Kapitel 38

Jeongguks Sicht

Ich lehne mich mit verschränkten Armen gegen die Theke und beobachte, wie Taehyung langsam seine heiße Schokolade trinkt. Er hat beide Hände um die Tasse gelegt, als wäre sie der wärmste Ort der Welt. Sein Blick wandert manchmal nach draußen, zu den großen Fenstern, die den ersten Morgensonnenschein einfangen. Doch meistens bleibt er auf der Tasse vor ihm hängen, als ob er damit einen stillen Dialog führt.

Er sieht so ruhig aus, fast zerbrechlich in diesem Moment, und trotzdem… stark. Es ist schwer, das zu erklären. Taehyung hat diese Art von Präsenz, die dich gleichzeitig anzieht und auf Distanz hält. Als würde er dich reinlassen, nur um dir zu zeigen, wie viel du noch nicht verstehst.

"Ist die Schokolade wirklich so gut, oder tust du nur so, damit ich mich gut fühle?“, durchbricht meine Stimme die Stille, und er hebt den Blick, leicht überrascht, als hätte ich ihn aus einem tiefen Gedanken gerissen.

"Sie ist gut. Besser, als ich erwartet habe. Vielleicht bist du ja wirklich ein Künstler“, sagt er schließlich und lehnt sich zurück.

"Vielleicht? Das klingt fast wie ein Kompliment“, grinse ich, und er schüttelt leicht den Kopf, aber ich sehe, wie sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen abzeichnet.

"Du willst immer Bestätigung, oder?“, fragt er mich.

"Nenn es eine Berufskrankheit. Ich mag es, Leute zum Lächeln zu bringen“, antworte ich und zucke mit den Schultern.

"Das merkt man“, erwidert er leise, aber da ist etwas in seinem Ton, das mich innehalten lässt.

Etwas, das mich fragen lässt, ob er wirklich nur über die heiße Schokolade spricht.

Ein Moment der Stille schleicht sich ein, und ich merke, wie mein Herz ein wenig schneller schlägt. Es ist nicht unangenehm, eher das Gegenteil. Es fühlt sich an, als ob etwas zwischen uns hängt, und ich bin hin- und hergerissen, ob ich es herausfordern oder einfach im Raum stehen lassen soll.

"Was?“, sagt er plötzlich und sieht mich an, seine Stirn leicht gerunzelt, und ich realisiere, dass ich ihn wahrscheinlich ein bisschen zu lange angestarrt habe.

"Nichts. Irgendetwas ist anders an dir“, schüttle ich den Kopf und lache leise.

"Anders? Wie anders?“, gibt er skeptisch von sich und legt die Tasse ab.

"Ich weiß nicht. Du wirkst... Glücklicher?“, rätsle ich und mustere ihn kurz, dann füge ich hinzu: "Oder vielleicht einfach weniger genervt von mir.“

"Glaub mir, ich bin immer noch genervt von dir", lacht er leise, und es ist ein echtes Lachen, das mir durch die Brust fährt.

"Das bezweifle ich“, entgegne ich und lehne mich ein Stück näher zu ihm und sehe, wie er leicht zurückweicht, aber nicht weit genug, um den Abstand wirklich zu vergrößern. „Ich glaube, du magst mich. Zumindest ein bisschen.“

"Das bildest du dir ein“ meint er, aber ich sehe das leichte Zucken seiner Mundwinkel. Er spielt mit mir, und ich liebe es.

"Wirklich? Dann erkläre mir mal, warum du so grinst, während du das sagst“, deute ich auf ihn, und dieses Mal sieht er wirklich überrascht aus.

"Grinse ich?“ fragt er. Seine Augen weiten sich leicht, als ob er sich selbst nicht ganz sicher ist.

"Ja, tust du. Aber keine Sorge. Dein Geheimnis ist bei mir sicher“, lehne ich mich zurück, zufrieden, dass ich ihn aus dem Konzept gebracht habe.

Er schnaubt leise und nimmt wieder einen Schluck von seiner Schokolade, wahrscheinlich, um die Diskussion zu beenden. Aber ich sehe, wie seine Schultern ein bisschen lockerer geworden sind, wie sein ganzer Körper ein wenig weniger angespannt wirkt.

