Kapitel 33
Jeongguks Sicht:
Seit dem ich nach Hause gekommen bin, sitze ich auf meinen Bett und kann nicht aufhören, nachzudenken. Die Uhr zeigt fast Mitternacht, aber ich bin hellwach. Taehyung geht mir nicht aus dem Kopf, und je länger ich darüber nachdenke, desto tiefer rutsche ich in dieses Gefühlschaos.
Der Tag mit ihm im Café war... intensiv. So viele unausgesprochene Dinge, so viel Verwirrung, so viel, das zwischen uns in der Luft hängt. Ich habe versucht, ihm klarzumachen, dass ich das nicht ewig durchhalten kann, dass ich nicht mehr diese Ungewissheit will. Aber es ist, als wäre Taehyung gefangen in seiner eigenen Welt, unfähig, sich für irgendetwas zu entscheiden. Es macht mich fertig, ihn so aufgelöst und zerissen zu sehen. Ich fühle mich auch furchtbar dafür, ihn so gegen die Wand gedrängt zu haben.
Mein Kopf schwirrt vor Gedanken, und ich weiß, dass ich nicht aufhören werde, über das Gespräch nachzudenken, wenn ich es nicht mit jemandem teile. Mit jemandem, der vielleicht eine andere Perspektive darauf hat, was ich gerade durchmache.
Schließlich greife ich wieder nach dem Handy und scrolle durch meine Kontakte. Meine Finger stoppen bei Sonas Namen. Sie war der Grund dafür, dass es zwischen Taehyung und mir so ausgeartet ist. Ich bereue es nicht, mit ihr geschlafen zu haben. Das war feige von mir, aber ich habe dennoch ein schlechtes Gewissen gegenüber Taehyung, was ich eigentlich nicht haben sollte. Es ist auch nicht fair, dass ich sie in diese Sache miteinbezogen habe. Aber Sona hat eine Art, Dinge aufzulockern, die mir im Moment fehlt.
Ich zögere kurz, doch dann wähle ich ihre Nummer. Der Gedanke, mit ihr zu reden, bringt mir ein wenig Erleichterung. Vielleicht, weil sie die Sache ein bisschen einfacher macht, als sie eigentlich ist.
Es klingelt ein paarmal, bevor sie rangeht.
"Jeongguk?", erklingt ihre Stimme, etwas verschlafen, aber zugleich warm und vertraut. "Wirklich? Rufst du mich um diese Uhrzeit an? Hast du mich etwa vermisst?" Ich höre das leichte Lächeln in ihrer Stimme, dieses neckische Flirten, das sie nie ganz ablegt.
"Sorry, hab ich dich aufgeweckt? Ich weiß, es ist spät", lehne ich mich gegen die Bettkante und atme tief durch.
"Pff, nicht wirklich. Ich hab eh nichts Wichtiges vor. Also, was gibt's? Oder hast du einfach Lust, mit mir zu quatschen?", erwidert sie locker, als würde sie sich über das späte Gespräch freuen.
Ich lache leise, mehr aus Verlegenheit.
"Es geht um Taehyung", sage ich und ihr leises Lachen am anderen Ende verstummt kurz, bevor sie erneut auf eine verspielte Art antwortet.
"Ah, Taehyung... das sollte mich wohl nicht überraschen. Was hat der Prinz heute wieder angestellt?" sagt sie.
Ich stöhne leise und lasse meinen Kopf gegen die Wand sinken.
"Wir haben heute im Café geredet. Oder besser gesagt... gestritten. Es war irgendwie heftig", seufze ich.
"Klingt ja wie immer", sagt sie leichthin, als wäre es keine große Sache. "Ihr beide und eure ewigen Hin und Hers. Will er dich oder will er dich nicht? Da verliert man ja den Überblick." Sie kichert, als ob es nur ein weiteres Drama wäre, das sie gerne beobachtet.
„Es ist nur so eskaliert, weil er die Knutschflecke auf meinem Körper gesehen hat. Er hat auch zugegeben, dass es ihn unfassbar stört, wenn andere Interesse an mir zeigen...", murmele ich, während ich mir durch die Haare fahre. "Aber er erwähnt immer, dass er Bogum noch liebt... Es gibt offensichtlich diese Spannung zwischen uns und die will er ignorieren, aber es geht nicht".
