Kapitel 16...Vaters Alternative
°°°SAM°°°
Vor der Tür des Konferenzraumes blieb er stehen und sagte zu mir, ohne seinen Blick von der Tür abzuwenden: "Ich möchte dich jemanden vorstellen!" Er öffnete die Tür und betrat mit mir den Konferenzraum.
Ich sah auf und blieb abrupt am Türrahmen stehen und meine Augen weiteten sich, als ich IHM gegenüber stand.
"SIE?",
Das war alles, was mir aus meiner trockenen Kehle mit heißer Stimme entfuhr. Was wollte er hier? Hatte er meinem Vater irgendein Geschäft aufgeschwatzt? Ich entzog heftig. meine Hand meinem Vater und schaute IHN an.
Da stand er wieder mit seinen verführerischen 1,80m vor mir. Seine Augen fielen auf mich, als ich ihn plötzlich so garstig anfuhr, während mein Vater auf ihn zuging.
Harper, so hieß er doch, brachte mich mit seinen azur - blauen Augen jedes Mal aus dem Konzept, wenn wir uns begegneten. Ich hatte wieder dieses Bild vor meinen Augen, als er seine Sonnenbrille langsam von der Nase herunter nahm. Und wieder merkte ich, wie mir die Röte erneut ins Gesicht stieg.
Verdammte Sch...!...Hoffentlich bekamen die Beiden es nicht mit, wie mir die Röte aufzog und ich mich plötzlich ganz klein fühlte und innerlich meine Wut ihre Kreise zog, denn ich hatte auf einmal dieses Gefühl, dass mein Vater den Willen von Tante Helen versuchte zu umgehen.
"Sam, das ist Max Harper!...", begann mein Vater ihn mir vorzustellen und ging mit mir am linken Arm ziehend auf ihn zu.
Max konnte wohl an meinen mürrischen Gesichtsausdruck erkennen, dass ich bereit war, an die Decke zu gehen und er lenkte deshalb sofort ein.
"...Wir kennen uns bereits, Mister Stanford!"
Was soll denn das bitte schön werden? Dachte ich bei mir in meinen Gedanken.
Schleimt man sich so heutzutage ein?
Also hieß es nachher Vorsicht beim Verlassen des Konferenzraumes, um nicht auf der Schleimspur auszurutschen, die Max Harper bei meinem Vater gerade auszulegen versuchte. Und Max plauderte munter weiter.
Mal sehen, wohin das noch hinführen wird. Ging es mir durch den Kopf.
Max kam langsam auf mich zu, während er weiter zu meinem Vater sprach. Ich ging einen Schritt zurück und zog an meinem Arm, den mein Vater noch immer umklammert fest hielt.
"Ich hab ihre reizende Tochter in der Lobby kennen gelernt, außerordentlich freundlich und zuvorkommend. Sie nimmt sich für die Menschen hier im Hotel Zeit und setzt sich für ihre Gäste ein und unterstützt sie bei ihren Problemen. Sie strahlt wohltuende Wärme aus. Wenn jeder Gast so im Stanford - Hotel begrüßt wird, fühlen sich die Gäste viel heimischer und wohler und beschützt und wir können uns nicht beklagen und sind glücklich, dass es unseren Gästen an nichts fehlt, wenn sie rundum zufrieden sind. So könnte ich auch einen Aufenthalt im Hotel genießen! Und würde darauf gleich wieder buchen.", gab Max zur Antwort.
Ich riss mich nach dieser Ansprache wieder zusammen und sah meinen Vater verwirrt an. Ich fühlte mich zwar etwas geschmeichelt bei den Worten, die er gerade über mich sagte. Doch ich musste standhaft bleiben und diese Worte nicht zu nah an mich heran lassen. Denn eigentlich konnte Max überhaupt nichts dafür, dass ich gerade gereizt und wütend war. Denn mein Vater versuchte gerade den letzten Willen seiner Schwester Helen zu umgehen. Und somit übte er mehr Druck auf mich aus als je zuvor. Na schön! Wenn er diese Schiene auszufahren droht, dann hole ich meine Waffen aus dem Versteck heraus und wehre mich dagegen. Also wurde ich etwas ruppig zu meinem Vater.
