Kapitel 37
Taehyungs Sicht
Die Stille des Flurs schlägt mir entgegen, als ich die Tür hinter mir leise schließe. Der Abend hallt noch in meinem Kopf nach. Jeongguks Worte, sein Lachen, das leichte Gefühl von Freiheit, das ich seit langem nicht mehr gespürt habe. Es war anders. Unbeschwert. Und ich habe es in vollen Zügen genossen, in seiner Nähe zu sein.
Langsam, fast widerwillig, ziehe ich mir die Jacke und die Schuhe aus, bevor ich ganz leise durch den Flur gehe. Das schwache Licht der Stehlampe im Wohnzimmer wirft einen warmen Schimmer an die Wände. Bogum sitzt auf dem Sofa, das Handy in der Hand, die Stirn leicht in Falten gelegt. Als er bemerkt, dass ich da bin, hebt er kurz den Blick, sagt aber nichts. Sein Daumen wischt über das Display, bevor er das Telefon beiläufig auf den Couchtisch legt. Das Display nach unten.
Ich bleibe einen Moment stehen und beobachte ihn. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn so angespannt sehe. Früher hätte ich mir nichts dabei gedacht, aber in letzter Zeit... In letzter Zeit fällt es mir schwer, diese Gedanken einfach abzuschütteln.
"Alles in Ordnung?“, frage ich schließlich, meine Stimme ruhig, aber wachsam.
Bogum zuckt mit den Schultern und greift nach der Fernbedienung, um den Fernseher leiser zu stellen.
"Ja. Ich habe gerade noch ein paar Nachrichten beantwortet“, antwortet er und seine Stimme klingt beiläufig, fast abwesend, als wäre das Gespräch für ihn kaum der Rede wert.
"Um diese Uhrzeit?“, hake ich noch und versuche, den Ton meiner Stimme neutral zu halten, aber ich merke, wie sich meine Schultern leicht anspannen.
"Ja, es war wichtig“, erwidert er.
Mehr sagt er nicht. Keine Erklärung, keine Details – nur diese knappen Worte, die in der Luft hängen und mir das Gefühl geben, dass da mehr ist, als er zugibt. Wenn ich ihm so antworten würde, wäre er schon längst an die Decke gegangen. Am liebsten würde ich ihn genauso ausfragen, wie er es bei mir macht, aber dann würde er die Aufmerksamkeit ganz schnell auf mich richten.
Ich gehe zum Sofa und lasse mich auf die andere Seite fallen, meine Augen auf den Bildschirm des Fernsehers gerichtet, obwohl ich kaum registriere, was dort läuft. Mein Blick wandert unwillkürlich zu seinem Handy, das noch immer mit dem Display nach unten liegt. Es fühlt sich an, als würde es eine Grenze zwischen uns markieren, eine unsichtbare Linie, die ich nicht überschreiten soll.
"War dein Abend schön?“ fragt Bogum plötzlich und da ist die Frage, die ich schon erwartet habe.
"Ja, ich war mit Hyungsik unterwegs“, lüge ich ihn an, weil ich satt habe, ihm ständig die Wahrheit zu sagen, während er mir, ohne Scham, ins Gesicht lügt.
Er möchte nicht wirklich wissen, ob mein Abend schön war, sondern mit wem ich verabredet war.
Für einen Moment herrscht wieder diese seltsame Stille, und ich frage mich, ob er bemerkt, wie sehr sich die Dinge zwischen uns verändert haben. Früher hätte ich ihm ohne zu zögern von meinem Abend erzählt. Doch jetzt... jetzt fühlt es sich an, als würde ich in einer Blase sitzen, getrennt von ihm durch etwas Unsichtbares, aber Greifbares.
Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Bogum kurz auf das Handy schielt, als würde er darauf warten, dass es vibriert. Dann steht er plötzlich auf und murmelt: „Ich muss noch kurz telefonieren.“ Bevor ich etwas sagen kann, hat er sein Handy genommen und ist in Richtung Schlafzimmer verschwunden.