"Aha, Spannung also und eifersüchtig ist er auch noch", neckt sie, ihre Stimme verspielt. "Hört sich an, als wärst du derjenige, der die Luft zum Knistern bringt, Gukkie... und ich schmeiß Feuer dazu, damit die Leidenschaft entfacht", lacht sie kurz, doch ich merke, dass sie auch neugierig ist.
"Sona, ich meine das ernst", sage ich und versuche, die Schwere in meiner Stimme zu verbergen, doch sie bleibt.
"Ich weiß, ich weiß. Ich mach nur Spaß. Aber mal ehrlich... du machst dir zu viele Gedanken. Taehyung ist ein großes emotionales Chaos. Vielleicht braucht er einfach mehr Zeit", sagt sie, ihre Stimme wird sanfter.
"Zeit?" Ich schüttle den Kopf. "Ich hab das Gefühl, er steckt fest. Er sagt, dass er Bogum liebt, aber... dann sind da diese Momente zwischen uns, in denen ich merke, dass es mehr ist. Verstehst du? Es fühlt sich an, als ob er etwas vor sich selbst verstecken will."
Sona bleibt einen Moment still, dann lacht sie leicht. "Jeongguk, manchmal bist du echt zu nett. Vielleicht ist er sich einfach nicht sicher, weil du ihm zu viel Raum lässt. Vielleicht musst du ihn ein bisschen provozieren, damit er aus sich rauskommt. Aber nicht zu sehr, sonst verliert er noch die Nerven".
"Du meinst, ich sollte ihn nerven, bis er sich entscheidet?", stöhne ich leise, weil ihre Idee schwachsinn ist.
"Irgendwas in der Art... Wie hast du denn sein Herz beim ersten Mal ergattert?", fragt sie neugierig nach.
"Weiß nicht. Vom ersten Moment an war irgendwas zwischen uns. Wir haben auch echt viel getrunken und ich habe pausenlos mit ihm geflirtet", murmle ich etwas beschämt.
"Wieso hast du auch mit dem Flirten aufgehört? Wahrscheinlich musst du ihn provozieren, damit er seine Gefühle nicht mehr unterdrücken kann und die Wahrheit aus ihm rausplatzt. Ich kann gerne beim Café vorbeikommen und mich an dich ranschmeißen. Ich wette mit dir, dass er mich mit seinen Blicken töten würde!", meckert sie mich gespielt an und lacht herzlich auf.
"Sona...", seufze ich, aber sie spricht fröhlich weiter.
"Oder du lässt es einfach auf dich zukommen. Mach dir nicht so einen Kopf. Wenn er wirklich so durcheinander ist, wird er früher oder später klarer sehen. Und bis dahin hast du ja mich, um dich abzulenken", kommt es verspielt aus ihr.
"Sona, du weißt, dass es nicht so einfach ist", schnaube ich.
"Ach, Gukkie", flötet sie und ich kann ihr Grinsen fast spüren. "Warum so ernst? Ich bin doch hier. Wenn alle Stricke reißen, kannst du immer zu mir kommen. Weißt du, dass du in meiner Nähe besser gelaunt bist?"
"Du und dein Selbstvertrauen", sage ich und lächle leicht, auch wenn der Kloß in meiner Brust bleibt.
"Was kann ich sagen? Ich bin eben großartig. Aber zerbreche dir den Kopf nicht darüber. Lass ihm einfach etwas Zeit und ich meine es ernst, dass ich ihn so eifersüchtig machen werde, dass all seine schlechten Angewohnheiten zum Vorschein kommen", sagt sie mit einem kleinen Lachen.
"Danke, Sona", gebe ich leise von mir und lächle etwas.
"Für dich mache ich das gerne, du gutaussehender Hengst", antwortet sie erst ein wenig sanfter, aber fängt dann an zu grunzen, weil sie lachen muss.
"Du bist unglaublich, weißt du das?", schüttle ich lachend den Kopf.
"Unglaublich charmant, unglaublich heiß und unglaublich gut darin, dir den Kopf gerade zu rücken, wenn du mal wieder in deinem Gefühlschaos feststeckst," trällert sie zurück. "Aber weißt du was, Jeongguk? Vielleicht sollte ich wirklich vorbeikommen und ein bisschen Unruhe stiften. Ich meine, stell dir mal vor, wie Taehyung reagiert, wenn er mich neben dir sieht, wie ich dir tief in die Augen schaue, mich an dich lehne... Ich wette, er würde sich das nicht gefallen lassen".
