14 | Connor
Ich lehne mich seufzend zurück und knülle die Papiertüte, in der bis eben noch mein belegtes Käse-Salami-Brötchen gesteckt hat, zu einem Ball. Am Fenster neben mir zieht die grüne Landschaft vorbei. Noah und ich sind seit einer knappen Stunde nach Derby unterwegs. Es fehlt noch einmal exakt die gleiche Zeit, bis wir den Hauptbahnhof erreichen. Von dort holt uns Allison ab.
Noah schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Wir haben ein privates Abteil für uns bekommen. Richtiger Luxus. Noahs wellige Haare sehen genauso verstreut aus wie der Blick, den er mir heute früh zugeworfen hat, als wir uns vor dem Unihauptgebäude getroffen haben.
Aiden ist noch kurz bei mir gewesen, hat sich jedoch dann verabschiedet, als er Noah hat kommen sehen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich habe das Gefühl, dass Aiden ein bisschen Angst vor meinem besten Freund hat.
Nach unserem Treffen auf dem Christmas Market habe ich Noah noch eine Nachricht geschrieben, dass er Aiden gefälligst nicht erschrecken soll. Es kam lange Zeit gar nichts, dann ein ‚Okay'.
»Machst du dir Sorgen?«, frage ich über das Rauschen des Zuges hinweg. Noahs Blick schnellt zu mir, seine Lippen verziehen sich zu einem schmalen Strich.
Lange halten wir unseren Blickkontakt, bis er endlich nickt und geräuschvoll seufzt. »Ja.«
»Das wird sich alles klären. Allison ist da und ich auch.«
Brummend wendet er seinen Blick von mir ab und richtet seine Aufmerksamkeit erneut auf die Landschaft. Manchmal ist Noah so verschlossen, da komme selbst ich nicht durch. Ich weiß nicht, ob Ava eventuell mehr Chancen hätte. »Ich bin überrascht, dass Aiden dich überhaupt hat gehen lassen.«
Verwundert lege ich die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?«
Ein Grinsen huscht über seine Lippen. »Naja ihr beide hängt zusammen wie siamesische Zwillinge.«
Sofort werfe ich ihn mit meiner Papierkugel ab und strecke ihm die Zunge raus. »Du bist ja nur neidisch!«
Aber unrecht hat Noah nicht. Aiden und ich haben uns täglich gesehen. Ob es zwischendurch am Tag war oder am Abend. Wie ein Magnet wurde ich zu seinem Körper hingezogen. Ich konnte nicht anders.
Schnaufend hebt Noah die Papierkugel von seinem Schoß auf und legt sie auf den kleinen Tisch zwischen uns. »Wieso sollte ich neidisch sein? Ich habe Ava.«
Ich halte in meiner Bewegung inne und starre meinen besten Freund an. Er redet so gut wie gar nicht über die Beziehung zwischen ihm und ihr. Ich weiß nur, dass Ava ihm guttut und ihn so oft aus seinem Schneckenhaus hervorholt.
Glucksend schüttle ich den Kopf. »Gut für dich. Ich bleibe aber bei Aiden.«
»Und ich bei Ava«, kontert Noah und eine Sekunde später fangen wir laut an zu lachen.
*
»Da sind ja meine beiden Jungs.« Allison kommt mit ausgebreiteten Armen auf uns zugelaufen, während ihre Haare im Wind flattern. Noah und ich haben überhaupt keine Chance der Umarmung auszuweichen, werden daher links und rechts an ihre Seite gepresst, wobei mir die ganze Luft aus meinem Brustkorb gedrückt wird.
Gott. Hat diese Frau Kraft.
»Wir sind doch erst seit drei Monaten in Bristol«, murmelt Noah, als Allison uns aus der Umarmung entlassen hat, und fährt sich durch die Haare.
Empört stemmt seine Tante die Hände in die Hüfte und schiebt schmollend die Unterlippe vor. »Drei Monate sind zu lange. Jetzt sag mir nicht, dass du deine Tante nicht vermisst hast!«
Noah rollt mit den Augen. »Natürlich habe ich dich vermisst.« Er seufzt und schiebt noch ein leises »ich könnte dich nicht nicht vermissen« hinterher.
