Kapitel 11 | Archer
Meine Augen bohren sich in Mallorys Hinterkopf, als wir die Grünanlage um das Pachena Point Lighthouse durch ein kleines weißes Gartentor betreten.
Seit sie mir von dem Videochat mit ihrer Schwester erzählt hat - und wie sie sich gestritten haben - ist sie ruhiger geworden, in sich gekehrt.
Trotzdem lächle ich mich hinein, als ich mir die beiden zusammen vorstelle. Geschwister können einem den letzten Nerv rauben. Aber die Wortgefechte, schonungslose Ehrlichkeit und Verbindung zwischen Hunt und mir würde ich um nichts in der Welt missen wollen.
Der Gedanke daran, dass Mallory und Cynthia vielleicht nie mehr zusammen erleben werden, was für mich lange Zeit selbstverständlich war, schneidet tief. Er spornt mich aber auch an, die Nadel im Heuhaufen und mit ihr die jüngere der beiden Levisay-Schwestern zu finden.
Shawn und Hunter haben uns hier ein wenig Zeit gegeben, auf Erkundungstour zu gehen. Und eigentlich warte ich nur darauf, dass Mallory genau das tut, damit ich mit Morgan telefonieren kann.
Einige Informationen über Cynthias Freunde konnte ich bereits aus meiner hübschen Wanderkollegin herauskitzeln, ohne Verdacht zu schöpfen. Zumindest hat sie es sich nicht anmerken lassen, falls ihr meine Fragen komisch vorgekommen sind.
Mallory löst sich von dem weiß gestrichenen Holzschildhalter mit rot umrandeter Überdachung, dessen Aushang sie sich bis eben noch angesehen hat. Sie folgt dem schmalen, von Büschen und Farnen gesäumten Betonweg in Richtung Klippe, auf der auch der Leuchtturm thront.
Also ziehe ich das Satellitentelefon aus einer Beintasche meiner kakifarbenen Funktionshose heraus und betätige die Kurzwahltaste mit Morgans Nummer.
„Arch", flötet Morgan. „FedEx war pünktlich, wie ich sehe."
„Hey Kleine! Ja, der Fahrer war gleich heute Morgen da. Danke dir."
Vorsichtshalber spähe ich abermals in Mallorys Richtung, um sicherzugehen, dass sie weitergegangen ist. Sie soll hiervon nichts mitbekommen.
„Aber du hast vermutlich nicht angerufen, um dich zu bedanken", höre ich Morgan sagen.
„Nein." Ich seufze. „Zumindest nicht nur."
„Okay ... Muss ich dir heute alles aus der Nase ziehen oder verrätst du es mir?"
Rastlos tigere ich vor dem Schildhalter auf und ab, denn mir ist bewusst, dass das, worum ich meine Freundin gleich bitten werde, zu viel verlangt ist.
„Es würde mir unheimlich helfen, wenn du für mich mit Pike Bellefleur und Lisa Sashay sprichst. Du könntest dich als gute Freundin von Cynthias Schwester Mallory ausgeben und ihnen erzählen, dass du bei der Suche hilfst und Fragen zum Verlauf der Wanderung hast."
„Wer sind die zwei?", fragt Morgan.
„Cynthia Levisays Mitbewohner. Die beiden haben sie hier herbegleitet. Ich glaube zwar nicht, dass sie etwas mit dem Verschwinden ihrer Freundin zu tun haben, aber ..."
„Aber?", hakt sie nach.
„Aber ich muss wissen, ob es bei den Dreien untereinander irgendwelche Reibereien gab. Und wenn nicht: Haben sie eventuell irgendwas anderes mitbekommen, das uns weiterhilft."
„Zwei Frauen stehen auf denselben Mann oder der Typ fängt was mit einer von beiden an und die andere ist eifersüchtig? Wäre nicht das erste Mal." Im Hintergrund ist das Reißen von Papier zu hören. Vermutlich hat sich Morgan alles notiert. Ihre Atemgeräusche rauschen in der Leitung. „Okay, ich werd' sehen, was ich tun kann. Wenn wir offiziell ermitteln würden, könnten wir die Daten aus dem Buchungssystem des Reiseveranstalters einsehen. So ist es natürlich etwas aufwendiger, aber nicht unmöglich", sagt sie.
