22| Wie eine Eiskunstläuferin

„Kandy, was machst du denn hier?"

Nick sah mich mit großen Augen an, weil ich als Kandy vor ihm zum Stehen kam.

Er hatte wie verabredet vor der Eishalle auf mich gewartet.

„Was denn?"

„Warum bist du nicht Kendall?"
Er senkte seine Stimme und sah sich um.

„Ich kann dich nicht trainieren und einen Mann spielen. Das funktioniert nicht, okay."

Nick hob beide Augenbrauen und sah mich verwundert an.

„Du wirst schon sehen. Sollen wir hineingehen oder wollen wir den ganzen Tag hier stehen?"
Ich lief schmunzelnd an Nick vorbei und er ließ sich nicht zweimal bitten und holte zu mir auf.
Kess wie immer legte er seinen Arm auf meiner Schulter ab.

„Wie war das Date mit Vance?"

„Arggg...das war kein Date!"

Ließ ich mich ärgern und schüttelte seinen Arm ab. Nick kicherte auf und wir beide gingen direkt durch zu den Bänken für die Spieler, um uns die Schuhe anzuziehen.

„Neue Schlittschuhe?"

Nick zeigte auf meine Füße und ich nickte ihm zu. Nach unserem ersten Spiel in dieser Saison war mir ein Stück der Kufe abgebrochen und da war klar, dass ich in den alten Dingern nicht mehr spielen konnte.

Ich hatte echt Glück gehabt, das es mir nicht während des Spiels passiert war.

Das hieß aber auch, das ich diese einlaufen musste und das würde dicke Blasen geben.

Das Material der Schuhe war leider noch sehr hart und musste sich erst an meine Füße anpassen.

„Hast du leichte Sachen an, wie besprochen?"

Ich sah zu meinem Teamkollegen, der in einer weiten Jogginghose und einem eng anliegenden Sportshirt auf seinen Schlittschuh balancierte.

„Gefällt dir was du siehst?"

Er wackelte kokett mit den Augenbrauen.

„Ich wollte nur sehen, ob du passend bekleidet bist. Die Jogginghose ist jetzt nicht unbedingt vorteilhaft."

Ignorierte ich seinen harmlosen Flirt.

„Ich besitze nicht sowas wie eine Leggings."

Er zeigte auf mich.

„Du hättest dir ja eine kaufen können oder eine von diesen engen langen Sportunterhosen anziehen können, die du immer unter deine Eishockeyhose trägst."

„Da sehe ich doch dann aus wie der letzte Hampel."

Entspannt fuhr ich auf die Eisfläche und machte eine halbe Drehung zu Nick, der auch gerade das Eis betrat. Wir hatten eine Stunde Zeit bevor hier die Eiskunstläufer trainieren wollten. Das war eine der wenigen Lücken in dem eng besetzten Belegungsplan der Eishalle.

Nick konnte uns hier eintragen, weil er zum Team gehörte, so wie ich. Doch meinen Namen sollte man heute hier besser nicht finden.

„Es gibt drei Dinge, die du über mich wissen solltest, bevor wir anfangen und du dich auf mein Training einlässt..."

Nick hörte aufmerksam zu.

„Erstens habe ich neben dem Eishockey früher auch noch Eiskunstlauf gemacht. Ich habe es gehasst!"

Ich drehte mich einmal so elegant wie möglich um mich selber und fuhr Nick entgegen.

Er schmunzelte und beobachtete mich genau.

„Zweitens ist mir, nachdem ich dem Eiskunstlauf den Rücken zugekehrt habe, etwas Besonderes aufgefallen. Weißt du was?"

Nick schüttelte seinen Kopf.

„Dass mir die ganze Quälerei vom Eiskunstlauf auch einen entscheiden Vorteil gebracht hat gegenüber allen andern Hockeyspielern, bezüglich der Aerodynamik."

„Hää??"

Ich fuhr um Nick herum und nahm an Geschwindigkeit auf um mich in eine schnelle Pirouette einzudrehen, kurz darauf blieb ich abrupt stehen und funkelte Nick an, dem der Mund leicht offen stand.