Ich habe ihn zum Lachen gebracht, ihn dazu gebracht, sich zu entspannen, auch wenn es nur für ein paar Minuten ist. Und ich weiß, dass ich alles tun würde, um mehr solcher Momente zu schaffen. Keiner wird mich davon abhalten. Nicht mal Bogum.

Wir richten das Café weiter her, stellen Stühle und Tische zurecht, überprüfen die Vorräte. Es ist eine eingespielte Routine, aber mit Taehyung fühlt es sich nie wirklich wie Arbeit an. Er murmelt manchmal leise etwas vor sich hin, wenn er denkt, ich höre es nicht. Ein Gedanke, ein Kommentar zu den Bestellungen, Kleinigkeiten, die ich aufsauge, als wären sie von größter Bedeutung.

"Jeongguk?“, reißt mich seine Stimme aus meinen Gedanken, und ich sehe auf. Er steht ein paar Meter entfernt mit einem Tablett in der Hand und sieht mich an.

"Hm?“, kommt es bloß aus mir.

"Kannst du dich mal fünf Sekunden konzentrieren? Ich hab dich jetzt dreimal gerufen", meckert er mich an und komischerweise wünsche ich mir, dass er es öfter macht.

"Sorry. Ich war abgelenkt“, entschuldige ich mich und gehe zu ihm und nehme ihm das Tablett ab.

"Von was?“, möchte er wissen und hebt eine Augenbraue an.

"Von dir“, rutscht es mir heraus, bevor ich es zurückhalten kann, und für einen Moment scheint die Zeit stehen zu bleiben. Sein Blick trifft meinen, und ich sehe, wie seine Wangen leicht rot werden.

"Du bist ein Idiot“, murmelt er und dreht sich schnell weg, aber ich sehe das kleine Lächeln, das sich auf seinen Lippen ausbreitet.

"Aw, sehe ich da ein Lächeln? Schau mich bitte an. Ich möchte es sehen", quietsche ich herum und kneife in seine Wange, was ihn zum Lachen bringt.

Anstatt mich von sich wegzudrücken, schaut er mich breit lächelnd an und nimmt meine Hand im seine, um einen Kuss auf meinen Fingerspitzen zu hinterlassen, bevor er mich loslässt und in die Küche verschwindet. Mein Herz hämmert stark gegen meinen Brustkorb und mir schießt das Blut in den Kopf. Fuck, ich wasche nie wieder meine Hände. Verträumt starre ich auf meine Hand und und muss gegen die Sehnsucht nach seinen wundervollen Lippen kämpfen, von denen ich schon kosten durfte. Frustriert seufze ich und fühle mich auf einmal so gequält. Ich bin Hals über Kopf in ihn verschossen.

Die Tür zum Café öffnet sich mit einem leichten Klingeln, und ich höre, wie ein paar Schritte den Raum füllen. Taehyung kommt mit einem Tablett voller Tassen aus der Küche und stellt sie vor mich auf die Marmortheke.

"Jeongguk? Was macht ihr denn schon so früh hier?“, schallt die Stimme meiner Tante durch den Raum, eine Mischung aus Überraschung und Freude.

Sie bleibt im Eingang stehen, ihre Hände in die Hüften gestemmt, ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht. Taehyung lächelt sie breit an, während ich mich gegen die Theke lehne und sie grinsend ansehe.

"Guten Morgen, Tantchen. Wir sind eben besonders fleißige Mitarbeiter", begrüße ich sie fröhlich.

Sie schnaubt und schüttelt den Kopf, während sie langsam näherkommt.

"Fleißige Mitarbeiter? Du meinst, du wolltest einfach einen Vorwand, um Taehyung früh hierher zu schleppen, oder?“, sagt sie mit skeptischen Unterton und kommt zu uns rüber.

Sie sieht mich mit einem durchdringenden Blick an, der mich gleichzeitig herausfordert und amüsiert. Meine Tante hat diese Art, dich genau dort zu treffen, wo es wehtut – auf die liebenswerte Art.

"Hey, das stimmt überhaupt nicht! Wir waren einfach nur motiviert. Das Café musste vorbereitet werden“, sage ich und hebe die Hände unschuldig.

"Natürlich. Taehyung, hat er dich etwa gezwungen, so früh aufzutauchen?“, lacht sie leise und mustert Taehyung anschließend besorgt.

