Kapitel 34
Taehyungs Sicht:
Der nächste Tag beginnt wie jeder andere im Café, zumindest oberflächlich betrachtet. Die Sonne scheint durch die großen Fenster und das Murmeln der Gäste ist im ganzen Raum zu hören. Jeongguk steht an der Kasse und kümmert sich um die Bestellungen. Sein Gesichtsausdruck ist konzentriert, aber neutral, als ob das Gespräch von gestern Nacht nie stattgefunden hätte. Wir haben uns beide bewusst entschieden, das Thema heute nicht anzusprechen, und ich bin insgeheim dankbar dafür.
Jeong-Eun und ihr Mann Seojun sind ebenfalls da und kümmern sich um die Gäste. Ihre Anwesenheit lenkt mich ein wenig ab von dem Knoten in meinem Inneren, der nach dem gestrigen Telefonat mit Jeongguk geblieben ist. Ich weiß, dass die Dinge zwischen uns schwierig sind, aber heute will ich einfach nur arbeiten. Ich will mich in meinen Aufgaben verlieren und hoffen, dass die Antworten irgendwann von selbst kommen.
Der Vormittag verläuft auch reibungslos. Kunden kommen und gehen, bestellen ihre Getränke und plaudern über das Wetter, während Jeongguk und ich schweigend nebeneinander arbeiten. Es ist fast, als wäre nichts passier. Ich muss mich nicht ständig mit meinen Gefühlen auseinandersetzen, wenn wir einen Moment so tun können, als wäre alles normal.
Doch dann, gerade als ich denke, der Tag würde ruhig weitergehen, höre ich die Tür des Cafés mit einem Knall aufschwingen.
"Kim Taehyung!", ruft Hyungsik, und ich merke sofort, dass er nicht zum entspannten Kaffeetrinken hier ist.
Ich drehe mich zu ihm um, und mein Herz sinkt. Hyungsik sieht wütend aus. Richtig wütend. Seine Augen funkeln, und ich weiß, dass ich in Schwierigkeiten bin.
"Was zum...?", murmele ich, während er auf mich zustürmt.
"Zwei Monate, Taehyung! Zwei verdammte Monate und du hast es nicht geschafft, dich mit mir zu treffen!", beschwert er sich und sieht mich vorwurfsvoll an, und ich spüre, wie alle Augen im Café auf uns gerichtet sind.
"Hyungsik, das ist jetzt echt nicht der richtige Moment...", versuche ich, ihn zu beruhigen, doch er lässt mich nicht ausreden.
"Nicht der richtige Moment? Wann wäre es denn ein guter Moment, hm?", er verschränkt die Arme vor der Brust und funkelt mich an. "Du hast mich wochenlang ignoriert, und jetzt stehe ich hier, weil mir nichts anderes übrig bleibt, als dich im Café zur Sau zu machen!"
Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Es ist nicht das erste Mal, dass Hyungsik mich zur Rede stellt, aber so wütend habe ich ihn lange nicht gesehen. Ich weiß, dass ich ihn hängen lassen habe, aber... mein Leben war in den letzten Wochen ein einziges Chaos.
Bevor ich etwas sagen kann, zieht Hyungsik scharf die Luft ein und starrt plötzlich an mir vorbei. Sein Gesichtsausdruck ändert sich, und er sieht aus, als hätte er einen Geist gesehen.
"Was... zur Hölle?", presst er heraus.
Er starrt auf Jeongguk, der mittlerweile aufgehört hat, Kaffee zu machen und uns beobachtet. Jeongguk erwidert Hyungsiks Blick, wirkt aber dabei kühl und distanziert, als wäre ihm die Situation unangenehm.
"Hyungsik... hör auf ihn so anzustarren", sage ich leise und spüre, wie sich ein unangenehmes Kribbeln in meiner Brust ausbreitet.
"Was macht dieser Hottie hier? Du musst mir sofort einiges erklären", fragt er mich mit gerunzelter Stirn und packt mich plötzlich an den Schultern.
Jeong-Eun und Seojun gesellen sich im selben Moment zu uns und mein Herz rutscht mir in die Hose. Hoffentlich nehmen die beiden seinen dramatischen Auftritt locker. Ich möchte keinen Stress mit ihnen bekommen.