„Und drittens, ich habe wirklich einen Bruder, er ist älter als ich und spielt an einer Universität in Portland Eishockey. Mein Ziel ist es mir zu beweisen, dass ich ihn schlagen kann und besser bin als er."

Ich nahm Anlauf und bremste knapp vor Nick ab.

„Und deswegen, mein lieber Freund, wirst du jetzt die Basics des Eiskunstlaufens lernen, damit du besser wirst als jeder rechter Flügelspieler in der College-League, damit wir gemeinsam die Mannschaft meines Bruders schlagen können."

Ich hielt ihm meine Hand hin und er zögerte einen Moment, das Lächeln auf seinen Lippen war verschwunden und er schlug ein.

„Verarsch mich nur nicht!"

„Das werde ich nicht und um dir das zu beweisen, stoppen wir heute deine Zeit im Rundlauf vor dem Training und nach dem ersten Training von mir!"

Nick gab alles, als ich seine Rundenzeit stoppte. Anschließend ging es an das typische Training eines Eiskunstläufers. Nick kam ganz schön ins Schwitzen und hatte er mich am Anfang noch belächelt, so war das Grinsen jetzt von seiner Miene verschwunden.

„Ellenbogen weiter runter, Schultern zurück und Knie zusammen."

Korrigierte ich immer wieder seine Haltung.

„Ich brauche ein Pause Kandy."

Japste er auf.

Ohne auf mein „Okay" zu warten skatete er zu der Bande und angelte nach seiner Sporttasche um einen Schluck Wasser zu trinken.

Lächelnd beobachtete ich ihn und gab ihm seine fünf Minuten, die er augenscheinlich brauchte.

Ich nutzte die Zeit und versuchte mich an dem missglückten Axel, den ich vor ein paar Wochen vor Bell versucht hatte auszuführen.

Eigentlich sollte ich das lassen, aber aus irgendeinem Grund, wollte ich das unbedingt nochmal ausprobieren.

Ich nahm Anlauf, drehte eine halbe Runde und sprang ab. Mit Mühe und Not fing ich mich ab und landete wackelig auf meinem anderen Schlittschuh.

Das war mehr als ungenügend, aber ich hatte es geschafft.

Ich wollte nicht wissen, wie das ausgesehen haben musste.

Ein Klatschten hallte zu mir auf die andere Seite und ich dachte, es sei Nick, der mich beobachtet hatte, aber es standen dort zwei Personen.

Langsam fuhr ich auf beide zu.

„Das war nicht schlecht. Wie heißen Sie?"

„Kandy Hutson."

Antwortete ich unsicher und sah die Frau im Alter meiner Mutter an.

„Krass Kandy. Ich wusste gar nicht, dass du auch sowas drauf hast."

Meinte Nick und zwinkerte mir zu.

„Hätten sie Interesse, hier mit den Eiskunstläuferinnen zu trainieren?"

„Nein!"

Meine Antwort kam sicher und direkt. So direkt, dass sie Trainerin ihre Augenbrauen hochzog.

„Ich meine, ich bin nur hier, um Nickolas zu trainieren und habe kein Interesse an Eiskunstlauf."

„Das ist wirklich schade. Wir sind nämlich nicht so viele, aber ich respektiere das natürlich. Wenn sie es sich anders überlegen können sie mich jederzeit kontaktieren."

Sie ließ uns zurück und Nick unterdrückte einen Lacher.

„Lass das du Esel."

Ich stieß ihn gegen die Schulter.

„Hey Nick!"

„Raven."

Eine schwarzhaarige Frau mit eisblauen Augen und einer spindeldürren Figur trat an uns heran. In ihren Augen lag an böses Funkeln, als sie mich musterte. Ein kalter Schauer lief mit den Rücken herunter. Das waren genau die Art Frauen, vor denen ich mich innerlich fürchtete.

„Wann sehen wir uns nochmal wieder. Das letzte Mal ist viel zu lange her."

