Kapitel 22

Jeongguks Sicht:

Was ist das heute für ein Tag? Heute Morgen hat es schon angefangen, dass mir meine Mitmenschen Kopfschmerzen bereiten. Erst habe ich die vier Mädels nicht von meiner Couch runter bekommen, weil sie alle einen extremen Kater haben und nahe zu nicht in der Lage waren aufzustehen, da sie gestern so viel gesoffen haben. Ich musste Sarahs Verlobten mit ihrem Handy anrufen, damit er sie abholt. Der dann erst nach zwei Stunden kam, weil er gestern ebenfalls seinen Junggesellenabschied hatte. Also musste ich mich mit fünf verkaterten Menschen herumschlagen und konnte sie nicht direkt rausschmeißen.

Jedenfalls war Garam, so heißt Sarahs Verlobter, ziemlich nett und hat es total locker aufgenommen, dass seine Schwester und seine Verlobte mit zwei Freundinnen bei einem fremden Kerl übernachtet haben. Ich hatte eher erwartet, dass er mir die Birne einschlägt, jedoch war das Glück diesmal auf meiner Seite.

Nachdem dann alle gegangen sind, musste ich mich erstmal zehn Minuten mental darauf vorbereiten in mein Auto zu steigen und hierher zu fahren, was sich als absolute Hölle herausgestellt hat. Manche Autofahrer sind einfach komplett lebensmüde und geben ein Fick auf das Leben anderer. Also war mein Stresspegel schon am Limit, als ich angekommen bin und dann sehe ich Jeong-Eun in Taehyungs Armen heulen.

Das war zwar dumm von mir zu denken, dass er irgendwas gemacht hätte, aber ich war absolut überreizt und genervt. Aber warum erzählt diese dumme Pute ausgerechnet Taehyung, was für verkorkste Familienverhältnisse wir haben?! Ich war davon so abgefuckt und konnte mich nicht gegenüber Taehyung zusammenreißen, was ihn schließlich AUCH zum Heulen gebracht hat. Ich bin völlig fertig mit der Welt.

Ich lehne mich an die Theke und starre auf die Kaffeemaschine, die vor sich hin rattert. Es ist noch nicht mal abends, und ich habe das Gefühl, als wäre ich durch einen Marathon gelaufen. Einen verdammten emotionalen Marathon, bei dem ich ständig stolpere und auf die Fresse fliege. Vielleicht liegt das auch an dem Schlafmangel, an dem meine neuen besten Freundinnen Schuld sind.

Erschöpft lasse ich den Kopf hängen und wage es nicht mich irgendwie zu bewegen, da ich das starke Bedürfnis habe, mich einfach auf den Boden zu legen. Im Café ist heute komischerweise nichts los. Taehyung hat schon hundert Mal die Theke gewischt und alle Gläser gespült, während ich nur hübsch da stand und versucht habe, meine Seele in meinem Körper zu behalten. Bei dem scheiß Wetter hat niemand Lust nach draußen zu gehen. Es ist arschkalt draußen und es regnet aus allen Wolken.

Die fünf Gäste sitzen auch nur an ihren Laptops und wirken wie absolute Arbeitsleichen, die keine andere Wahl haben, als ihre Aufgaben rechtzeitig fertig zu bekommen. Mein Blick schweift zu Taehyung, der still neben mir steht und seine Däumchen dreht. Ich frage mich immer noch, wieso er vorhin so reagiert hat. Okay, ich war nicht wirklich nett zu ihm, aber konnte mir nicht mal mehr ins Gesicht sehen oder ein vernünftiges Wort herausbringen. Es kann sein, dass er auch einen schlechten Tag hatte und ich das Fass zum Überlaufen gebracht habe.

"Holt dich dein Freund heute ab?“ frage ich und sehe, wie Taehyung leicht zusammenzuckt.

Er zögert kurz, bevor er den Kopf schüttelt.

"Nein... wir hatten Streit,“ sagt er leise, und ich bemerke, wie er nervös seine Hände knetet.

"Wegen gestern Abend?“ frage ich nach.

Meine Freunde hatten ihn nach seiner Schicht im Café nach Hause gefahren, weil es so scheiß Wetter war. Aber anscheinend war das nicht gerade der beste Zug, zumindest aus Bogums Sicht. Taehyung nickt und lässt die Schultern ein wenig hängen.

"Ja, er fand es nicht gut, dass ich von deinen Freunden nach Hause gebracht wurde. Er meinte, ich hätte ihn anrufen sollen, damit er mich abholt" , meint er und kann mir kaum in die Augen sehen.

Ich kann mir ein genervtes Schnauben nicht verkneifen. Ist das sein scheiß Ernst?

"Ernsthaft? Als ob er dir nicht einfach hätte dankbar sein können, dass du sicher nach Hause gekommen bist. Es war spät und wir wollten dir nur helfen", gebe ich etwas gereizt von mir.

"Ich weiß“ Taehyung seufzt tief und fährt sich mit einer Hand durch die Haare.

