11.

Namjoon's PoV.:

An diesem Abend viel mir das Einschlafen in dem großen Gemeinschaftsraum genauso schwer, wie am Vorabend auch schon. Dieses Mal lag es jedoch nicht an dem Hunger oder an dem Verlangen meine Familie wieder zu finden, sondern an Wangyu, dessen leere Augen mir nicht aus dem Kopf gehen wollten. Jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, sah ich seinen bleichen Kopf auf der Spitze des Speeres ruhen, das getrocknete Blut in seinem Gesicht und die verfilzten Haare, die auf seinem Kopf durch den Wind hin und her geweht wurden.
Ich malte mir aus, wie es aussehen würde, wenn man meinen Kopf dort zur Schau gestellt hätte. Oder wie es aussehen würde, wenn dort Byeol's schmaler Kopf mit den braunen lockigen Haaren sitzen würde.

Bei dem Gedanken schlich sich sofort wieder die Übelkeit in mir ein und mit einem unterdrückten Würgen setzte ich mich auf. Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus, woraufhin ich zu frösteln anfing.

Die Zustände im Palast und dem drum herum liegenden adeligen Dorf waren verheerend. Die Menschen die hier herrschten schienen mir große Ähnlichkeiten mit Dämonen zu haben. Und die Königin kontrollierte sie alle; ließ sie ihre dreckigen Wünsche ausführen, Menschen töten und Familien zerstören.

Ich fuhr mir einmal angestrengt durch das Gesicht, ehe ich mich entschloss den Schlaf fürs Erste aufzugeben. Leise schob ich das dünne Laken von meinem Körper und stand auf. Während ich mich zwischen den hunderten Soldaten entlangschlich, blickte ich mich immer mal wieder prüfend um, in der Hoffnung das niemand meinen nächtlichen Spaziergang bemerken würde.

Draußen auf dem Flur angekommen, fing ich erneut an zu frösteln. Durch die offenen Fenster wehte frische Nachtluft auf die spärlich beleuchteten Gänge, weswegen es ziemlich kalt war.

Planlos lief ich den Gang links herunter. Währenddessen schaute ich mir genauestens mein Umfeld an; nahm die großen Familienportraits an den steinernen Wänden wahr, die vielen flackernden Fackeln und den roten Teppich unter meinen Füßen. Hier und da erkannte ich feine Risse und Kratzer in der Wand, welche auf Schwertkämpfe innerhalb des Palastes schließen ließen. Pflanzen, teilweise zur Hälfte verwelkt, standen an jeder Kreuzung. Sie waren das einzige, was etwas leben in die triste Umgebung brachte.

Nach der dritten Kreuzung entschied ich mich dafür, einen anderen Weg einzuschlagen. Dieses Mal bog ich nach rechts ab, in einen Teil des Palastes, den ich vorher noch nicht betreten hatte. Er sah genauso langweilig aus, wie die restlichen Flure und ich bekam Angst, nachher nicht mehr zurück zu meinem Schlafsaal zu finden.
Doch ich musste zugeben, dass die frische Luft und die Ablenkung durch die unbekannte Umgebung mir unheimlich guttaten. Für einen kurzen Moment dachte ich nicht an Wangyu und seinen abgehakten Kopf, oder wie meine geliebte Familie an seiner Stelle aussehen würde.

Meine Familie...

Gerade als ich mich an das lächelnde Gesicht meiner Mutter und meiner Schwester erinnerte, drang ein lauter Ruf durch die stillen Gänge. Schöne Erinnerungen zerplatzten und wurden ersetzt durch blanke Panik. Ich blieb wie angewurzelt auf der Stelle stehen.

Der Ruf wiederholte sich, doch ich konnte die einzelnen Worte nicht genau verstehen.
Nichtsdestotrotz durchfuhr mich ein alarmierender Ruck, als ich schließlich das dumpfe Geräusch von sich nähernden Schritten hören konnte. Ich sprintete zu der nächstbesten Tür, nur um diese weit aufzureißen und in den dahinter liegenden Raum zu verschwinden. Mit rasselnder Atmung sah ich mich in meinem Versteck um und stellte erleichtert fest, dass es bloß eine Art Besenkammer zu sein schien. Hier standen drei Besen in der linken Ecke und da drüber auf einem schmalen Regal reihten sich Einmachgläser mit mir unbekannten Flüssigkeiten drin.

Ich riss meinen Kopf automatisch zurück zur Tür, als die Schritte immer lauter und schneller zu werden schienen. Sie waren unmittelbar in meiner Nähe, denn nun konnte ich auch die Rufe des japsenden Mannes besser verstehen.

„Meine Hoheit, bitte bleiben Sie-... bitte bleiben Sie stehen".

Verwirrt setzte ich die Stirn in Falten. Es kribbelte mir beinahe in den nackten Füßen einen Schritt auf die Tür zuzugehen und dessen Knauf zu drehen, um dann das Spektakel draußen anzuschauen.
Doch ehe ich dieser Versuchung nachkommen konnte, huschte eine dunkle Gestalt zu mir in den Raum. Sie hatte die Tür so schnell aufgerissen und wieder zugezogen, dass ich weder einen richtigen Blick auf sie werfen konnte, noch Zeit hatte auf diesen plötzlichen Besuch zu reagieren. Stattdessen starrte ich einfach mit offenem Mund auf den schmalen Rücken der Gestalt. Dessen Schultern hoben und senkten sich rapide, während er außer Atem nach Luft schnappte.

