Kapitel 35

Der Rest des Arbeitstages zieht sich wie Kaugummi, während ich mich mühsam durch die Stunden kämpfe. Jeongguk steht neben mir, kümmert sich um Bestellungen und Gäste, aber ich spüre das Gewicht meiner Gedanken stärker als je zuvor. Wie soll ich ihm näherkommen? Die Frage dreht sich in meinem Kopf, immer und immer wieder, bis sie wie eine Endlosschleife in meinen Gedanken hämmert.

Ich stehle mir immer wieder kurze Blicke zu ihm hinüber. Er bewegt sich ruhig und gelassen und wenn er mit den Gästen spricht, hat er stets sein freundliches und verdammt charmantes Lächeln im Gesicht. Ein Teil von mir beneidet ihn um diese Ruhe, um diese natürliche Gelassenheit, die er ausstrahlt. Ich frage mich, ob er ahnt, dass ich mich quäle, während ich so neben ihm stehe. Ob er spürt, dass ich versuche, den Mut zu fassen, ihm endlich zu zeigen, was ich wirklich fühle.

Doch genau hier liegt das Problem. Ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll. Es ist, als ob es eine unsichtbare Mauer zwischen uns gäbe, die ich nicht durchbrechen kann. Jeder meiner Versuche, ihn anzusprechen, endet in einem stummen, angestrengten Lächeln, das viel zu gekünstelt wirkt. Es ist wie ein Schutzschild, das ich nicht durchbrechen kann, obwohl ich es will.

Und dann denke ich an das, was Hyungsik gesagt hat: „Mach einfach den ersten Schritt.“ Klingt so simpel, aber jeder Moment, in dem ich darüber nachdenke, macht es nur komplizierter. Was, wenn er mich zurückweist? Was, wenn er sich doch für Sona entscheidet und mich abblitzen lässt? Die Unsicherheiten kriechen wie dunkle Schatten in meinen Kopf, und ich weiß, dass sie mich zurückhalten.

"Alles okay, Taehyung? Du wirkst ein bisschen abwesend“, reißt mich Jeongguk plötzlich aus meinen Gedanken.

Seine Stimme klingt weich, fast besorgt, und es löst etwas in mir aus. Ich möchte ihm sagen, dass ich über uns nachdenke, dass ich nicht weiß, wie ich ihm meine Gefühle zeigen soll, aber ich bekomme nichts davon aus mir heraus.

"Ja, ich bin bloß sehr müde", antworte ich ihm und könnte mich selbst dafür verprügeln.

Er nickt, schaut mich kurz an und wendet sich dem Gast zu, der sich an die Theke gestellt hat. Aber ich spüre, dass er noch auf mich achtet. Ich kann das Brennen in meiner Brust nicht ignorieren. Vielleicht sollte ich mir einfach einen Moment suchen, in dem wir allein sind, einfach offen sein, ohne zu viel nachzudenken. Schließlich bleiben mir nur noch ein paar Tage, bevor er wieder zurück in sein altes Leben geht und ich… ich könnte nur noch ein flüchtiger Teil seiner Erinnerungen sein.

Die Minuten schleichen dahin, und obwohl ich versuche, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, wandern meine Gedanken immer wieder zurück zu Jeongguk. Ein Dutzend Mal nehme ich mir vor, einfach den Mut zu fassen und ihn zu fragen, ob er später noch was unternehmen möchte. Doch jedes Mal, wenn ich mir die Worte zurechtlege und schon die Lippen öffne, wende ich mich wieder ab und beiße mir auf die Zunge. Es ist, als ob eine unsichtbare Hand mich davon abhält, ehrlich zu sein.

Mitten in diesem inneren Kampf spüre ich ein Vibrieren in meiner Hosentasche. Ich hole mein Handy hervor und sehe eine Nachricht von Bogum.

Bogum
Hey, bin heute Abend mit ein paar Freunden unterwegs. Mach dir einen entspannten Abend, ja? Melde mich später
-16:03 Uhr

Ich starre auf die Nachricht, ein seltsames Gefühl der Erleichterung breitet sich in mir aus. Er wird also heute nicht da sein. Kein mühsames Gespräch, kein angespanntes Schweigen – nur ich und, vielleicht, Jeongguk. Der Gedanke gibt mir einen kleinen Schub an Zuversicht, auch wenn ich gleichzeitig spüre, wie meine Nervosität zunimmt.