"Er hat es einfach falsch aufgefasst. Er dachte, ich wollte ihn absichtlich nicht anrufen oder ihm nicht Bescheid sagen. Dabei war es doch nur nett gemeint", nimmt er ihn auch noch teilweise in Schutz, was mich noch wütender macht.

"Er übertreibt. Es hat aus allen Eimern geschüttet und du hattest schon den ganzen Tag gearbeitet. Ist doch klar, dass wir dir den Weg erleichtern wollten“, sage ich, diesmal direkter.

"Vielleicht, aber ich verstehe schon, warum er so reagiert. Er macht sich schnell Sorgen... manchmal ein bisschen zu viel“, murmelt Taehyung und schnappt sich den roten Lappen auf der Marmorplatte, um zum tausendsten Mal über diese zu wischen.

"Er kann sich ja Sorgen machen, aber dann soll der Herr seinen Geliebten auch bei so einem Dreckswetter ohne Aufforderung abholen. Wenn er dich wirklich nicht abholt, fahre ich dich nach Hause", pfeffere ich ihm an den Kopf und verstecke auch nicht, dass das Verhalten seines Freundes mich sauer macht.

Taehyung hebt den Kopf und sieht mich mit großen Augen an, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich so aus der Haut fahre. Seine Lippen sind leicht geöffnet, als wollte er etwas erwidern, doch er schließt sie wieder und seufzt.

"Du musst mich nicht nach Hause fahren, Jeongguk. Ich schaff das schon“ murmelt er leise und dreht den Lappen in seiner Hand, als wäre das Ding plötzlich das Interessanteste auf der Welt.

"Ach komm, erzähl mir doch keinen. Du siehst aus, als hättest du gestern null Schlaf bekommen. Außerdem...“, Ich mache eine Pause, während ich Taehyungs erschöpftes Gesicht betrachte, "... du verdienst jemanden, der sich wirklich kümmert, anstatt nur Drama zu machen, wenn du mal von Freunden nach Hause gebracht wirst.“

Taehyung blinzelt mich überrascht an, als hätte er mit allem gerechnet, aber nicht mit meinen Worten.

"Es... es war nicht immer so. Am Anfang war alles einfacher. Aber jetzt... na ja, es ist komplizierter geworden“, erklärt er mit einem schwachen Lächeln, das nicht wirklich seine Augen erreicht.

"Komplizierter? Er rastet aus, weil du sicher nach Hause kommst. Das ist nicht kompliziert, das ist verdammt anstrengend“, entgegne ich, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden.

"Es ist halt... er hat eben diese Unsicherheiten. Und ich will ihn auch nicht noch mehr verärgern“ murmelt er und senkt den Kopf, als wäre es ihm unangenehm, das zuzugeben.

"Unsicherheiten? Sicher sein zu können, dass du nicht im strömenden Regen stehst und auf ihn wartest, ist keine Unsicherheit, das ist gesunder Menschenverstand, Taehyung!“, wird mein Ton wieder etwas schärfer, weil es mich einfach wahnsinnig macht, wie er sich für Bogums Verhalten rechtfertigt.

Taehyung sieht kurz auf, nur um wieder wegzuschauen, als hätte er keine Lust, weiter darüber zu reden.

"Lass uns das Thema wechseln, okay? Ich will mich nicht noch mehr darüber aufregen,“ sagt er fast flehentlich.

Ich atme tief ein und nicke, auch wenn es mir schwerfällt, das Thema einfach so fallen zu lassen. Taehyung soll sich nicht wegen dieses Typs schlecht fühlen, aber ich verstehe auch, dass er einfach keine Lust hat, weiter darüber nachzudenken.

"Gut. Aber das Angebot steht. Wenn er nicht auftaucht, fahr ich dich. So oder so, du gehst nicht allein im Regen nach Hause", lenke ich ein und lehne mich gegen die Theke.

Ein leichtes, erschöpftes Lächeln huscht über Taehyungs Gesicht.

"Danke, Jeongguk. Das ist nett von dir", bedankt er sich auch noch bei mir, wofür ich ihm gegen die Stirn hauen könnte.

"Ist doch selbstverständlich. Immerhin, was wäre ich für ein Kollege, wenn ich dich hier einfach stehen lasse?“, zucke ich mit den Schultern.

Taehyung lacht leise, und auch wenn es nur kurz ist, tut es gut, ihn wenigstens für diesen Moment wieder etwas entspannter zu sehen. Jetzt erschließt sich mir einiges. Taehyung hat vorhin geweint, weil er sich von seinem dummen Freund schon gestern Abend was anhören musste und deswegen nicht schlafen konnte. Langsam habe ich wirklich das Gefühl, dass er sich für seinen Fehler an Neujahr bestraft oder liebt er diesen Bogum tatsächlich so sehr? Irgendwie kann ich das nicht glauben. Ach, er bereitet mir solche Kopfschmerzen...

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