Kapitel 20...Die Predigt
°°°SAM°°°
Nachdem meine Mutter Mister Harper im ersten Durchgang einen Teil des Hotels präsentierte und ihm erste Eindrücke und ihm die Möglichkeit gab, mit den Angestellten auf Tuchfüllung zu gehen und mit ihnen zu sprechen und über Erneuerungen mit ihnen nachzudenken, ging ich meiner Arbeit nach und kontrollierte die Zimmer auf den Etagen. Danach begab ich mich zurück zum Empfang. Ich polierte gerade die Zimmerschlüssel und hängte sie zurück an die dazu gehörige Nummer am großen Schlüsselbrett, als Max Harper aus seinem Büro geeilt kam. Ich schaute in seine Richtung. Er war auf dem Weg in die Kaffee - Bar. Sicher brauchte er eine Tasse Kaffee oder legte eine Pause ein. Sein Gesichtsausdruck verhieß jedoch nichts Gutes. War etwas vorgefallen? Ich hatte den Eindruck, dass ihm irgendetwas durch den Kopf ging. Er verschwand hinter einer der Säulen, die in Richtung Hotelausgang stand. Also ging ich davon aus, dass er das Hotel verlassen hatte.
Wenn ich es recht bedenke, habe ich seit diesem Gespräch im Konferenzraum mit ihm kein Wort mehr gewechselt. Ich weiche ihm aus so gut es eben geht. Er soll also vielleicht irgendwann die Position von meinem Vater einnehmen, wenn ich mich dagegen sträube. Ich wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Dieses Gespräch war nicht gut verlaufen.
Ein älteres Ehepaar gesellte sich zu mir. Sie gaben ihren Zimmerschlüssel ab und wollten die Stadt erkunden. Ich kam gar nicht zu Wort, weil die Frau auf mich einredete und plapperte wie ein Wasserfall, während ihr Mann vergeblich den Versuch startete, sie vom Empfang wegzubekommen. "Entschuldigen Sie bitte Miss Stanford, wenn meine Frau Sie belästigt..."
"...Sie belästigt mich nicht, Mister Garner! Ganz im Gegenteil...Was kann ich für Sie Beide tun?...", und schon vergaß ich den Rest meiner Rede. War das da gerade mein Vater, der Hasche durch die Lobby spielte und einem Jungen hinterher rannte? Mir blieb die Spucke weg. "Entschuldigen Sie mich bitte, Mister und Misses Garner!...Ich...bin gleich wieder bei Ihnen!" Ich suchte mit meinen Augen nach Tom die Lobby ab. Er stand an der Säule, wo die Uhr hing und lud ein paar Koffer auf den Gepäckwagen. Ich rief ihn zu mir und bat ihn, für ein Paar Minuten den Empfang zu hüten. Ich verließ schnurstracks meinen Posten und eilte meinem Vater hinterher. Ich sah, wie er kurz ein paar Worte mit Max wechselte und sich dann müde in sein Büro schleppte.
Ich folgte meinem Vater und betrat im Eiltempo das Büro nach ihm und knallte die Tür laut hinter mir zu.
Vor seinem Schreibtisch blieb ich wütend stehen und ging mit ihm auf Konfrontation.
"Ich fasse es nicht!...Bist du von allen guten Geistern verlassen?", schmetterte ich los. "...Dein Herz ist nicht mehr so jung, wie du es gern hättest! Die Transplantation ist noch nicht allzu lange her. Dein Körper kann es jederzeit abwerfen und was wirst du dann Mum erzählen?..."
"...Mister Harper hat sein Kindermädchen heute entlassen. Deine Mutter hat sich dem Jungen angenommen, damit Max eine Unterredung mit Misses Andrews führen konnte. Da das Cafe Mittag überfüllt war, hab ich deine Mutter entlastet und hab mich um den Jungen solange gekümmert...", verteidigte mein Vater sich selbst und seine Meinung.