"Was soll das werden, Dad?"
"Ich werde Mister Harper in meine Position einarbeiten...MEINE ALTERNATIVE...Und bis du soweit bist...", betonte er kräftig.
Ich konnte nicht mehr an mich halten und sagte ihm, was ich zu sagen hatte, denn er spielte unfair. "...Entschuldige Dad, wann wolltest du mir sagen, dass das schon eine entschiedene Sache für dich ist? Ich darf dich darauf hinweisen, dass du mir noch vor wenigen Minuten in deinem Büro ein Versprechen abgenommen hast, was die Übernahme und Leitung angeht. Und jetzt kommst du mir damit?...Mit IHM?......", und ich konnte nicht anders und zeigte erbost auf Max. Ich platzte regelrecht verärgert. "Und ich soll auf deine Worte vertrauen?...Hat Mum da nicht auch noch ein Wort mit zureden?...Wann hast du das beschlossen?", kam es von mir. Ich war aufgebracht und wütend. Und ich war von meinem Vater sehr enttäuscht. Was wurde hier gerade gespielt?
"Setz dich Sam!", forderte mein Vater mich auf.
"Aber ich will mich nicht setzen, DAD!...", forschte ich ihn frustriert und energisch an.
"Bevor deine Tante Helen starb, haben wir im Krankenhaus darüber geredet, wie es weitergehen soll, wenn sie und ich nicht mehr.........Wir müssen planen verdammt nochmal und nach vorn schauen, mein Kind...Das Hotel muss weiter laufen...Ich bin mir gewiss, dass Mister Harper genau solch eine Leistung bringen kann, wie Helen und ich.", versuchte Vater mir, seiner Tochter, zu erklären. Aber ich hatte auch noch ein paar Dinge dazu zu sagen. So wollte ich die Sache nicht im Raum stehen lassen. Denn ich wollte mit fairen Karten spielen. Was mein Vater gerade nicht tat.
"Ihr wart zwei Beschäftigte...und ER...", ich zeigte abermals auf Max, "...und ER steht allein...Wie hast du dir das vorgestellt, Dad?...Glaubst du etwa, Tante Helen hätte das so gewollt, dass du ihr Testament mit samt dem Willen umgehst und ihr mit deiner Alternative in den Rücken fällst?...Das ist Betrug!", wies ich meinen Vater in die Schranken. Doch gewiss für umsonst, nahm ich an.
Denn er holte Luft, ehe er zu mir sagte: "Und da kommst du ins Spiel, Sam!"
Spiel? Was für ein Spiel?
Wollte er mich gerade für dumm verkaufen?
"Das ist nicht dein Ernst!...Oh nein, Dad, komm mir nicht so, ja?...Das werde ich nicht zulassen, dass du aus mir eine zweite Helen machst!..", konterte ich stinksauer auf ihn zurück.
Doch mein Vater blieb die Arschruhe selbst. Er ließ sich nicht aus der Fassung bringen. "Du sollst ihn mit allem vertraut machen und ihn herum führen und ihn mit allen bekannt machen, damit alle Angestellten wissen, an wen sie sich wenden sollen...So wird es ihm leichter und einfacher fallen, sich an seine Pflichten zu gewöhnen...genau wie du!...Überleg es dir!", und der Direktor verharrte für einen Moment und sah mich an, denn ich hatte bereits schon ein paar Schritte rückwärts angesetzt, um mich zur Tür umzudrehen und den Konferenzraum zu verlassen.
Ich presste meine Lippen aufeinander. "Und wann soll ich mich um meine Arbeitsbereiche kümmern?...", platzte ich abermals. "...Hast du mal darüber nachgedacht, Vater?...Soll ich das Alles unter den Tisch fallen lassen?...
Du willst von mir bei dieser Sache meine Unterstützung, obwohl du...
Gehst du da nicht etwas zu weit, Vater?"
Ein Klopfen an der Tür, von der man in die Lobby kam, unterbrach das Gespräch. Wir drei reckten unsere Köpfe und sahen auf die Tür.