Meine Augen wandern wieder zu Jeongguk. Er unterhält sich gerade mit einem Gast und er tut das mit solch einer Leichtigkeit, dass ich schon wieder ein wenig neidisch werde. Wieso kann ich nicht auch so sein? Locker, entspannt – einfach ein wenig mehr wie er? Stattdessen stehe ich hier, innerlich verkrampft, als ob eine einfache Frage die Welt aus den Angeln heben würde.

Die Zeit verstreicht weiter, und ich werfe immer wieder verstohlene Blicke in seine Richtung, um mir Mut zu machen. Doch jedes Mal fühle ich, wie meine Schüchternheit die Oberhand gewinnt. Ich weiß, dass ich diese Chance nicht verpassen darf, dass ich ihn nicht einfach wortlos gehen lassen kann, wenn er bald wieder in seinen Alltag zurückkehrt und wir uns vermutlich nur selten sehen werden. Aber es ist so viel leichter, sich das alles einzureden, als es tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Irgendwann, als das Café fast leer ist und Jeongguk gerade die Tische abwischt, sehe ich meine Gelegenheit. Ich räuspere mich, spüre, wie mein Herz plötzlich schneller schlägt, und gehe auf ihn zu.

"Ähm… Jeongguk?“, beginne ich und versuche, meine Stimme ruhig klingen zu lassen.

Er schaut auf, seine dunklen Augen treffen meine, und ich spüre, wie mein Mut wieder ein wenig ins Wanken gerät.

"Ja?“, fragt er, mit einem Hauch von Verwunderung, aber auch dieser freundlichen Offenheit, die mir irgendwie immer das Gefühl gibt, dass ich alles sagen kann.

"Also…", ich halte kurz inne, meine Hand streicht nervös über den Stoff meiner Schürze. Warum fühlt es sich an, als würde ich gleich in ein Eisbad springen?

"Da Bogum heute Abend nicht da ist… dachte ich, vielleicht könnten wir… äh… etwas unternehmen? Du weißt schon, wenn du nichts anderes vorhast", bringe ich endlich heraus.

Mein Blick klebt an einem Punkt auf dem Boden, als könnte ich dort die Antworten auf all meine Fragen finden.

Jeongguk legt das Wischtuch, das er in der Hand hielt, auf den Tisch und sieht mich an. Für einen Moment habe ich das Gefühl, die Zeit steht still. Sein Blick ist nicht ablehnend, aber auch nicht sofort zustimmend. Er sieht eher überrascht aus – vielleicht sogar ein wenig amüsiert.

"Meinst du das ernst?", fragt er schließlich mit einem leichten Lächeln, das seine Augen aufhellt.

"Ja", antworte ich schnell, fast zu schnell, und zwinge mich dann zu einem ruhigeren Tonfall.

"Also… ich dachte, wir könnten einfach was trinken gehen. Oder spazieren. Oder… was du willst. Nichts Großes", sage ich und schiebe meine Hände in die Taschen, um sie davon abzuhalten, nervös herumzufuchteln.

Jeongguks Lächeln wird breiter, und ich sehe, wie sich die Spannung in seinen Schultern löst.

"Das klingt eigentlich ganz gut", sagt er schließlich, und ich spüre, wie mir eine Last von den Schultern fällt. "Ich hatte ehrlich gesagt schon überlegt, ob ich dich fragen soll, weil du den ganzen Tag so nachdenklich gewirkt hast".

Mein Herz macht einen kleinen Sprung.

"Du… du wolltest mich fragen?", frage ihn perplex. Es ist, als hätte ich ihn gerade falsch verstanden, aber sein leichtes Nicken bestätigt es.

"Ja, aber ich wollte dich nicht bedrängen. Du schienst so… beschäftigt mit deinen Gedanken", sagt er ruhig.

Seine Stimme ist sanft, und er spricht es aus, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Für ihn vielleicht – für mich fühlt es sich an, als würde ich auf einer Hochspannungsleitung balancieren.

"Ich dachte nur…", setze ich an, aber er unterbricht mich mit einem kurzen Lachen.

"Taehyung, du denkst zu viel", unterbricht er mich.

Seine Augen funkeln, und ich weiß, dass er es nicht böse meint.

"Wie wäre es, wenn wir uns einfach entspannen und sehen, wo der Abend uns hinführt?", fragt er mich.

"Ja, okay. Klingt gut", nicke ich und ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.

Der Rest des Abends vergeht wie im Flug. Nachdem wir das Café abgeschlossen haben, schlendern wir durch die Straßen, ohne ein festes Ziel. Die untergehende Sonne taucht alles in ein warmes Licht, und die Luft ist kühl, aber angenehm. Jeongguk geht entspannt neben mir, seine Hände in den Taschen, während ich versuche, meine Nervosität zu unterdrücken.

