Kapitel 27...Rundgang Nr.2
°°°SAM°°°
So war es auch eigentlich für heute Abend geplant...Es war heute mein freier Samstag und ich wollte Mister Brooks im der Küche helfen. Doch mein Vater machte mir einen Strich durch die Rechnung. Samstags frühstückten oder speisten nicht nur die Hotelgäste im Restaurant zu Mittag oder zu Abend. Auch wir Stanfords ließen uns des Öfteren dazu hinreißen wie auch unsere Gäste von auswärts.
Aber ich tat es ihm Zuliebe gern, den zweiten Rundgang zu übernehmen. Vielleicht dauerte die Führung nicht zu lange, dann könnte ich beim Diner mit anpacken.
Also wartete ich im Restaurant auf Max. Zuerst kam Billy herein gerannt und stürmte direkt in meine Arme. Ich mochte den kleinen Vierjährigen sehr...vom ersten Tag an, seit er sich hinter dem Empfang versteckt hatte.
"Guten Morgen Billy!", begrüßte ich ihn mit einem Lächeln auf meinen Lippen und er strahlte übers ganze Gesicht. Als endlich sein Vater eintraf, fragte ich ihn: "Treppe oder Fahrstuhl, Mister Harper?"
"Fahrstuhl, würde ich sagen!", entgegnete er. Billy schnappte sich meine rechte Hand und ließ sie nicht mehr los.
"Führst du uns heute herum, Sam?", fragte der Junge mich aufgeregt und neugierig, als er zu mir aufsah.
Ich strich ihm durchs Haar und lächelte. Dann ging's los. Max war etwas irritiert. Wieso durften wir Stanfords durch Billys Haare rattern, als wären wir ein Rasenmäher? Wenn ER es tat, zog Billy jedes Mal den Kopf weg und ermahnte seinen Vater und knurrte ihn an.
"Ja!",
hörte ich Billy leise vor Begeisterung flüstern. Er mochte mich also wirklich sehr. Max beobachtete wohl unsere Zweisamkeit, da wir gerade Hand in Hand vor ihm herliefen. Es gefiel ihm wohl, dass Billy an mir Gefallen gefunden hatte.
Billy durfte auf den Knopf im Fahrstuhl drücken, auf dem das Untergeschoß, wie ein Hufeisen, gezeichnet war, als wir Drei in den Lift eingetreten waren.
Als wir ausstiegen, kam uns Mister Clarkson, der Hausmeister, bereits entgegen.
"Liegen heute Reparaturen an, Miss Sam?", fragte er mich arbeitsbereit.
"Nein Mister Clarkson! Heute nicht. Es ist alles soweit in Ordnung im Hotel. Behalten Sie Stevens für die Bereitschaft hier. Machen Sie Feierabend für heute. Wir sehen uns Montag. Das wäre dann alles, Mister Clarkson....Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende."
Clarkson bedankte sich bei mir und verabschiedete sich von uns dreien und entfernte sich, um Stevens Bescheid zu geben.
"Die Leute mögen Sie, Miss Stanford!", stellte Max neben mir stehend fest.
Ich drehte mich zu ihm und beantwortete seine Frage. "Das tue ich auch, Mister Harper! Es ist nicht leicht, das Vertrauen jedes Einzelnen zu gewinnen. Sie sollen wissen, dass wir für sie da sind, wenn sie unsere Hilfe brauchen und nicht allein sind....Falls Sie irgendwelche Fragen haben oder etwas nicht verstehen, dann fragen Sie!", gab ich Max noch mit auf dem Weg und wir Drei gingen weiter den langen Flur entlang.
"Also Mister Harper! Haben Sie sich schon eingelebt?", kam es mir in den Sinn ihn zu fragen...aus reiner Neugier natürlich. Billy ließ meine Hand los und ging vorn weg.
Max blieb neben mir stehen und sah tief in meine grün - braunen Augen. "Was ist los, Mister Harper?", fragte ich ihn, weil er nicht mit mir weiter ging. Um ehrlich zu sein, machte mich dieses Anstarren nervös.
"Miss Stanford!...Ich will ehrlich zu Ihnen sein...", holperte er los.
"...Ich glaube, Ihre Mutter hat vor, uns zu verkuppeln." Ich sah ihn weniger überrascht an und fing an herzhaft zu lachen. Ja! Das war meine Mutter...mich verkuppeln wollen von Zeit zu Zeit. Sie ertrug es nicht, dass ich mehr Zeit in meine Arbeit steckte, als in irgendeine Beziehung. Sie fand, ich sei genau wie Tante Helen, die einen hohen Bogen um die Männer gemacht hatte.