„Danke, du hast wirklich was gut bei mir. Die WG befindet sich in einem Apartmentkomplex auf dem Landseer Boulevard in Queens, New York City. Die genaue Adresse hab' ich leider nicht. Aber vielleicht bekommst du deren Nummern ja trotzdem irgendwie raus. Ich werde in der Zwischenzeit bei Hunters Boss, Shawn Fisher, nachhaken, ob er die GPS-Tracker von Cynthia und den anderen Gruppenmitgliedern auslesen kann."
„Gute Idee. Das musst du aber geschickt anstellen", gibt Morgan zu bedenken. „Die Mitarbeiter können wir nicht außer Acht lassen, theoretisch auch Hunt nicht." Vor allem die letzte Anmerkung trifft mich wie ein Tritt in die Magengrube.
Mein Bruder kann ein echter Dummschwätzer sein, aber eines ist er nicht: verlogen und abgebrüht. Wenn er etwas wüsste, hätte er es mir gesagt. Und auch Shawns Reaktion auf Mallorys Anwesenheit passte nicht zu der Theorie, dass er etwas verschweigt. Er wirkte ehrlich bestürzt. „Hast du gehört?"
Angestrengt massiere ich meine Nasenwurzel, wobei ich kurz die Augen zusammenkneife.
„Ich hab' dich verstanden. Eins nach dem anderen, okay? Versuch du zuerst, die Mitbewohner ans Telefon zu bekommen und ich rede mit Hunters Boss."
Zu meiner Erleichterung bohrt sie nicht weiter nach, stattdessen sagt sie: „Alles klar. Wir hören uns. Hab dich lieb, Arch."
Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln, als mir einmal mehr bewusst wird, wie glücklich ich mich schätzen kann, Morgan meine beste Freundin zu nennen. Es begegnen einem im Leben nicht viele Menschen, auf die man sich bedingungslos verlassen kann. Bleibt nur, zu hoffen, dass ich mich noch in diesem Leben für alles erkenntlich zeigen kann, was sie in den vergangenen Jahren und vor allem den letzten Wochen für mich getan hat.
„Ich dich auch, Kleine. Bis bald."
Das Satellitentelefon schiebe ich wieder in meine Hosentasche zurück, bevor ich mich aufmache, um Mallory einzuholen.
Wunderschön ist es hier, auch wenn ich gerade andere Dinge als Sightseeing im Kopf habe.
Der Rasen ist um die Wege und auf dem gesamten Gelände zu vollendeter Perfektion getrimmt worden. Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude folgen demselben Farbkonzept wie der Leuchtturm: Weiß und Rot.
Farnbüschel am Wegesrand streifen meine Hosenbeine und führen mich zu meiner linken an sechs gelben Dieseltanks vorbei. Wie riesige liegende Getränkedosen reihen sie sich nebeneinander auf einer Betonplattform auf. Wahrscheinlich halten sie die Generatoren am Laufen, welche die Anlage betreiben.
Meine Wanderkollegen sind nirgends zu sehen. Ich vermute, dass sie durch den weißen Flachbau zu meiner Rechten verdeckt werden, auf dem sich, meines Wissens nach, der Hubschrauber-Landeplatz befindet. Ich trete an den Schildbaum an der Ecke des Gebäudes heran und lasse den Blick über die einzelnen Entfernungsangaben huschen.
Japan 4695 MI
Uzbekistan 6194 MI
Saudi Arabia 7356 MI
USA 17 MI
Australia 7350 MI
Belgium 4917 MI
France 4929 MI
Der Klang von Stimmen und Gelächter zieht meine Aufmerksamkeit um die Ecke in Richtung Leuchtturm, dessen hölzerner Teil in einer achteckigen Form erbaut und mit einem weißen Anstrich versehen wurde. Die rote Laterne, mit der Linse darin, sitzt oben auf wie eine Krone.
