4| Schlechter Start endet schlimmer

Wir saßen schweigend an dem großen weißen Marmortisch, jeder an einer Seite und ich überblickte das Angebot an Essen, das es gab.

Natürlich kochte meine Mutter nicht, sie konnte das auch noch nie.

Das Einzige, was sie immer gut gekonnt hatte, war Anweisungen zu geben und zu bestellen.

Dad hatte meistens nach einem langen Arbeitstag gekocht oder ich. Mum bestellte nur, wenn es zu spät wurde.

Doch das hier vor mir sah nicht aus wie bestellt, sondern wie frisch gekocht.

Es roch herrlich gut. Ich konnte wieder essen und das, obwohl ich heute Mittag erst einen großen Burger mit Pommes gegessen hatte.

"Greif zu Liebes. Es ist alles frisch."

"Kochst du jetzt?"

Fragte ich etwas zu spitz und hob mein Gesicht an.

Nervös strich sie ihre weiße Bluse glatt.

"Nein, das war Rosa unsere Köchin. Sie kocht ausgezeichnet und du kannst sie jederzeit Fragen, wenn du etwas brauchst. Sie kommt morgens und bleibt bis Abends."

Ich biss mir auf die Zunge, nickte und griff nach einem warmen Brötchen. Die anderen sahen das wohl, als Zeichen sich auch etwas zu nehmen und nach und nach waren unsere Teller gefüllt mit lecker duftendem Essen.

Alle schwiegen und ich beobachtete meine Mutter dabei, wie sie sich ein großes Glas Rotwein einschenkte und es bis zur Hälfte austrank.

Mein Mundwinkel zuckte kurz verdächtig.

"Was sind denn deine Hobbys Kendall?"

Fragte Fernando und ich schluckte meinen Bissen herunter, der mir fast im Hals stecken geblieben war. Plötzlich war mir jeglicher Appetit vergangen.

Dass genau diese Frage kam, überraschte mich, auch wenn ich damit hätte rechnen müssen.

"Deine Mutter hat mir erzählt, dass du früher Eiskunstlauf gemacht hast."

Ich sah wieder auf fixierte die Augen meiner Mutter und ließ meinen Kiefer knacken.

"Damit habe ich aufgehört."

Presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus.

"Oh wie Schade. Wie kam es dazu?"

Fernando klang so unschuldig, dass mir klargemacht hatte, dass sie ihm nicht alles erzählt hatte.

Meine Mutter trank wieder von ihrem Wein und wich meinem mörderischen Blick aus.

Auch ich löste mich von ihrem Abbild.

"Es gab Gründe."

Er nickte nur, sein Gesicht wurde rötlich und er beließ es zum Glück bei diesen Fragen.

Stattdessen versuchte er die Stimmung zu bessern, indem er von seiner sechzehn Jahre alten Tochter erzählte.

Sie hieß Arabella, aber jeder nannte sie Bella. Sie lebte bei ihrer Mutter in San Francisco und wollte wohl in zwei Wochen zum Wochenende zu Besuch kommen und länger bleiben.

Ich nickte desinteressiert und nippte an meinem Wasser.

Was interessierte mich die Göre von dem Lover meiner Mutter?

"Vielleicht willst du dann auch zu Besuch kommen? Seattle ist ja jetzt nicht mehr so weit weg und dann könntet ihr euch alle mal kennenlernen. Wobei Ash sie ja schon kennt aber du noch nicht."

Ich hatte gerade ein Schluck Wasser im Mund gehabt und fing an zu husten, weil ich mich verschluckt hatte.

"Ich weiß nicht, ob ich da sein kann."

Versuchte ich es neutral zu halten und Ashley klopfte mir einmal kräftig auf den Rücken.

"Na ja, eure Mutter hatte so eine tolle Idee. Weil Bella ja bald ein Jahr hier wohnen wird und ihre Mutter vermissen wird, haben wir uns folgendes überlegt...

Da hier bald eine Debütantinnenball stattfindet und dort junge Frauen viel für ihr Leben lernen können. Dachten wir, ihr beide könntet das zusammen machen und Debra würde euch unterstützen. So könnten wir alle als Familie zusammen rücken und..."

Ich unterbrach ihn mit einem deutlichen »NEIN«.

Alle sahen mich an und Ash versuchte beschwichtigend meine Hand zu nehmen, doch ich entzog sie ihm.

"Wusstest du davon?"

Blaffte ich meinen Bruder an, der so ertappt schaute, dass ich keine Antwort brauchte.