"Nein, ich bin freiwillig hier. Er hat mich gefragt, und ich dachte, es wäre eine gute Idee“, sagt er mit einem kleinen Lächeln.

"Eine gute Idee, hm?“, ihre Augen funkeln, als sie zwischen uns hin und her schaut. "Na gut, wenn ihr beide schon hier seid, dann hoffe ich, dass alles blitzblank ist, bevor die ersten Gäste kommen.“

"Natürlich, Chefin“, salutiere ich spielerisch, und sie verdreht die Augen, obwohl ich das kleine Lächeln auf ihren Lippen bemerke.

"Und Jeongguk“, sagt sie, während sie sich die Schürze umbindet. "Falls du wieder versuchst, deine Arbeit an Taehyung abzuwälzen, denk dran: Ich kenne all deine Tricks.“

"Ich bin unschuldig!“ rufe ich aus, doch sie hebt nur eine Augenbraue. Ich sehe, wie Taehyung bei unserer kleinen Auseinandersetzung leicht grinst und dann leise lacht.

"Du bist nie unschuldig“, murmelt er so leise, dass nur ich es hören kann, während er zur Spüle zurückkehrt.

"Was hat er gesagt?“ Jeong-Eun schaut mich fragend an.

"Nichts, Tantchen. Nur, dass er mich für den besten Mitarbeiter hält", winke ich ab.

"Das bezweifle ich“, erwidert sie trocken, bevor sie sich daran macht, die Regale zu überprüfen.

Ich drehe mich wieder zu Taehyung um und sehe, wie er versucht, ein Grinsen zu verbergen, während er die Tassen abtrocknet. Es ist dieser Anblick, der mich dazu bringt, hier zu sein, selbst wenn es viel zu früh am Morgen ist.

Die Zeit vergeht schnell, während wir alles für den Tag vorbereiten. Jeong-Eun hat die Kaffeemaschine getestet, die Regale überprüft und uns beiden mehrere Anweisungen gegeben, die wir, zu ihrer offensichtlichen Überraschung, ohne großen Widerstand befolgt haben.

"Ich muss sagen, Jungs“, beginnt sie schließlich, während sie sich einen Cappuccino macht. „Das ist das erste Mal seit Wochen, dass ich reinkomme und das Gefühl habe, dass Jeongguk nicht nur Unsinn macht.“

"Was soll das denn heißen? Ich habe immer gearbeitet!“, beschwere ich mich, was sie nur mit einem genervten Blick quittiert. Doch dann wendet sie sich Taehyung zu.

"Taehyung. Ich bin froh, dass du hier bist. Du bringst eine Ruhe in den Laden, die wirklich gebraucht wird“, sagt sie und ihre Stimme wird weicher.

Taehyung sieht ein wenig überrascht aus, bevor er sich verlegen an den Nacken fasst.

"Danke, Jeong-Eun. Das bedeutet mir viel", kommt es leise aus ihm und seine Wangen nehmen einen rötlichen Ton an.

"Hallo? Was ist mit mir?", meckere ich und sehe mein Tantchen böse an.

"Du solltest ein Beispiel an ihm nehmen. Vielleicht lernt mein Lieblingsneffe ja endlich ein bisschen Verantwortung“, antwortet sie mit einem schelmischen Grinsen.

"Dein Lieblingsneffe? Du hast doch nur einen“ Ich tue so, als wäre ich geschockt.

"Genau deshalb bist du auch mein Favorit
Aber jetzt genug geredet. Der Tag fängt gleich an, und ich erwarte von euch, dass ihr genauso motiviert bleibt wie heute Morgen“, kontert sie und nimmt einen Schluck ihres Kaffees.

Ich sehe, wie Taehyung bei ihren Worten leicht nickt, aber seine Augen treffen kurz meine, und ich zwinkere ihm zu, was ihn beinahe zum Lachen bringt.

Als Jeong-Eun in den hinteren Bereich des Cafés verschwindet, lehne ich mich zur Theke und sehe Taehyung an.

"Siehst du? Selbst Noona ist beeindruckt", meine ich und bin total stolz auf uns.

"Vielleicht sollte sie mir die Verantwortung übergeben“, kontert er trocken, aber kann sein Lächeln nicht ganz verstecken.