Ich bleibe auf dem Sofa sitzen und starre auf den Bildschirm, während das leise Murmeln seiner Stimme aus dem Flur zu mir dringt. Ein seltsames Gefühl kriecht in mir hoch – Misstrauen, gemischt mit einer leisen, nagenden Enttäuschung.
Ich habe den Abend mit Jeongguk genossen, weil er mir gezeigt hat, wie es sich anfühlt, gesehen zu werden. Doch jetzt, hier, in diesem Raum, fühle ich mich unsichtbar. Und das, was mich am meisten beunruhigt, ist nicht das Gefühl selbst, sondern die Tatsache, dass es mir immer weniger ausmacht.
Ich sitze da, den Blick auf den stummen Fernseher gerichtet, aber meine Gedanken sind längst woanders. Das dumpfe Murmeln von Bogums Stimme dringt durch die geschlossene Tür, jedes Wort unverständlich, aber die Art, wie er spricht, sagt mir genug. Leise, abgehackt, als wolle er nicht, dass ich etwas mitbekomme. Es ist nicht das erste Mal, dass er spät abends telefoniert. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir denke, wie seltsam das alles ist.
Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein. Vielleicht ist es wirklich nur geschäftlich, wie er immer sagt. Und doch bleibt dieses unangenehme Gefühl, das sich in meiner Brust festgesetzt hat. Ich kenne Bogum lange genug, um zu wissen, dass er nicht der Typ ist, der sich rechtfertigt. Aber ich kenne ihn auch gut genug, um zu merken, dass er mir nicht die ganze Wahrheit sagt.
Ich seufze leise und lasse mich tiefer in das Sofa sinken. Mein Blick wandert zur Decke, wo das gedämpfte Licht der Stehlampe einen sanften Schimmer hinterlässt. Es fühlt sich an, als läge eine unsichtbare Last auf mir, eine Schwere, die ich nicht loswerde, egal wie sehr ich es versuche.
Der Abend mit Jeongguk war schön. Ich hatte gelacht, mich wohl gefühlt. Wie lange ist es her, dass ich das zuletzt getan habe? Jeongguk schleicht sich mit jeder Sekunde mehr in mein Herz. Er hatte mir das Gefühl gegeben, dass es in Ordnung ist, einfach ich selbst zu sein, ohne Erwartungen, ohne Verpflichtungen. Und jetzt sitze ich hier, in einer Wohnung, die sich immer fremder anfühlt, mit einem Mann, der mir einst so vertraut war, dass ich dachte, ich könnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.
Ich schließe die Augen und atme tief durch. Ich will nicht an Jeongguk denken, nicht in diesem Moment, während Bogum im Nebenzimmer mit wem auch immer spricht. Doch der Gedanke lässt sich nicht verdrängen – das Gefühl von Leichtigkeit, das ich mit Jeongguk hatte, steht in einem scharfen Kontrast zu der Schwere, die ich hier spüre.
Ein leises Geräusch lässt mich aufschrecken. Die Tür zum Schlafzimmer öffnet sich, und Bogum tritt wieder ins Wohnzimmer. Sein Gesichtsausdruck ist neutral, fast zu neutral, und das Handy hält er locker in der Hand.
"War wichtig“, sagt er knapp und setzt sich wieder auf das Sofa, als wäre nichts gewesen.
Ich nicke nur, unfähig, etwas zu sagen. Mein Blick bleibt an seinem Handy hängen, und ich merke, wie sich mein Kiefer anspannt. Da ist dieses Gefühl wieder – das Gefühl, dass ich ihm nicht mehr wirklich nah bin. Dass da etwas zwischen uns steht, etwas, das ich nicht greifen kann, weil er es nicht zulässt.
"Du bist so still“, bemerkt er nach einer Weile und sieht mich von der Seite an.
