05 | Sophie
Ich sitze auf einer alten, hölzernen Bank im Park direkt bei der Bristol Universität, umgeben von sanft rauschenden Bäumen und dem Duft von blühenden Blumen. Die Sonne steht tief am Himmel und taucht alles in ein goldenes Licht. Blake sitzt neben mir und ich kann sehen wie seine Augen um Licht der untergehenden Sonne funkeln.
Es ist der perfekte Ort und die perfekte Atmosphäre, um über das Theaterstück „Romeo und Julia" zu sprechen.
»Weißt du, ich finde es so faszinierend, wie Romeo und Julia trotz all der Hindernisse zueinanderfinden«, sage ich und schaue in den Himmel, wo ich den Mond schon erkennen kann, der langsam mehr und mehr sichtbar wird. »Es ist, als ob ihre Liebe alles überwindet, selbst die Feindschaft ihrer Familien.«
Blake nickt mit gerunzelter Stirn. »Ja, das stimmt. Aber ich frage mich, ob ihre Liebe wirklich so stark war oder ob sie einfach in der Hitze des Moments gehandelt haben. Ich meine, sie kannten sich doch kaum, bevor sie sich ineinander verliebt haben.« Er spielt mit einem Stift in seiner Hand und sieht mich dabei an.
»Das ist ein guter Punkt«, antworte ich und lehne mich zurück und seufze. »Aber vielleicht ist es gerade das, was die Geschichte so besonders macht. Es geht um diese leidenschaftliche, impulsive Liebe, die uns alle anspricht. Manchmal trifft man jemanden und fühlt sofort eine Verbindung, oder?«
Auch wenn ich es nicht will, schwingt eine leichte Hoffnung in meiner Stimme mit. Die Hoffnung, dass er mich auch interessant finden könnte, so wie ich ihn.
»Das stimmt«, sagt Blake und lächelt. Mein Herz stolpert einen kurzen Moment. »Aber ich finde es auch traurig, wie tragisch es endet. Es zeigt, dass Liebe nicht immer genug ist, um die Probleme der Welt zu lösen.« Seine Stimme wird leiser, und ich kann die Ernsthaftigkeit in seinen Worten hinaushören.
»Ja, das Ende ist herzzerreißend«, gebe ich zu. »Es lässt einen darüber nachdenken, wie wichtig Kommunikation und Verständnis ist. Wenn nur die beiden Familien ihre Differenzen beiseitegelegt hätten ...« Ich lasse das Ende offen. Wer weiß, vielleicht wäre solch ein schicksalhaftes Ende nicht passiert. Vielleicht hätten die beiden bis zum Ende vereint und voller Liebe zusammengelebt.
Aber das sind alles nur Spekulationen. Gedankengänge, die den Verlauf der Geschichte nicht beeinflussen können.
Tief atme ich ein. Ich genieße den Moment. Der Park wird immer dunkler, aber das warme Licht der untergehenden Sonne bleibt in unseren Herzen. Es ist ein schöner Abend, und ich bin froh, dass ich mit Blake hier bin. Dass ich mit ihm dieses Projekt gestalten und gleichzeitig mit ihm Zeit verbringen kann.
Ich sehe sein besonnenes Lächeln. Schaue dabei zu, wie er ein paar Stichpunkte zu unseren Gedanken in sein Heft schreibt. Beim Grübeln hält er immer kurz inne und spitzt seine Lippen. Leicht senke ich meinen Kopf und verstecke dabei mein Grinsen.
Als Blake fertig ist, hebt er seinen Kopf. »Hast du dir schon Gedanken gemacht. Ob wir es als Musical gestalten sollten oder nicht?«
»Ja, ich habe ein paar Ideen«, antworte ich und krame sofort in meinem Rucksack nach den ganzen Unterlagen. »Ich finde, wir sollten es wirklich als Musical umgestalten. Die Tragik der Geschichte könnte durch Musik und Tanz noch intensiver werden.«
Blake nickt und fängt breit an zu lächeln. »Genau! Stell dir vor, wie die ersten Szenen aussehen könnten. Romeo und Julia treffen sich auf einer lebhaften Party, und die ganze Szene wird von einem eingängigen Song begleitet. Es könnte eine Mischung aus modernen Beats und klassischen Melodien sein.«
Ich kann mir das Bild schon vorstellen: die bunten Lichter, die tanzenden Gäste und die beiden Hauptcharaktere, die sich inmitten des Trubels finden. »Und was ist mit den Konflikten zwischen den Familien? Wir könnten dramatische Duette einbauen, die die Emotionen der Charaktere widerspiegeln. Vielleicht ein kraftvolles Lied für Tybalt und Mercutio, das ihre Rivalität zeigt«, rede ich weiter. In mir sprudelt es Energie und Ideen.