"Ja, sollte sie. Du wirst das selbst allein großartig machen, wenn ich in ein paar Tagen ins Hochzeitplaner-Geschäft zurückkehre“, sage ich ehrlich, und für einen Moment wird sein Blick weich, fast unsicher.

"Danke, aber ich werde es ziemlich vermissen, dich jeden Tag bei mir zu haben“, murmelt er und meidet es in mein Gesicht zu sehen.

Ich höre seine Worte und spüre, wie mein Herz schneller schlägt. Seine Stimme ist leise, fast unsicher. Seine Ehrlichkeit trifft mich an einer Stelle, die ich die letzten Tage versucht habe, unter Kontrolle zu halten. Doch jetzt, in diesem Moment, scheitert jeder Versuch, meine Gefühle vor ihm zu verbergen.

"Ich werde es auch vermissen“, sage ich, meine Stimme leiser, als ich wollte. Taehyung sieht mich an, seine Augen groß und suchend. Für einen Moment steht die Zeit still, und alles um uns herum verschwimmt.

Er wirkt so nah, so greifbar, und doch fühlt es sich an, als würde eine unsichtbare Grenze zwischen uns liegen – eine Grenze, die ich jeden Tag ein Stück weiter überschreiten möchte. Mein Blick bleibt an seinen Lippen hängen, und plötzlich spüre ich, wie ein intensives Verlangen in mir aufsteigt. Das Verlangen, ihn zu küssen. Einfach alles zu vergessen und ihm zu zeigen, was ich fühle.

Doch ich halte mich zurück. Es ist nicht der richtige Moment. Noch nicht.

Stattdessen atme ich tief durch, trete einen Schritt näher an ihn heran und lege eine Hand sanft auf seine Schulter. Er schaut mich verwirrt an, aber ich sehe, wie seine Wangen sich leicht röten.

"Weißt du“, beginne ich, ein kleines Lächeln auf den Lippen, "du bist wirklich schwer zu widerstehen.“

Er lacht leise, unsicher, und schaut weg, doch ich lasse ihn nicht entkommen. Bevor er sich vollständig abwenden kann, beuge ich mich vor und drücke einen sanften Kuss auf seine Wange.

Seine Augen weiten sich, und ich spüre, wie er kurz die Luft anhält. Meine Lippen verweilen nur einen Moment länger, als sie sollten, bevor ich mich langsam zurückziehe.

"Das war für all die Momente, in denen du glaubst, nicht genug zu sein“, sage ich leise, meine Stimme fast ein Flüstern.

Er starrt mich an, seine Wangen jetzt deutlich rot, und ich sehe, wie er sich nervös auf die Lippe beißt.

"Du bist...“, murmelt er schließlich, doch seine Stimme ist weich, fast zärtlich.

"Entzückend?“, erwidere ich mit einem breiten Grinsen und trete einen Schritt zurück, um ihm Raum zu geben. Mein Herz rast, aber ich tue mein Bestes, um es zu verbergen.

Taehyung lächelt mich süß an und wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Es ist dieses Lächeln, das mir zeigt, dass ich den richtigen Schritt gemacht habe.

Während ich ihm dabei zusehe, wie er mit den Tassen hantiert, wird mir klar, dass dieser Moment mehr war, als ich erwartet hatte. Es war kein großes Geständnis, kein leidenschaftlicher Kuss, aber es war echt. Und manchmal ist das alles, was zählt.

Ich drehe mich zur Theke und beginne, ein paar Löffel einzusortieren, aber mein Blick wandert immer wieder zu ihm. Taehyung wirft mir hin und wieder flüchtige Blicke zu, seine Wangen immer noch leicht gerötet.

"Wir sollten uns auf die Gäste vorbereiten“, sagt er plötzlich, seine Stimme etwas fester, aber ich höre das leichte Zittern darin.

"Natürlich“, antworte ich mit einem breiten Grinsen. "Aber du kannst dir ruhig Zeit lassen. Ich habe nicht vor, dich den ganzen Tag aus der Fassung zu bringen.“

"Tust du aber“, murmelt er leise, fast unhörbar, während er sich abwendet. Doch ich habe es gehört, und dieses kleine Eingeständnis reicht aus, um mir den Rest des Tages ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Als der Vormittag sich dem Ende zuneigt, die ersten Gäste das Café füllen und wir beide noch immer fleißig arbeiten, kommt Jeong-Eun mit einer dampfenden Tasse Tee aus der Küche. Sie mustert uns beide, die konzentriert an den kleinen Details arbeiten – Taehyung beim Dekorieren der Kuchenvitrine, ich beim Organisieren der Vorräte hinter der Theke.