"...Halte dich an die Anordnung der Ärzte! Ist denn das so unwichtig für dich? Mister Harper hin oder Mister Harper her...Wir brauchen dich hier! Also spiele hier nicht den Teenager im Alter von Fünfzehn....Ich bin noch nicht bereit dich loszulassen!", und ich merkte, wie mir ein paar Tränen über die Wangen rollten. Ich hatte mir felsenfest vorgenommen nicht zu weinen, wenn ich meinen Vater zusammen stauche...oder ihm wenigstens die Meinung geige. Aber scheiße, wenn man zu nah am Wasser gebaut ist wie ich. Und ich schickte mich an das Büro hinter mich zu lassen.
Mein Vater kam langsam auf mich zu, nahm mich in seine Arme und hielt mich fest. Dann wiegte er mich wie ein Baby in seinen Armen. Das tat er immer nur, wenn er wusste, er hatte einen Fehler gemacht.
"Ich weiß...Ich weiß, Sam!...Du hast ja Recht!...Ich will dir doch keine Sorgen bereiten!...Entschuldige!...Bitte verzeih mir mein Kind!", sprach er im ruhigen Ton zu mir und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
Ich löste mich aus der Umarmung meines Vaters. "Nein Dad! Das will ich nicht hören, okay? Hör auf, dich so zu verausgaben, sonst liegst du schneller neben Tante Helen, als dir lieb ist!", und ich wollte das Büro verlassen.
"Sam?", rief er mir nach.
Er hatte sich etwas schwerfällig in den Sessel an den Kamin gesetzt und seine rechte Hand lag auf seiner linken Oberkörperhälfte und atmete schnell ein und aus, bis es ruhiger klang.
"Sag bitte deiner Mutter nichts davon! Sie soll sich keine Sorgen machen!", bat er mich leise.
Ich sah auf das Holz der Bürotür und schloss meine Augen und schluckte.
Eine neue Träne kullerte mir die rechte Wange herunter.
Was sollte ich noch darauf erwidern?... Nichts! Jedes Mal, wenn so etwas passierte, bat er mich, darüber vor meiner Mutter zu schweigen. Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Büro meines Vaters. Draußen lehnte ich mich erstmal an die Bürotür und wischte mir die letzten Tränen weg. Als ich mich wieder etwas gefasst und beruhigt hatte, ging ich an meine Arbeit zurück.
°°°
Billy Harper stand bei Tom am Empfang und die Beiden plauderten vergnügt miteinander. Tom wartete auf mich. Mit einer kleinen Geste machte er Billy auf mich aufmerksam.
"Billy...", kam es mir über meine Lippen und legte meine lockeren Strähnen hinter meine Ohren. Er reichte mir eine große Tasse heiße Schokolade mit kleinen, bunten Marshmallows drin. Ich sah auf den Inhalt der Tasse und schluckte erneut einen großen Kloß in meinem Hals herunter, als ich an die Auseinandersetzung mit meine Vater dachte.
"Deine Mum hat ihn mir für dich mitgegeben, Tante Sam.", piepste Billy und stellte sich auf Zehenspitzen vor mich hin. Ich nahm ihm die Tasse mit einem leichten Lächeln ab. "Dankeschön Billy!...Meine Mum lässt dich mit heißer Schokolade durch die Gegend laufen?", fragte ich ihn mit ruhiger Stimme.
"Onkel Tom hat ihn mir abgenommen und hier abgestellt für dich.", antwortete er mit seiner Kinderstimme und zeigte auf Tom, der hinter ihm verweilte.
Billy sah mich an und nahm meine rechte Hand in seine kleine linke Hand und schaute zu mir auf. Ich blieb stumm vor den Beiden stehen und verkniff mir erneute Tränen.
"Deine Mum hat mir gesagt, du brauchst das jetzt. Es wird dich auf andere Gedanken bringen. Was immer das auch heißen mag.", antwortete Billy.
Theresa, meine Mutter, wusste es also, was ihr Mann, mein Vater, schon wieder angestellt hatte. Ich hockte mich zu Billy herab und flüsterte leise: "Danke schön Billy! Du bist ein Schatz!"
Billy hatte es also meiner Mutter erzählt. Dann gab es kein Herausreden mehr von der Seite meines Vaters her. Mit meiner Unterstützung brauchte er dieses Mal nicht zu rechnen.
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