"Du bist doch Hyungsik, oder? Wir haben dich lange nicht gesehen... Aber tu uns doch einen Gefallen und mach beim nächsten Mal nicht so eine Szene", bittet Jeong-Eun ihn im freundlichen Ton und widmet sich dann mir, "Taehyung, du darfst dich natürlich kurz zu ihm setzen. Anscheinend habt ihr Redebedarf", klopft sie mir auf die Schulter.
Ich bedanke mich kleinlaut und lasse mich von ihm in eine Ecke des Cafés ziehen, weg von den neugierigen Blicken der Kunden und unserer Kollegen. Mein Herz schlägt schneller, als ich versuche, die Situation irgendwie zu entschärfen. Hyungsik ist nicht der Typ, der Dinge auf sich beruhen lässt, und ich weiß, dass er Antworten will.
"Erklär mir das. Was macht er hier? Wieso arbeitet er hier? Ist zwischen euch etwas vorgefallen?", zischt er, sobald wir außer Hörweite sind.
Ich schließe kurz die Augen, versuche, meine Gedanken zu ordnen.
"Es ist... eine reine Katastrophe", sage ich, wünschte aber sofort, ich hätte eine bessere Antwort.
"Katastrophe. Das ist alles, was du dazu zu sagen hast? Ich hab keine Ahnung gehabt, dass er hier arbeitet, Taehyung. Was läuft hier wirklich?", schnaubt Hyungsik.
Ich sehe ihm in die Augen, spüre den Druck in meinem Inneren. Ich habe so lange versucht, alles vor Hyungsik zu verbergen, weil ich wusste, dass es schwer zu erklären wäre. Aber jetzt stehe ich vor der Wahrheit, und ich kann sie nicht länger ignorieren.
"Er ist der Neffe von Jeong-Eun und seitdem er hier ist... ist alles irgendwie durcheinander"", sage ich leise, meine Stimme kaum hörbar.
"Ach, ehrlich? Hätte ich gar nicht erwartet, dass alles durcheinander ist, wenn der Typ, mit dem du den dummen Bogum betrogen hast, im selben Café wie du arbeitest. Wieso zur Hölle hast du uns nichts erzählst? Wenn Seojoon das erfährt, wird er dir das Leben zur Hölle machen", erwidert er sarkastisch und starrt mich ungläubig an.
Ich beiße mir auf die Lippe, unsicher, was ich sagen soll.
"Ich... ich musste selbst erst damit klar, bevor es dir erzählen konnte. Mein Kopf ist so durcheinander, weil ich Bogum habe, und dann ist da Jeongguk... und ich... ich weiß einfach nicht, was ich tun soll", bringe ich verzweifelt heraus.
Hyungsik schüttelt den Kopf und atmet tief durch, als ob er versucht, die Situation zu begreifen.
"Das erklärt, warum du dich zwei Monate lang gedrückt hast. Aber ich bin immer noch sauer, dass du dich nicht mal von selbst gemeldet hast!", murmelt er schließlich.
Mein schlechtes Gewissen meldet sich, weil ich weiß, dass er recht hat. Ich hätte Hyungsik einweihen sollen, ihm von all dem erzählen sollen. Aber ich habe mich so sehr in meiner eigenen Verwirrung verloren, dass ich nicht einmal mehr wusste, wie ich damit umgehen sollte.
"Es tut mir leid", sage ich leise und sehe zu Boden.
"Taehyung, du machst es dir nur schwerer, wenn du alles mit dir alleine ausmachst. Du weißt, dass ich für dich da bin, egal was passiert", seufzt Hyungsik und legt mir eine Hand auf die Schulter.
"Ich weiß das doch, aber ich war bloß so verwirrt und überfordert. Ich bin es immer noch", wispere ich und schaue ihm kurz in die Augen.
Hyungsik verschränkt die Arme vor der Brust und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als könnte er nicht fassen, was er gerade gehört hat. Dann schnaubt er plötzlich und verdreht die Augen, bevor ein Grinsen auf seinen Lippen erscheint.
"Also wirklich, Taehyung... Liegt das nicht klar auf der Hand?", fragt er mich.
"Was meinst du damit?", blinzle ich verwirrt.
Er lehnt sich zurück, lässt die Schultern kreisen, als wolle er sich auf eine lange Rede vorbereiten.
"Ich meine, du kannst mir ja nicht ernsthaft erzählen, dass du diesen Typen immer noch nicht abgeschossen hast! Mal ganz ehrlich, Bogum war nie was für dich, und das hab ich dir von Anfang an gesagt! Ihr hättet niemals zusammen kommen, sondern einfach nur Freunde bleiben sollen", sagt er, als wäre das selbstverständlich.