»Das klingt großartig!« Seine Augen leuchten nur so vor Begeisterung. »Für die Balkonszene könnten wir eine romantische Ballade schreiben, mit der Romeo und Julia sich dort unterhalten. Es wäre perfekt, um die Spannung zwischen ihnen zu zeigen.«
»Ja! Und wir könnten den ganzen Teil mit einer Choreografie untermalen, die die Anziehung und die Gefahr ihrer Liebe darstellt«, füge ich hinzu, während ich mir die Bewegungen vorstelle. »Es wäre so viel mehr als nur Worte - die Musik würde die Emotionen wirklich zum Leben erwecken.«
Blake lehnt sich vor und sieht mich an. Er ist mir plötzlich sehr nah und vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich habe das Gefühl, seinen Atem auf meiner Haut zu spüren. Auf meinen Unterarmen bildet sich eine Gänsehaut.
»Ich liebe es! Lass uns ein paar Songs schreiben und die Charaktere weiterentwickeln. Wir könnten sogar ein paar moderne Elemente einbauen, um es für unser Publikum zugänglicher zumachen.«
»Wir brauchen Tänzer und Sänger«, beginne ich und tippe nachdenklich mit dem Zeigefinger an meine Lippe. »Meine Zimmergenossin Mia studiert Kunst und hat ein bisschen Ahnung von Mediendesign. Ich könnte sie fragen, ob sie uns beim Entwurf für die Plakate helfen könnte. Vielleicht kann sie sich auch für ihren Studiengang ein paar Punkte anrechnen lassen.«
»Das wäre perfekt. Dann könnten wir nächste Woche schon das Casting starten. Je früher wir unsere Leute zusammenhaben, desto besser.« Blake lächelt mich von der Seite aus an. Vielleicht irre ich mich nur, oder sein Blick bleibt ein paar Sekunden länger auf meinen Lippen verweilen, als er eigentlich sollte.
Ich möchte gerade meinen ganzen Mut zusammennehmen und etwas Verrücktes tun, da schlägt Blake sein Heft zusammen und lässt somit die Blase aus Harmonie zerplatzen. »Ich muss jetzt leider los«, meint er zerknirscht zu mir und fängt an, seine Sachen in seiner Umhängetasche zu verstauen.
»Oh«, gebe ich nur leise von mir. Innerlich hatte ich mir erhofft, dass wir weiter hier sitzen könnten. Blake erhebt sich neben mir und da ich immer noch sitze, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können.
»Wir schreiben?«
Ich nicke. Dann sehe ich ihm dabei zu, wie er den Kiesweg zum Ausgang des Parks entlangschlendert. Tief atme ich ein und aus. Erst, als ich Blake nicht mehr sehen kann, regt sich mein Körper und ich fange an, langsam meine Unterlagen in den Rucksack zu stopfen.
Als ich die Tür zu meinem und Mias Wohnheimzimmer öffne, werde ich sofort von einem bunten Chaos empfangen, das perfekt unsere beiden Persönlichkeiten widerspiegelt. Auf der linken Seite steht mein Schreibtisch, überladen mit Skripten, Notizen und einem Stapel Bücher über Theatergeschichte. Ein paar bunte Marker liegen verstreut zwischen den Seiten eines aufgeschlagenen Drehbuchs. Ich kann den Geruch von frischer Tinte und alten Seiten riechen - eine Mischung, die mich immer inspiriert.
