17| Partytime

"Mhh ich weiß nicht Hillary, das sieht nicht aus wie ich."

Hillary hatte mich in ein schwarzes Minikleid gesteckt und meine Augen dunkel geschminkt.

Ich sah so fremd aus. Ich wusste noch nicht mal, woher dieses Kleid herkam.

Sicher hatte Bell etwas damit zu tun.

Ich seufzte leise auf.

War es zu viel verlangt ein wenig von mir zu behalten? Ich hatte das Gefühl nur noch Rollen spielen zu müssen.

Entweder war ich Kendall oder Kandy die Schwester von Kendall und keine Eishockeyspielerin.

"Quatsch! Du siehst super aus. Jetzt lass uns losfahren, wir sind spät dran, ich will noch ein bisschen von der Party mitbekommen."

"Ich werde heute nichts trinken, wegen des Spieles."

"Ja klar. Ich verstehe."

"Wir werden auch Ella und Venus auf der Party sehen, sie sind auch eingeladen worden."

"Mhhh cool."

Versuchte ich freudig zu klingen und Hillary fiel der gespielte fröhliche Ton nicht auf.

Der Weg zur Verbindung war kurz und zum Glück kamen die meisten zu Fuß. Wir wohnten am weitesten weg und mit den Absatzschuhen, die ich zuletzt auf der Beerdigung meiner Oma getragen hatte, war ich froh um jeden Schritt, den ich nicht gehen musste.

Lary hackte sich bei mir unter und zusammen schritten wir in die Höhle der Löwen.

Laute Musik drang durch die offene Tür in den Vorgarten.

Die halbe Party spielte sich hier draußen ab und von mir aus hätten wir auch hier bleiben können, aber Hillary wollte unbedingt ins Haus.

Die Studenten lachten, tranken, tanzten und hatten einfach Spaß. Ich fühlte mich jedoch komplett fehl am Platz.

Als wir endlich im Hauptzimmer des Wohnheims angekommen waren, konnte ich durch den Rauch und die Menschenmengen kaum noch was sehen.

Hillary war klein und ehe ich mich versah, war sie mit den Worten "Da sind Ella und Venus"

verschwunden.

Da ich ihre Freundinnen nicht kannte, war es schwer auszumachen, wenn sie meinte.

"Suchst du jemanden?"

Luke stand auf einmal neben mir und funkelte mich amüsiert an.

"Meine Freundin Hillary, ungefähr so groß."

Ich deutete die Größe eines Zwerges mit meiner Hand an, was total übertrieben war und er lachte auf.

"Habe ich leider auch nicht gesehen."

Brüllte er über die Musik hinweg.

"Schade."

"Willst du etwas trinken?"

Ich nickte und er hielt mir seine Hand hin.

"Damit wir uns nicht auch verlieren."

Ich lächelte ihn dankbar an und nahm seine große Footballer-Hand. Sie war warm und rau. Etwas aufgeregt folgte ich ihm in die Küche des Hauses, wo es deutlich ruhiger war.

"Was willst du trinken?"

"Gerne eine Cola."

Luke stellte zwei Plastikbecher bereit und goss uns großzügig von der schwarzen Substanz in die Becher. Ich beobachtete ihn dabei und bedankte mich als er mir den Becher überreichte.

Ich nahm einen großen Schluck und hoffte, dass er meine Nerven beruhigen konnte, aber es war kein Alkohol.

"Du trinkst auch keinen Alkohol?"

"Nein, ist nicht so gut für meine Bestform."

"Und du läufst Schlittschuh?"

"Ab und zu."

Das war die Untertreibung des Jahrhunderts, aber ich setzte ein Lächeln, auf das dies unterstreichen sollte.

"Das sieht aber nicht aus wie ab und zu."

Er zeigte an mir auf und ab und kam vorsichtig etwas näher. Ich lehnte bereits an der Küchenarbeitsplatte und kam deswegen auch nicht weg.

Ich beobachtete ihn ganz genau, als er vor mir stehen blieb. Er begann ein Gespräch, das ein bisschen darauf abzielte, mehr über mich zu erfahren und ich versuchte ihm immer wieder den Ball zuzuspielen, indem er auch was von sich erzählen musste.

Alles lief soweit normal und ich entspannte mich etwas. Er war wirklich nett.

Doch irgendwann sagte er etwas was mich voll erwischte.

"Du bist sehr hübsch."

Das war gerade heraus und ich spielte nervös mit meinem Ring am Zeigefinger.

Es war der Ehering meiner Oma, den sie mir vererbt hatte.

Luke hob seine Hand und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr.

Er war attraktiv, soweit ich das beurteilen konnte, ehrlich und kein Angeber. Etwas mit ihm anzufangen, konnte ich mir gut vorstellen, jedoch nichts Festes.

"Nettes Piercing."

Er fixierte meinen Helix, den ich mir mit sechzehn hatte stechen lassen. Nicht der einzige, aber der auffälligste.

