Kapitel 7: Strafarbeit mit Oliver

Pokale putzen war eine recht ironisch gewählte Strafarbeit, wie Marcus fand. Es war gemein von McGonagall, sie vier Tage nach dem Duell in das Zimmer zu bestellen, in denen frühere Schüler mit Auszeichnungen für ihre Leistungen, unter anderem auch im Quidditch, bedacht worden waren. 

Es war seit seinem Eintritt ins Team Marcus größter Traum, hier verewigt zu werden, und er war sich sicher, dass Wood das auch gefallen würde.
Momentan wandte ihm der Gryffindor den Rücken zu und tat tatsächlich das, wofür sie hier waren, nämlich putzen. 

Das war typisch, Marcus hätte nichts anderes erwartet. Er selbst lehnte seit geraumer Zeit an einem Tisch, den man mit Vitrinen vollgestellt hatte, und sah seinem Gegenspieler beim Arbeiten zu.
Es war recht interessant, zumal er dabei wie ein faszinierter Naturforscher beobachten konnte, wie sich die Muskeln in Olivers Körper bewegten. Marcus ertappte sich dabei, wie er sich auf die Unterlippe biss, wobei er sich wie ein Mädchen vorkam. 

Hastig stieß er sich vom Tisch ab. Es konnte doch nicht wahr sein, dass er Wood hier anschmachtete, als würde er auf ihn stehen!
Aber er konnte dieser gewissen Anziehungskraft, die der Gryffindor seit nun über einem Jahr auf ihn ausübte, einfach nicht widerstehen. Immer noch nicht, besser gesagt.
Ein Umstand, der ihn noch immer in Rage versetzte, denn nur deswegen war er ja jetzt hier und hatte noch volle sieben Tage, die er nicht das Quidditchfeld betreten durfte.
Er hatte es ja versucht, aber McGonagall hatte keine Mühen gescheut und einen Zauber um den Platz gelegt, der ihm das Betreten untersagte. Es war, als würde er wieder und wieder gegen eine durchsichtige Wand laufen und egal wo er es versuchte, diese Wand war da und trennte ihm von dem einzigen Ort auf der Welt, an dem er sich vollkommen akzeptiert und richtig am Platz fühlte. 

„Sag mal machst du auch irgendwas oder starrst du mich nur blöd an?" 

Marcus blinzelte verwirrt in Woods Richtung. Sie waren sich näher gekommen, auch, weil Wood sich mittlerweile zu ihm umgedreht hatte.
Auf die Schnelle fiel ihm nicht mal einer seiner flotten Sprüche ein, was ihn zugleich verblüffte, als auch leicht verärgerte. Aber entgegen der sonstigen Male, in denen er mit Wood konfrontiert war, wog eine Art Resignation gegen die Wut auf und unterdrückte sie. Als hätte sein sonst so gestümes Gemüt endlich genug von der Aggression. 

„Was man bewundert darf man auch anschauen.", sagte er langsam, nur um dann eilig die Augen aufzureißen. Das hatte er nicht sagen wollen.

Auch Oliver war von dieser Aussage eindeutig überrascht, denn er blinzelte Marcus nur ganz verwirrt an und fragte dann: „Bitte was?" 

Marcus, der spürte, wie ihm durch die unangenehme Situation heiß wurde, versuchte hastig, sich daraus zu retten. Und so schnell, wie diese neue, andere Seite an ihm erschienen war, verschwand sie auch wieder, denn zu seiner Erleichterung entdeckte er etwas hinter Wood, dass ihm aus der Verlegenheit helfen würde.
Wieder ganz der Alte zeigte er lässig mit dem Finger auf den Gryffindor, als meinte er ihn. 

„Du stehst da vor der Auszeichnung von Osmin d'em Wilnder. Den haben sie aus Hogwarts rausgeholt, weil er so ein verdammt guter Spieler war. Mitten im - " 

„Ja, ich weiß wer das ist. In seinem siebten Jahr war zufällig ein Scout zu einem Qudditchspiel hier in Hogwarts und hat ihn als absolutes Nachwuchstalent entdeckt. Ich meine, was er drauf hatte, allein die Pässe, die konnte kein Hüter halten!" Aus Wood Stimme sprach plötzlich die pure Begeisterung, während er sich zu einer Erzählung hinreißen ließ, um all sein Wissen über den Spieler hervorzubringen. 