Rechts von mir ist der Bereich von Mia. Ihre Wände sind mit ihren eigenen Gemälden geschmückt - lebendige Farben und abstrakte Formen, die in alle Richtungen sprießen. Der Tisch ist ein kreatives Durcheinander aus Pinseln, Farben und Skizzenblöcken. Ich sehe eine Leinwand in der Ecke stehen, die noch unvollendet ist, aber bereits vielversprechend aussieht.
In der Mitte des Raumes steht unser gemeinsames Sofa, das wir mit bunten Kissen dekoriert haben. Hier verbringen wir oft Abende damit, uns gegenseitig unsere neuesten Projekte zu zeigen oder einfach nur zu plaudern. Manchmal bringt Mia ihre Freunde mit, mit denen sie dann in eine kreative Diskussion über Kunstthemen vertieft ist, während ich an meinem Text arbeite.
Die Atmosphäre ist lebhaft und inspirierend. Es gibt immer etwas zu tun oder zu besprechen - sei es ein neues Stück für das Theater oder eine Ausstellung für Mias Kunstklasse. Die Wände sind nicht nur mit unseren Arbeiten geschmückt; sie sind auch voll von Erinnerungen: Fotos von Ausflügen, Zitate von unseren Lieblingsautoren und kleine Notizen, die wir uns hinterlassen haben.
Es ist ein Raum voller Kreativität und Freundschaft - ein Ort, an dem wir beide wachsen können und uns gegenseitig unterstützen. Trotz des Chaos fühle ich mich hier zu Hause. Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass Noah einmal meinte, es sehe hier so aus, als wäre ein Einhorn explodiert. Über die Aussage muss ich bis heute schmunzeln.
Auf eine Art und Weise hat er aber auch recht.
Da Mia leider nicht da ist, schmeiße ich meinen Rucksack in die Ecke und lasse mich aufs Bett fallen. Morgen hätte ich noch genug Zeit mit ihr über die Idee zu reden.
*
»Wie war dein Tag?«
Ich halte in meiner Bewegung inne und drehe mich zu Cody um, der etwas abseits hinter mir steht. Langsam lasse ich den Arm senken und lege das Buch, das ich gerade ins Regal einsortieren wollte auf den kleinen Rollwegen neben mir.
»Was?«
»Wie war-«
»Ich habe dich schon verstanden ... aber wieso willst du das wissen?«
Cody runzelt die Stirn und zieht seine Schultern hoch. »Beginnt man nicht so ein Gespräch? Eine Art Small Talk?« Er zieht einen zusammengefalteten Zettel aus der Hand und schaut ihn sich akribisch an.
»Hast du aufgeschrieben, was du mich fragen könntest?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lege meinen Kopf schief. Was zum Teufel ist mit Cody los? Er fragt mich nie solche Dinge, sondern arbeitet stumm neben mir her. Und wenn er mit mir spricht, hat es zu hundert Prozent immer mit der Arbeit zu tun.
Er scheint meine Frage zu ignorieren, denn er lässt den Zettel sinken und schaut mir für eine Millisekunde in die Augen. Dann fokussiert er etwas anderes in meinem Gesicht. »Wie war dein Tag?«, wiederholt er zum dritten Mal.
Ich seufze. »Ganz okay, ich war-«, ich unterbreche mich selbst, da Cody nur nickend auf dem Absatz kehrtmacht und zum Gehen ansetzt. Was zum ...?
»He, du kannst nicht einfach abhauen!«
»Warum nicht? Du hast meine Frage beantwortet. Dein Morgen war und ich zitiere ‚Ganz okay'«
Mir klappt nun endgültig der Mund auf und ich sehe Cody dabei zu, wie er nach vorne schlendert, um dort seine Arbeit fortzuführen.
Sooo ~
Es geht weiter. Entschuldigt bitte, dass letzte Woche kein Kapitel kam. Ich hatte viel um die Ohren 🙈
In diesem ging es sehr viel um Romeo & Julia. Meine Güte, ich hatte vergessen sie extrem da die Dramatik und Romantisierung war 😂😂
Ich hoffe ich habe es auf dem Punkt gebracht ☺️
Wie immer freue ich mich über Rückmeldungen 🥰
Habt einen schönen Sonntag Abend😊
Eure Rahel ♥️
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