Kapitel 29..."Wenn du mir bitte folgen würdest!"
°°°SAM°°°
Geheimnisse hat wohl jeder Mensch. Das will ich nicht leugnen. Ich hüte auch so manches Geheimnis vor meinen Eltern und halte sie verborgen. Ich habe ihnen nie erzählt, dass Tante Helen und Forester mir das Autofahren beigebracht hatten...Du verstehst schon...schwarz fahren und so...mitten in der Nacht, wenn Chicago schlief...Naja, sagen wir mal...fast schlief.
Den Führerschein hab ich natürlich mit Bravour bestanden. Wem ich das zu verdanken habe, hab ich bis heute nicht vergessen. Wie gesagt, Geheimnisse hat jeder.
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Es war Nachmittag, die Kaffeezeit war heran gebrochen. Tom, der Page, stand an diesem Nachmittag ungeduldig und nervös, vor mir an der Rezeption. Er behielt ständig die große Uhr, an der Säule in der Mitte der Lobby, im Auge und verfolgte die Zeiger, die ihre Runden drehten. Er zupfte aufgeregt an seiner Kleidung herum und schaute ständig um sich.
Irgendwann nervte es mich gewaltig, bis ich meine Arbeit niederlegte und ihm die Frage mit einem charmanten Lächeln stellte. "Ist alles in Ordnung, Tom?", und ich schob die Maus vom Computer zur Seite, um ihm in die Augen zu sehen, wenn er meine Frage beantworten sollte.
Tom räusperte sich mir gegenüber, mit vor dem Mund gehaltener Faust, und sagte zu mir geheimnisvoll: "Du möchtest mir bitte folgen, sobald die Uhr zum Kaffee Fünfzehn Uhr schlägt!", richtete er mir kurz und bündig aus.
Ich dachte mich verhört zu haben und hakte nochmal nach. "Ich soll...Was?"
"Ich sagte, folge mir!", wiederholte Tom seine außerordentliche Bitte mit etwas streng angelegtem Ton.
Mein skeptischer Blick sagte wohl alles. "Wieso in aller Welt sollte ich das denn tun?". spottete ich etwas über unseren Pagen Tom. Was für ein Esel hatte ihn denn heute geritten? Ich solle ihm folgen...geht es noch etwas förmlicher? "Was redest du da für einen Unsinn, Tom?...Ich kann hier nicht weg von meinem Posten. Das siehst du, oder?"
Tom nickte mir still, mit seinen Armen auf dem Rücken verschränkt, zu. "Ja!...Das hat er gesagt, dass du das sagen würdest!", gab er zu seinem Besten.
"Was...?...Wie...?...Wer hat das gesagt?", fragte ich Tom verwirrt. War er jetzt durchgeknallt oder so was? Wer konnte denn heutzutage Gedanken lesen oder auf Reaktionen spekulieren? Ich sah ihn nur fragend an und schaute wohl sowas von dämlich aus der Wäsche.
"Er hat mir befohlen und mich bestochen, dass ich den Mund halte und den Auftrag erfülle...Also! Würdest du mir bitte endlich folgen?"
Ich sah Alex verblüfft und neugierig an, weil Tom zu ihr herüber schielte. Könnte ja sein, dass sie mit dieser Sache etwas zu tun hatte, um mich los zu werden und gemeinsam unter einer Decke steckten. Ich war also Toms Blicken gefolgt, die nun mal auf Alex haften blieben. Mir blieb nichts weiter übrig, als sie zu fragen.
"Hast du etwas damit zu tun, Marshal?", drohte ich sie zu fragen. "Überlege dir genau, was du mur antworten wirst!", knurrte ich sie an.
"Nein! Wieso sollte ich?", verteidigte sie sich. Meine Hände hatte ich in meine Hüften gelegt und trommelte mit meinen Fingern darauf herum.