"Sie finden das amüsant?", fragte er mich plötzlich überrascht.
Ich war nicht überrascht. Ich kannte meine Mutter nur zu gut und hatte schon damit gerechnet, dass sie Max an Land für mich ziehen wollte. Na klar! Wieso denn nicht? Dann blieb das Hotel Stanford in unserer Familie, wenn Max und ich...Oh mein Gott! Nicht schon wieder solche absurden Gedanken. Ich musste die Fassung halten.
"Oh! Entschuldigen Sie!...Hat sie das?...War ja wohl klar!...Geben Sie nichts darauf!...Es kommt eh manchmal anders, als man denkt." Max stutzte und ging endlich mit mir weiter.
"Sam, ich schulde Ihnen noch eine Erklärung...!"
Ich öffnete zwei große Türen.
"Sie schulden mir gar nichts, Mister Harper!......", ließ ich mich nicht von ihm um den Finger wickeln. "...Das ist unsere Wäschelagerhalle...Bettwäsche, Laken, Tischdecken, Gardinen, Handtücher, unsere Uniformen usw... All das wird hier gelagert. Alle zwei Tage kommt der Wäscheservice und tauscht schmutzig gegen frisch. Hier ist die Liste, wo die gezählte Schmutzwäsche eingetragen wird und das ist die Liste, wo die zurück gebrachte frische Wäsche drin steht. Alles wird nachgezählt, ob die getauschte Anzahl auch stimmt. Danach wird alles ordentlich in die dazu gehörigen, gekennzeichneten Regale einsortiert....Gehen wir weiter."
Die nächste Station war die Lagerhalle. Dort befanden sich die Hygieneartikel für die Bäder und das Reinigungsmaterial für die Zimmer in großen Regalen. Mittelgroße weiße, beschriftete Schildchen wiesen darauf hin, welches Produkt wo stand, alles in alphabetischer Reihenfolge.
Alles, was auf die Zimmer gebracht wurde, um fehlende Utensilien aufzustocken, wurde schriftlich in einem Buch fest gehalten, genau wie bei der Wäsche.
°°°
"Miss Stanford...Ich muss mit Ihnen reden! Es ist wichtig, dass Sie darüber Bescheid wissen...", lief Max mir hinterher. Konnte er nicht einfach seine Klappe halten und sie nur öffnen, wenn er Fragen an mich hatte? Ich wollte diese Führung schnell hinter mich bringen und DER hielt mich auf. Was kapierte er denn nicht?
Ich blockte ihn also ab, reagierte nicht mehr auf sein Gerede und ging mit ihm zum Hausmeister - Service.
"Miss Armstrong!", erschrak Stevens, der gerade die Regale aufräumte und sortierte, als wir eintraten.
"Lassen Sie sich nicht von uns stören, Mister Stevens! Wir sind gleich wieder weg...", beruhigte ich ihn und wand mich an Harper.
"...Das ist der Bereich von Mister Clarkson, unserem zuverlässigen Hausmeister und seinen Männern. Stevens hat heute und morgen Bereitschaft, falls im Hotel etwas repariert werden muss....Hier drin ist das Lager der Ersatzteile. Jeden Morgen wird eine Bestandsaufnahme gemacht, um den Überblick nicht zu verlieren....Wenn etwas repariert wurde, wird das schriftlich festgehalten...Welches Zimmer, welche Etage, welche Menge Material benötigt wurde und wer den Auftrag dazu gegeben hat, Tag und Uhrzeit und wer es vom Service repariert hat....Haben Sie noch irgendwelche Fragen, Mister Harper?"
Er schüttelte zufrieden für diese Erklärungen nur den Kopf.
"Okay! Die Ordner für die Bereiche, also für jede Rechnung, befinden sich im Büro der Sekretärin. Also ist Misses Steward dafür verantwortlich...für den Moment jedenfalls. Bei jeder Lieferung, die uns erreicht, neue Glühbirnen, Stromkabel, Steckdosen und so weiter, kümmert sich Clarkson darum, dass die Rechnungen hinauf kommen. Misses Steward ist dann für die Überweisungen zuständig...Was sofort erfolgt. Meine Mutter ist dann dabei, wenn die Transaktionen gemacht werden.", und Billy war wieder da und trat zwischen uns Zwei. "Wo warst du denn, junger Mann?", fragte ich ihn neugierig, gespannt darauf, was er auf seiner selbständigen Entdeckungsreise gesehen hatte.