"Nur müde. Es war ein langer Tag“, lüge ich ein weiteres Mal und zwinge ein schwaches Lächeln auf meine Lippen.
"Dann solltest du schlafen gehen“, sagt er, ohne wirklich hinzusehen.
Seine Aufmerksamkeit richtet sich schon wieder auf das Handy, und ich spüre, wie die Enttäuschung in mir wächst. Früher hätte er nachgefragt, wäre neugierig gewesen. Heute scheint es ihm egal zu sein.
Ich stehe auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen, und gehe ins Schlafzimmer. Die Tür schließe ich leise hinter mir, aber das Gefühl der Distanz bleibt. Ich lasse mich aufs Bett fallen und starre an die Decke, während sich die Gedanken in meinem Kopf überschlagen.
Ich habe den Abend mit Jeongguk genossen. Zu sehr vielleicht. Und jetzt, hier, allein im Schlafzimmer, während Bogum im Wohnzimmer weiter chattet oder telefoniert oder was auch immer er tut, frage ich mich, ob das nicht etwas ist, worüber ich nachdenken sollte. Wenn das, was ich bei Jeongguk fühle, mehr ist als nur ein Moment der Leichtigkeit – was bedeutet das dann für Bogum und mich?
Ich drehe mich auf die Seite, den Blick auf das Fenster gerichtet. Das Mondlicht fällt in sanften Streifen auf den Boden des Zimmers, und draußen rauscht der Wind durch die Bäume. Der leichte Rhythmus sollte beruhigend sein, aber in meinem Kopf herrscht das pure Chaos.
Warum fühlt sich alles zwischen mir und Bogum so… falsch an? Früher war da Nähe, eine Vertrautheit, die uns zusammengeschweißt hat. Doch in letzter Zeit ist es, als ob wir in unterschiedlichen Welten leben. Er verschwindet in seinen späten Telefonaten, seinen angeblich geschäftlichen Nachrichten, während ich hier liege und mich frage, ob es überhaupt noch Sinn hat, zu bleiben.
Ich zwinge mich, nicht sofort an Jeongguk zu denken, aber es ist zwecklos. Sein Grinsen, das Spiel zwischen uns, die Leichtigkeit – alles war so echt, so unkompliziert. Er hat keine Antworten gefordert, keine Lösungen verlangt. Er war einfach da, hat mich akzeptiert, wie ich bin. Und das macht es so gefährlich.
Ich schließe die Augen und versuche, den Kloß in meiner Kehle herunterzuschlucken. Was, wenn Bogum wirklich…? Nein, ich will diesen Gedanken nicht zulassen. Ich kann nicht. Nicht jetzt.
Mein Handy vibriert leise auf dem Nachttisch und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich greife danach und sehe eine Nachricht von Jeongguk.
Jeongguk
Ich bin jetzt zuhause. Alles gut bei dir?
22:47 Uhr
Ich starre auf den Bildschirm, unsicher, was ich antworten soll. Es ist gar nichts gut, wenn man betrachtet, dass ich nicht in meiner eigenen Wohnung sein und auch nicht neben Bogum schlafen möchte, weil ich mich in seiner Gegenwart nicht wohlfühle.
Taehyung
Ja, bin gut angekommen. Danke für den schönen Abend
22:48 Uhr
Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt, als ich die Nachricht abschicke. Noch bevor ich das Handy weglegen kann, vibriert es erneut.
Jeongguk
Wir sollten das bald wiederholen. Vielleicht ohne Pommes-Klau 😉
22:48 Uhr
Ich lache leise, unfreiwillig, und merke, wie sich die Anspannung in meinem Körper ein kleines Stück löst. Irgendwie schafft Jeongguk es, mich aus diesem Strudel aus Unsicherheit und Zweifeln zu holen, selbst mit einer einfachen Nachricht.
Doch das Lächeln verblasst schnell, als ich höre, wie Bogums Schritte näherkommen. Die Tür öffnet sich einen Spalt, und er steckt den Kopf herein.