"Ihr zwei habt wirklich alles im Griff“, sagt sie schließlich, und wir sehen gleichzeitig auf. Ihr Lächeln ist ehrlich, fast stolz, aber ich habe das Gefühl, dass sie etwas plant.

"Wir haben immer alles im Griff. Wir sind ein unschlagbares Team“, antworte ich grinsend.

Taehyung schüttelt leicht den Kopf und versucht, ein Lächeln zu unterdrücken, doch ich sehe, wie seine Mundwinkel zucken.

"Genau deshalb habe ich beschlossen, dass ihr heute früher Schluss machen könnt“, teilt sie uns mit und stellt ihre Tasse ab.

"Was?“ frage ich schockiert und halte mich dramatisch an der Theke fest. "Du lässt uns freiwillig früher gehen? Wer bist du und was hast du mit meiner Tante gemacht?“

"Ich bin großzügig, Jeongguk“, sagt sie mit einem süffisanten Grinsen. "Außerdem seid ihr so früh da gewesen und habt alles erledigt, was auf meiner Liste stand. Ihr habt euch ein paar Stunden Freizeit verdient.“

Taehyung sieht sie kurz an, als könnte er kaum glauben, was er da hört. "Bist du sicher? Es ist noch ziemlich viel los. Wir können bleiben und helfen.“

"Lass das meine und Seojuns Sorge sein. Ihr habt genug getan. Geht raus und... macht was Schönes“, sagt sie mit einem zwinkernden Blick.

"Na gut, wenn du darauf bestehst. Aber nicht, dass du mich danach vermisst, Noona“, sage ich schließlich und ziehe meine Schürze ab.

"Träum weiter“, erwidert sie trocken, während sie sich abwendet, um sich um eine neue Bestellung zu kümmern.

Ich werfe Taehyung einen Seitenblick zu, der gerade seine Schürze ordentlich zusammenlegt. "Was sagst du, Taehyung? Lust, die extra Zeit mit mir zu verbringen?“

"Liebend gerne", antwortet er und seine Augen leuchten dabei auf, was mein Herz zum Höher schlagen bringt.

"Dann lass uns die Schürzen wegbringen und abhauen“, sage ich mit einem breiten Lächeln.

Danach verschwinden wir im Personalraum und ziehen unsere Jacken an, bevor wir uns von Seojun und Jeong-Eun verabschieden.

Taehyung folgt mir aus dem Café, während die kühle Mittagssonne auf uns herab scheint. Der leichte Wind spielt mit seinem Haar, und für einen Moment bleibe ich stehen, um ihn anzusehen. Es ist schwer zu erklären, aber irgendetwas an seiner ruhigen Ausstrahlung bringt mich dazu, den Moment länger genießen zu wollen.

"Wieso starrst du mich schon wieder so an?“ Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken, und ich grinse ihn an.

"Darf ich nicht?“, frage ich ihn und ziehe eine Augenbraue nach oben.

"Nein, du nicht", meint er grinsend.

"Manno, das ist unfair. Wenn ich dich sehe, dann fühlt es sich an, als würde die Sonne mich anstrahlen", schmolle ich und verschränke die Arme vor der Brust.

"Verwechselt du mich nicht mit dir?", fragt er mich verlegen und seine Wangen nehmen einen rötlichen Ton an.

"Wieso mit mir?", gebe ich irritiert zurück und lege den Kopf etwas schief.

"Naja, wenn du einen Raum betrittst, strahlen alle mit", antwortet er lächelnd und diesmal bin ich derjenige, dessen Gesicht rot anläuft.

"Ach, hör doch auf", bringe ich nur noch heraus und eile zu meinem Auto, während Taehyung hinter mir laut loslacht.

