39| Busfahrt mit Aussicht

Meine recht schwere Reisetasche hing über meine Schulter, während ich darauf wartete, dass Lary ihren Koffer abgab.

Der wurde mit einem Schwung und nicht gerade vorsichtig in das Innere des Ladefaches des Busses befördert.
Danach war ich an der Reihe.

„Ich warte im Bus auf dich. Nick ist schon drin hat er mir geschrieben."
Sagte Hillary und grinste.

„Bis gleich."

Hillary schob sich an mir vorbei und Maverick tauchte in meinem Blickfeld auf. Er half dabei das alle Taschen und Koffer im Bus verstaut wurden.

„Hey Kandy, schön dich zu sehen."
Er lächelte fast schüchtern.

„Hier lass mich dir helfen."

Er nahm mir die Reisetasche ab, indem er sanft an dem Gurt an meiner Schulter zog und der Henkel ganz langsam an meinem Arm herunterrutschte.

Er umfasste das dickte Band und beförderte meine Tasche mit einer Leichtigkeit in das Fach, als würde sie nichts wiegen.

„Danke."
Presste ich heraus und beobachtete jede seiner Bewegungen, die sich in Zeitlupe vor meinem Auge abspielten.

Um nicht weiter zu starren, drehte ich mich weg und antworte auf Bellas Nachricht.

Ich war schon drei Mal bei dem Debütantinnenkurs mit ihr gewesen. Wie erwartet hasste ich es dort, weil wir nur unnütze nicht zeitgemäße Dinge lernten, wie zum Beispiel Gesellschaftstanz, bei dem ich mich mehr als dumm anstellte, Tischmanieren, Haltung und anderen Schnickschnack.

Aber sie bedankte sich jedes Mal ausgiebig bei mir und mein Auto sah nach jedem Besuch wie geleckt aus.

Was mir aber noch Bauchschmerzen bereitet war der Abschlussball der Debütantinnen, bei der jede Dame einen Partner brauchte. Ich hatte natürlich noch keinen, auch wenn sich netterweise Ash angeboten hatte.

Jedoch sah ich das ein wenig als Niederlage, da kein anderes Mädchen jemanden aus der Familie gewählt hatte.

Ich musste schnell jemanden finden und das hieß mir stand die Peinlichkeit bevor jemanden danach zu fragen.

Ich seufzte leise und bemerkte das schon fast alle im Bus waren. Schnell stieg ich die Treppen herauf in der Hoffnung noch einen passablen Platz zu finden. Bestimmt hatte Nick oder Lary etwas frei gehalten.

Tatsächlich sah ich recht weit hinten Nick sitzen, der an der Scheibe lehnte und mir zuwinkte. Lary sah ich noch nicht.

Aber eine große Erleichterung machte sich in meinem Inneren bereit, als ich sah, dass der Platz neben ihm frei war.

Ich hatte es fast bis zu ihm geschafft, als sich meine Freundin neben ihn fallen ließ.

„Sorry Kandylein!"
Grinste sie frech und Nick lachte leise.
Mürrisch sah ich meine besten Freunde an. So war das eigentlich nicht geplant.

Ich blickte mich um, weil die meisten Sitzplätze schon von Schülern belegt waren. Meine Freunde erhielten einen kleinen Todesblick, bevor ich mich abwandte und ein Stück nach vorne lief.

Dort sah ich vier Reihen schräg vor ihnen, noch einen freien Platz am Gang.

„Entschuldige, ist hier noch frei!"

Zwei freundliche grüne Augen sahen in meine.

„Ja natürlich."

Maverick schob seinen Rucksack beiseite und ich überlegte, warum er alleine saß und nicht bei einem seiner Freunde.

„Es geht los."

Ließ der Busfahrer verlauten und fuhr ruckartig los, wo ich mich doch gerade hinsetzen wollte.

Ungeschickt stolperte ich, weil ich durch die nicht erwartete Anfahrtswucht nach vorne kippte.
Ich schaffte es mein Gewicht in Richtung des Sitzes zu verlagern, knallte aber direkt gegen Mavericks breiten Körper, der meinem uneleganten Sturz abfederte.

Er hielt mich fest.

„Alles gut Bambi?"

Meine Haut pochte und brannte direkt an den Stellen, wo wir uns berührten. Sofort rückte ich ab und nickte hastig ohne etwas zu sagen.

Dabei rauschte mir das Blut in meine Ohren und ich konnte fühlen, dass ich leuchtete, wie ein Glühwürmchen.

„Sorry."

„Kein Problem. Ich helfe gerne Bambi."
Er konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

„Ich habe damit nicht gerechnet. Der Busfahrer ist so schnell angefahren."

Erklärte ich mich, weil ich das Gefühl bekam es zu müssen.