Alex grinste allerdings nur und tat so, als wäre das das normalste auf der Welt - Folge mir! zu sagen. "Nein!...Soweit ich weiß, nicht ein Wort!...Na nun geh schon!...Ich schaffe das hier auch allein!...Scheiß auf die Ausreden!", gab Alex aufrichtig zu verstehen. Sie gab mir wohl eine ehrliche Antwort auf meine zynische Drohung und wollte mir sicher beweisen, dass sie auch ohne mich allein wirtschaften konnte...nach dem, was passiert war. Denn DAS hatte Alex nicht verlernt. Irgendwie musste sie sich ja mein Vertrauen wieder verdienen und zurück holen.
"Okay!...Wenn ihr das unbedingt so wollt?...", und ich legte störrisch meine Arbeit nieder. Dann fixierte ich Tom mit meinem Blick und fragte ihn schnippisch: "...Und?...Wohin geht's?"
Seine Augen begannen zu leuchten und er grinste breit über sein ganzes Gesicht. Konnte er mich doch wirklich halbwegs davon überzeugen. So ein Blödsinn.
"Folge mir, Sam!", und er marschierte vorn weg in Richtung Park. Er schaute nochmal auf die große Uhr und war froh, dass ich mich endlich in Bewegung gesetzt hatte, um an den vereinbarten, geheimnisvollen Ort zu kommen. Er drehte seinen Kopf über seine rechte Schulter und stellte leider fest, dass ich immer noch an dem Empfang stehen geblieben war.
"Herrgott nochmal! Stanford!....Du sollst mir folgen!...Was ist daran so schwer zu verstehen?...Wird's bald?...Also los!...Komm jetzt!", knurrte er mich, unter Druck gesetzt, an.
"Das sagtest du bereits!...", klang ich nun leicht gereizt.
Der Kerl machte mich noch wahnsinnig und ich atmete etwas Luft aus und sagte schließlich zu ihm nicht ganz von der ganzen Sache überzeugt: "Na schön!...", und ich zog mir meine schwarze Anzug - Jacke über die schwarze Weste, straffte sie, knöpfte die unteren drei Knöpfe zu und schickte mich an, Tom zu folgen.
"Dann woll'n wir mal!", sagte ich zu Tom.
"Viel Spaß Sam!", rief mir Alex nach und freute sich über alle Massen.
"Wobei denn?", fragte ich sie etwas zickig und drehte mich nochmal kurz zu ihr um.
"Keine Ahnung, Sam!...Hey Tom!...Bring sie mir bitte wieder in einem Stück zurück, okay?", rief Alex Tom noch nach, ehe er ganz aus ihrem Blickfeld verschwand.
Tom sah mich an.
" Im ganzen Stück?...", und er beäugte mich von oben nach unten und von unten nach oben. "...Das kann ich nicht garantieren, Marshal!...Könntest du dich bitte etwas mehr beeilen, Sam?", spurtete er langsam etwas schneller.
"Wieso hetzt du mich so?", erwiderte ich, denn Tom schien es ziemlich eilig zu haben.
Er blieb für einen Moment stehen, um mir zu antworten. "Ich bekomme sonst Unannehmlichkeiten, wenn ich dich nicht pünktlich dorthin bringe, wo ich dich abgeben soll!", und er ging weiter.
"Und wo soll das bitte schön sein?", kam es mit enthusiastischem, genervten Worten von mir bei Tom an. Was sollte das hier eigentlich werden? Schnipsel jagt Schnitzel, Schatz jagt Schnatz oder so etwas?
Er blieb stehen und sah mich fordernd und grimmig an und setzte knurrend seinen Marsch fort.
Ich erschrak etwas über seinen ernsten Blick und holte tief Luft. "Okay, okay!...Ich folge dir!...Verrätst du mir bitte wenigstens einen kleinen Hinweis?", bat ich ihn ungern.
Er blieb erneut stehen und kniff seine Augen zusammen und richtete seinen rechten Zeigefinger auf mich.