Ich öffne den Mund, um zu protestieren, aber Hyungsik hebt die Hand, als würde er mir keine Chance zum Reden lassen wollen.
"Nein, nein, warte mal. Hör mir einfach zu", bittet er mich.
Er setzt sich auf den Rand des Tisches neben uns und schaut mich ernst an, aber ich sehe das Schmunzeln, das er nicht ganz verbergen kann.
"Ich weiß, dass Bogum und du euch schon ewig kennt, ja ja, Kindergartenfreundschaft und so – aber, Taehyung, das ist keine Grundlage für eine Beziehung. Das ist ein Nostalgietrip. Du hältst dich an der Vergangenheit fest, und warum? Weil's bequem ist?", spricht er weiter und sieht mich anschließend auffordernd an,
Ich starre ihn an, nicht sicher, wie ich antworten soll. Hyungsik hat immer die Gabe, die Dinge direkter zu sehen, als sie eigentlich sind, aber diesmal trifft er wirklich einen Nerv.
"Es ist nicht nur das...", beginne ich, doch er schüttelt sofort den Kopf.
"Doch, genau das ist es! Guck mal, Bogum war immer irgendwie... na ja, komisch. Ein bisschen steif, oder? Irgendwie so, als würde er ständig alles kontrollieren wollen. Ich mein, hat er dir jemals wirklich das Gefühl gegeben, dass du du selbst sein kannst? Ehrlich?", grinst er mich breit an, als hätte er mich bereits auf frischer Tat ertappt.
Ich überlege kurz, und als ich nicht sofort antworte, fängt Hyungsik wieder an zu reden.
"Siehst du? Du zögerst! Weißt du, was das bedeutet? Dass ich recht habe!", kommt es etwas lauter von ihm.
"Du hast nicht immer recht", murmele ich, während ich nervös an meinem Ärmel herumzupfe.
"Oh, aber diesmal schon, mein Freund!", er lehnt sich vor und senkt die Stimme, als ob er mir ein großes Geheimnis verraten würde. "Weißt du, wer ein Upgrade wäre? Jeongguk."
Ich reiße die Augen auf und starre ihn an.
"Was?!", quietsche ich schrill.
"Ja, ja, hör mir mal zu. Dieser Kerl ist heiß, hat Muskeln, die man sogar durch den Rollkragen sieht, und – ganz ehrlich – er hat diese coole, ruhige Art, die ich bei Bogum nie gesehen hab. Jeongguk bringt irgendwie... na ja, Licht in dein tristes Beziehungsleben. Und ehrlich, wenn ich mir deine Lage anschaue, könnte dir das verdammt gut tun", nickt Hyungsik eifrig und grinst über beide Ohren.
"Licht in mein tristes Beziehungsleben? Ernsthaft?", kann ich nicht anders, als leicht zu lachen, weil es einfach lächerlich ist.
"Ja, genau das! Du bist seit Monaten komplett durcheinander. Jeongguk ist ein frischer Wind, der dir zeigt, dass du mehr verdienst, als nur in der Vergangenheit zu leben. Vergiss Bogum. Der Typ war schon immer komisch. Ehrlich, ich hab ihn nie gemocht, und das weißt du. Er ist so kontrolliert, als würde er jedes Wort, das du sagst, auf die Goldwaage legen", meint Hyungsik überzeugt.
Ich weiß, dass er übertreibt, aber ein Teil von mir kann nicht leugnen, dass er irgendwo recht hat. Hyungsik lässt nicht locker.
"Und hör zu, Taehyung. Du bist besser als das. Du brauchst jemanden, der dich so sieht, wie du wirklich bist. Jemanden, der dich nicht an die Vergangenheit bindet, sondern dich nach vorne bringt. Weißt du, was ich meine?", zwinkert er mir zu und sein Grinsen wird noch breiter.
"Jeongguk ist die Zukunft, mein Freund! Der Typ ist ein Glücksfall. Hör auf, an diesem alten Muster festzuhalten. Klar, Bogum war da, als du ihn gebraucht hast, aber... vielleicht war das einfach nur das, was er für dich sein sollte. Eine Stütze. Kein Partner fürs Leben", trällert er weiter.
Ich spüre, wie sich etwas in mir bewegt, als ob Hyungsiks Worte langsam tiefer sacken. Ich kann nicht leugnen, dass es in meiner Beziehung zu Bogum Dinge gibt, die nie ganz gepasst haben. Aber gleichzeitig...