Die gesamte Gruppe hat sich davor versammelt und kollektiv die Köpfe in die Nacken gelegt, um an dem Bauwerk hinaufzublicken, während Shawn zu allen spricht.
Und alle hören zu. Alle - bis auf Mallory.
Die hat sich ihres Rucksacks entledigt und blickt von der Klippe auf den Ozean hinunter. Die Arme hat sie dabei eng um ihre Mitte geschlungen. Ich setze mein Gepäck ebenfalls ab und begebe mich zu ihr.
„Es ist zwar schön hier, aber eigentlich hat die Geschichte des Leuchtturms sehr tragisch begonnen", erzähle ich mit ruhiger Stimme, um sie mit meiner plötzlichen Anwesenheit nicht zu erschrecken. Mallory antwortet nicht darauf, doch zumindest löst sie den Blick vom Meer und schaut mich an. Also rede ich weiter. „Der erste Leuchtturmwärter hat nur ungefähr ein Jahr von 1907 bis 1908 hier gelebt. Ich habe gehört, seine Schwester ertrug die Isolation nicht und litt unter Depressionen. Sie ist von der Klippe in ihren Tod gesprungen." Langsam atme ich aus. „Und jetzt selbst hier zu stehen ... Keine Ahnung. Es ist beklemmend."
Mein rechter Arm hängt locker an meiner Seite herunter. Mallory und ich stehen so nah, dass sich unsere Handgelenke beinahe berühren. Und so verlagere mein Gewicht auf den rechten Fuß, bis sie es tun.
Ein Angebot - oder eine Bitte?
Nimm meine Hand, Peach.
Erleichterung durchflutet mich, als sie genau das tut. Kühl und zerbrechlich schlingen sich ihre Finger um meine.
„Das hätte Thia interessiert ... Wenn es um Geschichte, um Sehenswürdigkeiten oder Kunst geht, faszinieren sie größtenteils die Menschen dahinter. Deshalb findet meine Schwester auch so schnell Freunde. Sie ist offen, freundlich und mitfühlend."
Sachte drücke ich ihre Hand.
„Hoffentlich kann ich sie bald persönlich kennenlernen. Auf jeden Fall werde ich alles geben, damit du sie beizeiten wieder in die Arme schließen kannst." Mit glasigen Augen studiert sie mich. „Du bist nicht allein, Peach."
„Genau, Peach", mischt sich mein Bruder ein, als er Mallory und mir von hinten jeweils einen Arm um die Schulter wirft und sein Kopf zwischen unseren auftaucht. „Du hast Archer und seinen enormen-"
„Hunt", ermahne ich ihn, aber sein Grinsen wird nur noch breiter. Der Mann hat ein Talent dafür, in den unmöglichsten Situationen aufzutauchen und unangenehme Dinge von sich zu geben.
„Ich wollte Verstand sagen", entgegnet er trocken. „Was dachtest du denn? Sie hat ja schon intensive Bekanntschaft gemacht mit deinem ... Verstand."
„Du bist so bescheuert - oh mein Gott", kichert Mallory.
Hunter kann von Glück reden, dass er sie mit seinem fragwürdigen Humor ein wenig aufgeheitert hat. Sonst hätte ich ihm postwendend einen Spruch reingedrückt.
„Ach komm, du liebst meinen Humor." Er zwinkert ihr zu. „Ich wollte euch nur sagen, dass wir weiterziehen. Seid ihr so weit?"
„Ja, ich bin ich startklar", gibt Mallory zurück. Hunters Aufmerksamkeit, aber, gilt unseren verbundenen Händen.
Mein Bruder deutet mit dem Finger darauf.
„Du hast ja auch so einen Anhänger."
Unsere Hände hebe ich an und entdecke den Abdruck einer Sonne auf ihrer Haut, und zwar direkt über einem filigranen schwarzen Gummi an ihrem Handgelenk, der mir gerade zum ersten Mal auffällt.
