Kapitel 6
Jeongguks Sicht:
Die Silvesternacht ist zwei Monate her und ich bin darüber hinweg gekommen, dass ich zum ersten Mal einen Korb bekommen habe. Okay, vielleicht auch nicht. Denn nach einer Beziehung suche ich nicht mehr, weil ich nach Taehyung nur noch auf komische Leute mit ekelhaften Fetischen getroffen habe und wortwörtlich traumatisiert bin. Der eine Typ wollte, dass ich in ein volles Essiggurkenglas ejakuliere, damit er es trinken und essen konnte. Allein der Gedanke lässt mich erschaudern.
Da ich das Daten pausiert habe, musste ich meiner lieben Tante versprechen, dass ich in ihrem Café aushelfe. Sie ist ebenfalls verzweifelt, weil ich mit 26 Jahren immer noch Single bin und sie behauptet, dass ich irgendwann allein sterbe. Meine Tante ist übrigens 30 Jahre alt. Also nur 4 Jahre älter als ich und wir sind eher wie Geschwister als wie Neffe und Tante. Im Gegensatz zu mir ist sie seit 8 Jahren mit ihrem Mann verheiratet, den sie seit der Grundschule kennt. Eine richtige Liebesgeschichte. Einfach nur zum Kotzen.
Im Moment sitze ich neben ihr auf dem Beifahrersitz, da sie mich von Zuhause abgeholt hat. Sie weiß nämlich ganz genau, dass ich nicht aus dem Bett komme, wenn ich Urlaub habe.
"Jeongguk, wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken? Ich fühle mich so, als würde ich gegen eine Wand reden", fragt mich mein Tantchen genervt und streicht sich die blondgefärbte Mähne nach hinten.
"Was erwartest du bitte, wenn du mich um acht Uhr morgens aus dem Bett wirfst, Jeong-Eun? Ich bin müde und habe eigentlich Urlaub! Aber jetzt muss ich in diesem winzigen Fiat 500 sitzen, der meine Beine einquetscht!", meckere ich sie direkt an und ernte einen Todesblick, da ich sie mit vollem Namen anspreche und ihr geliebtes Auto kritisiere.
"Erstens, lass gefälligst mein süßes Auto in Ruhe. Zweitens, für dich heißt es Noona. Drittens, wenn es nach dir gehen würde, dann würdest du die zwei Wochen nur im Bett herumliegen und schlafen. So erlebst du wenigstens etwas und kommst unter Leute", zischt sie mich an und bemängelt schon wieder mein Lieblingshobby.
"Noona, du verstehst diese Liebe nicht, die ich für mein Bett empfinde. Es ist der einzige Gegenstand, der mir niemals etwas Böses möchte!", versuche ich ihr zu erklären, aber sie möchte einfach nicht hören.
"Du bist der dümmste Kerl, der mir unter die Augen getreten ist", beschimpft sie mich ohne schlechtes Gewissen.
"Die Dummheit habe ich von dir", gebe ich bloß zurück.
"Was auch immer, Jeonggukie. Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema. Ich habe einen neuen Angestellten und er sieht so verdammt gut aus. Wegen ihm stehen die ganzen Schulmädchen draußen sogar Schlange! Wenn du dann auch noch aushilfst, kann ich mir einen neuen Backofen kaufen!", wechselt sie aufgeregt das Thema und strahlt über das ganze Gesicht, als sie an ihren Traumbackofen denkt.
"Ich habe in den letzten Monaten keine guten Erfahrungen mit gutaussehenden Menschen gemacht. Die sind schön anzusehen, aber innerlich sind sie wie Gift", seufze ich verzweifelt und massiere mir die Schläfen.
"Du siehst doch auch gut aus und bist kein Arsch-
... Vergiss es. Aber er ist ein ganz netter Kerl und echt lieb", versichert Eun mir, wodurch ich bloß die Augen verdrehe.
"Siehst du? Ich bin das lebende Beispiel eines gutaussehenden Arschlochs und das glaube ich erst, wenn ich ihn selbst kennengelernt habe. Du bist nämlich seine Chefin. Er muss nett und lieb zu dir sein, damit er von deinem Mann nicht gekündigt wird", erwidere ich und habe eigentlich gar keine Lust, in ihrem Café auszuhelfen.
"Seojun versteht sich richtig gut mit ihm und das tut fast keiner. Du wirst dich auch gut mit ihm verstehen. Da bin ich mir sicher", versucht sie mich zu motivieren, aber das bringt überhaupt nichts.
