30| Bilder im Kopf

Nachdem ich mal einen ganzen Tag gelernt hatte, um den Stoff der letzten Woche aufzuholen, konnte ich mich heute Abend einfach mal zurücklehnen und den Abend genießen.

Diesen freien Abend hatte ich mir wirklich verdient.Und so saß ich mit meinem extra großen Nudelteller, den ich mir auf dem Heimweg besorgt hatte, auf dem Sofa und öffnete mir gerade eine große Cola. Diese Ruhe war himmlisch und wirklich das, was ich gebraucht hatte. Es war schön Hillary, Nick und die Anderen zu haben, aber ich war es eher gewohnt, alleine zu sein. Diese Zeit nur für mich hatte mir wirklich gefehlt.

Meine „Alleinzeit" hielt aber nur knappe zwei Stunden. Die Tür flog auf und eine quirlige Lary stand im Raum mit Ella und Venus.

Die Drei lachten und schienen sich über irgendetwas unglaublich zu amüsieren.

„Heyyyy Kandy."
Freute sie sich und schmiss sich direkt neben mir auf das Sofa.

Ich machte sofort Platz, faltete meine Decke und stellte mein schmutziges Geschirr auf unsere Küchenzeile.

„Du musst nicht gehen."
Meinte Ella freundlich und ich lächelte ihr zu.

„Schon gut. Ich wollte nur aufräumen."

Eigentlich war es auch ganz gut, dass sie gekommen waren. Denn meine Gedanken hingen wieder Maverick nach und wenn sie das taten, bekamen meine Wangen immer diesen rosa Farbton und fühlten sich seltsam warm an.

Die letzten Tage hatte ich sowohl ihn als auch Nick gemieden so gut es ging.

Bis auf unsere Trainingseinheiten hatte ich keinen von ihnen getroffen und auch Hillary hatte ich darüber nichts gesagt.

Es war mir zu unangenehm gewesen.

„Wir wollen heute noch was unternehmen. Hast du Lust mitzukommen?"
Fragte mich Ella.

Ich hob überrascht eine Augenbraue. Es war immer Lary gewesen, die mich gefragt hatte, mit ihnen etwa auszugehen oder ähnlich zu machen. Diesmal kam die direkte Nachfrage von Ella und das, obwohl sie die schüchterne unter ihnen war.

Ich war etwas hin- und hergerissen.

Ging ich mit, kam ich vielleicht auf andere Gedanken. Andererseits wollte ich heute eigentlich nicht nochmal raus.

„Ja unbedingt."
Pflichtete ihr Hillary bei.

„Woran hattet ihr gedacht?"

„Wir wollten hier um die Ecke in eine Spielhalle gehen und etwas Billard oder Dart spielen. Vielleicht auch ein wenig trinken. Unter der Woche ist es dort meistens nicht so voll."
Antwortete Venus.

Das klang wirklich nett. Hätte sie jetzt was von Club gesagt, wäre ich wahrscheinlich direkt abgesprungen. Ich konnte zwar nicht besonders gut Billard spielen oder darten. Trotzdem klang es nach einer Menge Spaß.

„Gib dir einen Ruck!"

Lächelte Hillary.

„Okay, sehr gerne. Aber ich bin nicht wirklich gut."

„Das macht nichts."

Ella nickte mir zu und alle sahen mir freundlich entgegen.

„Dann ziehe ich mir nur eben eine Jeans an und ein frisches T-Shirt."

Auf dem Alten befanden sich ein paar Spritzer Tomatensoße.

Ich beeilte mich und keine zehn Minuten Später waren wir zu Fuß unterwegs zu der Halle von der Venus mir gerne und ausgiebig berichtete.

Sie war ruhig, ausgeglichen und hörte aufmerksam zu, wenn man ihr etwas erzählte.

Hillary und Ella dagegen besprachen gerade die neusten Gerüchte und Skandale die in unserer Schule herumgetragen wurden.

Wahrscheinlich lag es einfach in ihrer Natur, da sie ein ähnliches Fach studierten. Hillary studierte Journalismus in Verbindung mit Kommunikation. Sie wollte unbedingt Moderatorin werden und Ella studierte englische Literatur und Journalismus.