"Sona, du bist unmöglich", bringe ich grinsend heraus und massiere mir mein Nasenbein.
"Unmöglich gut", kontert sie grinsend. "Du weißt, ich könnte das machen. Einfach ein bisschen für Spannung sorgen, damit Taehyung merkt, was er wirklich will. Ein kleiner Eifersuchts-Schub könnte Wunder bewirken."
Ich schüttle erneut den Kopf, immer noch lächelnd, obwohl ich ihre Worte nicht wirklich ernst nehme.
"Glaub mir, das ist nicht nötig. Taehyung braucht keine weiteren Gründe, mich auf Abstand zu halten", meine ich.
"Ach komm schon, Gukkie", flötet sie und ihre Stimme wird eine Spur weicher, flirtender. "Du weißt doch, dass ich dir jederzeit helfen kann... in jeder Hinsicht." Ihre Worte sind absichtlich mehrdeutig, und ich kann fast sehen, wie sie dabei grinst.
"Sona, lass das", sage ich lachend. "Du machst das Ganze noch komplizierter, als es ohnehin schon ist."
"Oh, Gukkie, mach dir keinen Kopf. Ich bin doch nur am Rumalbern... Es sei denn..." Sie hält inne, lässt die Pause bewusst lang.
"Es sei denn was?", rolle ich die Augen, auch wenn sie es nicht sehen kann.
"Es sei denn, du hast wirklich Lust, das Ganze mal ein bisschen aufzumischen. Ich meine... es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns... näherkommen, oder?"
Ich spüre, wie ich rot werde, und kann nicht anders, als peinlich berührt zu lachen.
"Sona, du weißt, dass das eine... Ausnahme war", jammere ich beinahe.
"Eine sehr gute Ausnahme, wenn du mich fragst", sagt sie kokett, aber ich weiß, dass sie das nicht allzu ernst meint. "Aber hey, ich bin hier, falls du je eine weitere brauchst."
"Sona, ich werde dich bei Bedarf anrufen, okay? Aber bis dahin... halt dich zurück", lache ich lauter, jetzt völlig entspannt.
"Na gut, na gut. Aber denk dran, das Angebot steht. Jederzeit", gibt sie seufzend nach, aber ich kann ihr breites Grinsen förmlich durch das Telefon spüren.
"Danke, aber ich komme zurecht", sage ich und lächle.
"Na ja, du weißt, wo du mich findest", sagt sie neckisch, bevor sie ihre Stimme wieder normalisiert. "Im Ernst, Gukkie, mach dir nicht so viele Sorgen. Taehyung wird schon aufwachen und merken, was er an dir hat. Und wenn er es nicht tut... tja, dann weißt du, wo du mich findest."
„Ich weiß. Danke, Sona", meine Stimme wird wieder ernst, aber immer noch warm.
"Kein Problem. Ich bin froh, dass du angerufen hast. Aber jetzt leg dich mal hin und versuch zu schlafen, okay?", erwidert sie und gähnt etwas.
"Mach ich", antworte ich, auch wenn ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht so leicht sein wird.
"Gut. Na dann, gute Nacht, Gukkie", wünscht sie mir und macht ein Kussgeräusch.
"Gute Nacht, Sona", sage ich schmunzelnd und drücke auflegen.
Ich lasse das Handy auf mein Bett fallen und starre an die Decke. Mein Kopf ist immer noch voll von all den Gedanken an Taehyung, an das, was Sona gesagt hat, und an die Möglichkeit, dass ich ihm vielleicht wirklich mehr Zeit geben sollte.
Ich bleibe noch eine Weile auf dem Bett liegen, die Decke über meine Beine gezogen, doch der Schlaf will einfach nicht kommen. Sonas Worte klingen immer noch in meinem Kopf nach. Vielleicht sollte ich ihn wirklich provozieren und eifersüchtig machen. Er macht im Endeffekt das Gleiche mit Bogum.
Ja, vielleicht sollte ich das wirklich tun. Aber was, wenn Taehyung sich dann noch mehr von mir distanziert? Was, wenn er sich für Bogum entscheidet? Dieses ewige Hin und Her zermürbt mich, aber der Gedanke, ihn an Bogum zu verlieren, schmerzt noch mehr.