"Es ist nicht so einfach, Hyungsik. Ich kann ihn nicht einfach so verlassen. Wir haben so viel durchgemacht", seufze ich.
"Und genau das ist dein Problem", sagt er, jetzt ernster. "Du bist zu nett. Zu loyal-... Naja, von diesem Fehltritt mal abgesehen. Aber Taehyung, du musst auch an dich denken. Was bringt es dir, in einer Beziehung festzustecken, die dich nicht glücklich macht? Glaub mir, ich hab genug von diesen Situationen gesehen. Am Ende tut es nur noch mehr weh, je länger du daran festhältst".
"Ehrlich gesagt, Jeongguk ist ein verdammt guter Grund, endlich weiterzugehen", lehnt er sich zurück, verschränkt die Arme und grinst wieder.
"Du lasst es echt klingen, als wäre das alles so einfach", lache ich nervös und schüttle den Kopf.
"Einfach nicht", gibt er zu. "Aber richtig. Und manchmal ist das genau das, was du brauchst. Also, mach Schluss mit Bogum. Lass los. Geh voran. Und wenn du dann bereit bist, dir mal wieder ein bisschen Glück zu gönnen, na ja... Jeongguk ist da. Und ich sag dir, der Typ wird dich nicht enttäuschen".
Ich lache diesmal lauter, aber irgendwo in mir weiß ich, dass Hyungsik recht hat. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich endlich eine Entscheidung treffe.
Hyungsik grinst mich an, während ich lache, und ich spüre, wie ein wenig von der Schwere in meiner Brust nachlässt. Auch wenn ich es nicht zugeben will, hat er einen Punkt. Ein sehr guten Punkt sogar. Aber das bedeutet nicht, dass es so einfach ist.
"Du bist unmöglich, weißt du das?" sage ich und versuche, die Situation etwas aufzulockern.
"Unmöglich? Vielleicht. Aber ich kenne dich gut genug, um zu wissen, was du brauchst, und Bogum ist es nicht", erwidert er und macht eine bedeutungsvolle Geste in Richtung Jeongguk, der inzwischen wieder an der Kaffeemaschine arbeitet, als wäre nichts passiert.
Mein Blick wandert zu Jeongguk, und ich spüre ein bekanntes Ziehen in meiner Brust. Es ist dieses seltsame Gefühl, das ich die letzten Wochen immer hatte, wenn ich in seiner Nähe war. Diese Mischung aus Verwirrung, Anziehung und... Schuld.
"Hyungsik, es ist nicht so, dass ich einfach von Bogum zu Jeongguk übergehen kann, als wäre nichts passiert", sage ich und halte meine Stimme gedämpft, um keine weiteren neugierigen Blicke auf uns zu ziehen.
"Natürlich ist es nicht einfach, das Leben ist kompliziert!", Hyungsik winkt ab. "Aber es muss nicht komplizierter sein, als du es dir machst. Schau, Bogum war für dich da, als du ihn gebraucht hast, ja. Aber vielleicht hat er seine Rolle in deinem Leben schon erfüllt. Du hältst an etwas fest, weil du Angst hast, was kommt, wenn du es loslässt. Aber Taehyung, das ist es, was dich zurückhält!".
Ich schaue ihn an, und für einen Moment bin ich versucht, einfach alles abzutun, als ob Hyungsik sich irren könnte. Aber in Wahrheit... weiß ich, dass er nicht Unrecht hat. Vielleicht halte ich wirklich an etwas fest, das längst vorbei sein sollte. Aber wie lässt man jemanden los, der so ein großer Teil des eigenen Lebens war?
"Es ist nur... schwer. Bogum war immer da. Er hat mich aufgefangen, als es mir schlecht ging. Er war mein Anker. Ich weiß nicht, ob ich das einfach so aufgeben kann", murmele ich schließlich, meine Stimme brüchig.
"Taehyung, du musst lernen, dass es manchmal mehr Mut braucht, etwas loszulassen, als daran festzuhalten. Bogum war wichtig für dich, aber das bedeutet nicht, dass er deine Zukunft ist. Vielleicht ist er nur ein Teil deiner Vergangenheit", sagt er ernst.