Wir steigen in mein treues Gefährt und schnallen uns brav an. Ich lege meine Hände ans Lenkrad und starre gerade aus, während ich ernüchternd feststellen muss, dass ich gar nicht weiß, wo wir jetzt hingehen sollen. Ich kann ihn nicht ein weiteres Mal mit zum McDonald's schleppen, sonst denkt er, dass ich mich nur davon ernähre.

"Wo geht es eigentlich hin?", fragt er mich und reißt mich dabei aus meinen Gedanken. Für einen Moment überlege ich und sehe ihn dann unsicher an.

"Vielleicht in meine Wohnung?", schlage ich vor und füge dann hektisch hinzu, "Natürlich nur, wenn es für dich in Ordnung ist."

Taehyung bleibt für einen Moment still und schaut auf das Armaturenbrett vor uns, was mich etwas schlucken lässt. War das vielleicht eine dumme Idee? Das letzte Mal, als wir dort waren, haben wir betrunken miteinander geschlafen und uns anschließend in die Haare bekommen.

"Lass uns zu dir fahren", sagt Taehyung entschlossen und dreht seinen Kopf in meine Richtung, sodass wir uns direkt in die Augen sehen.

Mein Herz macht einen deutlichen Sprung und ich bin derjenige, der seinen Blick abwenden muss, sonst verliebe ich mich erneut in ihn. Ich nicke knapp, starte den Motor und versuche, mich auf die Straße zu konzentrieren. Doch Taehyungs Worte hallen in meinem Kopf nach.

Lass uns zu dir fahren.

So entschlossen, so sicher – als hätte er keine einzige Sekunde gezögert. Dabei hätte ich erwartet, dass er ausweicht, dass er sich rausredet. Stattdessen sitzt er ruhig neben mir, seine Hände locker auf seinen Oberschenkeln, sein Blick nach draußen gerichtet.

Ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu. Seine Lippen sind leicht aufeinandergepresst, als würde er sich innerlich auf etwas vorbereiten.

Ich sollte etwas sagen. Irgendeinen dummen Spruch machen, um die Spannung aufzulösen. Doch alles, was mir einfällt, ist:

"Bist du sicher?“

Er dreht den Kopf zu mir. Unsere Blicke treffen sich.

"Ja.“

Ich schlucke. Ein einfaches Wort, aber es fühlt sich an, als würde es mehr Bedeutung tragen, als ich in diesem Moment greifen kann.

Der Rest der Fahrt vergeht in einer seltsamen Mischung aus Spannung und Stille. Ich weiß nicht, was passieren wird, wenn wir dort ankommen. Ob wir so tun, als wäre das einfach nur ein normaler Besuch. Ob wir über damals reden. Ob wir uns näherkommen, als wir sollten.

Und ob ich das überhaupt verhindern will.

Als ich vor meiner Wohnung parke, drehe ich mich zu ihm. "Letzte Chance, abzuhauen.“

"Träum weiter", schaubt Taehyung und öffnet die Autotür.

Ich lache leise und steige ebenfalls aus. Taehyung läuft zielstrebig zur Eingangstür, als wäre er schon tausend mal hier gewesen. In meinem Bauch wird es ganz warm und ich wünschte, dass ich jeden Tag mit ihm nach Hause fahren könnte. Ich folge ihm anschließend und schließe die Tür auf. Danach steigen wir die Treppen nach oben und bei jedem Schritt hämmert mein Herz gegen meine Brust vor Aufregung. Wieso zur Hölle kann ich mich nicht zusammen reißen?

Als wir meine Wohnung betreten, überkommt mich ein komisches Gefühl, weil ich mich daran erinnere, wie wir damals auseinander gegangen sind. Ich stand wie Gott mich schuf im Flur und wir haben usn gegenseitig beleidigt. Ich trete mir die Schuhe von den Füßen, schlüpfe in meine Hausschuhe und sehe zu, wie Taehyung sich langsam umblickt. Sein Blick bleibt einen Moment zu lange an meinem Schlafzimmer hängen, bevor er sich fängt und sich mit verschränkten Armen zu mir umdreht.

"Also, was jetzt?“ fragt er.

"Ich könnte was zu essen machen?“, kratze ich mich am Hinterkopf.

"Ist Kochen auch eins deiner hundert Talente? Aber ich habe keine Hunger, danke“, fängt er an zu lachen.