"Gehst du schon schlafen?“, fragt er, seine Stimme neutral, fast gelangweilt.
"Nein, ich muss mich noch bettfertig machen“, antworte ich ihm.
Er nickt, sagt nichts weiter und schließt die Tür wieder. Wieso wollte er das jetzt wissen? Damit er wieder ungestört telefonieren kann?
Ich lege das Handy weg und fange an mich aus meinen Klamotten zu schälen. Ich sammle meine Klamotten zusammen und gehe dann aus dem Zimmer, um ins Bad zu huschen. Mein Handy nehme ich natürlich mit, damit Bogum nicht auf die dumme Idee kommt, durch mein Handy zu stöbern. Ich schmeiße meine Klamotten in den Wäschekorb und mache mich dran, meine Zähne zu putzen und mein Gesicht zu waschen. Dabei wandern meine Gedanken wieder zu Jeongguk. Der Abend mit ihm war wie ein kurzer Moment des Aufatmens, eine Pause von der Schwere, die mich hier umgibt. Und jetzt, zurück in dieser stillen, kalten Wohnung, merke ich, wie sehr mir diese Leichtigkeit fehlt.
Während ich versuche, den Kopf frei zu bekommen, drängt sich ein Gedanke in den Vordergrund: Wie lange will ich das noch so weitermachen? Wie lange werde ich mir noch einreden, dass es okay ist, in einer Beziehung zu bleiben, die sich immer leerer anfühlt?
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber eines weiß ich: Etwas muss sich ändern.
Mit diesem Gedanken kehre ich zurück ins Schlafzimmer und lege mich ins Bett. Ich schließe die Augen, aber mein Geist ist hellwach, wodurch ich meine Augen öffne und an die dunkle Decke starre. Will ich wirklich noch kämpfen? Für Bogum? Oder für etwas anderes, das ich gerade erst zu verstehen beginne?
Ich drehe mich noch einmal zur Seite und schließe die Augen, versuche den inneren Sturm zu beruhigen. Aber es funktioniert nicht. Bogum. Jeongguk. Die Worte, die unausgesprochen blieben. Die Gefühle, die sich in mir aufbauen, je mehr ich versuche, sie zu ignorieren.
Das Licht aus dem Flur dringt durch den Türspalt und wirft einen schmalen Streifen auf den Boden. Ich höre Bogum leise sprechenm. Mit wem zur Hölle telefoniert er schon wieder? Sein Ton ist gedämpft, damit ich nicht höre. Doch ich höre es trotzdem. Jedes Wort, das er in die Stille flüstert, klingt wie ein weiteres Fragezeichen in meinem Kopf.
"Ja, morgen früh“, sagt er. Dann folgt ein kurzes Schweigen. "Ich rufe dich an, sobald es geht.“
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Es macht mich so wütend, dass er alles tut, was er möchte. Ich will mich nicht so hineinsteigern, aber die Wahrheit ist, dass ich Bogum nicht mehr vertraue und weiß, dass er hinter meinen Rücken etwas verbergt.
Ich könnte aufstehen, zur Tür gehen und einfach fragen: Mit wem redest du da? Aber was bringt es? Er würde nur dasselbe sagen wie immer: „Geschäftlich.“ Und ich würde schweigen, so wie ich es immer tue, weil ich auf diese dummen Diskussionen keine Lust mehr habe. Ich habe keine Kraft dafür.
Ein leises Vibrieren lenkt mich ab. Mein Handy liegt noch auf dem Nachttisch, und für einen Moment überlege ich, ob ich es ignorieren soll. Doch die Neugier siegt. Ich greife danach und entsperre den Bildschirm. Eine weitere Nachricht von Jeongguk.
Jeongguk
Schlaf gut. Und denk dran: Wenn du das nächste Mal Pommes klaust, gibt’s Ärger
23:03 Uhr
Ich grinse unwillkürlich. Seine Nachrichten sind so unkompliziert, so… leicht. Anders als alles, was ich hier spüre.
