Kapitel 35...Ein A4 - Blatt...Sybils Vorstellung

                                                                                        °°°SAM°°°

Es war sechs Uhr morgens. Meine Schicht hatte soeben begonnen. Tom, unser Page, brachte mir lächelnd die Post im gemütlichen Schlendergang durch die Lobby, die in den frühen Morgenstunden in unseren Briefkasten an der Eingangsdrehtür eingeworfen worden war.

Ich sortierte sie an diesem frühen Mittwochmorgen in der Frühschicht für die Hotelgäste. Für meinen Vater sortierte ich die Post aus, um sie ihm später ins Büro zu bringen, als Sybil hochnäsig und arrogant an mir vorbei lief. Zeigte sie da etwa Ignoranz mir gegenüber?
Okay! Was sie kann, kann ich auch. Also tat ich es...sie ignorieren. Und ich brachte ihr gegenüber kein einziges, wertvolles Wort über meine Stanford - Lippen. Ich dachte mir still und leise meinen Teil für diese Frau, an der ein "Guten Morgen!" reine Verschwendung war.

Auch Sybil ging stumm an mir vorbei.

Alex trat durch die Drehtür ein, um ihre Frühschicht zu beginnen. Natürlich hatte sie das Szenario von der Drehtür aus beobachtet, das gerade zwischen uns beiden Frauen stattfand. Ihr Kopf ging hin und her zwischen uns.

"Was war denn das gerade?", fragte sie mich etwas irritiert, als sie an die Empfangstheke heran getreten war und ihre Handtasche auf der Theke abgelegte, um sich ihre Jacke auszuziehen.

"Keine Ahnung!...Was meinst du?...", kam es über meine Lippen. "...Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Alexandra Marshal!", entgegnete ich vertieft in meine Arbeit und nahm einen Schluck Tee aus meiner übergroßen Tasse. Musste ich denn so tun, als wüsste ich nicht, wovon sie gerade sprach? Doch Alex übernahm das Reden für mich.

"Die Funkstille und der Hass war gerade gar nicht auszuhalten zwischen euch. Und eure Blicke hätten euch gerade töten müssen...Wann soll ich für die Beerdigung  organisieren, Sam?", scherzte Alex. "Ich spüre, dass großer Ärger und Neid die Lobby erfüllt...Ist irgendetwas vorgefallen, von dem ich noch nichts weiß?...Ehrlich gesagt, sieht nach Machtkampf aus, wenn du mich fragst, Sam.", legte Alex bei und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust, während sie ihre Jacke dazwischen eingeklemmt hielt.

"Ach wirklich?...Was für eine Macht soll das denn sein, von der da redest, die uns hier antreiben soll?...", grinste ich sie an und Alex legte ihre Jacke aus ihren Händen und auf die Empfangstheke damit. "...Wow!...Das klingt echt mystisch, wenn das aus deinem Mund kommt, Alex.", hauchte ich zu ihr hinüber.

Erst jetzt entdeckte ich das weiße A4 - Blatt, das unter Alex' Tasche lag und jetzt zum Vorschein kam. "Was ist...das?", fragte ich neugierig, hob die Tasche etwas an und zog das weiße Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger hervor.

"Warum fragst du?", fragte Alex mich und tat so, als würde sie es fast überhören.

"Alex!...Komm schon! Verarsch mich nicht!...Woher kommt das?", wollte ich von ihr wissen. Ich hielt Alex das Stück Papier vor ihre Nase.

Marshal stöhnte.

"Ach!...Das Blatt!...Das kommt von...DER...da.", und sie zeigte in die Richtung, in die Sybil soeben gegangen war. "Was steht denn da drauf?"

Meine Wenigkeit holte tief Luft. "Echt jetzt, Alex?...Du  hast es noch nicht gelesen?...Wie lange liegt der Wisch denn schon hier?"