"Also, wohin jetzt?" fragt er schließlich und sieht mich aus den Augenwinkeln an.

"Es gibt eine kleine Bar nicht weit von hier", schlage ich vor. "Sie ist ruhig, nicht zu überlaufen. Ich denke, sie könnte dir gefallen."

Er nickt, und wir setzen unseren Weg fort. Es ist seltsam, wie leicht sich alles anfühlt, jetzt wo der schwierigste Teil hinter mir liegt. Unsere Schritte hallen leise auf dem Pflaster, und ich merke, dass ich immer wieder zu ihm hinüberschaue, nur um sicherzugehen, dass er wirklich hier ist.

In der Bar angekommen, suchen wir uns einen Platz in einer ruhigen Ecke. Die Atmosphäre ist entspannt, das Licht gedämpft, und eine sanfte Melodie spielt im Hintergrund. Es ist genau der richtige Ort für ein Gespräch, ohne dass wir uns über die Umgebung hinweg anstrengen müssen.

Jeongguk bestellt für uns beide, bevor ich überhaupt die Karte in die Hand nehmen kann, und lehnt sich dann zurück, während er mich aufmerksam ansieht.

"Also, Taehyung. Was hat dich wirklich dazu gebracht, mich zu fragen? Ich hab das Gefühl, dass da mehr dahintersteckt", möchte er plötzlich wissen.

Ich spüre, wie mir das Herz bis zum Hals schlägt. Seine Frage war nicht provokant oder fordernd, sondern ruhig und neugierig. Fast, als ob er wirklich darauf wartet, dass ich mich ihm öffne. Aber gerade das macht es mir schwerer, eine Antwort zu finden. Warum fühlt es sich so an, als würde ich gleich alles verlieren, wenn ich nicht die richtigen Worte finde?

"Es ist nicht so kompliziert", fange ich an, aber meine Stimme zittert leicht, und ich weiß, dass ich lüge – vor ihm, vor mir selbst. Mein Blick wandert zu meinem Glas, und ich drehe es nervös in meinen Händen, als könnte es mir die Worte geben, die ich suche.

Jeongguk lehnt sich leicht nach vorne, seine Arme locker auf den Tisch gestützt, während er mich einfach nur ansieht.

"Taehyung, du weißt, dass du mir nichts vormachen musst, oder? Du kannst einfach ehrlich sein", erinnert er mich und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.

Ehrlich. Dieses Wort hängt schwer in der Luft, und ich wünschte, es wäre einfacher, ihm genau das zu geben.

"Ich glaube, es war Hyungsik", murmle ich schließlich, und Jeongguks Augenbrauen ziehen sich leicht zusammen. "Er hat mich ein bisschen… wachgerüttelt. Er meinte, ich soll aufhören, so viel nachzudenken und einfach mal tun, was sich richtig anfühlt."

Jeongguk sagt nichts, aber ich sehe, wie sein Blick weicher wird, als ob er versteht, dass das für mich schon ein großer Schritt ist. Ich nehme einen Schluck von meinem Glas, mehr, um die Stille zu überbrücken, als weil ich Durst habe.

"Und…" Meine Stimme wird leiser, fast ein Flüstern. "Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr so weitermachen kann. Bogum und ich… wir… Es fühlt sich nicht mehr richtig an. Und trotzdem halte ich fest. Vielleicht, weil ich Angst habe, ihn zu verlieren. Oder weil ich nicht weiß, wer ich ohne ihn bin." Ich sehe auf und begegne Jeongguks Blick, der nun intensiver geworden ist. "Aber ich merke auch, dass ich etwas anderes will. Jemand anderen."

Ich halte inne, lasse die Worte wirken. Es ist das erste Mal, dass ich das laut ausspreche, und es fühlt sich gleichzeitig befreiend und beängstigend an. Jeongguk bleibt still, aber seine Augen ruhen auf mir, und ich weiß, dass er auf mehr wartet.

"Gestern Abend… bei Bogum zu Hause… ich habe mich dort nicht wohlgefühlt", gestehe ich schließlich, meine Hände umklammern mein Glas fester. "Er war wie immer – liebevoll, fürsorglich. Aber es war, als ob ich nicht mehr dazugehöre. Als ob wir uns gegenseitig nur noch an etwas festhalten, das längst vergangen ist. Und während er da war, habe ich nur an dich gedacht. An deine Worte, an dein Lächeln, an…" Meine Stimme bricht, und ich senke den Blick, weil ich nicht weiß, wie ich diesen Satz beenden soll.