Theresa, meine Mutter, steckte den Kopf herein und betrat den Raum. Sie hatte eine Ahnung, was ihr Mann da gerade tat. Denn es herrschte ihrer Meinung nach dicke Luft in diesem Raum. Ich sollte selbst entscheiden, was richtig für mich war und wann ich bereit für diesen Schritt war, um das Erbe anzunehmen und anzutreten, murmelte sie im Türspalt meinem Vater entgegen.
Der ging auf seine Frau zu und nahm ihre Hände in seine. "Oh mein Schatz! Du kommst genau richtig...Ich wollte gerade Sam..." Meine Mutter sah meinen Vater enttäuscht an. Sie legte ihre rechte Handinnenfläche auf seine Wange.
"...Liebling! Das hatten wir gestern Abend doch schon besprochen, dass du Sam daraus halten wirst. Wenn du ihr noch mehr Aufgaben gibst, kommt sie gar nicht mehr nach Hause."
"Wer soll denn dann Mister Harper hier herumführen und alles zeigen?", sprach mein Vater wie ein kleiner Junge, dem man sein Pferd geklaut und versteckt hielt.
"Lass mich das übernehmen. Abigail und Sally kommen auch ohne meine Hilfe in der Kaffee - Bar zurecht. Zur Not können wir da noch jemanden einstellen..."
Ich fand die Idee meiner Mutter gut. Musste nur noch mein Vater einwilligen.
Vater drehte sich von meiner geliebten Mutter weg und zog seine Schritte an mir und Max vorbei und trat an die großen, bodentiefen Fenster heran. Er zog die langen, weißen Gardinen etwas auseinander und schaute dem Treiben auf der Straße zu.
"Helen hat hier gern stundenlang gestanden und alles beobachtet, was da draußen vor sich ging. Alles Leben, die Menschen, die Fahrzeuge, die Vögel, die Wolken, den Wind, das Wetter...Das alles hielt sie am Leben...bis...bis zum Schluss.", erzählte er kleinlaut. Ja, sie fehlte ihm jeden Tag, ihre Hilfe, ihre Weisheit und ihr aufbauender Lebensmut. Gerade jetzt könnte er sie gebrauchen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater im Moment überstürzt handelte.
Theresa, meine Mum, stand hinter ihm und legte ihre rechte Hand auf seine rechte Schulter und redete auf ihn mit ruhiger Stimme ein.
"Sie würde auch wollen, dass wir die richtige Entscheidung treffen. Dieses Hotel war IHRE Idee, das war IHR Leben...IHR größter Traum.
Und das werden wir ihr zu Ehren fort führen, wenn die Zeit heran ist, Benjamin. Allerdings hätte ich auch ein paar Vorschläge beizutragen. Ein kleines Museum wäre nicht schlecht...vom ersten Spatenstich und ersten Stein des Aufbaus des Hotels bis heute. Und eine kleine Bildergalerie, die über dich und deine Zwillingsschwester erzählen und über unsere Mitarbeiter. Eine Collage von unseren Gästen, Ereignisse aus unserem Salon...Vielleicht können wir ja noch zwei Statuen von euch Beiden in Auftrag geben...in Lebensgröße...Es sind noch genug freie Räume auf diesem Erdgeschoß, die genutzt werden können, Benjamin...Eine Boutique für Kleidung und angepasste Schwimmutensilien für die Badesaison...Oder für Babys ein kleiner Laden, falls ein Nuckel oder eine Flasche zu Hause vergessen wird, Milchpulver, Windeln und so weiter."
Er legte seine linke Hand auf die Rechte meiner Mutter, die immer noch auf seiner Schulter lag. Er spürte ihre Wärme, ihre zarte Haut, ihre Präsens und er genoss ihr Auftreten in ihrer Perfektion.
Er begann zu schmunzeln und wirkte friedlich. "Nicht gleich übertreiben mit den Statuen, ja? Aber das Museum und die Galerie sind eine fabelhafte Idee..." Mein Vater wand sich von dem Fenster ab und zog die Gardine wieder ordentlich und richtete seine Worte an Max.