"Okay, frech! Ich kann wirklich gut kochen, aber wenn du nicht willst, können wir uns mit ein paar Snacks auf die Couch setzen", gebe ich etwas eingeschnappt von mir, jedoch kann ich mein Lachen nicht unterdrücken.

"Gute Idee", gibt Taehyung zufrieden von sich.

Ich verschwinde in die Küche, öffne den Schrank und greife nach einer Packung Chips und ein paar Schokoriegeln. Als ich zurückkomme, sitzt Taehyung auf meinem Sofa, welches von der Übernachtung der vier Mädels noch ausgeklappt ist. Er hat ein Bein angewinkelt, während er gedankenverloren auf den Fernseher starrt, den er gerade eingeschaltet hat.

"Hier“, sage ich und werfe ihm einen Schokoriegel zu, den er mit einer geschmeidigen Bewegung auffängt.

"Danke“, kommt aus ihm und er sieht mich kurz an, aber schaut schnell weg. Wahrscheinlich ist ihm die Situation auch etwas unangenehm.

Ich setze mich neben ihn, etwas weiter weg, als ich eigentlich will. Ich weiß nicht, warum, aber ich spüre, dass sich etwas verändert hat. Dass sich etwas zwischen uns verschiebt, und ich nicht sicher bin, in welche Richtung.

Ich werfe die Chipstüte auf den Couchtisch und lasse mich neben Taehyung in die Kissen sinken. Er scrollt durch die Streaming-Plattform, während ich es mir bequem mache und einen Schokoriegel aus der Packung ziehe.

"Also, was schauen wir?“ frage ich neugierig.

"Medical Detectives", antwortet er knapp und er beginnt zu grinsen.

Ich runzle die Stirn und drehe meinen Kopf langsam zu ihm. "Das ist ein Scherz, oder?“

"Nein“, sagt Taehyung und hebt nicht mal den Blick vom Bildschirm, als er die Serie auswählt.

"Du willst jetzt ernsthaft, dass wir True Crime schauen?“, hake ich nach.

"Jap, du hast es dir gestern Abend nicht angeschaut, obwohl du es mir versprochen hast", tadelt er mich an und sieht mich enttäuscht an.

"Bei aller Liebe. Ich kann mir nicht nachts und auch noch allein Geschichten über Morde anhören. Ich kriege wirklich Alpträume. Das ist doch kein Schlaflied“, gebe ich offen zu.

"Aber die Stimme ist beruhigend. Die kann einem gar keine Angst machen! Wenn du wirklich Angst bekommst, dann nehme ich dich auch fest in den Arm“, erwidert er und lehnt sich mit der Fernbedienung in der Hand zurück.

Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue hoch, aber lehne mich dann zurück, während der Vorspann beginnt. Der letzte Teil hat mich überzeugt.

"In einer ruhigen Kleinstadt wird eine Familie tot aufgefunden. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel…", spricht der Erzähler in einem ruhigen, sachlichen Ton.

"Ja, mega beruhigend“, schnaube ich.

Taehyung schiebt sich einen Schokoriegel in den Mund und sieht mich nur herausfordernd an.

"Warte ab", sagt er und tätschelt meinen Unterarm.

Ich verschränke die Arme vor der Brust, lasse meinen Blick auf dem Bildschirm ruhen. Je länger ich zuhöre, desto mehr verstehe ich, was er meint. Der Typ spricht, als würde er gerade ein Gedicht vorlesen. Ruhig, sachlich, fast schon melodisch.

Ich drehe meinen Kopf leicht zu Taehyung. "Okay, ich gebe zu, die Stimme ist nicht so schlimm, wie ich dachte.“

"Sag ich doch", grinst er triumphierend.

Wir sehen weiter, der Raum wird immer stiller. Da die Vorhänge noch zugezogen sind, ist das Wohnzimmer etwas abgedunkelt, was mich wirklich etwas schläfrig macht. Das Licht des Fernsehers taucht Taehyungs Gesichtszüge in weiches Blau, und für einen Moment verliere ich mich in der Art, wie er konzentriert den Bildschirm betrachtet. Dann bricht er plötzlich das Schweigen.

"Jeongguk?“, murmelt er leise.

"Hm?“, bringe ich bloß heraus.

Seine Finger spielen mit einer losen Ecke der Decke, seine Augen sind noch auf den Fernseher gerichtet.