Die Stille zwischen uns ist schwer, aber sie fühlt sich nicht erdrückend an. Ich spüre, wie Jeongguk mich ansieht, wie er versucht, die richtigen Worte zu finden, um auf das zu antworten, was ich gerade zugegeben habe.

"Taehyung", sagt er schließlich leise, und ich wage es, ihn anzusehen. Seine Stimme ist sanft, aber ich höre die Ernsthaftigkeit darin. "Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Aber ich bin froh, dass du ehrlich zu mir bist. Und… dass du diesen Abend mit mir verbringen wolltest."

Seine Worte nehmen ein wenig von der Last von meinen Schultern, aber sie bringen auch eine neue Frage mit sich. Was bedeutet das für uns? Für ihn? Für mich?

"Jeongguk, ich… ich will dir nichts vormachen. Ich weiß nicht, wie ich das alles lösen soll", sage ich ehrlich. "Aber ich weiß, dass ich dich nicht verlieren will."

Ein kleines Lächeln spielt um seine Lippen, und er lehnt sich zurück. "Du bist kompliziert, Taehyung", sagt er, aber seine Stimme klingt eher amüsiert als vorwurfsvoll. "Aber ich denke, genau das mag ich an dir."

Mein Herz schlägt schneller, und ich weiß nicht, ob es an seinen Worten liegt oder an der Wärme in seinem Blick. Vielleicht beides. Vielleicht ist das genau das, was ich gerade brauche – jemanden, der mich versteht, auch wenn ich selbst es nicht tue.

"Also, was jetzt?", fragt er schließlich, und ich merke, dass seine Frage nicht nur auf den Abend bezogen ist.

Ich lächle zaghaft, unsicher, aber auch ein wenig hoffnungsvoll. "Vielleicht… einfach Schritt für Schritt? Ich will mir selbst die Chance geben, das hier zu verstehen."

Jeongguk nickt, ein kleines, ermutigendes Lächeln auf seinen Lippen. "Schritt für Schritt klingt gut."

Die Atmosphäre in der Bar scheint sich mit Jeongguks Worten zu verändern. Es ist, als würde die Schwere, die meine Gedanken und Gefühle bisher begleitet hat, ein wenig nachlassen. Er nimmt einen Schluck von seinem Glas, seine Augen nie wirklich von mir abwendend, während ich nervös an meinem Getränk nippe.

Die Stille zwischen uns ist nicht unangenehm, aber sie ist geladen mit Dingen, die noch unausgesprochen sind. Mein Herz pocht in meiner Brust, und ich frage mich, ob er genauso fühlt wie ich – dieses seltsame Zusammenspiel aus Verwirrung, Hoffnung und Angst.

"Taehyung", sagt er schließlich, seine Stimme sanft, aber fest genug, um meine Aufmerksamkeit vollständig auf sich zu ziehen. "Weißt du, warum ich dir gesagt habe, dass ich mich über diesen Abend freue?"

Ich schüttle leicht den Kopf, unsicher, ob ich die Antwort überhaupt hören möchte. Aber er lächelt, dieses warme, beruhigende Lächeln, das mir zeigt, dass ich ihm vertrauen kann.

"Es ist, weil ich dich verstehen will", fährt er fort. "Weil ich nicht will, dass du denkst, dass du das allein durchstehen musst. Ich weiß, dass du dich zwischen zwei Welten gefangen fühlst – zwischen dem, was du hattest, und dem, was du dir vielleicht wünschst. Und ich will dir helfen, das herauszufinden."

Ich fühle, wie sich etwas in meiner Brust zusammenzieht – ein seltsames Gefühl aus Erleichterung und Schuld. Er hat so recht, und doch… es macht es nicht leichter.

"Es ist nur…", beginne ich, meine Stimme leise, "ich habe das Gefühl, dass ich niemanden verletzen will. Weder Bogum noch dich. Aber am Ende scheint es, als würde ich beide enttäuschen, egal, was ich tue."

Jeongguk lehnt sich ein wenig näher zu mir, seine dunklen Augen suchend und aufmerksam. "Du kannst nicht immer verhindern, dass jemand verletzt wird, Taehyung. Manchmal bedeutet Ehrlichkeit, dass du Entscheidungen treffen musst, die weh tun – aber nur für einen Moment. Die Alternative ist, dass du dich selbst verlierst, weil du versuchst, es allen recht zu machen."

Seine Worte klingen logisch, fast zu einfach. Aber sie treffen mich genau dort, wo ich mich die ganze Zeit weggeduckt habe – in der Angst, wirklich ehrlich zu sein.