"Danke."

Antwortete ich hibbelig.

Er brachte sein Gesicht näher an meins und legte die Hand an meine Taille. Wollte er mich küssen?

Seine Augen hefteten sich auf meine Lippen und mein Herzschlag wurde unruhig und schlug kräftig gegen meine Rippen.

Wollte ich das er mich hier küsste?

War die weit wichtigere Frage.

"Hey Luke. Was geht?"

Die Stimme gehörte zu Vance und ich zog meinen Kopf ein, sodass er mein Gesicht nicht sehen konnte. Als er näher kam, presste ich meinen Oberkörper mehr gegen Luke und versteckte meine Miene in meinen Händen.

"Eigentlich war ich gerade beschäftigt..."

Begann Luke, aber in dem Moment drängte sich ein Schwall betrunkener Studentinnen in die Küche und stellte sich zwischen Maverick und Luke.

Sie kicherten und gaben ihr Möglichstes mit dem einen oder anderen zu flirten.

Ich rückte von Luke ab und versuchte mich über die ganzen Frauen langsam nach draußen zu mogeln.

Doch kurz bevor ich den Ausgang erreichte wurde ich ertappt.

"Na wen haben wir denn da?"

Hörte ich Maverick und sah über meine Schulter zu ihm und Luke. Für einen Moment wurde es still, zu still. Es sahen mich zu viele Personen an.

Ich wartete nicht lange, bevor ich mich verdrückte und versuchte unter der tanzenden Menschenmenge zu verschwinden. Feste prallte ich mit jemanden zusammen, den ich kannte.

Nick sah zu mir herunter und ich war so froh, ein bekanntes und nettes Gesicht zu sehen.

Ich lächelte ihn an und wollte gerade etwas sagen, bis mir einfiel, dass er mich als Kandy gar nicht kannte.

"Entschuldigung."

Murmelte ich und wollte schon gehen.

"Kennen wir uns?"

Fragte er irritiert. Seine Tanzpartnerin fand die Unterbrechung wohl nicht so toll und ließ uns genervt stehen.

"Nein. Tut mir leid, wegen der Störung. Ich wollte nicht, das sie dich sitzen lässt."

Brüllte ich über die laute Musik hinweg.

"Kein Problem. Ich kannte sie nicht wirklich.

Ich bin Nickolas oder besser gesagt Nick Anderson."

Er hielt mir seine Hand hin und ich nahm sie gerne an, auch wenn es seltsam war sich nochmal als andere Person vorzustellen.

"Freut mich, Nick. Ich bin Kandy. Kandy Hutson."

Seine Augen weiteten sich und er grinste amüsiert.

"Jetzt wird mir einiges klar. Du siehst deinem Bruder sehr ähnlich."

Er lachte und mit einem etwas gezwungen Lächeln stieg ich mit ein. Wenn er nur wüsste, wie ähnlich wir uns waren.

"Ihr kennt euch?"

Tat ich ahnungslos.

"Ja Eishockey. Ich bin auch im Team und spiele auf der linken Flügelseite im Sturm neben deinem Bruder."

"Cool."

Aus dem Augenwinkel sah ich plötzlich Vance auftauchen. Er suchte nach mir. Ich drehte mich geschickt hinter Nick. Von dort sah ich Luke, wie auch er nach mir Ausschau hielt.

Verdammt, ich wollte gerade mit keinem von beiden reden!

Deswegen duckte ich mich vor Nicks Brust, der wahrnahm, dass etwas nicht stimmt.

Sein Blick fiel auf Maverick.

"Du willst nicht, dass er dich findet."

Das war eine Feststellung, keine Frage.

Ich schüttelte den Kopf und hatte mich selten so unwohl gefühlt wie jetzt.

"Eigentlich ist er kein schlechter Kerl und ein guter Freund, wenn man ihn besser kennenlernt."

"Da sagt mein Bruder aber etwas anders."

Nick lachte.

"Das stimmt, die beiden sind sich wirklich nicht grün, aber das kommt noch. Außerdem glaube ich mittlerweile, dass es an einer bestimmten Person liegt."

Er sah mich wissend an.

"Etwa meinetwegen?"

Er nickte.

"Was kann ich dafür, dass Vance keinen Korb verträgt?"

"Hast du ihn denn mal angehört?"

Ich schüttelte den Kopf und duckte mich erneut, als er in unsere Richtung sah.

"Hat er mich gesehen?"

"Nein."

Vorsichtig sah ich wieder auf, in Nicks funkelnden Blick.

"Wieso sollte ich ihn anhören, wenn er nichts außer blöder Anmachsprüche zu sagen hat?"

"Ich denke er wird dich danach eher in Ruhe lassen, wenn du dich normal mit ihm unterhältst."

Ich überlegte und schwenkte meinen Kopf hin und her.

"Ich weiß nicht."