Taehyung
Du bist doch der, der meine Pommes geklaut hat. Gute Nacht, Jeongguk
23:03 Uhr
Noch bevor ich das Handy weglegen kann, sehe ich, wie die drei kleinen Punkte erscheinen, die anzeigen, dass er schreibt. Ein Teil von mir will warten, den Moment verlängern. Doch bevor seine Antwort kommt, höre ich, wie Bogums Schritte näherkommen. Schnell lege ich das Handy weg und schließe die Augen.
Die Tür öffnet sich leise, und ich höre, wie er hereinkommt. Er bleibt stehen, vermutlich um zu sehen, ob ich schlafe. Ich halte den Atem an, versuche, ruhig zu wirken. Nach ein paar Sekunden spüre ich, wie er die Decke über meinen Schultern zurechtzieht. Es ist eine kleine, fast zärtliche Geste, die mich mehr verwirrt, als sie sollte.
"Gute Nacht, Tae“, flüstert er leise, bevor er das Licht löscht und das Zimmer verlässt.
Ich öffne die Augen und starre in die Dunkelheit. Die Geste hätte mir etwas bedeuten sollen. Sie hätte mich beruhigen, mir das Gefühl geben sollen, dass alles in Ordnung ist. Aber stattdessen hinterlässt sie nur ein leeres Gefühl. Eine Geste, die wie ein Echo aus einer anderen Zeit wirkt, als ob Bogum noch versucht, etwas zu sein, das er längst nicht mehr ist.
Und ich? Ich weiß nicht, was ich noch fühle.
Ich atme tief durch und schließe die Augen. Vielleicht wird morgen alles klarer. Vielleicht auch nicht. Aber irgendetwas wird sich ändern müssen – das spüre ich.
Denn so weiterzumachen wie bisher… das kann ich nicht mehr.
-
Das erste, was ich spüre, ist Wärme. Nicht die sanfte Wärme der Morgensonne, die durch das Fenster fällt, sondern die schwere, einhüllende Wärme von Armen, die um meinen Körper geschlungen sind. Langsam öffne ich die Augen und blinzle gegen das gedämpfte Licht, das durch die Vorhänge dringt.
Bogum liegt neben mir, sein Gesicht entspannt, die Augen geschlossen. Seine Atmung ist ruhig, gleichmäßig, und seine Arme halten mich fest, als hätte er Angst, ich könnte verschwinden, wenn er loslässt.
Ich bleibe regungslos liegen, lasse den Moment auf mich wirken. Es ist ein seltsames Gefühl. Früher hätte mich genau das beruhigt – dieses sanfte Halten, das Gefühl, dass jemand da ist, der mich festhält. Aber jetzt? Jetzt fühlt es sich… schwer an. Nicht unangenehm, aber auch nicht so, wie es sein sollte.
Mein Blick wandert zu seinem Gesicht. Bogum sieht friedlich aus, fast verletzlich, als wäre all die Distanz und die Kälte, die sich in den letzten Monaten zwischen uns aufgebaut hat, nur ein Traum gewesen. Doch ich weiß, dass es kein Traum war. Ich weiß, dass diese Momente der Nähe selten geworden sind.
Vorsichtig löse ich mich aus seinem Griff, bemüht, ihn nicht zu wecken. Seine Arme gleiten langsam von mir, und für einen Moment hält er die Luft an, bevor er sich wieder entspannt. Ich sitze am Bettrand, mein Blick auf den Boden gerichtet, während die Stille des Morgens mich umgibt.
Mein Handy liegt auf dem Nachttisch, und ich greife danach. Als ich den Bildschirm entsperre, sehe ich eine Nachricht von Jeongguk. Sie muss irgendwann in der Nacht gekommen sein.