"Bitte Liebes überleg es dir doch wenigstens. Das kann viel Spaß machen und du und Bella ihr könntet euch kennenlernen und Schwestern werden."

"Ich habe nein gesagt!"

Wiederholte ich mich, sprang vom Tisch auf ohne mich zu verabschieden und lief schnellen Schrittes vor die Tür. Ich brauchte Luft zum Atmen und die bekam ich da drin nicht.

"Kandy warte!"

Rief mein Bruder aber ich stoppte nicht. Ein später Spaziergang bei Sonnenuntergang tat mir jetzt gut.

Ich musste den Kopf frei bekommen.

Irgendwann stoppte ich an einem kleinen schönen angelegten Park.

Hier waren Holzschaukelstühle aufgestellt und niemand war mehr zu sehen.

Ich setzte mich auf einen und schaute einfach in den leeren Park mit den schönen Pflanzen und Bäumen.

So alleine wie jetzt hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Ich holte mein Handy aus der Jackentasche. Die Liste meiner Kontakte war kurz.

Vielleicht machte ich mir auch etwas vor und ich war schon immer einsam und alleine gewesen.

Wirkliche Freunde hatte ich nie und jetzt fühlte es sich so an, als ob ich gar keinen mehr hatte.

Joshs Nummer erschien auf meinem Display. Sollte ich ihn anrufen?

Waren wir so gute Freunde, dass ich das einfach machen konnte?

Wohl eher nicht...

**

"Wo warst du?"

Es war dunkel und ich hatte meinen Bruder angerufen, damit der mir die Tür öffnen konnte.

Neben ihm stand auch meine Mutter in ihrem weißen Seidenbademantel und sah traurig zu mir herauf.

"Nur eine Runde um den Block."

"Zwei Stunden."

Ich seufzte nur und drängte mich an beiden vorbei.

"Ich bin müde und sollte schlafen."

"Warte bitte Kendall. Können wir beide reden? Alleine?"

Die Stimme meiner Mutter war bittend und leise.

Ich versteifte mich und wollte nichts anderes als nach oben zu rennen, weit weg von ihr.

Meine Hand lag schon auf dem Gelände.

"Ich glaube, das wäre wichtig Kandy."

Betonte Ash und ich seufzte auf.

"In Ordnung."

Ich drehte mich um, Ash lächelte mich freundlich an und nickte mir zu, bevor er mich mit Mum alleine ließ.

"Komm gehen wir doch in die Küche."

Ich folgte ihr langsam und setzte mich an den Hochtisch, der in eine Kücheninsel überging.

"Möchtest du was trinken? Wasser? Tee?"

"Einen Tee."

Meine Mutter nickte mir zu und machte sich an dem Wasserkocher zu schaffen. Anschließend suchte sie den Tee, den ich auf einen Blick schon gesehen hatte.

Sie öffnete mehre Schubladen und Schranktüren, bis ich aufstand, die Teeschachtel nahm und neben sie stellte.

"Ich mache das schon."

Murmelte ich und fühlte mich kurz wie früher, wo ich neben meinem Dad alles in der Küche gemacht habe.

"Danke."

Seufzte meine Mutter.

Ich befühlte die Tassen mit heißen Wasser und tunkte in jede Tasse einen Beutel mit einer Kräutermischung.

"Du musst immer noch denken, dass ich total unfähig bin."

Merkte sie an und hüstelte leise.

Ich blieb jedoch still und dachte mir meinen Teil.

Mit den beiden Tassen in den Händen ging ich Wortlos zu ihr herüber und schob ihr eine der beiden Tassen über die Kücheninsel.

"Du wolltest reden."

Bemerkte ich kühl und sah sie an.

"Ja genau."

Sie sah mir mit ihren hellen Augen in meine dunklen.

"Du bist so stark und schön geworden."

"Das hatten wir schon."

"Ähhh, ja stimmt. Ich bin nur beeindruckt, was für eine tolle Frau aus dir geworden ist."

Ich nickte langsam, fixierte einen Punkt hinter ihr an der Wand.

"Kendall, ich...."

Sie legte ihre Hand auf meine und ich beließ es erstmal dabei.

"Es tut mir leid."

Meine Augen fanden wieder die ihre und das Blau in den Irden begann zu verschwimmen.

"Ich habe so viele Fehler gemacht und ich erwarte nicht das du sie mir vergibst. Aber ich habe mich verändert und das will ich dir gerne zeigen."

Langsam zog ich meine Hand unter ihrer weg.

An ihrem verzerrten Gesichtsausdruck merkte ich, dass es sie verletzte, aber die körperliche Nähe war mir doch zu viel.