"Ich weiß nicht, ob ich das kann", sage ich ehrlich und sehe ihn mit einer Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung an. "Was, wenn ich die falsche Entscheidung treffe?"

Jeongguk nimmt einen tiefen Atemzug, als ob er genau wüsste, was ich durchmache. "Es gibt keine perfekte Entscheidung. Es gibt nur die, die sich für dich richtig anfühlt. Und manchmal musst du darauf vertrauen, dass die Menschen, die dich lieben, mit dieser Wahrheit umgehen können."

Seine Worte hallen in meinem Kopf nach, und ich spüre, wie Tränen meine Augen füllen. Ich blinzele sie hastig weg, will nicht hier in dieser Bar vor ihm zusammenbrechen. Aber Jeongguk scheint es zu merken. Ohne ein Wort streckt er die Hand aus und legt sie leicht auf meinen Arm – eine einfache Geste, aber sie gibt mir mehr Trost, als ich erwartet hätte.

"Ich bin hier, Taehyung", sagt er leise. "Schritt für Schritt. Egal, wohin das führt."

Ich nicke langsam, unfähig, Worte zu finden. Aber sein Lächeln zeigt mir, dass er nicht mehr von mir erwartet, als ich in diesem Moment geben kann. Es ist genug. Für jetzt ist es genug.

Jeongguk lehnt sich zurück, sein Lächeln ist weich und verständnisvoll, während er mich einfach nur ansieht.

"Weißt du, Hyungsik ist wirklich ein Charakter für sich. Er ist ziemlich direkt, oder?", sagt er schließlich und schüttelt leicht den Kopf.

Ich kann mir ein schwaches Lächeln nicht verkneifen und nicke.

"Das ist noch milde ausgedrückt. Er hat kein Problem damit, jemanden in aller Öffentlichkeit zur Rede zu stellen. Aber irgendwie… ist es genau das, was ich an ihm schätze. Er sagt immer, was er denkt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob es anderen unangenehm ist", entgegne ich und muss etwas lächeln.

"Manchmal ist das eine gute Eigenschaft. Zumindest bei ihm scheint es dir geholfen zu haben", schmunzelt Jeongguk und hebt sein Glas.

Ich senke den Blick und spiele mit meinem Glas.

"Ja, irgendwie schon. Auch wenn es anfangs schwer war, das zu hören. Er bringt mich dazu, über Dinge nachzudenken, die ich sonst vielleicht ignorieren würde", meine ich und schaue zu ihm auf, und ein kleiner Anflug von Unsicherheit blitzt in meinem Gesicht auf.

"Hat er… viel mit dir geredet, als er heute im Café war?", frage ich nach.

Jeongguk grinst, als er sich an das Gespräch erinnert.

"Oh, ja. Er hat mir ziemlich deutlich gesagt, dass ich dich besser behandeln soll – als ob ich das nicht sowieso vorhabe", seine Augen funkeln leicht amüsiert, aber da ist auch ein Funken Ernsthaftigkeit in seiner Stimme.

"Er kann manchmal ein bisschen übertreiben. Aber er meint es immer gut. Er ist einer der wenigen Menschen, die mich wirklich verstehen. Und manchmal… manchmal sagt er die Dinge, die ich nicht hören will, aber hören muss", atme ich auf und schüttle den Kopf.

"Wie das mit den Entscheidungen, die du treffen musst?", Jeongguk nickt langsam, sein Blick bleibt auf mir haften.

Ich halte inne, die Frage trifft mich, obwohl sie sanft gestellt wurde. Schließlich nicke ich.

"Ja. Genau das", murmle ich leise, aber ich weiß, dass er jedes Wort versteht.

Für einen Moment sitzen wir in angenehmer Stille, die nur von den leisen Klängen der Musik im Hintergrund unterbrochen wird. Es fühlt sich seltsam an, wie normal alles in diesem Moment ist, obwohl mein Inneres ein Chaos ist. Vielleicht liegt es an Jeongguk. An seiner ruhigen Art, mich zu ermutigen, ohne mich zu drängen.

Plötzlich lehnt er sich vor, seine Ellenbogen ruhen auf dem Tisch, und er sieht mich mit einem neugierigen Funkeln in den Augen an.

"Was denkst du, was Hyungsik sagen würde, wenn er wüsste, dass wir gerade hier sitzen und über ihn reden?", grübelt er und grinst mich an.

"Wahrscheinlich würde er sagen, dass er der Grund ist, warum wir überhaupt hier sind, und sich selbst ein High-Five geben", lache ich leise.