Erneut drang ein lauter kläglicher Ruf durch die Flure draußen. „Prinz Yoongi, Ihr Vater wird mich köpfen, wenn er erfährt das ich Sie wieder aus den Augen verloren habe! Bitte tun Sie mir das nicht an!". Trabende Schritte kamen näher, schienen sogar an der Besenkammer vorbeizulaufen, doch erloschen dann wieder in der Ferne.

Die Person vor mir – ganz offenbar Prinz Yoongi – gab ein leises triumphierendes kichern von sich und verlor mit einem Mal alle Anspannung, die er zuvor gehabt hatte.
„Was für ein Narr", murmelte er dann.

Welch absurder Kommentar", dachte ich und zuckte im selben Moment heftig zusammen, als sich Prinz Yoongi mit einer schnellen Bewegung zu mir umdrehte. Scheinbar hatte ich meinen Gedanken laut gedacht...
„Wer bist du?", zischte Yoongi und ich konnte im Licht des Mondes die Klinge eines mittellangen Schwertes aufblitzen sehen. Ich hob abwehrend die Hände in die Höhe. „Keine Gefahr. Ich bin keine Gefahr. Nur ein Soldat der sich verirrt und aufgrund der lauten Rufe Panik bekommen hat, Sir", brabbelte ich drauf los.

Prinz Yoongi streifte die Kapuze seines Mantels vom Kopf, woraufhin ich zum ersten Mal sein Gesicht richtig betrachten konnte. Das Mondlicht ließ seine Haut hell wie Porzellan wirken und in seinen Augen glitzerte etwas Gefährliches. Er hob die Klinge in seiner Hand weiter an und richtete dessen Spitze auf meine Brust. Ich zog daraufhin scharf die Luft ein und senkte meinen Kopf etwas, in der Hoffnung meinem Gegenüber damit das Gefühl zu geben, dass er mich dominierte. Doch das schien dem jungen Herrn nicht zu gefallen, denn er drückte die Klinge plötzlich unter mein Kinn und forderte mich damit schweigend auf, den Kopf wieder anzuheben. Ich kam seiner Bitte nach und starrte ihm unsicher in die Augen.

„Du bist dieser Bogenschütze... Wie war dein Name noch gleich?", fragte Yoongi nachdenklich nach.
„N-Namjoon", antwortete ich knapp.
„Genau, Namjoon", Yoongi nickte, als wäre es ihm gerade auch wieder eingefallen, „Der, der versucht hat die Königin umzubringen. Meine Stiefmutter hat gestern das gesamte Abendessen lang damit verbracht, sich über dich aufzuregen".
„Tut mir leid, S-Sir", brachte ich unter zusammengepresstem Kiefer hervor.
Der Prinz ließ die Klinge daraufhin endlich sinken. „Kein Grund sich zu entschuldigen. Das Leben im Palast ist verdammt langweilig, da war der gestrige Tag endlich mal ein bisschen spannend", er zwinkerte und steckte sein Schwert zurück in die Scheide.

Für einen kurzen Moment fragte ich mich wirklich warum der Prinz meinen Angriff auf die Königin so locker nahm, doch dann erinnerte ich mich an Jackson's Worte; wie er mir erzählt hatte, dass Yoongi seine Stiefmutter nicht leiden konnte.
Und dann wurde mir auch noch eine weitere Sache bewusst; der Prinz war gerade dabei sich aus dem Palast zu schleichen. Davon hatte Jackson mir auch erzählt und es machte Sinn, wenn man sich den schwarzen großen Umhang der Gestalt vor mir ansah und die Art und Weise, wie er vor seinem eigenen Wächter weggelaufen war.

„Sie sind auf der Flucht", sprach ich meine Erkenntnis laut aus.
Yoongi's Blick verfinsterte sich wieder. „Erzähl einer Menschenseele wo ich bin und ich schlitze dir die Kehle auf".
Wieder hob ich abwehrend die Hände in die Höhe. „Keine Sorge, ich werde niemandem davon erzählen. Das bleibt unser Geheimnis. Immer gleich diese Morddrohungen...", bei letzterem Satz schüttelte ich abgeneigt den Kopf. Vermutlich würde ich mich niemals an den Umgangston im Palast gewöhnen.

„Das hoffe ich für dich. Wie gesagt, wenn ich herausfinde, dass du jemandem von dem allen hier erzählt hast, dann bist du tot", murrte er und zog wieder die große Kapuze über seinen Kopf, sodass nichts weiter als seine schmalen Lippen zu sehen waren. Ich nickte artig, obwohl ich nicht wusste ob Yoongi das noch sehen konnte. Doch kurz danach drehte der Ältere sich um verschwand genauso schnell, wie er gekommen war.
Ich stand derweil immer noch an die Wand gepresst da, ungläubig gegenüber dem, was gerade passiert war. 

Der Prinz geht auf Wandertour~

Ich weiß gar nicht wieso, aber irgendwie sind die nächsten Kapitel immer abwechselnd Namjoon und Co und dann Sugamon Action xD Immerhin wird es so nicht langweilig.
Ich hoffe es hat euch gefallen :3

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