Kapitel 23...Neujahr und andere Schmeicheleien

                                                                                      °°°SAM°°°

Manchmal ist es doch schade, dass Feiertage so schnell vergehen. Unser erstes Weihnachten ohne Tante Helen verlief ruhig, doch in Gedanken waren wir alle bei ihr. Die meiste Zeit war ich eh mit meinen Eltern im Hotel und arbeiteten. Wir hatten im Konferenzraum und in der Lobby einen großen Weihnachtsbaum aufgestellt. Und unser Koch und seine Küche ließen sich von dem schönen, besinnlichen Fest inspirieren und erstellten eine neue Menükarte für die Feiertage mit uns: mit vielen Weihnachtsgerichten: gefüllte Gans, Ente, Truthahn mit Füllung, Kartoffelbrei, verschiedene Auflaufvarianten, Gemüse, grüne Bohnen, Zwiebelkuchen, Maisbrot, Plumpudding, Weihnachtscookies. Damit die Gäste, die über Weihnachten hier im Hotel waren, sich wie zu Hause am langen Esstisch im Kreise der ganzen Familie fühlten. Wir waren alle eine Familie.

Für unsere Gäste wurde im Salon ein kleines Weihnachtsprogramm zusammengestellt, wobei unsere Gäste Mitspracherecht hatten und ihre Wünsche äußern durften. Daraufhin wurde dann ein schönes, familiäres Programm erstellt. Ein Konzept, dass Tante Helen ins Leben gerufen hatte und an dem ich auch festhielt. Diese Tradition wollte ich auf keinen Fall brechen. Es fühlte sich so an, als wäre Tante Helen bei uns und feiere mit uns das gesegnete, weihnachtliche Fest.

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Das neue Jahr war nun angebrochen. Im Salon wurden die Dekorationen von letzter Nacht von der Neujahrsparty entfernt. Alle Hände hatten voll zu tun.

Sämtliche Tischdecken wurden von den Tischen eingesammelt, in einen großen Wäschekorb gelegt und in die Keller gefahren, wo sie durchgezählt, zusammengelegt und für die Wäscherei verpackt wurden. Die Tische wurden gesäubert und die Tische mit der Tischplatte auf einen anderen Tisch gestapelt und die Stühle wurden oben drauf übereinander gestellt...so viele Stühle, wie an einem Tisch passten. Es war jedes Jahr dieselbe aufwendige Arbeit. Aber man feiert Silvester nur einmal im Jahr. Dann nehmen wir den Stress in Kauf, denn am Ende lohnt es sich. Es werden neue Bekanntschaften geknüpft, Freundschaften werden geschlossen, neue Verabredungen für das nächste Silvester werden dann im Hotel gebucht, damit man wieder gemeinsam feiern konnte.

Die fleißige Putzkolonne hatte freie Bahn, um den Salon bodenmäßig zu reinigen und die Fenster zu putzen.

Das große Büfett wurde abgeräumt und der Rest vom Essen, sowie das schmutzige Geschirr wurde in die Küche zu Mister Brooks gebracht. Tom kam an diesem Neujahrsmorgen auf mich zu und fragte:
"Was passiert mit dem ganzen Essen? Wir werfen es doch nicht weg?........Oder doch?"

Ich legte gerade den Hörer meines Telefons auf und hielt es in den Händen fest. "Nein Tom! Wir werfen es nicht weg! Ich habe gerade mit der Tafel in Chicago telefoniert. Wir verpacken alles in saubere Behälter und geben es denen, die es brauchen....Antwort genug?"

"Ja Chefin!", beantwortete Tom meine Frage. Doch ärgerte ich mich etwas über ihn und verzog schon wieder meine Augen zu kleinen Schlitzen. Schließlich taten wir das jedes Jahr. Es hieß nicht, nur, weil meine Tante nicht mehr da war, änderte sich irgendetwas an diesem Tag danach. Und Tom ist nicht den ersten Arbeitstag hier. Er ist genau solange wie ich und Alex dabei.

