16 | Connor

»Und, hat einer von euch es schon gesagt?«, fragt Sophie, während sie die Gurke von ihrem Cheeseburger pult und auf das Tablett vor sich fallen lässt. Sie hasst die Gurken. Ich bin mir sicher, sie würde die Gurken auch in einem Edelrestaurant runterpulen. Schweigend sehe ich ihr dabei zu und kaue auf meinem eigenen Cheeseburger herum.

»Was gesagt?«, möchte ich wissen und lege irritiert die Stirn in Falten. Sie hebt vielsagend den Blick und schaut mich ein wenig ungläubig an. Dann klatscht sie die obere Hälfte des Brötchens wieder auf den Rest des Burgers. Die ganze Prozedur hat jetzt knapp fünf Minuten gebraucht, in denen ich meinen eigenen Cheeseburger fast aufgegessen habe.

»Na, was wohl? Die berühmten drei Worte: Ich liebe dich«, meint Sophie lässig, bevor sie einen Bissen nimmt. Ich verdrehe die Augen. Irgendwie haben Mädchen scheinbar einen genetisch programmierten Code für solche Dinge. Sie scheint viel aufgeregter zu sein als ich, dabei hatte ich etwas mit Aiden am Laufen und nicht sie.

»Nein«, gebe ich etwas lahm zurück und stopfe mir die Pommes in den Mund. Ich kaue darauf herum, bemerke den konstanten Blick von Sophie, welchen sie mir über den Tisch rüber wirft. Seufzend schüttle ich den Kopf. »Wir haben noch nicht einmal besprochen, was wir überhaupt sind.«

»Wirklich nicht?« Sophie macht große Augen.

Ich zucke mit den Schultern. »Ja. Das Gespräch gab es irgendwie noch nicht. Ich meine ... ich denke, dass wir in einer Art und Weise zusammen sind. Wir machen alles, was in einer Beziehung dazugehört.«

Die Worte purzeln so leichtsinnig von meinen Lippen, dass ich erst Sekunden danach verstehe, was ich überhaupt gesagt habe. Prompt werde ich rot, aber Sophie hat es schon verstanden.

Ihr entzückter Gesichtsausdruck überrascht mich. Sie starrte mich lange an, dann breitet sich ein übertriebenes Grinsen über ihre Lippen aus. »Ha! Ich wusste es.«

»Wie du wusstest es?«, gebe ich verwirrt zurück.

Glucksend streicht sie ihre Haare hinters Ohr und lehnt sich ein kleines Stück vor. »Der Tag danach, nachdem du wiedergekommen bist. Du hast gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd und Aiden ebenso. Eure Körperhaltung zueinander hat sich noch einmal verändert.«

Mir klappt die Kinnlade runter, als ich Sophie zuhöre. Was hat sie für ein Blick? Ich bin der Meinung gewesen, dass Aiden und ich uns normal verhalten haben, wie immer. Jetzt ist nur der Sex dazugekommen, welcher wohlbemerkt einfach nur atemberaubend ist. Ich habe mich den Morgen danach selten so wohl und geborgen gefühlt.

Zwar war die Stimmung betrübt, wegen des Todestages seines Bruders, aber dennoch ... es war unglaublich. So unglaublich, dass wir eine Stunde nach unserem Aufwachen eine zweite Runde eingelegt haben. Hätten wir nicht später Vorlesungen gehabt, wären wir den Tag gar nicht mehr aus dem Bett gekommen.

»Du hast es mir – uns angesehen?«, frage ich erstaunt, nachdem ich meine Stimme offensichtlich wiedergefunden habe.

»Ja«, erwidert sie schlicht und zuckt mit den Schultern, so, als wäre es nichts Besonderes. Ich kann es nicht glauben.

