Kapitel 3...Alltag im Hotel
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Die Arbeit im Hotel hat mir schon immer Spaß gemacht. Ich fand es faszinierend andere Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen zu unterhalten, sich mit ihnen auszutauschen oder anzufreunden. Es war immer eine Augenweide, zu sehen, wie sich das Hotel von Saison zu Saison füllte. Es war auch manchmal sehr lustig anzusehen, wenn sie sich mit ihrem vielen Gepäck abmühten und total fertig am Empfang auftauchten und der Schweiß ihnen von der Stirn in Tropfen ran, weil sie grocky und völlig fertig waren und über ihr Gepäck schimpften, warum sie soviel mitgenommen hatten oder warum ausgerechnet soviel Schuhe und warum gerade diese und nicht die anderen, weshalb dieses Outfit von dem Modeschöpfer und warum nicht das andere.
Seit meinem sechszehnten Lebensjahr bin ich mit dabei. Als ich kleiner war, nahmen mein Vater und meine Mutter mich stets mit in dieses große Gemäuer und übergaben mich den Angestellten oder meiner Tante. Sie wussten, sie konnten sich auf jeden im Hotel verlassen, wenn es dabei um mich ging und vertrauten ihnen ihre kleine Tochter an, damit die Beiden ihrer Arbeit nachgehen konnten. Also wirbelte ich zwischen den Zimmermädchen hin und her, wenn die Zimmer auf den Etagen gereinigt wurden, versteckte Mülltütenrollen oder Reinigungslappen oder machte an irgendeiner Stelle wieder etwas schmutzig, die gerade eben gereinigt wurde. Man sah darüber hinweg, ich war ja noch Kind und so klein und würde es noch nicht verstehen.
Auf den Fluren zog ich hin und wieder die Staubsaugerschnüre aus den Steckdosen heraus, um die Mädels dort etwas zu ärgern. Doch niemand schimpfte mit mir, sondern alle lachten mit mir darüber, weil sie es total niedlich und süß fanden.
Manche von ihnen zeigten mir, wie ich den Sauger bediente oder wie mit dem Mob gewischt wurde. Da war ich dann schon älter. Beim nächsten Mal half ich ihnen bei der Reinigung oder nahm auf dem Staubsauger Platz und ließ mich durch die Gegend fahren.
Ich bewarb mich, auf Drängen meiner Tante und meiner Mutter, mit sechszehn an der Berufsschule für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Drei Jahre lernte ich in Theorie und Praxis, wie man angemessen Gäste im Hotel empfing, sie begrüßte und sie betreute, wie man Speisen und Getränke servierte, Tische im Restaurant eindeckte, Rechnungen bearbeitete und ausstellte, Warenlieferungen in Empfang nahm. Es ging um Restaurants, Zimmerservice, Housekeeping, Verwaltung, aber in erster Linie ging es um das Wohl des Gastes.
Das Ein - und Auschecken, Herrichten der Zimmer, Mitarbeit in der Küche, Planung der Personaleinsätze, Entwicklung und Umsetzung von Marketingmaßnahmen, kaufmännische Tätigkeiten, Lagerhaltung, Personalwesen und Buchhaltung...all das lehrte mich meine Tante in meinen Praktikumseinsätzen in unserem Hotel. Sie war mein Betreuer und Mentor in meiner Ausbildung...streng, gerecht und prüfend...als mein Lehrer...nicht als meine Tante. Das musste ich mir immer vor Augen halten und dazwischen unterscheiden...Schule, Lehrzeit - Privat. Wie sagt man so schön: Sie nahm mich unter ihre Fittiche.
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Heute stehe ich an der Rezeption. Das ist mein Hauptarbeitsplatz. Seit Tante Helen nicht mehr da ist, hat sich nun mein Arbeitsfeld erweitert. Postein - und - ausgänge gehören mittlerweile dazu, Briefe, Pakete für Gäste oder Paketbestellungen aus den Läden für unser Büro, z.B. Druckerpatronen und Druckerpapier für Louise, unsere Sekretärin, die Morgenzeitung von dem Zeitungsjungen, also auch für meinen Vater...Es wurden nicht nur Materialien online bestellt, sondern auch in den Geschäften selbst, um dem, manchmal stressigen Alltag, für ein paar Stunden zu entfliehen.