Manchmal vergaß Marcus, dass sie beide im tiefsten Inneren wie kleine Jungs waren, deren Herz für alles schlug, was mit Quidditch zu tun hatte. In dieser Hinsicht waren sie gar nicht so verschieden. Sie liebten das Spiel, die Herausforderungen, die Geschichte und sie träumten davon, professionelle Spieler zu werden. Wenn er sein Geld in einer Top Mannschaft verdienen würde, dann wäre Marcus der glücklichste Mann der Welt. 

„... und wie sie damals im Spiel gegen die Moutohora Macaws in Neuseeland mit dem Klatscher ihren eigenen Spieler ausgeschaltet haben!", drängte sich Woods Stimme wieder in seine Ohren.

 „Ja, eigentlich ist es echt schade, dass sie Wildner durch die eigene Dummheit verloren haben. Er hätte sie bestimmt noch an die Spitze gebracht.", murmelte Marcus zustimmend. 

Wood nickte. Dass sie mal einer Meinung waren, war ein ungewöhnlicher Zustand. Plötzlich breitete sich Schweigen über sie. 

Marcus sah auf den Boden und betrachtete seine Schuhe, während Oliver das Gegenteil tat und mit in den Nacken gelegtem Kopf an die Decke starrte.
Schließlich erhob er wieder das Wort.
„Wieso können wir uns nicht öfter einfach nur über unsere Leidenschaft unterhalten, anstatt uns an die Kehlen zu springen?", fragte er leise. 

Bei dem Wort ‚Leidenschaft' dachte Marcus für den Bruchteil einer Sekunde erst an ganz andere Dinge, bis ihm klar wurde, dass der Gryffindor auf Quidditch hinauswollte. Aber er sagte nichts dazu. Er hatte einfach keine Antwort auf diese Frage. 

Oliver senkte den Blick und sah ihn an.
„Wieso musst du mich immer provozieren?", fragte er, geradezu sanft, "Wozu dieses ganze Macho Gehabe, warum immer dieses aggressive Gegner- Verhalten? Wir könnten vielleicht sogar irgendwann mal", er zögerte, als wagte er nicht, weiterzusprechen, „Freunde werden. Oder wenigstens keine Feinde mehr sein." 

Wozu das Ganze? wiederholte Marcus in Gedanken.
Weil Gryffindors und Slytherins nie besonders gut miteinander auskommen.

Weil ich ein Arsch bin.
Weil meine Eltern mich verstoßen würden, sollten sie jemals rauskriegen, was ich für dich empfinde.
Ich wäre die größte Lachnummer - und du würdest mich nie mehr ansehen.
 

Er schloss für einen Moment die Augen und besann sich. Schluss mit diesen Gedanken, sowas konnte nicht die Wirklichkeit sein. Als ob er Angst hätte, dass Wood ihn nie wieder sehen wollte. Das war doch Schwachsinn.
Seine Gefühle erzählten ihm das Gegenteil, aber noch war er nicht bereit, das zu akzeptieren. 

So wie es klang, begann Wood, ihn zu mögen, Hoffnung in ihn zu setzen. So als wäre Marcus gar nicht der dumme Troll, für den ihn alle hielten, so als wäre er tatsächlich mehr als das, was alle in ihm sahen.
Er durfte das nicht zulassen.
Wenn Oliver von sich aus Schritte auf ihn zu machen, Freundschaft oder Ähnliches suchen würde – es wäre Marcus Untergang.
Weil es da nichts gab, dass Wood dort finden konnte. Nur die pure Enttäuschung. 

Denn mehr war Marcus Flint nicht.
Ein verräterischer Freund, ein Versager und eine Enttäuschung.
Und das hatte niemand, aber am wenigsten Wood, verdient. 

Als er die Augen wieder öffnete, blickte er Wood direkt an und legte den kältesten Ton auf seine Stimme.
„So etwas Dummes kann auch nur ein Gryffindor sagen." Er lachte. Es war dunkel und schwer, falsch.
„Du täuscht dich da gewaltig, wenn du denkst, wir könnten mal irgendetwas anderes sein, als Feinde. Du bist Gryffindorabschaum und ich eine Slytherinbrut. Uns ist es nicht bestimmt, jemals etwas anderes zu sein, als das."
Damit, auch wenn es ihm großen Widerwillen bereitete, drehte er Olivers verletztem Gesicht den Rücken zu und begann damit, seine Strafarbeit auszufüllen. 

Als McGonagall nach ein paar Stunden den Raum betrat, um sie zu entlassen, und ihnen ihre Zauberstäbe zurückgab, traf sie zwei Schüler an, die beide erschöpft und niedergeschlagen waren. 

Der Moment, der vielversprechend angefangen hatte, schien nun alle Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft zerstört zu haben. 

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