"Ehm...Könntest du bitte aufhören, mir weitere Fragen zu stellen?...Folge mir einfach, okay?", ermahnte er mich garstig. "Ist denn das in Drei - Gottes - Namen zu viel verlangt, Sam?", stammelte er.
Ich musste mir ein Lächeln verkneifen. War er etwa leicht böse auf mich? Es klang jedenfalls so. Es sah einfach zu blöd aus, wenn Tom sich aufziehen ließ. "Okay Tom!...Wenn es dich beruhigt!", und ich folgte ihm weiter.
Und er brummte mich an. "Halt die Klappe und komm endlich! Oder soll ich dich an die Hand nehmen, dass wir schneller vorwärts kommen?" Offenbar war er von mir genervt, weil ich keinen Zahn zu legte und bummelte und zu viele Fragen an ihn stellte, die er nicht gewillt war zu beantworten oder zu hören. Ignoranter Mistkerl!
Ich schnaubte durch meine Nase und war jetzt schon fast über Toms Verhalten verärgert. Wie redete er überhaupt mit mir? Ich war seine Vorgesetzte! Ich bin eigentlich Diejenige hier, die Order verteilte...nicht er!
°°°
Unser Weg führte in den Park, zur kleinen, umzäunten Terrasse aus Douglasie unter der großen Weide. Dort stand ein runder Tisch aus Mahagoniholz, gedeckt mit kleinen Köstlichkeiten aus der Kaffee - Bar, zwei Stühle und einem Gedeck für zwei Personen.
Ich blieb vor dem Tisch stehen und geriet etwas in Panik. "Was...Was ist hier los? Wolltest du mit mir hier draußen etwa Kaffee trinken?", richtete ich die Frage misstrauisch an Tom, der mir einen bösen Blick zuwarf.
"Ich darf nicht darüber reden, sonst schneidet man mir die Zunge raus und wirft mich den Krokodilen zum Fraß vor!..."
Sind wir hier bei den Römern oder was? Wie altmodisch das klingt...den Krokodilen zum Fraß vorwerfen. Sollte ich jetzt etwa darüber lachen oder Angst haben? Und schon kam der nächste Befehl von Tom. "Setz dich!"
Moment mal! Das ging zu weit für meines Erachtens. Ihm zu folgen war ja noch angenehm, aber mir Befehle erteilen, das konnte er mal schnell wieder stecken lassen.
Ich riss mich zusammen und erhellte etwas sein Gedächtnis. "Tom?...Ich bin's...Sam!", grinste ich ihn an und versuchte meine Wut weg zu stecken.. "Ja und?", setzte er noch als Frage drauf.
"Was soll das hier?", und ich zeigte auf den gedeckten Tisch mit meinem ausgestreckten linken Arm.
"Ja...ich weiß, dass du unsere Sam bist!...Setz dich und jetzt halt die Klappe, okay?", knurrte er durch seine geschlossenen Zähne ziemlich genervt von mir.
Ich sah mich um, ehe ich den Stuhl nach hinten zog, mich ruppig und zickig darauf setzte und mich an den Tisch heran pirschte..."Als ob ich zu Hause keine Terrasse hab, auf der ich zum Feierabend Kaffee trinken kann.", murmelte ich gereizt vor mich hin.
Tom war wohl endgültig genervt von mir.
Immer hatte ich etwas zu kuttern und herum zu nörgeln.
"Ist es denn auf der heimischen Terrasse auch so romantisch wie hier?...", begann Tom zu reden. ich horchte auf, als er von Romantik zu sprechen begann. "Du hast keine Weide im Garten stehen oder?", fragte er mich provokativ, während er den Kuchen anschnitt und danach nach der Kaffeekanne griff, um den Inhalt in die zwei Tassen einzuschenken.
Ich beäugte Tom und war mir nicht sicher, was das hier alles werden sollte.