Ich gebe Mallorys Hand frei, was sie zum Anlass nimmt, an dem Gummi zu drehen, bis besagtes Schmuckstück zu sehen ist.
„Der einzige Unterschied ist, dass meine Schwester ihn als Kette trägt."
„So seid ihr auf eine Art immer verbunden", sagt mein Bruder, als er den kleinen silbernen Anhänger zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt, um ihn zu betrachten.
„Voll schön." Hunter lächelt sie an. „Pass gut drauf auf und verlier ihn unterwegs nicht, okay?"
„Ich werde darauf achten", antwortet sie ihm, als er sich bereits zum Gehen abwendet. Mallory schlägt die entgegengesetzte Richtung ein, um ihren Rucksack zu holen und ich warte auf sie.
Dabei weiß ich nicht einmal genau, was es ist, das mich immerzu in ihre Nähe gravitieren lässt. Das kenne ich nicht von mir, zumal ich mich vor der ersten Begegnung mit ihr fast damit abgefunden hatte, dass aus mir ein ewiger Junggeselle werden wird. Aber jetzt beginne ich, zu verstehen, dass man nur das passende Gegenstück zu seiner Art von verrückt finden muss.
„Archer?", höre ich Mallory wie aus weiter Entfernung rufen und stelle fest, dass sie als einzige noch nicht aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.
„Hm?"
„Kommst du?", erkundigt sie sich lächelnd. „Wo warst du mit den Gedanken?"
Meine Augen finden ihre.
„Bei dir", werfe ich die Wahrheit zwischen uns, was zur Folge hat, dass sich Röte wie ein Tropfen Blut in einem Glas Wasser auf ihren Wangen ausbreitet. Mehr als zwei einfache Worte hat es nicht gebraucht. „Ist es dir unangenehm, wenn ich so was sage?"
„Ist es nicht", erwidert Mallory fest, lässt ihre Lider aber nach unten flattern. „Ich mag es, wenn du mit mir flirtest. Es ist nur ..." Ihr Blick schweift zum Horizont. „Mich hat noch nie jemand so angesehen wie du."
„Wie denn", will ich wissen, noch bevor mein Verstand ihre Worte richtig verarbeitet hat.
„Als hättest du wahnsinnigen Durst und ich wäre ein Grashalm voller Tautropfen."
Mit ihrem Vergleich könnte Mallory kaum richtiger liegen. Denn es gibt so vieles, was mich an ihr fasziniert. Angefangen von ihrer Sanftmütigkeit und Loyalität hin zu ihrer Entschlossenheit. Ich will mehr von dem Gefühl, das nur sie in mir auslöst. Und mehr von letzter Nacht.
„Das kommt hin", antworte ich schnell, bevor der letzte Gedanke das Blut aus meinem Gehirn dort hin pumpt, wo ich es gerade nicht brauchen kann. „Aber wenn du das nach letzter Nacht nicht mehr möchtest, dann ist das vollkommen-"
Ich komme nicht dazu, den Satz zu beenden, denn da schlingt mir Mallory auch schon die Arme um den Hals und legt ihre Lippen auf meine.
Jetzt strömt mein Blut definitiv dahin, wo ich es gerade nicht brauchen kann.
Es gibt nur noch sie, ihren Geschmack und das Gefühl ihres Körpers an meinem.
„Ich weiß, was ich gestern Abend gesagt habe, aber es nicht das, was ich will. Eine Nacht mit dir reicht mir nicht." Ihr Blick wird ernster. „Andererseits habe ich keine Ahnung, was die Zukunft bringt und das verunsichert mich."
Schon erwische ich mich dabei, wie ich mit dem Zeigefinger ihre Wange hinunterfahre.
„Dann lass uns einen Schritt nach dem anderen gehen, uns von Tag zu Tag bewegen."
Erleichtert küsse ihre Schläfe, als sie nickt.