Er nickte langsam aber lächelte weiter.

Nachdem ich mich etwas von meinem pochenden Herzen erholt hatte, drehte ich mich langsam um und sah wie Nick und Hillary mich breit anlächelten. Das hatten die mit Absicht getan!

Schmollend drehte ich mich um. Hauptsache, die beiden hatten, ihren Spaß während ich mich zu Deppen machte.

Damit die Fahrt nicht so unangenehm wurde, wie ich sie mir vorstellte, begann ich ein Gespräch.

„Wie geht es dir?"
Fragte ich vorsichtig und Vance, der aus dem Fenster gesehen hatte, drehte sich zu mir.

„Gut danke. Und dir?"

Ich nickte.

„Auch!"

Okay, es war noch schlimmer als ich mir ausgemalt hatte. Trotzdem versuchte ich es weiter, weil ich diese Stille zwischen uns nicht aushielt.

„Wie geht es deinem Kopf?"

„Ich merke nichts mehr von dem Aufprall. Es ist alles wieder normal. Ist ja auch schon ein paar Wochen her."

Ich nickte und knabberte unbehaglich auf meiner Unterlippe herum. Vance schüttelte amüsiert den Kopf.

„Du musst dich nicht verpflichtet fühlen mit mir zu reden Bambi. Wenn du das nicht möchtest, ist das voll okay."

„Das weiß ich!"

Verdrehte ich die Augen und starrte auf den Rucksack, der auf meinem Schoß lag. Ich beschloss diesen, wie Maverick unter meinem Sitz zu verstauen und kramte gleichzeitig meine Kopfhörer heraus, weil ich wusste, dass ich sonst verrückt werden würde.

„Das heißt aber nicht, das ich mich nicht gerne mit dir unterhalte Bambi!"
Grinste er mich an.

Völlig überfordert starrte ich ihn an.

„Was denn jetzt? Willst du mit mir reden oder nicht. Denn ich führe das Gespräch hier alleine..."

„Wow Bambi, du hast mir nur zwei Fragen gestellt und ich habe dir zwei Antworten gegeben. Das ist ja wohl kein richtiges Gespräch."

An seinen aufgeweckten Augen und dem breiten Lächeln im Gesicht merkte ich, das er mich nur ärgern wollte.

Deswegen setzte ich mir demonstrativ die großen Kopfhörer auf meine Ohren, die ich letzten Sommer von Ash geschenkt bekommen hatte.

Ich schaltete die Musik an und schloss meine Augen.

Vielleicht konnte ich so wenigstens einen Teil der achtstündigen Busfahrt hinter mich bringen.

Ich schaffte es mich ein wenig zu entspannen, bis mich jemand an der Schulter berührte.

Langsam öffnete ich meine Augen und blinzelte mehrmals. Ich konnte nicht sagen, wie lange wir gefahren waren und schob meine Kopfhörer vom Ohr.

„Ich müsste mal auf Toilette Bambi!"

Sofort machte ich Platz und ließ Vance passieren.
Ich setzte mich wieder hin und beobachtete, wie er und einige andere den Bus verließen, der auf einem Rastplatz angehalten hatte. Einige liefen quer zu den Toiletten oder sie vertraten sich nur die Beine.

Das war sicher keine schlechte Idee.
Ich wollte gerade aufstehen, als mich Nick erschreckte, indem er mich von hinten packte und an sich drückte.

„Lass das, Nicki!"
Ich schlug auf seinen Unterarm, der sich um meine Mitte geschlungen hatte.

Kurz darauf ließ er mich endlich los und ich quetschte mich augenrollend an ihm vorbei.
Nick folgte mir an die frische Luft und legte seinen Arm um meine Schulter.

„Sei nicht sauer mit mir Baby..."

„Bin ich nicht Nick!

Wir standen mittlerweile vor den Toiletten.

„Ich müsste mal oder willst du mitkommen?"

„War das eine Einladung?"
Lachte er.

Ohne was zu antworten, verpasste ich ihm einen Schlag in den Nacken und ging zur Damentoilette.

Da man seinen Aufenthalt hier so kurz wie möglich halten wollte, beeilte ich mich und steuerte anschließend den Snackautomaten in der Tankstelle an.

Hier traf ich auch wieder auf Nick, der sich eine Cola geholt hatte.

„Ich muss mir eingestehen, das es nicht die beste Idee war neben Lary zu sitzen. Sie redet so viel und ich vermisse dich."
Meckerte er und meine Mundwinkel zuckten kurz.

„Was willst du haben? Ich gebe dir als Entschädigung einen aus, auch wenn es nur das Beste für dich ist!"

Ich sah ihn skeptisch an, aber wollte sein Angebot nicht ausschlagen. Deswegen entschied ich mich für eine Tüte „Weingummibärchen" die ich liebte.

