Kapitel 22...Kindheitserinnerungen
°°°SAM°°°
Als ich am Abend endlich in meinem Bett lag, bekam ich kein Auge zu. Mir ging die Begegnung mit Alex sehr nahe. Mir war es nicht egal, ob sie gekündigt wurde oder auch nicht. Doch dieses Mal zog sie ihre Konsequenzen daraus. Wir waren die besten Freundinnen seit unserer Ausbildung, gingen durch DICK und DÜNN. Ich hatte ihr immer den Rücken frei gehalten. Doch dieses Mal war es zu spät und nicht gut für Alex ausgegangen. Dieses Mal hatte sie die Konsequenzen zu tragen und kam nicht drum herum.
Ich musste auf andere Gedanken kommen und deshalb stand ich nochmal auf, lief barfuß an den Schreibtisch, öffnete die obere, linke Schublade und entnahm einen Zeichenblock, griff nach Dreieck, Lineal, Radierer und Bleistifte.
Das nahm ich alles mit ins Bett, setzte mich im Schneidersitz dazu und verteilte alles auf dem Bettlaken und auf der Decke.
Den Block legte ich mir auf die Knie und begann kleine, feine, hauchdünne, zarte Linien zu zeichnen, radierte hier und da etwas herum und zeichnete erneut. Das tat ich oft...Zeichnen im Bett. Dadurch fuhr ich den Alltag herunter und schaltete ab. Tante Helen tat es auch oft, als sie noch gelebt hatte....
Am Ende war es eine Skizze von einem Haus. Es war IHR Haus...
- Tante Helens Haus - ...Das Haus aus Holz.
Irgendwann war ich dann wohl doch eingeschlafen.
°°°BENJAMIN°°°
Spät am Abend kam ich mit meiner Frau Theresa endlich aus dem Hotel nach Hause. Leise ging die Treppen rauf, um nach meiner Tochter zu sehen. Ich wollte ihr noch etwas Wichtiges mitteilen. Vielleicht schlief sie ja schon. Oder vielleicht las sie noch in einem Buch. Wer weiß? Es war auch für sie ein anstrengender Tag. Als ich in der ersten Etage ankam, sah ich noch einen Lichtschimmer in ihrem Zimmer, der durch den kleinen Türspalt nach draußen auf den Flur schien. Ich ging nach einem leisen unbeantwortetem Klopfen leise hinein. Auf Zehenspitzen betrat ich ihr Zimmer und blieb an ihrem Bettende stehen. Mein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Ihre Augen waren schon geschlossen...Nein! Sie war nicht mehr wach. Sam lag tief und fest schlafend in ihrem Bett. Die Decke hob und senkte sich unter ihrem entspannten und gleichmäßigen Atem. Die Tischlampe auf dem Nachtschrank erleuchtete schwach noch ihr Zimmer.
Ich sah sich im Zimmer seiner Tochter um.
Überall lagen Stifte und bemalte Blätter auf ihrem Bett und auf dem Fußboden verteilt.
Ich konnte nicht anders und nahm mir eines davon von ihrer Bettdecke herunter und sah es mir an.
Das ist...Oh mein Gott! Mir liefen plötzlich die Tränen übers Gesicht. Auf dem Blatt...Ich erkannte in der Skizze das Haus meiner Schwester Helen wieder. Es wurde damals komplett aus Holz gebaut. Helen liebte den Geruch von Holz. Sam hatte dort viel Zeit während ihrer Kindheit verbracht, als das Hotel entstand.
Sie liebte dieses Haus. Es war mehr ihr Zuhause gewesen als das hier.
Doch es brannte vor einiger Zeit ab. Damals hieß es nach Aussagen der Anwohner, Jugendliche wären Nacht für Nacht in dieser Gegend herum geschlichen, wo Helen wohnte, seien unterwegs gewesen und hätten Unruhe in der Nachbarschaft gestiftet, um sich einigen Mutproben zu unterziehen: Einbrüche, Autodiebstähle und kleine Feuerherde legen. Da nun Helens Haus komplett aus Holz bestand, war es für das Feuer ein großer Leckerbissen und setzte das ganze Haus der Feuergefahr aus. Schließlich wurde es in Schutt und Asche gelegt und brannte bis auf die Grundmauern ab. Als Helen aus dem Urlaub zurück kam, den sie kurzerhand abbrach, weil ich sie über den Brand informiert hatte, zog sie mit den Habseligkeiten, die ihr noch geblieben waren, kurzum ins Hotel.