"Seit...seit gestern Abend?", stellte Alex ihre Antwort in Frage. "Ich hatte gerade Feierabend gemacht, als sie angewackelt kam...mit ihrem engen Knierock und den Mist hier abgelegt hat..", verteidigte sich Alex mir gegenüber.

"Und du hast es dir noch nicht mal angesehen?", fragte ich sie verblüfft.

"Nein Sam!...Hab ich nicht!...Ich hatte Feierabend!...", betonte sie mir. "...Denkt sie etwa, ich mache Überstunden für ihren Wisch?...Es kam keine Order von deinem Vater, dem Direktor des Hotels. Also hab ich es ignoriert und bin gegangen......Was ist denn nun damit?"

Ich las es mir durch und musste mir ein lautes Lachen verkneifen.

"Was steht drin, Sam?", fragte Alex neugierig.

"Oh, glaub mir, das willst du gar nicht wissen!", kicherte ich wie ein kleines Schulmädchen vor mir hin.

"Sag schon, Sam!", wurde Alex leicht hektisch und neugierig.

"Das ist ihr Steckbrief...", und ich las ihn ihr vor, um ihre Ungeduld zu befriedigen.
"Wer bin ich?...
Was sind meine Hobbies?...
Ich bin Witwe..."
Ich blickte von dem Blatt auf und sah Alex ironisch an. "Sind wir hier bei der Partnervermittlung oder was?"

"Wer zum Geier will das denn wissen?...Meines Erachtens NIEMAND!", betonte Alex und riss mir den Wisch aus ihren Händen.

"Wer ist denn an diesem verdammten Sch...?"

"SCHEISS!!!...Das wollten Sie doch wohl gerade sagen oder Miss Marshal?", kam es plötzlich aus dem Nichts hinter Alex. 

"Sie steht hinter mir, richtig?", fragte Alex mich. Ich nickte bejahend zur Antwort und verkniff  mir ein Grinsen.

Alex hielt Sybil das Blatt vor die Nase und fragte etwas gereizt:

"Ist das Ihr Sch...Ernst?", fauchte Alex Sybil an und musterte sie dabei von oben bis unten. Sie trug ein kariertes Kostüm aus vier Farben. Der Rock lag eng anliegend an ihren Oberschenkeln und an dem Kragen war eine dünn - fedrige Boa eingenäht.
Alex sah in ihr gerade eine Vogelscheuche, die von einer Menge Krähen umkreist wurde.

"Wieso nicht?...Jeder hier im Haus soll wissen, an wen sie sich wenden können, wenn...", holte Sybil Alex aus ihren wirren und doch lustigen Gedanken zurück.

Alex baute sich vor Sybil auf und wurde extrem grantig.
"....Wenn was?!...Sie schnippische, arrogante, bunte Vogelscheuche! Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, hä? Sie sind nur für diesen Moment die Sekretärin dieses Hotels...Sie haben mir gar nichts zu befehlen!"

"Nicht so vorlaut, Miss Marshal! Das werde ich aber bald haben...Das Sagen!...Wenn die Leitung in diesem Hotel gewechselt hat. Dann werden Sie mit die Erste sein, die ihre Kündigung erhält! Darauf gebe ich Ihnen mein Wort, Miss Marshal!", protzte Sybil mit ihrer Selbstsicherheit herum.

Alex winkte mit ihrer rechten Hand ab. "Ach kommen Sie!...Lassen SIE sich nicht allzu häuslich hier nieder!...Denn SIE werden von hier in Luft aufgelöst!...Darauf gebe ich Ihnen MEIN Wort, Misses Steward!!!"

Ich bekam große Augen. Was war denn mit Alex auf einmal los? Sie konnte von Glück reden, dass Sybil nur eine normale Angestellte war und nicht die stellvertretende Leitung. Aber ich ließ Alex ruhig weitermachen, denn Sybil glaubte, über Alex zu stehen. Doch weit gefehlt. Sie konnte sehen, wie es in Sybil brodelte und kochte.