"Mister Harper, das ist doch ihr Spezialgebiet, die Architektur. Wie wäre es mit einem Projekt?", fragte mein Vater ihn, der wieder etwas Farbe ins Gesicht bekommen hatte. Er wusste, er war im Unrecht, was mich und die Dringlichkeit anging. Er wollte für sich nur beizeiten die Reißleine ziehen, um in den Ruhestand zu gehen, damit er mit dem neuen Herz noch viele Jahre vor sich hatte. Was brachte es ihm, wenn er die Chance vergeudete, sein zweites Leben nicht zu nutzen? Er wollte seine Gesundheit nicht auf's Spiel setzen, nicht mehr...Das hatte er sicher seiner Schwester Helen am Sterbebett versprochen...auf seine Gesundheit und auf sein Herz zu achten und auf uns...seine Familie...Was nützte ihm denn ein neues Herz, wenn er nicht den Wert des Herzen zu schätzen wusste. Er hatte lange genug seines Lebens auf der Liste gestanden, um noch lange Zeit für mich da zu sein. Das hatte er seiner Schwester versprochen.
Doch wenn er all diese Gedanken mir sagen würde, weshalb es ihm so wichtig war, dass ich das Erbe am liebsten schon vorgestern antreten soll, dann würde er mir wohl oder übel all meine Hoffnungen nehmen auf ein eigenes Leben und auf eine eigene Familie....auf die seine Schwester all die Jahre verzichtet hatte...Und wofür?....Damit sie für ihren großen Traum leben konnte. Ich sollte nicht den denselben Fehler machen wie Helen und auf das Wichtigste im Leben verzichten, weil dafür dann keine Zeit mehr blieb.
Deswegen hatte er Max ins Boot geholt...als seine Alternative. Er brachte all diese Führungsqualitäten mit, damit das Hotel weiter existieren konnte.
Mein Vater ließ seine Gedanken davon schweifen und kehrte ins "JETZT" zurück und betrachtete seine Frau Theresa, meine Mum. Sie ging ihm über alles. Jeder Wunsch, der ihr ins Gesicht geschrieben war, las er ab und erfüllte ihn. Sie war eine starke, liebreizende Person. Sie stand immer an seiner Seite und unterstützte ihn. Sie war seine Seelenverwandte und er zog mit ihr dieses zarte Wesen, MICH, zu einer reifenden Frau heran, was er seine Tochter nannte.
Helen konnte keine Kinder bekommen. Sie hatte auch nie geheiratet. Sie war der Meinung, ein Ehemann würde ihr bei ihrer Arbeit nur im Wege stehen und in alles hinein reden, was es doch für eine dumme Idee sei, ein Hotel zu bauen....Ihre Nichte, ich, war ihr ein und alles...
So hatten es jedenfalls meine Mutter und mein Vater mir erzählt.
Ihre letzten Worte galten damals mir...
"Sam Stanford".
Ich sollte rechtmäßige Erbin des Stanford - Hotels werden.
Ich hatte das Gespräch zwischen meinen Eltern verfolgt. Max hatte abseits in der Nähe des Kamins gestanden, hatte jedes einzelne Wort in sich aufgenommen und alles beobachtet.
Ja! Ich fühlte mich mit dieser Aufgabe von meinem Vater unter Druck gesetzt. Er wollte mir die Entscheidung abnehmen, die ich zu fällen hatte. Doch das werde ich nicht zulassen...Nicht in diesem Leben und auch nicht in meinem Nächsten. Ich allein wollte bestimmen, wann ich bereit war, diese überaus große Verantwortung zu übernehmen.
Der Direktor des Hotels trat auf mich zu. Meine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt.
"Mein Kind...", begann er. Ich ging ein paar Schritte rückwärts zum Lobby - Ausgang. Dann konnte ich ihn nur noch ansehen und meinen Gedanken ließ ich freien Lauf und verkündete ihm folgendes;
"Tut mir leid, Dad... Ich bin nicht deine Zwillingsschwester, Tante Helen!...Ich kann das so nicht!...Tut mir leid!", und ich ließ die Drei zurück, nachdem ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen gelassen hatte.
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