Ich setze mich auf und starre aus dem Fenster. Die Stadt ist in Dunkelheit getaucht, nur die Straßenlaternen werfen Lichtflecken auf den Gehweg vor dem Gebäude. Es ist still – zu still. Die Art von Stille, die sich schwer und erdrückend anfühlt, wenn der Kopf voll von Gedanken ist, die man nicht abstellen kann.
Ich greife nach meinem Handy, entsperre es und öffne Taehyungs Chat. Ich bin froh, dass Jeong-Eun uns in eine Chatgruppe gesteckt hat, sonst hätte ich seine Nummer niemals bekommen. Mein Finger zögert über dem Textfeld. Was könnte ich ihm jetzt noch sagen? Wir haben uns heute schon ausgesprochen – oder zumindest versucht, es zu tun. Aber die Worte haben nicht gereicht, nichts hat sich wirklich verändert.
"Du musst ehrlich sein", hatte ich ihm gesagt, aber ich wusste, dass er sich nicht so leicht öffnen würde. Nicht jetzt, wo er selbst nicht einmal weiß, was er will. Ich lege das Handy wieder weg und seufze. Warum kann er nicht einfach klar sagen, was in ihm vorgeht? Warum hält er mich in dieser Ungewissheit fest, während er sich selbst nicht sicher ist?
Die Minuten ziehen sich hin, und je länger ich hier sitze, desto mehr spüre ich das Gewicht der Situation auf meinen Schultern. Taehyung und ich haben eine Verbindung, die über bloße Freundschaft hinausgeht – das weiß ich. Aber reicht das? Reicht es, um dieses Chaos zu überstehen? Um alles, was zwischen uns ist, zu klären?
Ich schließe die Augen und lasse meinen Kopf gegen die Wand sinken. Der Gedanke, ihn zu verlieren, zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Aber genauso sehr zieht es mir den Boden weg, wenn ich an die ständige Ungewissheit denke. Ich will mehr von ihm, als er mir gerade geben kann – das weiß ich, und ich habe es ihm auch gesagt. Aber es ändert nichts daran, dass ich immer wieder zu ihm zurückkomme, auch wenn es mich jedes Mal aufs Neue verletzt.
Ich sitze noch eine Weile so da, mein Kopf gegen die Wand gelehnt, die Dunkelheit drückend und schwer. Die Stille in meinem Zimmer wird nur von meinen Gedanken durchbrochen, die unaufhörlich um dasselbe Thema kreisen: Taehyung. Was soll ich nur tun?
Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich eine Entscheidung treffen muss. Ich kann nicht ewig warten. Aber in dem Moment, in dem ich daran denke, ihn loszulassen, spüre ich diesen stechenden Schmerz in meiner Brust. Der Gedanke, ihn nicht mehr an meiner Seite zu haben, fühlt sich falsch an – fast so, als würde ich einen Teil von mir selbst aufgeben.
Ich schüttle den Kopf, versuche, diese Gedanken loszuwerden, aber sie bleiben hartnäckig. Es ist so typisch für mich, mich in etwas zu verrennen, das ich vielleicht nicht einmal ändern kann. Vielleicht hat Sona recht. Vielleicht sollte ich es einfach etwas lockerer angehen lassen und ihm die Zeit geben, die er braucht. Aber wie lange kann ich das noch aushalten, ohne selbst dabei kaputtzugehen?
Mein Handy vibriert plötzlich, reißt mich aus meinen Gedanken. Ein Teil von mir hofft, dass es Taehyung ist, aber als ich aufs Display schaue, sehe ich Sonas Namen.
Sona
Bist du noch wach? Oder hast du meinen Rat befolgt und endlich mal abgeschaltet?
00:32 Uhr
Ich lache leise und tippe eine schnelle Antwort.
Jeongguk
Ja, ich bin noch wach. Abschalten ist nicht so einfach, wie du denkst
00:33 Uhr
Die Antwort kommt fast sofort.
Sona
Ich weiß, aber man kann's ja mal versuchen. Willst du nicht rüberkommen? Ich habe auch Eis für deinen Herzschmerz zuhause
00:33 Uhr
Ich starre auf die Nachricht, den Daumen schwebend über der Tastatur. Sona ist immer eine gute Ablenkung, das weiß ich. Sie hat diese Leichtigkeit, die ich in diesem Moment gebrauchen könnte. Aber gleichzeitig weiß ich, dass es nicht richtig wäre, mich einfach in ihrer Nähe zu verlieren, während mein Herz woanders hängt.