"Ich habe es nie bereut“, meint er und raubt mir für kurze Zeit den Atem.

Mein Magen zieht sich leicht zusammen. Ich muss nicht fragen, was er meint. Ich sage nichts, lasse ihn einfach reden.

"Ich bereue nicht, dass wir miteinander geschlafen haben“, murmelt er. "Aber ich bereue, wie ich danach reagiert habe.“

Mein Blick bleibt an seinem Profil hängen.

Er atmet tief durch. „Ich war wütend. Nicht auf dich, sondern auf mich. Weil ich das zugelassen habe. Weil ich es wollte, obwohl ich es nicht hätte wollen sollen.“

Ich lehne mich ein Stück nach vorne, stütze meine Ellbogen auf meine Knie.

"Und jetzt?“, frage ich nach.

Er schweigt eine Weile und ich bekomme das Gefühl, dass sich mit jeder Sekunde meine Kehle mehr zuschnürt.

"Jetzt weiß ich, dass es nicht nur daran lag, dass wir betrunken waren", kommt es leise aus ihm.

Mein Herz setzt einen Schlag aus.

Er sieht mich immer noch nicht an, seine Augen sind auf den Fernseher gerichtet, aber ich merke, dass er nicht mehr wirklich zuhört.

Ich beobachte ihn. Die Art, wie er leicht mit der Unterlippe spielt. Die Art, wie seine Finger nervös an der Decke zupfen.

"Was heißt das jetzt für uns?“, möchte ich wissen und habe gleichzeitig Angst, was die Antwort darauf sein wird.

Er sieht mich an und betrachtet mein Gesicht, während ich mich so fühle, als würde ich jeden Moment ersticken.

"Dass ich keinen Abstand zu dir halten möchte und ich dabei bin, dich komplett in mein Herz zu lassen", antwortet er und lächelt mich breit an.

Dann lehnt er sich wieder zurück, zieht sich die Decke bis zur Brust und schließt für einen Moment die Augen. Ich glaube, dass ich jeden Moment vor Freude einen Herzinfarkt bekomme, weil mein Herz so schnell schlägt. Ich kann mein breites Grinsen nicht kontrollieren, darum wende ich meinen Blick ab und muss erstmal runter kommen.

"Glaubst du mir jetzt, dass Medical Detectives beruhigend ist?“, wechselt er plötzlich das Thema, weil es

"Du bist ein Dummkopf“, lache ich leise und schüttle den Kopf.

"Und du bist ein Idiot. Das passt doch, oder?", erwidert er und lächelt mich an.

Ich starre ihn an. Sein Tonfall ist locker, fast neckend, aber ich höre die Unsicherheit darin.

"Ja, auf jeden Fall“, sage ich schließlich.

Er atmet hörbar aus, dreht sich leicht zur Seite und murmelt: "Gut."

Ich lehne mich ebenfalls zurück. Der Erzähler spricht weiter, die sanfte Stimme lullt den Raum in eine Art ruhige Trance.

Irgendwann spüre ich, wie meine Augen schwer werden. Taehyung bewegt sich kaum noch neben mir. Sein Atem ist langsam, gleichmäßig.

"Ich glaub, ich schlaf gleich ein", murmelt er leise.

"Dann schlaf", schmunzle ich und streiche ihm über den Kopf.

Taehyung murmelt ein kleines 'Okay', bevor er sich langsam neben mimch hinlegt und ins Land der Träume fällt. Ich ziehe die Decke zu seinen Schultern hoch und rutsche etwas runter, damit ich ebenfalls liege. Mein Herzschlag beruhigt

Ich blinzele träge und versuche, mich auf den Bildschirm zu konzentrieren. Der Erzähler spricht immer noch mit seiner sanften, monotonen Stimme über DNA-Spuren und forensische Analysen, doch meine Augen wollen sich einfach nicht offen halten.

Neben mir höre ich, wie Taehyung leise atmet. Ich werfe ihm einen Seitenblick zu und kann nicht anders als leise zu lachen. Meine Lider werden schwerer, mein Körper fühlt sich warm und angenehm an.

Meine Gedanken werden langsamer, der Erzähler wird nur noch ein entferntes Brummen im Hintergrund, und ehe ich mich versehe, verliere ich den Kampf gegen die Müdigkeit.

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