Für Helen brach eine Welt zusammen und sie war völlig am Boden zerstört.
Wochenlang lag sie der Polizei in den Ohren den Fall zu klären. Doch die Polizei hatte keine Handhabe über die Verursacher. Sie zogen weiter und stifteten woanders ihre Unruhen.
Ich legte Stifte, Radiergummi, Lineal, Dreiecke und Block, sowie die Skizzen leise auf ihren Schreibtisch, deckte Sam mit ihrer Decke zu, löschte das Licht und verließ leise das Zimmer meiner Tochter.
Im Flur verweilte ich noch kurz und betrachtete die Skizze, die ich mit hinaus genommen hatte.
"Helen...mein Gott Helen!...Du fehlst mir so!", schluchzte ich. Erst jetzt war mir bewusst, wie sehr sie mir fehlte.
Dann ging ich mit der Zeichnung ins Hotel in mein Büro und legte es auf meinem Schreibtisch aus. Ich stützte mich links und rechts neben der Zeichnung ab und betrachtete die Skizze. Tief in meinen Gedanken hörte ich die Stimme meiner Schwester: "Es sieht wundervoll aus, Benjamin!...Die lange Wartezeit hat sich endlich gelohnt!", und wir standen Arm in Arm vor dem fertigen Holzhaus.
Ich liebte dieses Haus genauso wie Helen. Es war groß und sehr geräumig gewesen.
Ein Klopfen an der Tür ließ mich kurz in meinen Gedanken pausieren und aufatmen. "Herein!", rief ich und Max betrat das Büro.
"Sind Sie nicht vor zehn Minuten gegangen, Mister Stanford?"
Er kam zum Schreibtisch, um mir noch eine Rechnung von Mister Clarkson, dem Hausmeister, zu bringen.
Diese legte Max neben die Skizze auf den Tisch. Er warf einen Blick auf das große Blatt, was vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Sie schien ihn zu interessieren und schaute gefestigt auf das Stück Papier, das da vor uns ausgebreitet lag.
"Was ist das, Ben?", fragte Max mich irgendwann.
Voller Stolz sagte ich zu ihm: "Eine Skizze von Sam...Ich hab sie bei ihr auf dem Bett gefunden...eine Skizze von vielen...Es ist das Haus meiner Schwester Helen. Sam hat mehr Zeit dort verbracht als hier. Es war ihr zweites Zuhause...Es ist vor ein paar Jahren bis auf die Grundmauern abgebrannt. Zum Glück war Helen zu dem Zeitpunkt im Urlaub, sonst hätte sie das Feuer nicht überlebt...Es hieß, es wäre Brandstiftung gewesen. Man hat es aber nie aufgeklärt."
Max drehte schließlich die Skizze zu sich.
"Darf ich?", fragte er mich neugierig und gefesselt.
"Natürlich Mister Harper!", antwortete ich ihm.
Max nahm die Skizze in seine Hände und beäugte jeden Winkel genau, jedes Fenster, jede Tür und jeden Treppenaufgang. Jedes Aufmaß nahm er ins Auge.
Es war eine übersichtliche, sehr genau detaillierte und sehr gut lesbare Skizze, aus der man etwas machen könnte.
Er sah mich an und von der Skizze auf. "Ich hab eine Idee, Mister Stanford!", sagte er entschlossen zu mir. Max ging an den Kopierer und legte die Skizze dort ab und kopierte sie dreimal.
ich konnte mir keinen Reim darauf machen und sah ihn fragend an. "Was haben Sie vor, Harper?"
"Ich muss nur ein paar Anrufe tätigen...Und Sie machen mit mir morgen einen Ausflug, Mister Stanford...Zeigen Sie mir bitte den Ort, wo das Haus einst gestanden hat...Wir geben Sam ihre Erinnerungen zurück, Mister Stanford."
"Wie wollen Sie das anstellen?", wurde ich nun langsam neugierig, auf das, was er vorhatte.
Max legte mir die Original - Skizze zurück auf den Schreibtisch und tippte mit seinem rechten Zeigefinger darauf.
Mit fest entschlossener Stimme sagte er dann zu mir:
"DAMIT!"
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