Jeongguk lacht mit, ein tiefes, warmes Lachen, das den Raum für einen Moment auszufüllen scheint. "Ich kann mir das irgendwie gut vorstellen. Aber weißt du was? Vielleicht hat er recht. Vielleicht hat er uns wirklich ein bisschen geholfen, das hier möglich zu machen."

Ich sehe ihn an, und mein Lächeln wird weicher. "Vielleicht. Aber…", ich zögere kurz, meine Gedanken sortierend, "ich glaube, ich hätte dich sowieso gefragt. Früher oder später."

Jeongguks Augen weiten sich leicht, und ein ehrliches, sanftes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. "Das höre ich gerne. Vielleicht war Hyungsik dann einfach nur der kleine Schubs, den du gebraucht hast."

Ich nicke langsam, meine Nervosität beginnt, sich in diesem Moment wirklich aufzulösen. "Vielleicht war er das. Aber trotzdem bin ich froh, dass ich es getan habe. Dass ich dich gefragt habe."

"Ich auch", antwortet Jeongguk leise, seine Stimme voller Wärme. "Und ich bin froh, dass wir das hier gerade haben. Diese… Offenheit."

Für einen Moment bleibt der Raum still, als ob sich alles nur auf uns konzentrieren würde. In diesem Augenblick fühle ich mich, als hätte ich wirklich einen Schritt nach vorne gemacht – einen kleinen, aber bedeutenden Schritt. Und Jeongguk war da, um ihn mit mir zu gehen.

Jeongguks Lächeln bleibt, warm und beruhigend, während er sich ein wenig zurücklehnt und mich weiterhin ansieht. "Weißt du", beginnt er, seine Stimme leise und ein wenig zögerlich, "es ist schön, dich so zu sehen. So... ehrlich. Du wirkst sonst immer, als würdest du alles in dir behalten, aber heute..." Er hält inne und schüttelt leicht den Kopf, als suche er nach den richtigen Worten. "Heute bist du ein bisschen mehr du selbst, glaube ich."

Seine Worte treffen mich unerwartet, und ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt. "Bin ich das nicht sonst?" frage ich, ein wenig unsicher, während ich mein Glas in den Händen drehe.

"Doch", antwortet er sofort, seine Stimme weich. "Aber es ist anders. Vielleicht, weil du heute ein bisschen weniger darüber nachdenkst, was du sagen oder tun sollst. Es fühlt sich... echter an."

Ich senke meinen Blick, ein schwaches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "Vielleicht, weil ich gerade keine Energie habe, alles zu filtern", gebe ich zu. "Es war ein langer Tag. Und irgendwie... fühlte es sich einfacher an, einfach mal zu sein, statt mich zu verstecken."

Jeongguk lehnt sich wieder nach vorne, sein Blick bleibt auf mir. "Das solltest du öfter tun, Taehyung. Einfach sein. Du bist wunderschön, wenn du nicht versuchst, alles zu kontrollieren."

Seine Worte lassen mein Herz einen Moment aussetzen, und ich fühle, wie meine Wangen heiß werden. Ich hebe meinen Blick zu ihm, überrascht von der Ehrlichkeit in seinen Augen. "Jeongguk, das ist... das ist wirklich nett von dir", murmle ich und kann nicht anders, als ein wenig nervös zu lächeln.

"Das ist nicht nett, das ist die Wahrheit", sagt er leichthin, aber sein Blick ist intensiv, als wolle er sicherstellen, dass ich seine Worte wirklich glaube.

Ich kann nicht anders, als zu lächeln, auch wenn meine Gedanken ein Chaos sind. "Du hast eine seltsame Art, mir Mut zu machen, weißt du das?"

"Seltsam, aber wirkungsvoll, oder?" Sein Grinsen ist jetzt schelmisch, und es bringt mich dazu, leise zu lachen.

"Ja, wirkungsvoll", gebe ich zu, meine Stimme ein wenig ruhiger. "Vielleicht sollte ich dir öfter zuhören."

"Das solltest du", sagt er augenzwinkernd und nimmt einen weiteren Schluck von seinem Glas. Dann sieht er mich wieder an, diesmal ein wenig ernster. "Aber im Ernst, Taehyung... Ich mag diesen Abend. Und ich mag es, wie du heute bist. Es fühlt sich... gut an. Richtig."

Ich halte inne, seine Worte nachklingend. Es fühlt sich tatsächlich gut an, hier mit ihm zu sein, ohne dass die Last meiner Gedanken alles überschattet. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich, als ob ich einfach ich selbst sein kann, ohne Angst, ohne Schuld.

"Ich mag es auch", antworte ich schließlich, und meine Worte sind leise, aber ehrlich. "Es fühlt sich... sicher an. Mit dir."