Seine Worte hallen in mir nach, und ich kann spüren, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet. Es stimmt, was er sagt. Aber das macht es nicht weniger schmerzhaft. Ein Teil von mir möchte Bogum festhalten, weil ich nicht weiß, wer ich ohne ihn bin. Und gleichzeitig gibt es Jeongguk, der so viel Ungewissheit, aber auch so viel Hoffnung in mein Leben gebracht hat.
"Und mal ehrlich", fährt Hyungsik fort, diesmal wieder mit einem Lächeln. "Jeongguk ist heiß. Ich meine, hast du den Typen mal richtig angeschaut? Der Typ ist ein Traum. Warum solltest du da noch an Bogum hängen? Das ist wie ein Upgrade von einem veralteten Smartphone auf das neueste Modell!".
"Das ist keine Technik-Metapher, Hyungsik", schnaube ich schmunzelnd.
"Na ja, vielleicht nicht, aber der Vergleich passt, oder?", grinst er breit. "Hör auf, in der Vergangenheit zu leben, Taehyung. Jeongguk ist hier. Er ist jetzt. Und er ist ganz klar interessiert an dir. Du musst nur den ersten Schritt machen".
Ich schaue erneut zu Jeongguk, der gerade mit einer Kundin spricht und dabei diesen konzentrierten, aber entspannten Ausdruck im Gesicht hat, den ich so gut kenne. Es ist schwer, ihn nicht anzustarren. Hyungsik hat recht. Jeongguk ist anders als Bogum – freier, lebendiger, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich bei ihm mehr wie ich selbst fühle. Aber das bedeutet nicht, dass die Entscheidung leicht ist.
"Ich weiß nicht, Hyungsik. Ich brauche noch Zeit, um das alles zu sortieren", sage ich schließlich, während ich tief durchatme.
Hyungsik klopft mir erneut auf die Schulter und nickt verständnisvoll. "Nimm dir die Zeit, die du brauchst, aber mach keine halbe Sachen, okay? Das Leben ist zu kurz, um in einer Beziehung festzustecken, die dich unglücklich macht. Du verdienst es, glücklich zu sein. Und ich hab da so ein Gefühl, dass Jeongguk dir genau das geben kann".
"Danke, Hyungsik. Für alles", lächle ich schwach und nicke.
"Immer doch", sagt er und steht auf, dabei wirkt er plötzlich deutlich zufriedener. "Aber denk dran: Ich will bald hören, dass du Bogum in den Wind geschossen hast!"
"Ich werde darüber nachdenken", sage ich, obwohl ich immer noch nicht sicher bin, was ich tun soll.
Nachdem Hyungsik mit seinem Vortrag fertig ist, steht er auf und grinst mich noch einmal an, bevor er sich langsam in Richtung Theke begibt. Ich sehe ihm nach, mein Kopf immer noch voller Gedanken. Seine Worte hallen in mir nach, und auch wenn ich versuche, sie abzuschütteln, bleibt dieses nagende Gefühl der Wahrheit in mir.
Jeongguk.
Ich schüttle leicht den Kopf und seufze, während ich ihm zusehe, wie er weiterhin arbeitet, so als ob nichts gewesen wäre. Vielleicht ist das alles doch komplizierter, als Hyungsik es darstellt. Aber ein Teil von mir kann nicht leugnen, dass die Vorstellung, die Hyungsik mir gerade in den Kopf gesetzt hat, verlockend ist. Einfach loslassen, vorwärtsgehen, und vielleicht... etwas Neues mit Jeongguk beginnen.
Während ich noch in Gedanken versunken bin, sehe ich, wie Hyungsik zur Theke geht und einen Kaffee bestellt. Natürlich kann er es nicht lassen, sich direkt mit Jeongguk zu unterhalten, als wäre es das Natürlichste der Welt. Ich beobachte die beiden aus der Ferne, während ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, aber ihre Interaktion zieht meine Aufmerksamkeit immer wieder zurück.
"Hey, Jeongguk, richtig?", höre ich Hyungsik sagen, als er sich entspannt an die Theke lehnt.
Jeongguk sieht ihn an, überrascht von der direkten Ansprache, aber dann schleicht sich ein freundliches Lächeln auf sein Gesicht.
"Ja, genau. Und du bist... Taehyungs Freund, richtig? Hyungsik?", erwidert Jeongguk.
"Der eine und einzige", Hyungsik zwinkert ihm zu und klopft auf den Tresen. "Ich wollte nur mal Hallo sagen und sehen, was es mit dir auf sich hat. Taehyung redet nicht oft über seine Kollegen, aber ich bin neugierig. Wir kennen uns ja auch von Silvester".