Lange schaut sie mich an und seufzt verträumt. »Ich freu mich so für dich«, teilt Sophie mir einen Augenblick später mit verträumter Stimme mit. »Wer lag denn oben?«

»O mein Gott. Sophie!«, presse ich erschrocken zwischen meinen Zähnen hervor und rutsche ein Stück meinen Stuhl runter, in der Hoffnung zu verschwinden. Ich weiß, dass Sophie eine sehr direkte Person ist, aber mit dieser Frage habe ich gar nicht gerechnet. Selbst Noah habe ich noch nicht erzählt, dass Aiden und ich miteinander geschlafen haben. Es ist also sehr surreal es zuerst Sophie zu erzählen. Obwohl ... erzählt habe ich es nicht, sie wusste es schon vorher.

Mein peinlicher Anblick muss sehr witzig sein, denn sie bricht im schallenden Gelächter aus. O bitte Boden, tu dich auf und verschlinge mich. Ich möchte gern vom Stuhl unter den Tisch rutschen, da ich das Gefühl habe, dass uns jeder bei McDonalds anstarrt. Das Lachen geht über in ein Kichern und abschließend macht sie eine abwinkende Handbewegung, so, als sollte ich nicht alles zu ernst nehmen.

»Bist du fertig oder muss ich mich weiter verstecken?«, hake ich vorsichtig nach und bin dabei mich wieder richtig auf den Stuhl zu setzen.

»Schon gut, entschuldige«, meint sie amüsiert und streicht sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. Gespielt genervt verdrehe ich die Augen und widme mich nun meinen komplett kalten Pommes.

Wir plaudern noch ein bisschen, bis Sophie irgendwann seufzend immer wieder auf ihr Handy schaut. Die ersten Male ignoriere ich es, doch beim knapp zwanzigsten Mal runzle ich die Stirn. »Erwartest du eine wichtige Nachricht?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Was heißt wichtig ... ich warte, dass mir Matthew zurückschreibt.«

Jetzt bin ich hellhörig. »Wer ist Matthew?«

Ihre Augen wenden sich vom Handybildschirm ab und suchen meinen Blick. »Er leitet mit dem Professor den Theaterkurs und ist zwei Stufen über mir und ...«, ein leichter rötlicher Schimmer erscheint auf ihren Wangen, » ... er ist schon sehr süß. Wir wollten uns zum Kaffeetrinken verabreden.« Sie seufzt leise auf. »Aber er meldet sich nicht.«

Ich blinzle perplex. Wie habe ich nicht mitbekommen, dass Sophie sich derweil mit einem Typ trifft – beziehungsweise treffen möchte? »Es freut mich, dass du jemanden kennengelernt hast«, sage ich und sehe ihr dabei zu, wie sie erneut in WhatsApp reingeht und nachschaut, ob sie doch noch eine Nachricht erhalten hat. Ihr Mund verzieht sich zu einer beunruhigten Schnute.

»Vielleicht ist er gerade beschäftigt mit seinen Kursen«, murmelt sie leise und ich bin mir fast sicher, dass Sophie es zu sich selbst sagt, anstatt zu mir. Trotzdem nicke ich bestätigend, was sie nicht sieht, da ihr Blick weiterhin auf dem schwarzen Display verweilt.

»Wenn er sich wirklich mit dir treffen möchte, wird er sich schon melden.«

Dankbar sieht Sophie mich endlich an und ein weiteres Seufzen purzelt über ihre Lippen. Ich kann Sophie verstehen. Wenn man plötzlich eine Person trifft, die einen von der einen Sekunde auf die andere aus den Latschen haut, kann man nicht mehr aufhören, an sie zu denken.

»Danke.«

»Nicht dafür. Dafür sind Freunde da.« Ich grinse. »Außerdem musst du mich jetzt wegen diesem Matthew auf dem Laufenden halten.«

Sophie lacht und ihre düstere Miene scheint sich verzogen zu haben. »Ich hoffe, dass ich dir bald Sachen erzählen kann. Dafür muss er sich nur melden.«



*


Nach dem Gespräch mit Sophie bin ich in mein Zimmer zurück, um meine Sporttasche für das Volleyballtraining zu packen. Ich habe mich in der Mannschaft gut eingelebt und bin als Stammspieler ernannt worden. Das jahrelange Training in Derby hat sich also ausgezahlt.