Als Vance wieder in unsere Richtung sah, drängte ich mich an Nick und legte meine Arme um seinen Nacken.

"Tanz bitte mit mir bis er weg ist."

Nick legte seine Hände an meinen Rücken und zog mich noch etwas näher. Aufgeregt sah ich durch eine Lücke zwischen unseren Armen hindurch und bekam mit, als er die Tanzfläche endlich verließ. Auch Luke war nicht mehr zu sehen.

Erleichtert atmete ich aus.

Jetzt musste ich nur noch Hillary finden. Es war von Anfang an eine blöde Idee gewesen, hier herzukommen.

"Wie ich sehe haben es sogar zwei auf dich abgesehen."

Er nickte zu Luke, der auf der anderen Seite des Raumes stand und sich mit jemanden unterhielt, den ich nicht kannte.

Zerknirscht sah ich zu Nick auf, der das alles ziemlich lustig fand.

"Ja ich weiß auch nicht, was das ist. Auf meiner alten Schule war das nie so gewesen."

Gab ich zu und wurde verlegen.

"Ich sollte gehen. Danke für den Tanz."

Ich knuffte ihn in den Arm und er grinste freundlich.

"Immer gerne."

Mit einem Zwinkern und einer Handbewegung verabschiedete ich mich.

Es dauerte eine ganze Zeit bis ich endlich Hillary fand. Jedoch war ihr Zustand alles andere als gut.

Sie wankte bedrohlich und ein Mädchen versuchte sie aufrecht zu halten.

"Hey Lary."

Sie reagierte auf meinen Ruf und wollte auf mich zu gehen. Nur ging das beinah in die Hose und sie fiel fast um.

"Hillary, was hast du gemacht?"

Ich kannte betrunkene Menschen nicht wirklich, noch bin ich damit konfrontiert worden, da ich alle Partys in meiner Highschool Zeit gemieden hatte. Mein Vater hatte sich nur einmal abgeschossen und das war nach der Trennung mit meiner Mutter.

Ich schüttelte mich bei dem Gedanken.

Es machte mir Angst, wie sich Menschen verändern konnten, wenn sie unter dem enormen Einfluss von zu viel Alkohol standen.

"Sie hat Mike gesehen, ihren Ex."

Beantwortete mir die hübsche Blondine mit den klaren blauen Augen.

„Er ist nicht mein Ex. Wir waren nie richtig zusammen."

Lallte Hillary und stützte sich weiter an ihrer Freundin ab, der ich nun half ihr Gewicht zu tragen.

"Ich bin Ella Thomson, Hillary's Freundin."

"Hi, ich bin Kandy Hutson."

"Was machen wir denn jetzt?"

"Ich habe ein Auto, wir fahren am besten nach Hause."

Ella stimmte mir zu, aber Hillary schien das anders zu sehen.

"Ich bin jung, lasst mich meine Jugend feiern."

"Sicher nicht."

Sprachen Ella und ich wie aus einem Mund.

Sie wirkte nett und zusammen versuchten wir unsere Freundin zu stützen.

Jedoch war das nicht so leicht.

"Ich nehme sie auf den Rücken. Hilf mir bitte."

Ella half, wo sie konnte und legte ihre Arme um meinen Hals, die sich wie wabbelige Spagetti anfühlten.

Wir schafften es aus dem Haus und über die Treppe in den Vorgarten. Da wurde Lary auf einmal unruhig.

"Mir ist schlecht."

Ich konnte nicht mehr reagieren und Hillary übergab sich quer über meiner Schulter und meinen Arm.

Das warme Erbrochene lief an der Seite meines Kleides herunter und ich hatte Mühe nicht zu würgen.

Vorsichtig setze ich sie ab und Ella stütze sie.

"Es tut mir so leid Kandy."

"Schon gut, alles gut."

Vollgekotzt konnte ich mich nicht ins Auto setzen und ich überlegte, was ich machen konnte.

"Venus ruft mich an, sie will sicher wissen, wo wir sind."

Die zweite Freundin von Ella und Lary kam zu uns und stellte sich vor. Wir überlegten, wie es weiter gehen sollte. Aber keiner hatte Ersatzkleidung dabei.

"Ich ziehe mich einfach aus und fahre direkt mit ihr zum Wohnheim. Das wird schon gehen."

"Ich bin auch mit dem Auto hier und kann sie nach Hause bringen. Dann kannst du vielleicht noch jemanden finden, der dir Kleidung borgt und nachkommen."

Doch mir sagte das alles nicht zu. Wen sollte ich fragen? Und eigentlich wollte ich sicher gehen, das mit Hillary alles gut ging. Ich kannte ihre Freundinnen gar nicht. Auch wenn ihr erster Eindruck freundlich und zuverlässig war.

Ich wollte gerade ihren Vorschlag ablehnen, als ich laut gerufen wurde. Aber nicht von einer Stimme, sondern gleich von zweien...

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