"Da fühle ich mich ja tausend mal besser, wenn du mir sagst, dass ich mich ebenfalls gut mit ihm verstehen werde. Wen interessiert es, ob ich mich in diesen zwei Wochen gut mit ihm verstehe? Danach sehe ich den Kerl nie wieder und wag es dich, mich irgendwie verkuppeln zu wollen", gebe ich sarkastisch von mir und schaue sie dann warnend von der Seite an.
Eun bläst beleidigt die Wangen auf und wirft mir erneut einen Killerblick zu, was mich jedoch ziemlich kalt lässt. Danach fährt sie auch schon auf den Parkplatz hinter dem Café und parkt das Auto mit einem Zug.
"Du bist so eine Zicke, Jeongguk. Übrigens möchte ich dich gar nicht mit ihm verkuppeln, weil er schon in einer Beziehung ist. Also lass deine Finger bei dir!", keift sie mich wie ein Chihuahua an und schnallt sich ab.
"Sehe ich etwa so aus, als würde ich mich erneut auf einen vergebenen Mann einlassen? Ich möchte nicht nochmal hören, dass ich es nicht wert war", rufe ich ihr hinter her, weil sie schnell aussteigt, damit sie mein Geschwafel nicht mehr ertragen muss.
Ich schnalle mich ebenfalls ab und steige aus dem Auto, während Eun mich genervt dabei beobachtet und mich finster anschaut, als ich die Autotür ihres süßen, weißen Fiat 500 etwas zu fest zuschlage.
"Komm endlich darüber hinweg, Jeongguk", muss sie natürlich das letzte Wort haben, nachdem ich mich neben sie stelle.
"Nein, seitdem geht mein Liebesleben den Bach runter", gebe ich überzeugt von mir.
"Du bist so eine Nervensäge!", ruft mein kleines, dünnes Tantchen frustriert und genervt, bevor sie zum Hintereingang von ihrem Café stampft.
"Jemand muss dir doch auf die Nerven gehen, wenn Seojun nicht anwesend ist", zucke ich mit den Schultern und folge ihr im gemütlichen Schritt.
Daraufhin sagt sie nichts mehr, was bedeutet, dass ich gewonnen habe. Eun möchte immer das letzte Wort haben, aber bei mir hat sie gar keine Chance. Ich gebe ihr auf alles noch eine dumme Antwort, weil ich es liebe, sie zur Weißglut zu bringen. Sie schließt die Tür auf und wir betreten direkt die Küche. Dort steht auch schon ihr Ehemann, der sie förmlich anstrahlt, als er sie erblickt. Der 1,93 Meter große Mann hüpft auf seine 1,62 Meter kleine Frau zu und nimmt sie fest in den Arm, was sie zum Lachen und mich beinahe zum Erbrechen bringt.
"Ich habe dich so vermisst, mein Schatz", schmollt er und reibt seinen schwarzen Haarschopf gegen ihren blonden.
"Ihr habt euch vor einer Stunde noch gesehen", merke ich im trockenen Tonfall an.
"Sei leise, Guk. Du verstehst das nicht", mault er mich an und knuddelt seine Frau weiter durch.
"Alles klar. Ich gehe mir dann mal eine Schürze holen", meine ich und laufe an ihnen vorbei, um die Küche zu verlassen.
Warum habe ich ihr nochmal zugesagt, dass ich ihr helfen werde? Das Café hat noch nicht geöffnet, darum befinden sich keine Gäste im Laden. Die Küche befindet sich direkt hinter der Kuchentheke, sodass ich mir direkt eine frische Schürze aus dem Schrank holen kann. Ich falte die schwarze Schürze auf und lege sie mir um. Alles in diesem Café ist in Schwarz und Weiß gehalten. Die Kuchentheke ist strahlend weiß und hat eine weiße Marmorplatte, während die Tische und Stühle schwarz sind, aber sie sind mit einer kleiner weißen Tischdecke und einer süßen Pflanze gedeckt. An den Wänden hängen auch Gemälde von ihren Kunden, die ihnen geschenkt wurden.
"Oh! Hallo, bist du neu hier?", höre ich plötzlich eine bekannte tiefe Stimme hinter mir fragen, die mich aus meinen Gedanken reißt.