Jeongguk lächelt, ein Lächeln, das mich mehr wärmt, als ich zugeben möchte. "Das bin ich froh zu hören", sagt er leise. "Weil ich will, dass du dich bei mir sicher fühlst. Immer."

Seine Worte sind einfach, aber sie bedeuten mehr, als ich in diesem Moment ausdrücken kann.

Die Wärme in Jeongguks Worten breitet sich in meinem Inneren aus, wie eine sanfte Umarmung, die mir den Mut gibt, in seiner Nähe einfach ich selbst zu sein. Ich lasse meinen Blick kurz auf ihm ruhen, seine weichen Gesichtszüge, sein entspanntes Lächeln – all das fühlt sich so vertraut und doch so neu an.

"Jeongguk…“, beginne ich, unsicher, was ich eigentlich sagen will. Doch er sieht mich an, geduldig, als hätte er alle Zeit der Welt. "Es ist lange her, dass ich mich so... wohl gefühlt habe. Nicht nur bei jemand anderem, sondern bei mir selbst.“

Er nickt, als würde er verstehen, ohne dass ich mehr erklären muss. "Vielleicht, weil du dich zu oft selbst unter Druck setzt“, sagt er. Seine Stimme ist weich, fast flüsternd. "Ich meine, du machst dir so viele Gedanken darüber, wie du für andere sein solltest, dass du manchmal vergisst, wie du für dich selbst sein willst.“

Ich muss mir auf die Lippe beißen, um nicht zu emotional zu werden. Ich sehe zu meinem Glas hinunter, drehe es in meinen Händen, während ich über das nachdenke, was er gesagt hat. "Vielleicht hast du recht“, murmle ich schließlich. "Aber ich weiß nicht, wie ich das ändern soll. Ich habe so lange damit gelebt, dass es schwer ist, es loszulassen.“

"Du musst nicht alles auf einmal ändern, Taehyung. Schritt für Schritt, weißt du noch? Vielleicht fängt es damit an, dass du dir erlaubst, genau so zu sein, wie du heute Abend bist. Offen. Verletzlich. Du", meint er und sucht meinen Blick.

Meine Brust zieht sich zusammen bei seinen Worten, aber nicht unangenehm. Es ist ein seltsames Gefühl von Trost und einem kleinen, wachsenden Funken Hoffnung.

"Das klingt so einfach, wenn du es sagst“, sage ich mit einem schwachen Lächeln.

"Einfach ist es nicht“, gibt er zu und lehnt sich wieder zurück. "Aber es ist machbar. Und ich bin hier, wenn du jemanden brauchst, der dich daran erinnert.“

Die Wärme in seiner Stimme bringt mich dazu, ihn anzusehen, meine Unsicherheit für einen Moment beiseite zu schieben.

"Danke“, sage ich leise, aber ich hoffe, dass er merkt, wie viel ich wirklich damit meine. "Es bedeutet mir viel, dass du… dass du das alles mit mir durchstehst. Ich weiß, ich bin manchmal nicht leicht.“

Jeongguk lacht leise, ein warmer, beruhigender Klang, der mich für einen Moment alles um uns herum vergessen lässt. „Leicht wäre langweilig“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Und du bist alles andere als langweilig, Taehyung.“

Sein Kompliment bringt mich zum Lächeln, und ich fühle, wie ein wenig von der Schwere in meinem Inneren nachlässt. „Ich schätze, das ist ein gutes Zeichen“, murmele ich, mehr zu mir selbst als zu ihm.

Er hebt sein Glas und hält es mir entgegen. „Ein sehr gutes Zeichen. Auf… neue Schritte, was auch immer sie sein mögen.“

Ich hebe mein Glas und stoße leicht mit ihm an. „Auf neue Schritte.“

Wir trinken beide, und für einen Moment ist die Stille zwischen uns so leicht, so angenehm, dass ich das Gefühl habe, endlich tief durchatmen zu können. Als ich mein Glas abstelle, sieht Jeongguk mich an, sein Blick sanft, aber auch ein wenig schelmisch.

"Weißt du, Taehyung, ich habe das Gefühl, dass du mich unterschätzt“, sagt er plötzlich.