Schmunzelnd beobachte ich die Szene zwischen Noah und Allison. Ich weiß, dass er eine tiefe Verbindung zu seiner Tante hat. Aber in der Öffentlichkeit hält er bis heute seine Gefühle unterdrückt. Irgendwann kriege ich es noch aus ihm heraus. Ich habe die Hoffnung, dass seine Therapie dabei helfen wird.
»Also ich habe dich sehr vermisst«, meine ich mit einem gespielt ersten Unterton und zwinkere Allison zu.
»Ohh«, säuselt sie, »auf meinen Connor ist Verlass.«
Ich höre, wie Noah neben mir »Blödmann« brummt, ehe ich meine Reisetasche vom Boden aufhebe und mich mit den anderen zum Ausgang des Bahnhofs begebe. Allison führt uns zu ihrem neuen Auto, das sie sich vor zwei Monaten zugelegt hat, wie sie gerade erzählt.
Es ist ein alter blauer KIA, aber noch gut in Schuss.
»Schick«, sage ich, während ich meine und Noahs Tasche im Kofferraum platziere und hinten auf der Rückbank Platz nehme. Wie von selbst rutsche ich in die Mitte und lehne mich zwischen den beiden Vordersitzen noch vorne. »Ich freu mich, hier zu sein, auch wenn der Anlass nicht so schön ist.«
Noah zuckt kaum merklich zusammen und dreht sich zum Seitenfenster, sodass ich sein Gesicht nicht sehen kann. »Ja«, haucht er leise und fast hätte ich ihn nicht verstanden.
Allison startet den Motor und ich lehne mich auf der Rückbank zurück, während sie das Auto aus der engen Parklücke manövriert. »Lasst uns jetzt nicht darüber reden, Jungs. Dafür haben wir morgen viel Zeit.«
Ich summe bestätigend, wobei Noah still bleibt. Er scheint sich geistig abgeschottet zu haben und ich weiß, dass es jetzt nichts bringen würde, ihn ein Wort aus dem Mund zu kitzeln. Daher bleibt die Fahrt überwiegend still. Ab und zu fragt Allison etwas über die Kurse in der Uni, wie es mir gefällt und ob ich neue Freunde gefunden habe.
Meine Erzählungen stoppen, als wir vor meinem Elternhaus parken. Wie am Anfang beuge ich mich vor, um Noah am Oberarm zu fassen. »Wir sehen uns morgen, hab dich lieb, Mann. Und danke fürs Abholen, Allison!« Dann schnalle ich mich ab, rutsche von der Sitzbank und hole meine Reisetasche aus dem Kofferraum. Zum Abschied klopfe ich zwei Mal auf die Heckscheibe, ehe ich durch den kleinen Vorgarten zum Haus hochgehe.
Mir bleibt nicht einmal die Chance an der Tür zu klingen, da wird diese schon aufgerissen und meine Mutter steht mit einem freudigen Strahlen im Türrahmen. Sie hat ihre dunkelblonden Haare abgeschnitten und trägt sie nun gestylt zu einem Bob, wodurch ihre markanten Gesichtszüge noch mehr zur Geltung kommen.
»Mein Junge, komm her.« Sie zieht mich zu sich an die Brust runter – ich habe die kleine Größe von meiner Mutter geerbt – und drückt mich ganz fest an sich. Unbewusst lasse ich meine Tasche fallen, schlinge meine Arme um den zierlichen Körper meiner Mutter und atme tief ihren Duft ein. Wie ich ihn vermisst habe!
»Hallo, Mama«, nuschle ich in ihrer Halsbeuge und schließe lächelnd die Augen. »Hab dich vermisst.«
»Wir dich auch. Komm rein, komm rein, sonst frieren wir uns zusammen den Hintern ab.«
Lachend unterbreche ich unsere Umarmung, hebe meine Tasche hoch, um sie gleich wieder im Flur in die Ecke zu stellen. Während ich mich aus meinen Straßenklamotten schäle, schaue ich mich um. Es hat sich nichts geändert. Die peinlichen Babyfotos von mir hängen immer noch an der Wand und der lange beige Teppich liegt weiterhin auf dem Boden. »Wo ist Papa?«, frage ich meine Mum, als ich ihr ins kleine Wohnzimmer folge.