Langsam drehe ich mich um und erstarre schlagartig, als ich diesen Taehyung vor mir stehen sehe. Das kann doch nicht wahr sein! Werde ich etwa vom Pech verfolgt? Ihm fällt ebenfalls alles aus dem Gesicht, nachdem er mich erkennt. Anscheinend sind wir beide nicht sehr erfreut, den jeweils anderen zu sehen. Meine Augen wandern zu der schwarzen Schürze, die er über seinem hellblauen Pullover trägt. Er ist der neue Angestellte von Eun? Das Schicksal hasst mich doch wirklich!
"Was machst du hier?!", fragt er mich beinahe hysterisch.
"Meiner Tante aushelfen? Die Frage ist eher, was DU hier machst! Konntest du kein anderes Café suchen, in dem du arbeiten möchtest?", antworte ich ihm gereizt.
"Woher hätte ich wissen sollen, dass dieses Café deiner Tante gehört? Wie kann Jeong-Eun überhaupt deine Tante sein? Sie ist so jung!", flüstert er entsetzt zurück und versucht leise zu bleiben.
"Das geht dich einen feuchten Dreck an! Ich werde auch nicht zulassen, dass meine Tante so einen widerlichen Kerl wie dich mit offenen Armen empfängt. Du wirst direkt gekündigt, mein Freund", zische ich ihn an und möchte zu Eun rennen, um ihn zu verpetzen, aber er packt mich am Handgelenk und hält mich davon ab.
"Nein, bitte. Das kannst du nicht machen! Ich habe meinen Job vor einem Monat verloren und wenn ich gekündigt werde, dann kann ich meine Rechnungen nicht zahlen", fleht er mich an und bekommt schon wässrige Augen, jedoch lässt mich das kalt.
"Das nennt sich Karma", gebe ich unbeeindruckt von mir und bin immer noch der Überzeugung Eun zu erzählen, dass er ein Arschloch ist.
"Jeongguk, bitte. Es tut mir auch wirklich leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich war in Panik und total überfordert mit der Situation. Ich wollte es nicht wahrhaben und meine erste Reaktion war meine Wut auf mich selbst, an dir rauszulassen. Es war einfach ein schrecklicher Fehler und ich bereue es zutiefst. Können wir nicht einfach von neu anfangen?", fängt er beinahe an zu weinen, was mich dann doch etwas schwach macht.
Taehyung hat Glück, dass ich ihn immer noch extrem hübsch finde und sein Gesicht weiterhin betrachten möchte. Er sieht auch ziemlich süß aus, wenn er kurz vorm Heulen ist. Wenn er hier arbeitet, kann ich ihn aus der Ferne anstarren und wenn ich die Chance bekomme, auch in Verlegenheit bringen. Diese zwei Wochen werden mir sehr viel Spaß machen, weil ich ihn keine Sekunde in Ruhe lassen werde. Wenn es sein muss, nerve ich ihn sogar auf der Toilette.
"Na, schön. Ich werde Eun nicht erzählen, dass du das Neujahrsarschloch bist, aber nur unter einer Bedingung", gebe ich nach und muss dabei mein Grinsen verbergen.
"Unter welcher Bedingung?", murmelt er und wird rot um die Nase, als ich ihm ein gutes Stück näher komme und ihn dann doch angrinse.
"Du musst mit mir dein Trinkgeld teilen", flüstere ich ihm zu und gackere laut los, als er mich entgeistert anschaut und an der Brust von sich wegschubst.
"Wieso kommst du mir so nahe, wenn du nur das willst?", schüttelt er den Kopf und kriegt ganz rote Wangen.
"Eun darf doch nicht hören, dass ich dir das Trinkgeld abziehe. Wieso bist du eigentlich so rot, dachtest du etwa, dass ich einen Kuss von dir möchte?", lache ich vergnügt und hebe eine Augenbraue an, während ich das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht bekomme.
"Nein?!", gibt er etwas zu schnell von sich und läuft nun komplett rot an.
"Sicher? Dein Gesicht sagt etwas anderes. Aber mach dir keine Sorgen, mein Lieber. Ich mache mich nur an Leute ran, die ehrlich zu sich selbst und zu ihren Mitmenschen sein können und das kannst du offensichtlich nicht", lächle ich ihn lieb an und wende mich dann endgültig von ihm ab.
Ich gehe gut gelaunt zurück in die Küche, in der sich Seojun und Eun immer noch abknutschen. Na, super. Wenigstens kann ich Taehyung die nächsten zwei Wochen nerven, dann muss ich diese Knutschereien nicht ständig ertragen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top