"Stimmt. Über mich gibt es wohl nicht so viel erzählen, außer dass die Besitzerin meine Tante ist", sagt er und lacht leise, ein warmer Klang, der den Raum zu füllen scheint.
Hyungsik nickt und sieht Jeongguk dabei fast prüfend an.
"Also, wie läuft's so? Arbeitest du gerne hier?", fragt er ihn interessiert. Dabei lehnt er sich lässig an die Theke, als wolle er eine tiefere Konversation starten.
"Ja, eigentlich schon", antwortet Jeongguk, während er Hyungsik seinen Kaffee überreicht. "Es ist entspannt. Ich kriege umsonst Essen. Außerdem..." Er wirft einen kurzen Blick zu mir hinüber, bevor er sich wieder Hyungsik zuwendet. "macht es Spaß mit Taehyung zu arbeiten".
"Gut zu wissen. Unser Taehyung ist auch ein süßes Kerlchen", grinst Hyungsik breit und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee.
Jeongguk lässt ein charmantes Lächeln aufblitzen, dieses Lächeln, das fast unmöglich zu ignorieren ist. Es ist eines dieser Lächeln, die so selten und doch so eindrucksvoll sind, dass es dir den Atem raubt.
Ich versuche, nicht zu starren, aber es ist schwer. Jeongguks Leichtigkeit im Umgang mit Hyungsik, seine charmante Art, seine Fähigkeit, jemanden für sich zu gewinnen – all das zieht mich auf eine Weise an, die ich nicht leugnen kann. Er hat eine natürliche Ausstrahlung, die mich immer wieder aufs Neue fasziniert. Und jetzt, wo ich ihm zuhöre, wie er sich ohne Mühe mit Hyungsik unterhält, wird mir klar, dass ich ihn wirklich in einem anderen Licht sehe.
"Weißt du", fährt Hyungsik fort, ohne Jeongguks Blick loszulassen, "Taehyung ist manchmal ein bisschen zu verschlossen. Er grübelt zu viel, macht sich ständig Sorgen. Aber ich glaube, du könntest ihm dabei helfen, das ein bisschen abzulegen. Du hast diese ruhige Art, die ihn vielleicht aus seinem Kopf holen könnte".
Jeongguk sieht kurz zu mir, und ich spüre, wie mein Herz einen Schlag aussetzt. Dann wendet er sich wieder Hyungsik zu und lächelt leicht. "Ich denke, jeder hat seine eigenen Dämonen. Aber wenn ich irgendwie helfen kann, dann tue ich das gerne".
Diese Worte, so einfach und doch so bedeutungsvoll, treffen mich. Jeongguk weiß, dass ich mich oft in meinen Gedanken verliere, und dass er das nicht als etwas Negatives sieht, sondern als etwas, bei dem er helfen kann – das bedeutet mehr, als ich zugeben will.
"Das ist die richtige Einstellung!" ruft Hyungsik aus und hebt seinen Kaffeebecher wie zum Toast. "Gut, dich hier zu haben, Jeongguk. Ich hab das Gefühl, du und Taehyung – ihr werdet noch viel Spaß miteinander haben".
Jeongguk grinst und erwidert mit einem leichten Nicken, während Hyungsik langsam wieder zu mir zurückschlendert, den Kaffee in der Hand und ein breites Grinsen im Gesicht.
"Also, ich hab's dir ja gesagt, Taehyung... Jeongguk ist anders. Du solltest dir das gut überlegen", flüstert er, als er neben mir stehen bleibt.
Ich spüre, wie sich eine seltsame Mischung aus Aufregung und Angst in mir breitmacht. Jeongguks Lächeln, seine Worte, die Art, wie er mit Hyungsik gesprochen hat – alles daran zieht mich magisch an. Aber gleichzeitig bin ich immer noch unsicher. Kann ich wirklich einfach so einen Schritt nach vorne machen? Kann ich Bogum hinter mir lassen, um etwas Neues zu beginnen?
Doch dann fällt mein Blick erneut auf Jeongguk, der gerade wieder an der Kaffeemaschine arbeitet, und ich frage mich: Was wäre, wenn Hyungsik recht hat? Was wäre, wenn Jeongguk tatsächlich das Licht ist, das mir den Weg aus meiner Verwirrung zeigt?