»Auf Montage. Er hätte dich gerne gesehen, kommt aber erst nächste Woche zurück.«
»Oh.« Enttäuscht lasse ich mich in den Sessel fallen. Meine Mutter wirbelt um mich herum, zieht eine Wolldecke vom Sofa und legt sie über mich rüber. »Mum!«, fange ich an. »Ich kann es schon selbst.«
»Sh!« Sie wedelt tadelnd mit der Hand vor meinem Gesicht herum. »Lass mich dich als Mutter bemuttern!«
*
Ich bin müde, als ich Allison, Noah und der Frau vom Jugendamt ins Büro folge. Es ist hell und freundlich, und an der Wand hängen viele Fotos von glücklichen Kindern und Familien. »Ich hole noch schnell einen Stuhl.« Und damit verschwindet die Frau aus dem Raum – ich habe ihren Namen vergessen.
Noah neben mir sieht aus wie der Tod. Sein Gesicht ist blass und unter seinen Augen hängen dicke blauviolette Tränensäcke. Ich kann mir nicht ausmalen, wie er sich gerade fühlen muss.
Die Mitarbeiterin kommt wieder und stellt einen dritten Stuhl vor den Schreibtisch, deutet dann mit einer Handbewegung, dass wir uns setzen können.
»Danke, Mrs. Porter«, sagt Allison, während wir uns links und rechts neben Noah auf den Stühlen niederlassen.
Mrs. Porter hat sich derweil hinterm Schreibtisch niedergelassen und seufzend die Hände gefaltet. Ihr Blick ist ernst und verweilt ein paar Sekunden länger auf Noah, welcher starr auf seine zu Fäusten geballten Hände auf seinem Schoß schaut.
»Ich komme gleich zum Thema. Wir möchten uns entschuldigen, was hier vorgefallen ist. Das war inakzeptabel und hätte nie passieren dürfen.« Sie lehnt sich räuspernd im Schreibtischstuhl zurück. »Eine unserer Praktikantinnen hat die Information preisgeben, dass Sie, Mr. Carter, derzeit in Bristol an der Universität sind. Sie konnte nicht auf das System zugreifen und wusste daher nicht, dass eine Kontaktsperre herrscht. Es ist keineswegs eine Entschuldigung!«
Sie fängt an, in ihren Unterlagen zu kramen und seufzt. »Mrs. Carter hätte es besser wissen müssen und weiß, was sie angerichtet hat. Es wird zur Anzeige gebracht, solange Sie nichts dagegen sprechen.«
Noah bleibt still.
Langsam nickt er. »Ich will sie nie wieder sehen«, krächzte er leise und schluckt. »Ich will, dass sie dafür bestraft werden. Alle!«
»Glauben Sie mir, alle werden zur Rechenschaft gezogen.«
Die Stimmung ist angespannt und ich traue mich kaum mich zu bewegen, weil die Gefahr zu hoch ist, dass sie reißt. Während Allison mit Mrs. Porter ein paar wichtige Dinge wegen der Anzeige und der polizeilichen Aufnahme bespricht, wandert meine Hand wie von selbst zu Noah rüber und legt sich auf seinen Oberschenkel. Einfach um zu zeigen, dass ich da bin. Dass er nicht allein ist.
Seine Hände sind kalt und nass, als er meine mit seinen umklammert. Ich spüre sein leichtes Aufatmen. Seine eingefallenen Schultern straffen sich etwas, der Oberkörper richtet sich auf. Ich sehe, wie sein Blick klarer wird, so, als würde er verstehen, dass sich nun alles zum Guten wendet.
Dass seine Mutter die gerechte Strafe erhält.
Mit halbem Ohr höre ich nur, dass sie zu Hause von der Polizei festgenommen wurde, da sie gegen eine einstweilige Verfügung verstoßen hat und nun mit den Konsequenzen einer Haftstrafe rechnen muss.
Das Kapitel war eine Art Lückenfüller ☺️ es ist jetzt nicht so viel spannendes passiert. Aber man hat Noahs Tante aus dem ersten Band wieder gesehen 😍🤩 wer hat die Liebe Allison vermisst ? ☺️
Ich hoffe natürlich, dass euch das Kapitel gefallen hat ☺️
Und dass ihr gestern Abend einen schönen Abend hattet 🎄❤️
Gleich gehts es einmal zur Apotheke 😂
Habt einen wunderschönen 1. Weihnachtstag 🎄😍
Eure A.❤️
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top