Summend gehe ich den schmalen Kiesweg Richtung Sporthalle entlang und sehe von Weitem eine bekannte Gestalt. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen, als ich auf Aiden zugehe, der mit dem Rücken zu mir steht und vertieft mit seinem Handy beschäftigt ist. Wir haben uns zwar für heute Abend verabredet, aber es spricht nichts dagegen, sich durch Zufälle zu treffen.

Mit schnellen Schritten erreiche ich ihn und schlinge meine Arme ohne Vorwarnung um seinen Oberkörper. Schlagartig wird sein Körper komplett steif und er senkt hektisch das Handy, so, als solle ich nicht sehen, was drauf ist. Ich konnte nur kurz einen Blick auf einen Chat mit einer Melanie erhaschen. Mehr nicht. Trotzdem breitet sich ein unwohles Gefühl in meiner Magengegend aus, denn mir sind die Herzen, die im Chatverlauf deutlich zu sehen waren, ins Auge gestochen.

»Hey«, flüstere ich leise und lasse Aiden los, damit er sich zu mir umdrehen kann. Ich weiß nicht warum, aber irgendetwas sagt mir, dass ich gerade in eine Situation geplatzt bin, von der Aiden nicht möchte, dass ich sie mitbekomme. Denn seine Mundwinkel heben sich kaum, als er meine Begrüßung erwidert.

»Ist alles in Ordnung? Wer ist diese Melanie?« Wow, Connor, du bringst es direkt auf den Punkt. Trotzdem ... etwas stimmt hier nicht.

Kurz breitet sich eine leicht entsetzte Miene auf seinem Gesicht aus, die innerhalb von Sekunden wieder verschwindet. Hastig steckt er sein Handy in die Jackentasche, als hätte er Angst, dass ich danach greifen könnte. »Sie ist ...sie ist eine alte Bekannte aus der Heimat. Ähm ... sie hat gefragt, wann an Heiligabend die Feier losgeht.«

Jetzt verstehe ich nur Bahnhof.
»Feier?«

Aiden zuckt mit den Schultern. »Naja ... meine Eltern geben dieses Jahr eine Weihnachtsfeier an Heiligabend und sie ist ... eingeladen?« Er druckst etwas rum, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich meine Stirn kritisch in Falten lege. Für eine Bekannte ist der Chatverlauf mit den Herzen jedoch sehr intim. Das sage ich zwar nicht, aber wohl fühle ich mich bei der ganzen Geschichte auch nicht.

»Okay«, gebe ich leise zurück und spiele mit seinen Händen in meinen. Ich kann gerade nicht in sein Gesicht schauen, da ich Angst habe, dass ich sehen könnte, dass er mich gerade anlügt.

Jetzt sei nicht so dramatisch!, mischt sich meine innere Stimme ein.

Verdammt – sie hat recht. Nur, weil ich vor Monaten schlechte Erfahrungen gemacht habe, heißt es lange noch nicht, dass es bei Aiden genauso ist. Er war bis jetzt immer offen und ehrlich. Wieso sollte er es in diesem Fall nicht sein?

Seufzend lehne ich mich an seinen Körper und schließe die Augen. »Sehen wir uns später?«

Seine Arme schlingen sich um meinen Körper, während er seine Nase in meinen Haaren vergräbt und tief einatmet. »Natürlich. Haben wir doch gesagt.«

Und weg ist das negative Gefühl - obwohl ein leichter Rest bestehen bleibt.


So das war das letzte Kapitel für 2023 ☺️😻
Krass, wie schnell ein Jahr umgehen kann.
Ich hoffe wie immer, dass euch das Kapitel gefallen hat ☺️

Ich kann nicht viel sagen, außer:
Rutscht gut rein & habt ein wunderschönen Start ins Jahr 2024 ❤️😍☺️

Eure A ❤️





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