Jeongguk
Noch wach? Wenn ja, versuch nicht, zu viel nachzudenken. Einfach atmen. Gute Nacht
23:05 Uhr
Ich kann nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schleicht. Jeongguk und seine Art, genau das zu sagen, was ich hören muss, ohne es zu wissen. Ich tippe eine kurze Antwort:
Taehyung
Danke. Du hast recht. Bis später.
7:01 Uhr
Ich lege das Handy wieder weg und atme tief durch. Ein Teil von mir will einfach wieder zurück ins Bett kriechen, sich von Bogums Armen umschließen lassen und so tun, als wäre alles wie früher. Doch ich weiß, dass das eine Lüge wäre. Und Lügen machen alles nur schwerer.
Der Tag hat gerade erst begonnen, und ich habe keine Ahnung, wohin er führen wird. Aber eines weiß ich: Irgendetwas muss sich ändern. Bald.
Ich stehe langsam auf und gehe zum Fenster, schiebe die schweren Vorhänge beiseite und lasse das kalte Licht des frühen Morgens in den Raum. Die Welt draußen sieht ruhig aus, wie frisch erwacht, doch in mir tobt ein Chaos, das sich kaum beschreiben lässt.
Mein Blick wandert über die Stadt, aber meine Gedanken bleiben bei der letzten Nacht hängen – bei Jeongguk. Bei seinem Lächeln, seiner lässigen Art, die mich zum Lachen gebracht hat, ohne dass ich es wollte. Und dann Bogum… sein Verhalten gestern Abend. Das flüchtige Telefonat, das hastige Wegstecken des Handys, das ungute Gefühl, das er in mir hinterlassen hat.
Ich schüttele den Kopf, als könnte ich die Gedanken so einfach loswerden. Doch sie bleiben, nagen an mir. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich frage, ob da mehr ist, was Bogum mir nicht sagt. Er war schon immer gut darin, Dinge zu verbergen – seine Gefühle, seine Gedanken. Aber dieses Mal… es fühlt sich anders an.
Ein leises Rascheln hinter mir lässt mich herumdrehen. Bogum hat sich im Schlaf bewegt, seine Hand liegt jetzt auf der leeren Seite des Bettes, wo ich gerade noch lag. Sein Gesicht sieht immer noch friedlich aus, fast wie das eines Fremden. Ich frage mich, wann wir uns so weit voneinander entfernt haben. Wann die Nähe, die uns früher verbunden hat, durch diese leere Distanz ersetzt wurde.
Ich atme tief durch und gehe leise ins Bad. Das kalte Wasser auf meinem Gesicht hilft ein wenig, meine Gedanken zu ordnen. Ich betrachte mein Spiegelbild und sehe die Müdigkeit in meinen Augen – nicht nur die vom Schlafmangel, sondern die, die tief sitzt. Die, die davon kommt, ständig etwas zusammenzuhalten, das längst bröckelt.
Zurück im Schlafzimmer werfe ich einen Blick auf die Uhr. Es ist noch früh, aber ich weiß, dass ich nicht zurück ins Bett gehen kann. Zu viel dreht sich in meinem Kopf, zu viele Fragen ohne Antworten. Leise nehme ich meine Sachen und ziehe mich an, bemüht, Bogum nicht zu wecken.
Als ich gerade zur Tür gehen will, höre ich seine Stimme, verschlafen und leise: „Wohin gehst du so früh?“
Ich bleibe kurz stehen, meine Hand auf der Türklinke. „Nur ein bisschen frische Luft schnappen. Ich bin früh wach geworden.“
Er murmelt etwas Unverständliches und dreht sich um, schläft anscheinend wieder ein. Ich atme erleichtert aus und verlasse leise die Wohnung.