"...Louise wird wieder kommen und ihren Job aufnehmen.
Hier wird niemand verdrängt, damit Ihnen das klar ist, Steward. Sie sind nur befristet hier,  akzeptabel, bis Louise wieder da ist...Niemand kann sie ersetzen und SIE schon gar nicht!..."

Sybil fiel Alex ins Wort. "...Ist das Ihr letztes Wort, Miss Marshal?" 

Alex verkniff sich jeglichen weiteren Kommentar. Sie strotzte Sybil nur so vor Gleichgültigkeit. Und dann kam es aus Alex einfach so heraus gesprudelt.

"Das weiß ich noch nicht, Misses Steward!...Kommt drauf an, ob Sie mir noch einen Anstoß geben, noch mehr von meiner Meinung Ihnen gegenüber zu äußern, Misses...Sybil...Steward!", und somit wären wohl die Fronten zwischen Marshal und Steward geklärt... fürs Erste... wohlmöglich.

Sybil wand sich an mich und beäugte mich von oben nach unten. "Und Ihre Meinung, Tochter des Hauses?", hörte ich ihre Frage in meinen Ohren.

Ich blieb ruhig und fürs Erste stumm...Ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen. Aber eine kleine Antwort wollte ich ihr schon überlassen.
"Sie haben sie gehört, Misses Steward!...Gerade eben!...Wir halten hier alle zusammen. Wir sind eine große Familie. Da wird viel breit geklatscht. Da ist kein Steckbrief nötig. Jeder hier im Haus weiß von Ihrer Existenz! Lassen Sie es gut sein!

Wir sind hier, um zu arbeiten. Das sollten Sie auch tun...Übertreiben Sie es nicht, Misses Steward und denken Sie daran, wir sind nicht bei der Wahl oder Partnervermittlung! Wir sind ein Hotel, nicht nur irgendeines, sondern das Stanford - Hotel!...Lassen Sie Ihre Finger von Dingen, von denen Sie keine Ahnung haben. Sie verstehen sich nur auf Eines. Diese Thematik brauche ich Ihnen sicherlich nicht näher zu erklären. Dafür brauchen Sie keine Anleitung. Denn darin scheinen Sie die Beste zu sein!

Ich kann Ihnen heute schon Eines versprechen, Misses Steward!
Ist Misses Louise Crawford wieder gesund, wird sie ihren Job wieder bekommen.
Und was SIE betrifft, Ihr Vertrag ist dann abgelaufen!" Es fühlte sich gut an, bei ihr mal gehörig ein paar Takte anzusetzen. Ich wollte gerade gehen, als mir noch etwas einfiel.

"Ach ja!...Sie wollten dieses Blatt dreißig Mal kopiert haben. Ich frag mich nur, wohin damit. Was für eine Tinten- und Blattverschwendung!...Sie wissen schon, dass das Ihre Aufgabe ist?...Sie sind die Sekretärin dieses Hotels, also tun Sie ihren Job und seien Sie eine Sekretärin!...Kopieren Sie nach Herzenslust!

EINEN SCHÖNEN TAG NOCH!"

Ich machte mich langsam davon und somit konnte ich sie noch wettern hören, denn die Tür ihres Büros stand einen kleinen Spalt offen.

Sybil nahm den Steckbrief zur Hand, zerknüllte ihn und warf ihn stinksauer knurrend in den Papierkorb neben der Rezeption. Dann betrat sie wutentbrannt ihr Büro. "Dieses elendige Miststück!...Hat sie die große Klappe mir gegenüber...Ich werde es den Beiden noch zeigen...Vor allem der Stanford!...Wir werden sehen, wer am Ende noch steht und lacht von uns Beiden, Miss Stanford - Tochter des Hauses!", wütete Sybil in ihrem Büro. Von der Unterredung mit Alex und mir ließ sie kein Wort verlauten...zu niemanden. Denn es gab in ihren Augen eine andere Sache, die es zu klären gab. Sie wusste genau, von was ich da eben gesprochen hatte....Woher wusste ich wohl davon?

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