Gurrte sie hoch und strich ihm mit der Hand über die Schulter.

War ich nicht anwesend?

Ich zog geräuschvoll die kalte Eishallenluft ein.

„Sollen wir eben deine Zeit stoppen Nick? Danach wären wir auch fertig."

„Ja, das machen wir."

Nick fuhr langsam auf das Eis zum Ausgangspunkt.

„Das war grauenhaft gewesen, was du da geboten hast. Nick steht eher auf Frauen, die das beherrschen, was sie ausüben und immer breit sind für ihn."

Ich ignorierte Raven und gab Nick Anweisungen, wo er zu stehen hatte. Ich pfiff so laut ich konnte mit meinen Daumen und Zeigefinger und gab so Nick das Startsignal. Gleichzeitig stoppte ich seine Zeit und brüllte meine Hilfestellungen quer über das Eis.

Raven hielt sich empört das mir zugewandte Ohr zu.

Ich musste das aufsteigende Lächeln unterdrücken, als ich merkte, wie sehr ihr das missfallen hatte.

Nick schoss an mir und dem dahinterstehenden Ziel vorbei. Die Zeit stoppte ich auf meiner Uhr und warf sofort einen Blick darauf. Er war fast eine viertel Sekunde schneller gewesen, als in der ersten Runde.

Lässig kam er auf uns zugefahren und ich zeigte ihm einen meiner Daumen.

„Das war sehr gut für den Anfang."

Ich zeigte ihm seine Zeit und er schien sich auch zu freuen. Auch wenn das nicht nach viel aussah, war es das eindeutig.

„Nick?" Raven forderte seine Aufmerksamkeit.

Von dieser Stimme bekam ich noch Kopfschmerzen.

„Wir sehen uns."

Ließ ich Nick wissen, packte meine Schlittschuhe unter den Arm, die ich blitzschnell ausgezogen hatte und verschwand durch den Flur zum Ausgang.

Aus meiner Hosentasche fischte ich meine Kopfhörer und schaltete die Musik laut an.

Genau das brauchte ich jetzt, um mich zu entspannen.

Als mich jemand an der Schulter berührte, zuckte ich heftig zusammen.

Nick stand grinsend vor mir und musterte mich.

„Ich dachte, wir gehen noch was essen. Aber du wartest ja noch nicht mal, bis ich geduscht habe."

„Sorry, ich dachte, du wolltest jetzt lieber etwas mit Raven machen."

Ich legte Betonung in meine Worte, damit er verstand, was ich meinte.

„Nein lieber nicht. Ich würde gerne mit dir essen gehen und dir dabei helfen dich, als Mann zu verbessern, es sei denn du hast keine Lust."

„Doch gerne."

Ich freute mich, dass Nick lieber etwas mit mir machen wollte, als mit ihr ins Bett zu hüpfen. Wobei Raven ja Training hatte, aber für einen Quickie schien sie immer Zeit zu haben.

„Ich warte."

Nick beeilte sich und kam zehn Minuten später aus der Herrenumkleide.

„Was das angeht, musst du mir helfen eine bessere Lösung zu finden, als dass ich mich immer verdrücke."

„Ich habe schon eine Idee. Lass uns was essen, ich verhungere und dann erkläre ich dir meinen Plan."

Er grinste.

„Klingt gut."

Ich schlenderte neben Nick her, der wie selbstverständlich seinen Arm auf meiner Schulter ablegte. Das war wohl einfach sein Ding.

„Bist du schon mal Motorrad gefahren?"

„Nein."

„Würdest du gerne?"

„Warum nicht? Das klingt nach Spaß."

Ich lächelte als Nick mir die Tür aufhielt.

„Wie ein Gentleman!"

Nick zwinkerte und ich beobachtete ihn dabei, wie er an seinem Zweirad alles vorbereitete. Er war echt super. Ich fühlte mich wohl neben ihm und war überzeugt, dass wir zwei wirklich gute Freunde werden konnten...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top