Draußen ist die Luft kühl und klar, genau das, was ich gerade brauche. Ich stecke die Hände in die Taschen meiner Jacke und beginne ziellos zu laufen, lasse die Stille des Morgens auf mich wirken. Mein Handy vibriert, und ich ziehe es heraus. Eine weitere Nachricht von Jeongguk:
Jeongguk
Schon wach? Lust mit mir ins Café zu fahren? Ich traue mich sogar ans Steuer für dich
7:43 Uhr
Ein Teil von mir zögert. Sollte ich wirklich? Nach gestern Abend weiß ich, dass es gefährlich ist, sich Jeongguk zu nähern. Nicht, weil er etwas falsch macht, sondern weil er genau das Richtige tut – er gibt mir das Gefühl, gesehen zu werden. Und das ist etwas, das ich von Bogum schon lange nicht mehr gespürt habe.
Taehyung
Mein mutiger Held. Wenn du dich schon ans Steuer traust, fahre ich natürlich mit dir
Wo bist du?
7:43 Uhr
Jeongguk
In fünf Minuten am Café. Mein Tantchen wird sich freuen, wenn ihre Mitarbeiter so früh im Café auftauchen
7:44 Uhr
Taehyung
Wir stehen dann als die fleißigsten Mitarbeiter der Welt dar. Ich warte an der Ecke zur Hauptstraße auf dich.
7:45 Uhr
Ich stecke das Handy weg und beschleunige meine Schritte. Vielleicht ist es falsch, vielleicht ist es unklug. Aber gerade jetzt ist Jeongguk das Einzige, was sich richtig anfühlt.
Und vielleicht… vielleicht brauche ich genau das. Einen Moment der Ehrlichkeit, der Leichtigkeit. Einen Moment, in dem ich einfach Taehyung sein kann, ohne all die Lasten, die mich sonst begleiten.
Die Morgenluft ist klar und kühl, als ich an der Ecke zur Hauptstraße ankomme. Der Wind trägt den fernen Klang einer Straßenkehrmaschine mit sich, während ich Jeongguks Auto sehe, das langsam heranrollt. Er hält direkt vor mir, und als ich mich zur Beifahrertür beuge, sehe ich sein Lächeln. Es ist nicht nur ein einfaches Lächeln – es ist eines, das die Spannung in meinen Schultern ein wenig löst, bevor ich überhaupt den ersten Satz gesagt habe.
"Pünktlich wie immer“, sagt er, während ich einsteige und die Tür schließe.
Im Auto ist es angenehm warm, und ich lasse meinen Blick kurz über das aufgeräumte Innere schweifen, bevor ich mich anschnalle.
"Man muss ja die Erwartungen erfüllen“, erwidere ich, und ein schwaches Lächeln huscht über mein Gesicht.
"Erwartungen? Glaub mir, du bist hier der Star. Ich bin nur der Chauffeur“, sagt er mit einem schelmischen Grinsen, während er den Wagen wieder in Bewegung setzt. Die Straße vor uns ist fast leer, und das weiche Licht der Morgensonne scheint durch die Windschutzscheibe.
Ich schüttele leicht den Kopf, aber ich sage nichts. Die Fahrt verläuft in angenehmer Stille, unterbrochen nur von Jeongguks leiser Summerei zu einem Lied, das im Radio läuft. Es sind diese kleinen Momente, in denen ich merke, wie anders er ist. Wie leicht es sich mit ihm anfühlt.
"Bereit, die Kaffeemaschine zu bekämpfen?“ fragt er schließlich, als wir fast am Café sind.
"Ich bin mir nicht sicher, ob die Kaffeemaschine und ich jemals Freunde werden. Ich mag nicht mal Kaffee“, gebe ich zu und sehe aus dem Fenster.
"Du musst der Kaffeemaschine nur eine Chance geben. Stell dir vor, dass mein Gesicht drauf kleben würde, dann geht es dir besser“, antwortet er mit einem Lachen.
"Oder noch schlechter", bringe ich kichernd heraus, wodurch Jeongguk noch lauter lacht und mir zustimmt.
Als wir das Café erreichen, steigt Jeongguk aus und öffnet mir mit übertriebener Geste die Tür.