Ich wusste einfach nicht, ob ich ihr vertrauen konnte.

"Okay."

Sie schaute mich hoffnungsvoll an.

"Zeig mir einfach, dass du dich verändert hast an deinem Verhalten."

"Danke Liebes, das du mir eine zweite Chance gibst. Ich will es wirklich besser machen."

Sie umrundete so schnell die Kücheninsel und zog mich so hastig in ihre Arme, dass ich gar nichts machen konnte.

Nur schwer konnte ich mich wieder von ihr lösen. Sie hielt einfach an mir fest.

"Aber die Umarmungen sind mir zu viel."

Sagte ich bestimmt und sie ließ ganz von mir ab.

"Entschuldige. Ich freue mich nur so."

Ich schenkte ihr ein schmales Lächeln.

"Wegen des Debütantinnenballes wollte ich dich nie unter Druck setzten. Ich konnte mir denken, dass dies nicht so dein Ding ist, aber Arabella wollte das so gerne mit ihr Mutter machen, die jetzt nicht kann. Und ich meinte es nur gut und wollte das ihr Mädchen euch hier besser kennenlernt...."

"Und du hast dir das auch immer gewünscht! Richtig?"

Betonte ich und kreuzte meine Arme vor der Brust.

Sie lächelte leicht und nickte.

"Das ist aber wie du gesagt hast überhaupt nicht meine Welt. In meinem Leben gibt es wichtigere Dinge."

"Zum Beispiel Eishockey!"

Schob sie ein und musterte mich.

Sofort spannte ich mich an. Sie lächelte weiter aber ich machte einen Schritt zurück.

Die bekannte Spannung trat wieder auf die Bildfläche.

Meine Mutter merkte es und versuchte es zurückzunehmen.

"Oh so war das nicht gemeint Kendall. Du kannst machen, was du willst, solange es dich glücklich macht."

Argwöhnisch hob ich meine rechte Augenbraue.

"Ich meine es ernst Kendall."

Sie seufzte und sah auf ihre Füße.

"Ich habe es wohl richtig verbockt. Du glaubst mir kein einziges Wort mehr."

"Wie kann ich auch? Nach allem was du mir an den Kopf geworfen und unterstellt hast?"

Blaffte ich sie an und nahm wieder eine definitive Haltung ein.

"Schon gut. Ich verstehe. Aber ich meine es ernst. Ich will nur, dass du glücklich bist. Egal welchen Beruf oder Sport du ausübst. Weil ich auf die harte Tour lernen musste, dass ich niemanden dazu zwingen kann etwas zu werden, was er nicht ist und dass mich das von Menschen, die ich liebe, trennen kann."

Sie klang reumütig und ehrlich, aber mir fiel es nach wie vor schwer ihr zu glauben.

"Was ist, wenn ich meine langen blonden Haare abschneiden will."

"Dann tu das, wenn es dir gefällt!"

Ich machte wieder langsam einen Schritt auf sie zu. Ihr Lächeln wirkte nicht gestellt und auch ihre Stimmlage sagte mir das sie es ernst meinte.

"Woher wusstest du das ich noch Hockey spiele?"

Sie lachte leise.

"Von der ersten Sekunde, als ich dich gesehen habe. Ich kenne dich Kendall und dieses Figur..."

Sie zeigte an mir auf und ab.

"Kommt nicht ohne Extremsport und wofür hat sich mein Mädchen immer nur interessiert?- für Eishockey. Also habe ich eins und eins zusammen gezählt."

Ich verstand und musterte sie weiter.

"Wann wolltest du mir sagen, dass du ein Sportstudium bekommen hast?"

Ein breites Grinsen legte sich auf ihre Lippen.

"Das wusstest du auch schon?"

"Ich bitte dich Kendall. Du fängst an einer der besten Universitäten in Seattle an, dein Vater hat nicht das Geld um dir die Uni zu bezahlen. Was bleibt? Ein Stipendium!"

"Red nicht so über Dad! Er hat alles für mich getan. Alles!! Das hast du versäumt."

Ich hatte mich aufgebaut und mich vor ihr aufgeplustert. Das war der wunde Punkt, der immer weh tat!

"Kendall so war das nicht gemeint. Natürlich hat dein Vater alles für dich getan. Ich wollte nur erklären, wie ich auch das Stipendium kam und wenn du Geld brauchst, dann..."

"Dann bist du sicher die Letzte, die ich danach fragen werde."

Stellte ich klar, ließ den Tee stehen und ging aus der Küche.

Das Gespräch war hiermit beendet.

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