Von Venus erfuhr ich das sie eigentlich viel lieber Autorin werden will als Journalistin.

Mit Ihrer zurückhaltenden Art schien mir das jedenfalls sinnvoller.

Venus hatte recht.
Die Gamer-Halle war toll und auch wenn ich Billard äußerst schlecht spielte, mein drittes Spiel mit Lary gegen Venus und Ella verlor, machte mir das alles ein riesengroßen Spaß.

„Ich habe keine Lust mehr mit Kandy zu spielen. Sie spielt scheiße."

Jammerte meine Freundin und ich verpasste ihr einen kleinen Seitenhieb.

Ich war ihr nicht böse und wir beide lachten ihre Beleidigung weg.

„Dann spielt mal eine Runde ohne mich. Ich hole etwas zu trinken. Was wollt ihr?"

„Cola."

„Dr. Peppers!"

„Cola Zero."

Bekam ich drei Antworten und ich nickte den Mädels zu. Auf dem Weg zur Bar sah ich mich um und erkannte Maverick mit zwei Freunden an einem der hinteren Billardtische.

Sofort vermischte sich mein aktuelles Bild von ihm mit der nackten Erinnerung aus der Umkleide.

Ich starrte auf seinen breiten Rücken, der nur mit einem dünnen T-Shirtstoff bedeckt war und unter dem seine Muskeln und Sehen tanzten, als er seinen Stoß ausführte. Genauso konnte ich die einzelnen Wassertropfen seinen nackten Rücken herunterlaufen sehen.

Er drehte sich langsam in meine Richtung und mich sprach im selben Augenblick eine fremde Person an.

„Was kann ich dir bringen?"

Hinter der Bar lächelte mich ein junger Mann in meinem Alter an und ich brauchte einen Moment um meine Gedanken zu sortieren.

Danach ratterte ich meine Bestellung herunter und bestellt mir auch eine Cola.

„Kommt sofort."

Er zwinkert mir kess zu und ich begann meine Finger zu kneten.

„Hey."

„Hi."

Ich sah auf und Maverick Vance stand direkt neben mir und sah auf mich herab.

„Lange nicht gesehen."

Ich konnte nur nicken und mir schienen sämtliche Worte meines Vokabulars ausgegangen zu sein. Als wäre ich gegen eine Stahlwand gerannt und hätte mir jedes einzelne Wort, dass ich seit meiner Geburt gelernt hatte aus dem Kopf geschlagen.

„Du bist heute nicht besonders gesprächig."

Ich lachte etwas zu hoch auf und räuspert mich anschließend peinlich berührt.

Sofort fing mein Gesicht Farbe und mir wurde schlagartig heiß.

„Entschuldige ich..."

Ich wurde unterbrochen.

„Hier deine Getränke."

Ich sah auf die vier Flaschen vor mir und wollte alle auf einmal aufnehmen. Normalerweise kein Problem, aber Vance machte mich unglaublich nervös. Besonders, weil er nicht aufhörte mich anzulächeln.

„Soll ich dir damit helfen?"

„Ähh...ja...Mhh gerne."
Haspelte ich mir zurecht und nahm zwei der vier Flaschen in meine Hände.

Ich trug sie zu meinen Freundinnen, die mich und Vance zusammen erst im letzten Moment wahr nahmen.

„Danke Kandy."

Nahm mir Hillary schmunzelnd ihre Cola ab.

„Ah ihr spielt auch Billard, cool. Ich bin auch mit ein paar Jungs hier."

Maverick verteilte die restlichen Getränke an Ella und Venus, die ihn nur wortlos anstarrten.

„Ja, aber Kandy ist richtig mies als Mitspielerin."

„Heyyyy gar nicht wahr."

Verteidigte ich mich vor Lary, die nur kicherte.

„Ist das so? Wenn du willst, zeige ich dir gerne ein paar Tricks."

Maverick sah mich auffordernd an und mir klappte leicht der Mund auf, weil ich etwas erwidern wollte.

„Diese Lektionen braucht Kandy so dringend."
Meinte jetzt auch Venus.

„Ich baue neu auf."

Bot Ella an und ich musterte Maverick mit schief gelegtem Kopf.

Was hatte er vor?

Venus stieß den Kugelhaufen geschickt an, und lochte gleich zwei halbe Kugeln ein.