Alles, was vom Markt oder von den großen Einkaufszentren kam, für die Küche z. B. wurde am Hintereingang angefahren...ebenso Ersatzteile für unseren Hausmeister und seine Gesellen.
Den Wäscheservice packte ich nach der Beerdigung mit in mein Arbeitsfeld: Annahme, Abgabe von Handtüchern, Bettwäsche, Gardinen, Schals, Stores, Küchentücher - zusammengelegt in Gitterboxen verstaut...und unsere Uniformen...aufgehängt an befahrbaren Kleiderständern. Jede Uniform wurde unter einer Plastiktüte verstaut, um sie zu schützen, um sie wohlbehalten in die Reinigung transportieren zu lassen und wieder zurück zu uns ins Hotel.
Aufträge für unseren Hausmeister von unseren Gästen nahm ich auch an, schrieb sie auf eine Sammelliste und gab sie Tom, einer unserer Pagen, der die Liste unverzüglich zu unserem Hausmeisterteam brachte, z.B. defekte Glühbirnen auf den Zimmern austauschen, ein Wasserrohrbruch, heruntergefallene Bilder/ Porträts auf dem Zimmern, kaputte Bars oder Kühlschränke, Türklinken austauschen oder wir hatten Mobiliar für unsere Zimmer gekauft, die aufgebaut werden mussten usw. Das sind nur ein paar Beispiele.
Zu guter Letzt geleite ich die frisch eingecheckten Gäste mit einem Pagen auf ihre gebuchten Zimmer. Ich zeige ihnen alles dort, erkläre ihnen die Telefonbestellungen vom Zimmer aus in die Kaffeebar, ins Restaurant oder an die Rezeption sowie die Verbindung ins Büro.
Ehrlich gesagt, möchte ich das alles nicht mehr vermissen. Es füllt mich aus und ich hab meine Freude daran. Ich bin jeden Tag ausgelasstet, ausgelaugt und falle abends totmüde ins Bett. Manchmal mache ich auch die Nacht durch. Aber ich bin glücklich mit dem, was ich tue. Wie gesagt, das ist mein Lebenselexier.
Mit manchen Gästen hält man sogar Kontakt, weil sie einem ans Herz gewachsen sind und schon fast zur Familie gehören. man sieht sich dann erst wieder zur nächsten Saison, die sie dann schon im Voraus buchen. Doch bis dahin wird telefoniert, gesnapt, Emails oder Whatsapp - Nachrichten hin und her geschickt, gefaxt oder geskypt.
Aber ich verbringe den Tag nicht allein an dem Empfang. Ich teile mir die Schichten mit meiner besten Freundin Alexandra Marshal, die mit mir die Ausbildung zusammen gemacht hat. Sie kümmert sich um die Faxe und Telefonate, das Ein - und Auschecken unserer Gäste, Zimmerstornierungen, die Verteilung der Zimmerschlüssel auf die Pagen, die die neuen Gäste auf ihre Etagen begleiten, da ja die Koffer irgendwie da oben ankommen müssen. Alex nahm die Bestellungen von den Zimmern entgegen, wenn ein Gast auf seinem Zimmer speisen möchte, allein und in Ruhe ohne dabei von anderen Gästen im Restaurant beobachtet zu werden, die dabei auf den Teller schauen, was er sich da wohl bestellt habe und weil ihm die Lautstärke nervt, die von allen Seiten auf ihn einströmen.
Sogar von außerhalb des Hotels konnte ein Tisch im Restaurant reserviert werden. Wir besitzen einen schönen, gemütlichen Salon, der auch für Feierlichkeiten gebucht werden kann: Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, Geburtstage, Karneval, Junggesellenabschiede, Babypartys, Taufen, Konfirmationen. Manchmal richten wir den Salon für Klavierabende her oder für Soloauftritte von Komikern von Sängern oder von Bands. Einmal hatten wir den Salon auch für ein Date hergerichtet und für ein Paar, das sich mit einem Heiratsantrag überraschte. Auch ein paar Promis hatten wir hier im Hotel Stanford schon zu Gast.
Alex hatte also voll zu tun. Aber zur Zeit ist sie mit ihrem Herzen nicht ganz bei der Sache und bei ihrer Arbeit. Sie redet nicht darüber. Oftmals verschwindet sie plötzlich und taucht irgendwann wieder auf...aber alles während ihrer Schicht...
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