Ich bleibe noch eine Weile stumm, während Hyungsik sich zufrieden grinsend wieder an den Tisch setzt und genüsslich seinen Kaffee schlürft. In meinem Kopf schwirren immer noch seine Worte umher – "Jeongguk ist anders", "du solltest dir das gut überlegen." Ich weiß, dass er recht hat, zumindest teilweise, aber trotzdem ist es nicht so einfach.
Jeongguk. Er steht dort an der Maschine, seine Bewegungen präzise und ruhig, als wäre er in seinem eigenen kleinen Rhythmus gefangen. Es ist faszinierend, wie er so gelassen wirken kann, selbst inmitten des Trubels. Und ich? Ich stehe hier und frage mich, wie ich überhaupt in diese Situation gekommen bin.
Hyungsik gähnt und streckt sich, wirft mir dann einen kurzen, verspielten Blick zu.
"Also, ich denke, ich hab hier meinen Job für heute erledigt“, meint er und stellt seine Kaffeetasse auf den Tisch. "Denk dran, Taehyung, lass dich nicht von deinen Gedanken fesseln. Manchmal muss man nur den ersten Schritt machen und sehen, wohin es führt. Du weißt ja, wo du mich findest, falls du noch einen kleinen Schubser brauchst.“
Ich lache leise und schüttele den Kopf.
"Danke, Hyungsik. Wirklich, ich... danke dir“, die Worte kommen ernst über meine Lippen, und ich glaube, er spürt, dass ich ihm wirklich dankbar bin.
"Kein Problem“, grinst er, zwinkert mir zu und winkt noch kurz, bevor er die Tür hinter sich schließt und verschwindet. Der Raum wirkt plötzlich leiser, als sei ein ständiger, beruhigender Begleiter gegangen.
Langsam gehe ich zurück zur Theke, an meinen Platz neben Jeongguk, und beginne wieder in die Routine einzutauchen. Die Gespräche, die Geräusche der Kaffeemaschine – es beruhigt mich, aber trotzdem hänge ich noch an Hyungsiks Worten fest. Er hat mich daran erinnert, dass ich mein Leben nicht ständig um andere herum bauen kann, dass ich an mich selbst denken muss. Und in mir keimt ein kleines Gefühl der Freiheit, als ob ein Stein von meinem Herzen gefallen ist.
Ich werfe einen verstohlenen Blick zu Jeongguk, der gerade einen Kaffee für einen Gast zubereitet. Wie automatisch gehen meine Gedanken zurück zu dem, was Hyungsik gesagt hat. "Jeongguk ist die Zukunft, Taehyung. Warum klammerst du dich so an die Vergangenheit?“. Ich weiß, dass er damit recht hat, und irgendwo in mir spüre ich, dass ich auch bereit bin, es zu versuchen, mich einfach mehr auf Jeongguk einzulassen.
Aber plötzlich wird mir bewusst, dass ich dafür nicht mehr viel Zeit habe. Jeongguk ist nur noch vier Tage hier. Sein Urlaub endet bald, und dann kehrt er wieder zurück in Migas Geschäft, zu seiner Arbeit als Hochzeitsplaner, wo ich ihn nur selten sehen werde. Vier Tage. In vier Tagen wird er aus meinem Leben wieder ein Stück weiter wegrücken, und wenn ich jetzt nicht handle… was dann?
Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle, und ich spüre, wie die Angst in mir hochkriecht. Die Angst, dass ich ihn verlieren könnte, dass er mich vielleicht wirklich vergessen und sich Sona zuwenden könnte. Die Vorstellung allein reicht aus, um mir ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust zu bescheren.
Plötzlich verstehe ich, was Hyungsik wirklich gemeint hat. Wenn ich jetzt nicht den Mut habe, etwas zu riskieren, dann werde ich für immer in dieser Unsicherheit bleiben. Vielleicht bin ich mir noch nicht sicher, was genau ich fühle, aber ich weiß, dass ich Jeongguk nicht verlieren will. Nicht, ohne ihm gezeigt zu haben, dass er mir wirklich etwas bedeutet.
Ich nehme einen tiefen Atemzug und fasse einen Entschluss. Ich will versuchen, mich ihm zu öffnen – mich ihm aufrichtig zu nähern, ohne Angst, ohne Schuldgefühle. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich das wirklich will.
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Mein Urlaub ist vorbei. Darum kann ich nicht mehr wie eine Gestörte an der Story arbeiten :(
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