"Ich durfte mit Mister Clarkson den Radlader fahren. Das war voll cool!", freute sich Billy über seine Erlebnisse.
Max hockte sich zu ihm herab. "Das freut mich, dass du es cool gefunden hast, Billy!...Könntest du den nächsten kleinen Ausreißer ankündigen, wenn dir wieder danach ist?", bat Max ganz nett und höflich seinen Sohn.
"Ja Dad!", sagte er kleinlaut und wir gingen weiter.
"Clarkson ist also noch hier? Er sollte doch Feierabend machen.", stellte Max nebenbei fest, während er neben mir her lief und sein Kopf rüber und nüber ging.
Ich klärte ihn auf. "Er ist Witwer...Seine Frau starb vor zwei Jahren...und hat niemanden mehr, der sich um ihn kümmern könnte. Wir haben ihm eine kleine Wohnung im Hotel gegeben. Wir sind jetzt seine Familie und kümmern uns um ihn. Wir lassen niemanden im Stich! Wir helfen jedem so gut wir es können!...Und so soll es auch bleiben!", und ich wartete auf seine Einwände. Aber die kamen nicht.
Irgendwann zog Billy seinem Vater an der Jackett - Jacke und nörgelte etwas herum. "Ich hab Hunger, Dad...Können wir etwas essen gehen?"
Ich schaute auf meine Uhr am linken Arm und musste feststellen, dass die Kaffee - Zeit schon heran gerückt war.
"Okay! Für heute sind wir hier fertig, Mister Harper...Der Garten, der Wellness - Bereich mit Pool - Anlage, die Etagen und der Parkplatz können noch etwas warten...", verkündete ich ihm, denn ich musste zugeben, ich verspürte auch einen kleinen Hunger in mir.
"Was haben Sie heute noch vor, Miss Stanford?", fragte er plötzlich.
Ich sah ihn erstaunt an. Was soll denn das gerade werden?, fragte ich mich. "Ich möchte in die Küche zu Mister Brooks, ihm etwas unter die Arme greifen für das Diner...Samstags koche ich mit ihm in der Küche...", und mir kam da so eine Idee...Na dann woll'n wir mal! Stellen wir dich doch auf die Probe. "Ehm...Mister Harper!...
Was...halten...Sie davon, wenn Sie nächsten Samstag mit mir in die Küche kommen würden und ein Diner mit uns für unsere Gäste zubereiten?" Na jetzt bin ich mal auf seine Antwort gespannt!
"Das...ist eine tolle Idee...Doch ich muss Ihnen leider gestehen, dass ich nicht kochen kann...Aber ich nehme Ihre Einladung gern an, Miss Stanford!"
Billy sein Kopf ging zwischen seinem Vater und mir hin und her und ein breites Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. ich sah den Jungen fragend an.
Ich sah Max, nach einem kurzen Blickwechsel mit seinem Sohn, fest überzeugend an und verteidigte meine sogenannte "Einladung" an ihn. "Wer sagt denn, dass ich Sie dazu eingeladen habe?...Das ist nur ein Test, in wie fern ihre Geschmackszellen funktionieren und Sie gutes, ausgezeichnetes Essen zu schätzen wissen! Sollte etwas schief gehen, dann hacken die Gäste auf Ihnen herum, nicht auf Mister Brooks....Und auch nicht auf mir.", und ich hinterließ ein leichtes, zufriedenes, breites Lächeln auf meinen Lippen.
"...Ha ha...Stanford! Sie kriegen mich nicht klein!", witzelte er.
Retourkutsche bitte Stanford!, sagte ich mir. Na schön! Wie du willst!..."So?...Hab ich das vor?...Keine Ahnung wie das geht!...Aber das ist eine sehr gute Idee...Ich werd darüber nachdenken...Ich danke Ihnen!...", pausierte ich kurz meinen Epilog. "...Also dann?...Bis Samstag!", und gemeinsam gingen wir Drei zum Fahrstuhl.
Billy durfte wieder den Knopf betätigen, als der Fahrstuhl heran gefahren war, anhielt und seine Türen für uns öffnete. Wir stiegen schweigend ein. Billy zog seinen Vater zu sich herab auf seine Höhe und fragte ihn irgendetwas im ganz leisen Flüsterton in sein rechtes Ohr. Ich verstand es nicht und starrte stur geradeaus auf die Etagenknöpfe des Fahrstuhls, bis wir im Erdgeschoss in der Lobby angekommen waren. Ich stieg als Erste aus und wünschte den Beiden noch einen schönen Samstag.
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