"Nach Ihnen, Mister Kim. Ich stehe Ihnen stets zu Diensten“, sagt er, und ich verdrehe leicht die Augen, kann aber ein leises Lachen nicht unterdrücken.
"Vielen Dank, Mister Jeon. Sehr aufmerksam von Ihnen", bedanke ich mich und steige aus.
Er lacht leise und schließt die Türen hinter uns ab, danach schließen wir das Café. Der Raum ist noch in Dunkelheit getaucht, aber mir steigt der Duft von Kaffeebohnen in die Nase. Das Café hat eine Wärme, die sich nicht nur durch die Möbel oder die Dekoration ergibt, sondern auch durch den Fakt, dass ich Jeongguk hier wiedertreffen durfte.
Jeongguk schaltet das Licht ein, und ich gehe automatisch zu den großen Fenstern, um die schweren Vorhänge zur Seite zu schieben. Das erste Licht des Tages strömt herein, und ich atme tief durch, während ich die Stille des frühen Morgens auf mich wirken lasse.
„Okay, ich mache die Kaffeemaschine bereit, und du bist zuständig für die Tische“, sagt Jeongguk, während er hinter die Theke geht. Seine Stimme ist leicht, fast spielerisch, und ich nicke, obwohl er es nicht sieht.
Ich bewege mich durch den Raum, stelle die Stühle von den Tischen zurück auf den Boden und richte alles für die Gäste her. Es ist eine beruhigende Routine und doch kreisen meine Gedanken unweigerlich zurück zu gestern Abend – zu Jeongguk, zu seinem Lächeln, zu dem Gefühl, dass er mich sieht. Wirklich sieht. Etwas, das ich bei Bogum seit langem nicht mehr gespürt habe.
"Tae!“, reißt mich Jeongguk aus meinen Gedanken, und ich drehe mich zu ihm um. Er steht hinter der Theke, ein triumphierendes Grinsen auf den Lippen. "Kaffeemaschine läuft. Und rate mal, was ich für dich mache?“
Ich runzele die Stirn und gehe langsam auf ihn zu.
"Wenn du mir einen Kaffee machst, kannst du ihn gleich selber trinken", warne ich ihn vor.
"Falsch geraten. Ich mache dir heiße Schokolade. Mit extra Schaum und Marshmallows. Weil ich der Beste bin", schüttelt er den Kopf und hebt eine geschlossene Packung Marshmallows an.
"Das klingt besser. Aber wenn die Marshmallows nicht perfekt geschmolzen sind, beschwere ich mich", lache ich leise und lehne mich mit verschränkten Armen gegen die Theke.
"Perfektion ist mein zweiter Vorname“, sagt er, während er sich zur Arbeit.
Ich beobachte ihn, während er die Schokolade zubereitet. Es ist faszinierend, wie er selbst bei so etwas Einfachem so konzentriert ist.
Als er mir schließlich die Tasse hinstellt, sehe ich, dass er ein kleines Herz aus Marshmallows auf den Schaum gelegt hat.
"Ein Meisterwerk“, sagt er, und seine Augen leuchten vor Stolz.
Ich hebe die Tasse an und nehme einen kleinen Schluck. Die Schokolade ist süß, so wie er. Meine Wangen werden augenblicklich wärmer und ich räuspere mich etwas.
"Okay, ich gebe es zu. Das ist gut", sage ich ihm so ernst wie möglich..
"Gut? Das ist nicht nur gut, Taehyung. Das ist Kunst!“, gibt er gespielt beleidigt von sich.
"Wenn du das sagst“, murmele ich, aber ich kann mein Lächeln nicht unterdrücken.
Wir stehen da, nur wir beide, während die Sonne langsam den Raum erhellt. Es fühlt sich schön an. Und für einen Moment vergesse ich die Schwere, die sonst auf meinen Schultern liegt. Mit Jeongguk ist es, als ob die Welt ein bisschen Bunter wird. Und vielleicht, nur vielleicht, ist das genau das, was ich brauche.
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