Ich schüttle den Kopf und tippe schließlich:
Jeongguk
Danke, aber ich glaube, ich muss das heute allein klären
00:34 Uhr
Ihre Antwort dauert ein bisschen länger, aber als sie kommt, ist sie genauso spielerisch wie immer.
Sona
Verstehe. Aber falls du deine Meinung änderst..
Du weißt, wo du mich findest :D
00:36 Uhr
Ich seufze und lege das Handy zur Seite. So einfach, wie sie es darstellt, ist es für mich nicht. Ich kann mich nicht einfach ablenken, indem ich Zeit mit Sona verbringe. Sie ist großartig, und ich bin ihr so dankbar für ihre Unterstützung, aber mein Herz... es gehört Taehyung. Das weiß ich.
Ich stehe am Fenster, der Mond wirft ein sanftes Licht auf die Straße, und ich starre hinaus in die Dunkelheit. Mein Kopf ist schwer von Gedanken, die nicht verschwinden wollen. Ich weiß, dass ich eine Entscheidung treffen muss, aber nichts daran fühlt sich einfach an. Immer wieder drehe ich mich im Kreis, komme zurück zu denselben Fragen ohne Antworten.
Plötzlich vibriert mein Handy wieder. Diesmal zögere ich, bevor ich danach greife. Ein kleiner Teil von mir hofft, dass es Taehyung ist, aber ich traue mich nicht, diese Hoffnung zuzulassen. Ich drehe das Display um und sehe tatsächlich seinen Namen aufleuchten. Mein Herz setzt einen Schlag aus, und ohne nachzudenken, drücke ich auf „Annehmen".
"Taehyung?", frage ich, meine Stimme zittert leicht, während ich versuche, ruhig zu bleiben.
Am anderen Ende bleibt es einen Moment still, dann höre ich sein leises Atmen.
"Jeongguk... ich... es tut mir leid, dass ich dich so spät anrufe", murmelt er schließlich, und seine Stimme klingt erschöpft.
"Schon okay. Was ist los?", antworte ich schnell, gehe vom Fenster weg und setze mich aufs Bett.
Er zögert einen Moment, als ob er die richtigen Worte sucht.
"Ich hab viel nachgedacht. Über alles, was zwischen uns passiert ist... und über Bogum", sagt er schließlich, seine Stimme leise und schwer.
Der Name lässt meine Brust sich zusammenziehen. Natürlich geht es um Bogum. Es geht immer um Bogum.
"Taehyung, du weißt, was ich dir heute gesagt habe..." Meine Stimme klingt sanfter, als ich erwartet habe. Es ist nicht Wut, die mich antreibt, sondern pure Erschöpfung. Diese Ungewissheit frisst mich auf.
"Ich weiß. Und du hast recht, Jeongguk. Es ist nur... es ist komplizierter, als es vielleicht aussieht", flüstert er.
"Was meinst du?", frage ich ihn unsicher
Er atmet tief durch, als ob er sich auf das vorbereitet, was er gleich sagen wird.
"Es geht nicht nur darum, dass ich Bogum liebe. Es ist... es ist, weil er schon immer da war. Seit wir klein waren", sagt er schließlich, und seine Stimme bricht leicht.
"Was? Was meinst du, Taehyung?" Ich bin verwirrt und lehne mich gegen die Bettkante.
"Bogum und ich...", fährt er fort, und ich höre das Zittern in seiner Stimme. "Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten. Er war immer an meiner Seite, Jeongguk. Immer. Als wir Kinder waren, haben wir uns geschworen, dass wir immer füreinander da sein würden".
"Aber das ist lange her. Das war, als ihr Kinder wart", sage ich leise und spüre, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet.
"Ich weiß. Aber er hat sein Versprechen gehalten. Er war wirklich immer da. Als... als meine Eltern gestorben sind, war er der Einzige, der an meiner Seite geblieben ist. Er war mein Fels, mein Zuhause, wenn ich keins mehr hatte", murmelt er.
Ich atme tief ein und schließe die Augen. Ich wusste, dass Taehyung und Bogum eine enge Bindung hatten, aber ich habe nie verstanden, wie tief sie wirklich ging. Jetzt, wo ich es höre, spüre ich die Schwere seiner Worte, die Last, die er auf seinen Schultern trägt.