Ich blinzle, überrascht. "Wie meinst du das?“

Sein Lächeln wird breiter, und er lehnt sich ein Stück näher zu mir. "Ich meine, ich glaube, du denkst, ich wäre nur hier, um zuzuhören. Aber vielleicht… bin ich auch jemand, der dich ein bisschen aus der Reserve locken kann.“

Ich schüttle leicht den Kopf, mein Lächeln wird breiter, trotz der Verwirrung, die seine Worte in mir auslösen. "Aus der Reserve locken? Wie denn?“

Er zuckt mit den Schultern, seine Augen funkeln belustigt. "Ich könnte dich dazu bringen, spontan zu sein. Mal etwas zu tun, ohne es vorher hundertmal zu durchdenken.“

Ich lache leise, unsicher, ob er es ernst meint. "Jeongguk, ich bin wahrscheinlich die am wenigsten spontane Person, die du je treffen wirst.“

"Das macht es doch gerade spannend“, sagt er, seine Stimme ein bisschen herausfordernd, aber nicht bedrohlich. "Also, was meinst du? Wollen wir heute Abend noch ein bisschen mehr von dieser Stadt erkunden?“

Ich sehe ihn an, überrascht von seinem Vorschlag. "Du meinst… jetzt?“

"Warum nicht?“ Er lehnt sich zurück, sein Grinsen wird noch breiter. "Schritt für Schritt, Taehyung. Und manchmal bedeutet das, einfach mit dem Strom zu schwimmen.“

Ich überlege einen Moment, unsicher, ob ich mich darauf einlassen soll. Aber dann sehe ich das Lächeln in seinen Augen, die Wärme und die Neugierde, und ich spüre, wie etwas in mir nachgibt.

"Okay“, sage ich schließlich, und ich merke, wie meine eigene Nervosität in etwas anderes umschlägt – in Aufregung. "Was schlägst du vor?“

"Ich habe da ein paar Ideen. Lass uns einfach sehen, wohin der Abend uns führt", antwortet er lächelnd, was mein Herz zum Höher schlagen bringt.

"Okay", hauche ich und auf meinem Gesicht breitet sich ein Lächeln aus.

Wir trinken unsere Getränke leer und sagen einer Bedienung bescheid, dass wir zahlen möchten. Mit jeder Sekunde steigt meine Aufregung, da der Abend mit Jeongguk noch weitergehen wird und wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, genieße ich jede Sekunde, in der ich in seiner Nähe bin. Ich bin so froh, nicht allein zuhause auf der Couch sitzen zu müssen, während Bogum seinen Spaß hat. Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal zusammen ausgegangen sind.

Jeongguk greift nach seiner Brieftasche, als die Bedienung zu uns kommt, um uns die Rechnung zu bringen. Ich zögere, meine Hand schon halb in meiner Tasche, um mein eigenes Portemonnaie hervorzuholen. Doch bevor ich überhaupt etwas sagen kann, hebt Jeongguk die Hand und schenkt mir ein leicht schelmisches Lächeln.

"Ich übernehme das", sagt er, ohne zu zögern.

"Was? Nein, das musst du nicht!", protestiere ich sofort, mein Gesicht wird heiß vor Verlegenheit. "Das war meine Idee, also zahle ich auch."

Jeongguk hebt eine Augenbraue, seine Mundwinkel zucken amüsiert. "Taehyung, ich glaube, wir haben das hier noch nicht geklärt. Wenn ich eingeladen werde, zahle ich, weil ich mich ehrenhaft fühle."

"Das ergibt keinen Sinn", sage ich, während ich mein Portemonnaie weiter hervorziehe. "Ich wollte dich doch einladen!"

"Zu spät, ich war schneller." Mit einem leichten Augenzwinkern schiebt er seine Karte in das kleine Lederetui, das die Bedienung ihm reicht. "Aber hey, du kannst das nächste Mal zahlen. Wenn du Glück hast."

Ich stöhne leise und lasse meine Hand sinken, obwohl ich mich noch immer ein wenig schuldig fühle. "Das ist nicht fair, Jeongguk."

"Das Leben ist nicht fair, Taehyung." Er lehnt sich entspannt zurück, das charmante Lächeln immer noch auf seinem Gesicht. "Aber ich versichere dir, dass es sich manchmal lohnt, andere gewinnen zu lassen."

Ich schüttle den Kopf, ein leises Lachen entweicht mir. "Du bist unmöglich."

"Das höre ich öfter", sagt er, während er die Karte zurücknimmt und sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck bedankt. "Aber wenn es dir hilft: Es war mir ein Vergnügen."

Ich kann nicht anders, als zu lächeln, während wir unsere Sachen zusammenpacken und uns darauf vorbereiten zu gehen. Irgendwie fühlt sich dieser Moment – so einfach er auch sein mag – bedeutungsvoller an, als ich es erwartet hätte.

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Theoretisch sind wir sind bei normaler Kapitellänge ungefähr bei Kapitel 60 oder so 😃

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