Nach ungefähr zwei Kilometern markieren ein halbes Dutzend aufeinander gesteckte Bojen den Zugang zum Zeltplatz in Michigan Creek.
Shawn hockt links vor einer der zwei Bärenboxen aus Metall und blickt in deren beinahe leeres Inneres.
„Leute, ich hab's mir anders überlegt: Wir werden es ausnutzen, dass hier nicht so viel los ist, wie Hunter und ich angenommen hatten." Er richtet sich auf und deutet mit dem Daumen über seine Schulter hinweg zu den Bärenboxen. „Alle Vorräte, die ihr nicht zur Zubereitung eures Abendessens braucht, schließt ihr am besten gleich hier weg. Dann bauen alle ihre Zelte auf und wir machen ein Feuer am Strand. Klingt das gut für euch?" Sein prüfender Blick schweift durch die Runde und verwandelt sich in ein zufriedenes Lächeln, als keiner protestiert.
Ich schaue mich um und staune über die zahlreichen Bojen in verschiedenen Farben, die an Seilen in den Ästen der Nadelbäume befestigt wurden. Wie längliche Perlen hängen sie herunter und wenn man genau hinschaut, entdeckt man, dass viele von ihnen mit Namen und Jahreszahlen versehen wurden. Ein wenig so wie die vielen Liebesschlösser, die Touristen im Laufe der Jahre an der Brooklyn Bridge angebracht haben, um festzuhalten, dass sie dort gewesen sind.
„Hey Arch, wollen wir unser Zelt da vorn in die Kuhle hinein puzzeln und Mallorys daneben aufbauen?"
Ich folge der Richtung seines ausgestreckten Zeigefingers und entdecke die Stelle, die er meint. Sie befindet sich gerade noch unterhalb der Bäume und trotzdem beinahe in direkter Strandlage.
„Hast du dein Zelt schon mal aufgebaut?", frage ich Mallory, doch sie ist mit den Gedanken anderswo. „Peach?" Erst jetzt nimmt sie mich in den Fokus.
„Was hast du gesagt? Ich hab' nicht aufgepasst."
„Macht nichts", sage ich. „Es ist schwer, sich hier nicht ablenken zu lassen. Geht mir genauso." Dabei nehme ich den schweren Rucksack ab und massiere auf beiden Seiten den Übergang vom Hals zu meinen Schultern. „Ich hab' dich gefragt, ob du Hilfe brauchst, dein Zelt aufzubauen? Was hast du für eins? Tunnelzelt? Kuppelzelt?"
Mallory presst die Lippen zusammen und plustert ihre Wangen auf. Das ist niedlich, bedeutet aber vermutlich auch, dass sie keinen blassen Schimmer hat, um welche Sorte Zelt es sich handelt, geschweige denn wie man es aufbaut.
„Es tut mir leid", erwidert sie und senkt den Kopf. Automatisch fühle ich mich schlecht, da es nicht meine Absicht gewesen ist, sie in Verlegenheit zu bringen.
„Nicht schlimm. Ich helfe dir, okay? Und dann kannst du es beim nächsten Mal allein machen. Ich glaube an dich. Du hast dich heute hammermäßig geschlagen."
Ein Lächeln ziert ihre Lippen.
„Du weißt gar nicht, wie froh ich bin, dich in meinem Team zu haben. Danke, Arch. Wirklich. Ich kann es nicht oft genug sagen. Das hier ist einfach komplettes Neuland für mich, aber Hunter und du - ihr seid so geduldig mit mir."
„Hey Archer", unterbricht uns Shawn, der vom Strand her nach mir ruft. Sein graues Shirt flattert im kräftigen Wind. „Ich hab' jetzt Zeit."
„Bin gleich wieder da, okay? Du kannst dein Zelt ja schon mal ausrollen", sage ich zu Mallory und wende mich bereits zum Gehen ab, da spüre ich ihre Hand an meinem Arm.