Also spornte ich Tom zügig an, dass alles wieder seine gewohnte Ordnung bekam. "An die Arbeit, Tom! Mister Clarkson muss auch noch hier herein. Zwei Gäste haben ein paar Glühbirnen von den Stehlampen zertrümmert. Die haben wohl etwas zu heftig getanzt und gefeiert, nehme ich an.", und ich lief mit Tom alle Stehlampen ab und er notierte sich die Ausbesserungen, damit er sie später an unseren Hausmeisterservice weitergeben konnte.

Doch Tom konnte sich einen Kommentar mir gegenüber nicht verkneifen. "Wow!...Da war wohl etwas zu viel Alkohol im Spiel, Stanford?...Und wann stoßen wir auf das neue Jahr an?...Ich meine ja nur. Es waren ja nicht alle Arbeitswütigen anwesend, um der Party beizuwohnen, nur die, die Schicht hatten. Und um Sechs Uhr morgen war Schichtwechsel.", entgegnete Tom und noch bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, wurde das Gespräch von einer rauen Männerstimme unterbrochen.

"Willst du Miss Stanford etwa abfüllen und betrunken machen, Tom Caruso?" Tom verkniff sich jeglichen Kommentar und drehte sich weg. Das war wohl gerade peinlich genug für ihn. Es war Max Harper, der mit einem Geschirrwagen und gefüllten Sektgläsern heran gerollt kam. Dann pfiff er ganz laut in den Salon und holte alle Mitarbeiter heran, die zugegen waren. Ich stand direkt neben ihm und sein Pfeifen hallte in meinen Ohren wieder, die ich mir demonstrativ mit meinen Händen zu hielt. Dann wand er sich mir zu und bat mich: "Miss Stanford? Würden Sie mir bitte beim Austeilen der Sektgläser behilflich sein?"

Ich sah ihm in seine azur - blauen Augen und hatte wieder diesen Moment vor meinen Augen, als er am Tag seiner Ankunft hier im Hotel seine Sonnenbrille abnahm. Ich schüttelte den Gedanken jedoch gleich wieder ab und nickte ihm bejahend zu.

Da hörte ich auch schon die nervige Stimme von Tom in meinen Ohren. "Und...Und was mache ich, solange ihr an eurem Glas nippt?", fragte er Harper und mich etwas ungehalten. Er war wohl über Max verärgert, weil er sich zwischen ihn und mich mit diesem blöden Geschirrwagen gedrängelt hatte. Tom wollte mit mir allein anstoßen...unter vier Augen. Er fragt mich das jedes Jahr und jedes Jahr bekommt er dieselbe Abfuhr von mir. Warum also nicht auch dieses Jahr. Auch ein Tom kann es verkraften, wenn dieser Harper daher kommt und ihm alles zunichte macht. Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Ich konnte es Tom ansehen, wie er förmlich vor Wut kochte. Wie soll ich das nur ausdrücken? Er stand schon lange auf mich. Ich hab ihn damals belauscht, als er sich mit dem Hausmeister darüber unterhielt und um seine Rat gefragt hatte. Doch bis heute hat er es sich nicht gewagt, sich mir in dieser Sache zu offenbaren. Die Antwort bleibt die Gleiche.

Während Max an alle Mitarbeiter eine Neujahrsrede hielt, ließ ich meine Blicke durch den Raum schweifen und ließ sie am Ende auf unseren Gästen ruhen, die zufrieden drein schauten. Nach Harper's Rede erfolgte Beifall und die Gläser klirrten aneinander.
Dann sah er mich an und meinte: "Wollen Sie auch ein paar Worte an unsere Gäste sagen, Sam?"

Ich inspizierte ihn von oben nach unten, stellte mein volles Glas auf dem Servierwagen ab und ordnete meine Hoteluniform und starrte ihn stumm für ein paar Sekunden an. Dann antwortete ich ihm: "Ich denke, Ihre Schmeichelein und Schleimereien waren sehr deutlich und ausdrucksvoll formuliert. Wie kann ich Sie denn da noch übertrumpfen?" Ich presste ein stures Lächeln heraus und sagte dann zu ihm:

"Ein gesundes Neues Jahr!", und ich verließ den Salon, um in der Lobby nach dem Rechten zu sehen.




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