Danach folgte eine dritte und erst die vierte verfehlte sie knapp.

Vance applaudierte beeindruckt und sie machte eine gespielte Verbeugung bevor sie lachte und sich bei ihm bedankte.

Das hieß aber auch, dass ich jetzt dran war.

Vance rückte auf und stellte sich dicht neben mich.

„Welche Kugel würdest du als Erstes einlochen?"

„Die rote drei?"

„Was hältst du von der grünen Sechs? Die liegt etwas näher am Eckloch und ist komplett frei."

Ich nickte, nahm meinen Queue in die Hand. Dabei legte ich das Ende auf meinem Daumen und dem Zeigefinger ab, bevor ich mich leicht nach vorne beugte und unweigerlich mein Hinterteil etwas raus strecken musste.

„Lass mich dir helfen!"
Hauchte Maverick nah an meinem Ohr und ich zuckte leicht zusammen.

„Okay."

Er stellte sich direkt hinter mich und mein kompletter Rücken, berührte seine Brust. Er legte seine große Hand sanft über meine Hand am Anfang des Stockes und mit der zweiten Hand führte er meinen Unterarm.

„Wir dürfen nur sanft zustoßen, der Weg von der Kugel zum Loch ist nicht so weit."

Warum klangen dieser Satz so verdammt unanständig in meinem Kopf?

Mir rauschte das Blut in die Ohren und ich hörte kein Wort mehr, von dem, was er noch sagte.
Stattdessen ploppten erneut die Szenen der Umkleide vor meinem geistigen Auge auf.

Vance versuchte, mit meiner Hand den Queue zu bewegen und einen sanften Stoß auszuführen. Jedoch zuckte ich erneut zusammen und verzog den Billardstab versehentlich nach links.

Die weiße Kugel berührte die Farbige noch nicht mal an, dafür berührten sich unsere Körper um so mehr.

„Oh."

Entwich es mir und ich brachte beiläufig wieder genug Abstand zwischen mir und Maverick.

Ich traute mich kaum jemanden anzusehen.

„Tut mir leid."
Murmelte ich verlegen und hob kurz die Augenlieder, um seinen grünen Irden zu begegnen.

In seinen Augen lag ein sanfter Glanz und kein Schalk.

Es war schon fast Zuneigung, die mir da entgegenblickte und das machte mir Angst.

„Nicht schlimm. Wir probieren es gleich nochmal Bambi."

„Bambi?"
Wiederholte ich irritiert.

„Ja beim Billardspielen stellst du dich an wie ein neugeborenes Rehkitz."
Lachte er leise und die anderen stiegen mit ein.

Maverick gab sich wirklich viel Mühe, um mir bei dem Spiel gegen Venus zu helfen, aber ich war einfach schlecht.

Es lag sicher auch daran, dass ich nicht nochmal so viel Nähe zuließ.

Venus gewann erneut Haushoch und ich hatte dem nichts entgegenzusetzen.

Die Stimmung war wieder lockerer und Maverick verabschiedete sich kurz danach von uns.

„Ich sollte wieder zu meinen Leuten."

„Danke für deine Hilfe."

„Danke für das Spiel Bambi."
Raunte er mir zu.

„Den Namen werde ich wohl jetzt nicht mehr los."
Schmunzelte ich und sah zu ihm auf.

Er trat wieder näher.

„Er passt besser als saure Kandy. Oder bevorzugst du den mehr?"

Flüsterte er und ich schüttelte langsam meinen Kopf. Ich erlaubte mir selber ihn bewusster wahr zunehmen. Seinen herben Geruch mit einer Prise Salz, der schimmernde grüne Ton seiner Augen, wie der eines Sommersees in Minnesota und den langen Wimpern, die ihre Schatten auf dieses Grün im Wasser legten.

„Wir sehen uns hoffentlich bald wieder."

„Mal sehen."
Quetschte ich heraus.

Warum fiel es mir plötzlich so schwer, ihm zu widerstehen? Warum gelang es mir nicht mehr ihm richtig zu kontern?

Maverick nickte mir zu, verabschiedete sich von meinen Freundinnen und ließ uns zurück.

Das erste Mal hatte ich Angst mich zu verlieben...

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