„Worüber will er mit dir reden?", fragt sie und schaut mich dabei auf eine Art mit ihren großen blauen Augen an, die meine Gedanken auf dem Gebirgsgletscher in ihnen langsam entgleiten lässt. Ich muss ich mich zusammenreißen.
„Wenn ich zurück bin, erzähl ich es dir. Vertrau mir, okay? Ich will einfach vermeiden, dass das hier alles zu viel für dich wird. Aber ich würde dich nie im Dunkeln stehen lassen, wenn es um wichtige Informationen geht, versprochen."
Wir lösen uns voneinander und nach einem letzten Blick über meine Schulter und in ihre Richtung nähere ich mich unserem Gruppenleiter in zügigen Schritten.
„Komm, gehen wir ein Stück", sagt Shawn. Wobei er mich mit einer Hand zwischen den Schulterblättern weiter auf den steinigen Strand schiebt. An einer flachen Felsplatte kommt er zum Stehen. „Also, was hast du vor?"
Die Meeresbrise pfeift uns um die Ohren und verstärkt das Rauschen der Brandung, sodass man sich beinahe anschreien muss, um die Geräuschkulisse zu übertönen.
„Ich überlege, ob Cynthia vielleicht mit jemandem aneinander geraten sein könnte, auf welche Art auch immer. Ist dir irgendwas aufgefallen? Oder hast du dir ihre GPS-Aufzeichnungen und die der anderen Mal angesehen? Könnte sie den Zeltplatz in Thrasher Cove mit jemandem verlassen haben?"
Shawn lacht bitter.
„Die Kleine hat die Gruppe auf jeden Fall ordentlich aufgemischt, so viel ist sicher ... Die Kerle waren irgendwie alle hinter ihr her, aber trotzdem ist jeder friedlich geblieben und es hat sie auch sonst keiner belästigt. Zumindest nicht, dass ich wüsste."
„Und wann hast du sie das letzte Mal gesehen?", frage ich betont beiläufig, da ich mir Morgans Anmerkung von vorhin wieder in den Sinn kommt.
Ich brauche seine Hilfe, aber er darf nicht den Eindruck gewinnen, dass ich ihn in irgendeiner Form verdächtige. Das hier ist schließlich keine Ermittlung, sondern ein stinknormaler Urlaub.
Mit dem Unterschied, dass rein gar nichts an diesem Urlaub normal ist.
„Beim Essen. Wir saßen alle ums Feuer, aber da ist mir nichts komisch vorgekommen. Mich interessiert normalerweise auch nicht, was die Kunden in ihrer Freizeit treiben. Die werden vor der Wanderung belehrt und bisher hatte ich auch noch niemals Probleme."
Ich lasse den Blick über die mit Algen bewachsene Felsbank gleiten, aufs Meer hinaus und bis zum Horizont.
„Und die Tracker?", frage ich, ohne ihn anzusehen.
„Ich kann die schon aus Datenschutzgründen nicht einfach auslesen und dir sagen, wer wo gewesen ist. Du bist nicht als Ermittler hier, zumindest nicht offiziell. Außerdem ist das Zeitverschwendung. Die haben die Dinger am Rucksack und tragen sie nicht permanent mit sich am Körper herum."
Mit einer Hand fahre ich mir über den Kiefer.
„Verstehe. Aber du und deine Mitarbeiter, ihr dürft das, oder nicht?" Langsam nickt er. „Du musst mir doch nicht sagen, was dabei rausgekommen ist. Du könntest aber zur Polizei gehen, falls dir was komisch erscheint."
Shawn betrachtet mich einen langen Moment und ich weiß nicht warum, doch ich bekomme ein merkwürdiges Gefühl in der Magengrube. Die Sache mit dem Datenschutz wird schon stimmen, aber da ist trotzdem irgendwas in seinen Augen aufgeflackert. Für den Bruchteil einer Sekunde nur, aber es ist mir nicht entgangen.
„Ich denk' darüber nach, okay?", versichert er mir und ich kann nur hoffen, dass Morgan bei Pike Bellefleur und Lisa Sachay mehr Erfolg hatte.
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