"Ich verstehe. Er war immer für dich da, und du kannst ihn nicht einfach loslassen", sage ich schließlich, auch wenn mir klar wird, dass ich nie wirklich verstehen kann, was das für ihn bedeutet.
"Genau. Ich weiß, dass das unfair dir gegenüber ist. Und ich weiß, dass ich mich entscheiden muss. Aber wie soll ich jemanden loslassen, der mich so lange begleitet hat? Der mein Anker war, als alles andere in meinem Leben zerbrochen ist?", flüstert er, und ich höre, wie sehr ihn das quält.
Seine Worte hängen schwer in der Luft, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich verstehe ihn – wirklich. Aber es macht es nicht einfacher. Es erklärt nicht die Spannung zwischen uns, die Gefühle, die er offensichtlich auch für mich hat, die wir beide nicht ignorieren können.
"Du liebst ihn also?" frage ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
"Ja," antwortet er, ohne zu zögern. "Aber..." Er zögert, als würde er die richtigen Worte suchen. "Ich weiß, dass ich auch für dich etwas fühle, Jeongguk. Das kann ich nicht leugnen. Aber Bogum... er ist ein Teil von mir. Und ich weiß nicht, wie ich das ändern soll".
Ich schließe die Augen, spüre den Schmerz in meiner Brust. Natürlich. Natürlich ist es nicht so einfach. Gefühle sind nie einfach.
"Ich will dich nicht verletzen," flüstert er, und ich höre, wie seine Stimme bricht. "Aber ich weiß einfach nicht, was ich tun soll".
Ich presse die Lippen zusammen und kämpfe gegen den Kloß in meinem Hals an.
"Ich verstehe dich, Taehyung", sage ich schließlich. "Wirklich. Aber du musst ehrlich zu dir selbst sein. Du kannst nicht für immer in dieser Ungewissheit bleiben. Nicht für Bogum und nicht für mich".
"Ich weiß", flüstert er.
Wieder herrscht eine Stille zwischen uns, nur unterbrochen von unserem Atem. Ich wünschte, ich könnte ihm irgendwie helfen. Ich wünschte, ich könnte ihm die Last von den Schultern nehmen, die Entscheidung für ihn treffen. Aber das kann ich nicht. Es ist sein Leben, und er muss selbst herausfinden, was er wirklich will.
"Du musst dir selbst Zeit geben", bringe ich heraus, auch wenn es mir schwerfällt. "Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich ewig warten kann, Taehyung".
"Ich verstehe," murmelt er, und seine Stimme klingt gebrochen.
Es tut weh, ihn so zu hören, aber ich weiß, dass das die einzige Wahrheit ist, die ich ihm im Moment geben kann. Ich kann ihn nicht zwingen, sich zu entscheiden, und ich kann ihn nicht dazu bringen, seine Gefühle für Bogum einfach zu vergessen. Aber ich kann auch nicht ewig in dieser Ungewissheit leben, in der Hoffnung, dass er eines Tages klarer sieht.
"Danke, dass du mit mir darüber gesprochen hast. Das bedeutet mir viel", flüstere ich.
"Es tut mir leid, dass ich dich so belaste," erwidert er.
"Du belastest mich nicht", entgegne ich schnell. "Ich bin froh, dass du endlich ehrlich zu mir bist".
Wir bleiben noch eine Weile in der Stille, und ich weiß, dass das Gespräch nicht alles geklärt hat. Aber vielleicht ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht brauchen wir beide einfach mehr Zeit, um zu verstehen, was das alles für uns bedeutet.
"Schlaf ein bisschen, Taehyung. Das wird dir guttun", sage ich ihm.
"Ich werde es versuchen", meint er.
Wir verabschieden uns leise, und ich lege mein Handy neben mich. Die Dunkelheit in meinem Zimmer fühlt sich immer noch schwer an, aber das Gespräch hat mir zumindest etwas Klarheit gegeben. Taehyung ist in einem inneren Kampf gefangen, und so sehr es mich auch schmerzt, ihm dabei zuzusehen, kann ich nichts anderes tun, als ihm den Raum zu geben, den er braucht.
Ich lege mich aufs Bett und schließe die Augen, spüre die Schwere in meiner Brust. Vielleicht wird morgen alles ein bisschen klarer. Vielleicht werden wir irgendwann einen Weg finden, der für uns beide funktioniert. Aber bis dahin bleibt nur Geduld.
Geduld – und die Hoffnung, dass sich irgendwann alles richtig anfühlt.
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