Wir liefen wieder zum Bus zurück und mir brannte eine Frage auf der Zunge.

„Was soll das alles Nick? Warum soll das zu meinem besten sein?"

Nick lächelte freundlich und das auf eine Art, von der ich, wusste das, alles, was er jetzt sagte, kein Schwerz für ihn war.

„Irgendetwas ist da zwischen dir und Vance. Das kann jeder sehen, der euch kennt. Und es gibt etwas, was dich blockiert. Aber ich verrate dir ein Geheimnis, wenn da jemand ist, von dem du dich so angezogen fühlst, wie von Maverick, dann ist es unmöglich dem für immer aus dem Weg zu gehen. Lass dich mal auf dieses Abenteuer ein und finde heraus, wo es dich hinbringt..."

Es war schon fast rührend wie Nick das formuliert hat, als hätte er es schon einmal selber erfahren. Doch dann sagte er etwas was mir zeigte das Nick immer Nick bleiben würde und das ein kurzer Glanzmoment gewesen war, der wohl nie wieder so ans Tageslicht kommen würde.

„...aber vor allem denke ich wäre es wichtig, das du mal flachgelegt wirst."

Ja und der Moment war vorbei.

Ich verdrehte die Augen, lächelte Lary zu, die wieder auf ihrem Sitzplatz saß und ging zu meinem, neben dem Maverick bereits Platz genommen hatte.

Er beachtete mich nicht und ich dachte darüber, was Nick gesagt hatte. Konnte ich mich der Anziehungskraft, die von ihm ausging, nicht für immer widerstehen? Wollte ich das?
Ich hatte ihm gesagt, das wie Freude sein könnten, nur verhielt ich mich nicht so. Das lag aber daran, weil ich einfach wusste, dass es nicht funktionieren würde, wie bei den anderen Freunden die ich gehabt hatte oder habe.

Aber weiter Schweigen und nicht mit ihm reden wollte ich auch nicht. Das war mehr als unangenehm, deswegen startete ich einen neuen Versuch.
Ich öffnete vorsichtig meine Weingummis und tippte ihn an.

„Magst du ein paar haben?"
Ich gab mir Mühe ihn ehrlich anzulächeln und er erwiderte es ausnahmslos.

„Gerne. Was sind das für welche?"

„Weingummibärchen, meine Lieblingssüßigkeit!"

Maverick griff in die Tüte und nahm ein paar heraus, genau wie ich.

„Danke!"

„Klar."

Es drohte wieder diese Stille zurückzukehren, aber dann sprudelte aus diesem Gefühl wie ein Idiot unfähig ein Gespräch zu führen, eine Frage über Eishockey heraus.

„Wer ist dein liebster Spieler in der NHL?"

Mavericks Augen weiteten sich kurz und aus Panik heraus, redete ich einfach weiter.

„Meiner ist Cody Tilton. Er ist schnell, spielt super genaue Pässe. Er weiß immer genau wann er angreifen muss und spielt so vorausschauend.

Ich weiß, er hatte nicht so einen hohen Score aber..."

„Das ist nicht berechtigt. Tilton spielt sehr präzise und genau. Er agiert immer zum Wohle des Teams!"
Ergänzte er und sah mich mit leuchtenden Augen an.

Wir unterhielten uns einige Minuten über die NHL und die Spieler. Auch die letzten Spiele unserer Lieblingsteams wurden analysiert. Bis er die entscheidende Frage stellte.

„Woher weißt du so viel über Eishockey? Ich dachte, du kannst den Sport nicht so leiden."

Diesmal hatte ich mich aber auf so eine Frage vorbereitet.

„Du weißt ja meine Brüder Kendall und Ashely lieben den Sport. Mein Vater liebt Sport generell sehr und seit meine Brüder Eishockey ausleben um so mehr. Ich habe mich distanziert, um auch meine eigenen Erfahrungen zu machen und nicht immer in deren Schatten zu stehen..."
Log ich gekonnt und fühlte mich direkt wieder etwas schlecht.

„Das kann ich verstehen. Ich bin der Erste in der Familie, der den Sport so liebt und dem nachgeht. Meine Schwestern sind...wie soll ich es sagen perfekt und haben alle einen tollen Abschluss in Jura und Medizin. Mein Bruder hat einen IQ von 180 und studiert jetzt schon.

Ich stand auch immer in ihrem Schatten.

Ich nickte leicht und wir redeten einfach locker weiter. So langsam bekam ich raus, wie ich mit ihm normal reden konnte, auch wenn mein Herz ein paar mal stolperte, wenn er mich anlächelte. Vielleicht konnte ich seiner Anziehungskraft auf mich doch ausweichen und Nick hatte unrecht...

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