°°°
"Wie kommst du auf romantisch?", fragte plötzlich eine raue, tiefe, sich nähernde, männliche Stimme. Wir drehten gleichzeitig unsere Köpfe automatisch in die Richtung, aus der die Stimme kam.
MAX!
Wieso wunderte mich das nicht?
"Muss es denn am Ende immer auf Romantik hinaus laufen?", sprach er weiter, als er auf uns zu kam und am Tisch stehen blieb.
Tom rutschte fast die Kanne Kaffee aus den Händen, als er Max' raue Stimme hinter sich hörte.
Ich war sofort still und Tom entschuldigte sich. "Ich muss...Ich muss...Ich glaube, ich hab Mister Clarkson rufen hören.", stammelte er vor verängstigt und knurrend vor sich hin.
"Was denn? Aus dem Keller bis hierher?", fragte Max ihn ironisch. Und Tom sah zu, dass er von dort verschwand.
Ich sah Tom hinterher, wie er davon rannte und sah dann Mister Harper finster an.
"Dacht' ich mir, dass Sie dahinter stecken!....Ist das auf Ihrem Mist gewachsen?", fragte ich Max schließlich etwas zickig, als ich wieder bei vollem Verstand war.
"Keineswegs Miss Stanford!", antwortete er lächelnd darauf.
"Lügner!", bekam er von mir schnippisch zu hören. "Also! Womit hab ich das verdient, Mister Harper?", und ich lehnte mich mit verschränkten Armen vor meiner Brust auf dem Stuhl, auf dem ich saß, zurück.
Er setzte sich mir gelassen gegenüber und goss den Kaffee in unsere Tassen ein.
"Ich wollte mich bei Ihnen für die nette, entspannte, ausführliche Führung bedanken, Miss Stanford!", quatschte er mich voll.
Ich beugte mich über die runde, gedeckte Tischplatte und versicherte ihm. "Wir sind damit noch nicht durch, Mister Harper! Einige Stationen liegen noch vor uns."
Er begann über den Tisch zu lächeln und meinte davon fest überzeugt: "Die nehmen wir uns natürlich auch noch vor, Miss Stanford!...
Ich freue mich schon auf das gemeinsame Kochen am Samstag.", und er nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse, die vor ihm stand.
"Mit Kaffee...Kuchen...Kerzen...Hab ich was vergessen?", kam es ruppig und leicht zornig von mir.
"Ich kann verstehen, dass Sie sauer auf mich sind!
Schließlich sind Sie die rechtmäßige Erbin des Hotels. Und ihr Vater hat bis dahin andere Absichten...und Pläne!", sprach Harper überzeugend, während er die Kaffeekanne erneut absetzte, nachdem er sich frischen, heißen Kaffee in seine Tasse eingegossen hatte.
Ich nahm meinen ganzen Verstand zusammen, der wieder mal für einen Moment ausgesetzt hatte, nachdem er vor mir aufgetaucht war und seine betörende tiefe Stimme in meine Ohren eindrang. "Lassen Sie es gut sein, Mister Harper!", und ich schob den Stuhl bereits nach hinten, um diese Unterhaltung zu beenden.
"Max!...Ich heiße Max!", hauchte seine Stimme fast zu mir herüber.
"Oh!...Ich glaube, so weit sind wir noch nicht, Mister Harper!", und ich stand von meinem Stuhl auf, nahm meine volle Tasse Kaffee zur Hand und schüttete sie auf der Wiese neben der Weide aus, stellte dieselbige zurück auf den Tisch, gab Max ein schemenhaftes Teenager - Grinsen und ging zurück ins Hotel.
Max blieb allein an dem gedeckten Tisch sitzen und sah mir mit einem kleinen Lächeln hinterher. Er wusste, dass es schwierig werden würde, mit mir ein gemeinsames Gespräch zu finden, um das Geschehen im Konferenzraum aus dem Weg zu schaffen.
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