mir sehr sympathisch. Also bot ich es ihm an. Ich streckte ihm die Hand entgegen: "Ich bin Sam, Mister Harper..."
"...Ein schöner Name....", und er ergriff meine rechte Hand und schüttelte sie. "...Und Sie sind sehr hübsch, aufrichtig, freundlich und ein gutherziger Mensch...wie meine Jane...Deshalb mag Sie mein Enkel wohl auch so sehr! Er hält große Stücke auf Sie...Und er hat Sie mit hierher gebracht, um Sie seiner Familie vorzustellen. Das heißt, er hat wohl sehr ernste Absichten mit Ihnen!", tätschelte er meine Hände, die er während dem Gespräch in seine genommen hatte.
Ich wurde still und nachdenklich und starrte den Alten vor mir mit großen Augen an.
"Sie wussten das nicht?...Oh! Ich alter Mann! Ich rede zu viel wirres Zeug...Verzeihen Sie, Sam...!...Wissen Sie...also...ich würde sagen...Ach genug von dem Gerede!..", winkte er mit seinem rechten Arm ab. "...Sie sind hier, um sich auszuruhen! Stattdessen erzähle ich alter, einsamer Greis Ihnen unfreundliche Schauergeschichten, die Sie nicht hören wollen...Kommen Sie!"
Während Bowden bestrebt war und mich aufgeweckt unterhielt und mir alles nach und nach zeigte, waren wir an den Gärten vorbei und an den Feldern angekommen und die Zeit war schon auf Mittag vorgerückt. Immer wieder musste ich daran denken, was der alte Mann mir sagte:..."er hat wohl sehr ernste Absichten mit Ihnen..."
Wir blieben zwischendurch stehen, dass Bowden verschnaufen konnte und wir hin und wieder einen Schluck frischen kalten Wassers zu uns nahmen. Somit bekam ich die Zeit, alles überblicken zu können...die Wiesen, die Koppeln mit den Pferden und das bestellte Land. Es war so ruhig, dass man einen Käfer auf einem Blatt krabbeln hätte hören können.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top