18

Wir hatten uns im Wohnzimmer niedergelassen und während ich für uns alle Tee gekocht hatte, hatte Cap den noch immer bewusstlosen Joe auf ein altes Sofa gelegt, dessen Überbezug schon ziemlich abgewetzt war. „Der wird schon wieder", hatte mich Sel beschwichtigt, nachdem sie wohl meinen skeptischen Blick bemerkt hatte und natürlich war mir klar, dass Joe wahrscheinlich nur eine fette Beule und höllische Kopfschmerzen davontragen würde, dennoch tat es mir leid für den armen Kerl, dass ausgerechnet er in Steves Visier gelangt war.

„Also was treibt euch beide hier her?", versuchte ich das Gespräch aufnehmen, während ich mich in einen hochgepolsterten Rosensessel setzte und uns allen eine Tasse Schwarztee einschenkte und dabei genau den verdrießlichen Blick von Steve sah. „Es war nicht sonderlich schwer euch zu finden...Ganz ehrlich Charlize ein SOP Quartiert? Was glaubst du wie lang es braucht bis irgendjemand euch auf die Spur kommt, wenn ich dafür gerade einmal zwei Stunden gebraucht habe?", begann Selene mit ihrer Mahnrede an mich und ich spürte, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. Denn eigentlich dachte ich, dass dieses Versteck verlassen genug war, damit niemand hier nach uns suchen würde, nicht einmal SOP, aber jetzt wo mir auffiel, dass es für Sel kein Problem war uns zu finden, war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis uns jemand anders hier fand, sofern sie es noch nicht getan hatten. „Und was schlägst du vor?", erwiderte ich zögerlich, da mein ganzer Plan offensichtlich zum Scheitern verurteilt war. „Schnell zu handeln...Du bist auf Platz Nummer eins der Abschussliste, dicht gefolgt von den Avengers. Es wurde sogar ein Kopfgeld auf euch ausgesetzt und das ist gar nicht mal so gering. Also ist es im Endeffekt egal, wo ihr euch versteckt, sie werden euch sowieso früher oder später finden. Allerdings sind wir hier, um euch einen Vorteil zu bringen", dabei zeigte sie auf den ohnmächtigen Joe und zuckte kurz mit den Schulter. „Ich habe vielleicht herausgefunden, wo Thomas ist, denn wir waren gestern in seiner Wohnung, die aussieht wie ein Schlachtfeld. Also egal wer ihn mitgenommen hat, Tom ist sicherlich nicht freiwillig mitgegangen. Leider wurde der Großteil seiner Festplatten und der ganze andere technische Schnickschnack mitgenommen, bis auf eine kleine Kamera, die in einer Kunstblume versteckt war", Selene schien sichtlich amüsiert über diesen Fund, jedoch war mir nicht gerade nach lachen zu Mute. „Nunja, wir haben uns das Filmmaterial angeschaut und gesehen wie Tom von irgendeinem silberhaarigen Kerl aus seiner Wohnung geschleift wurde, offensichtlich ohne Bewusstsein und so wie die Zimmer aussahen, gab es sicherlich einen Kampf. Also habe ich den Typ durch alle Datenbanken gejagt, alles extern versteht sich, immerhin ist SOP jetzt der Feind und ich will nicht, dass sie uns auf die Schliche kommen. Und es gab einen Treffer, der zwar nur zu dreißig Prozent übereinstimmt, aber besser als nichts. Es handelt sich dabei um Reed Miller, der anscheinend eine Liaison mit Stormi am laufen hat und jetzt kommt es, er wurde vor ein paar Tagen in den schottischen Highlands gesehen, nämlich Burrow Castle und ich würde alles darauf wetten, dass dort auch Thomas ist", erklärte sie mir.

Es dauerte eine Weile bis ich die ganzen Informationen verarbeitet hatte, aber ich musste sofort an die Nachricht von Penninah denken. „Sel? Gibt es in Burrow Castle zufälligerweise einen auffällig hohen Anteil an Vibraniuum", hakte ich sicherheitshalber nach, doch in meinem Kopf schmiedete ich bereits einen Plan, wie wir Thomas befreien und gleichzeitig Stormis Plan vereiteln konnten. Ich brauchte gar keine Antwort mehr von Selene, denn ihr kurzes Nicken reichte mir bereits. „Dann haben wir keine Zeit mehr zu verlieren", gab ich entschieden von mir und erhob mich ruckartig von meinem Sessel. „Und was ist mit eurem Freund?", mischte sich nun Cap zum ersten Mal ein und deutete auf Joe, der noch immer auf der Couch lag. „Wir lassen ihm einen Zettel da", meinte Selene nüchtern, ehe auch sie aufstand. Steve schien zwar nicht sonderlich begeistert von unserem Vorschlag zu sein, aber etwas anderes konnten wir ihm Augenblick nicht machen.

Es dauerte noch gut eine Stunde, bis wir endgültig aufbrechen konnten, da wir zuerst einen kleinen Schlachtplan entwerfen mussten, der aus einem Basisangriff bestand, immerhin musste es wirklich schnell gehen. Außerdem mussten wir uns alle noch unsere Ausrüstung anziehen, immerhin konnten wir schlecht in Pullis und Jeans in den Kampf ziehen.

„Sag mal was genau weißt du über diesen Reed?", fragte Steve nach, nachdem wir uns in Selenes Auto gesetzt hatten und auf dem Weg zu Burrow Castle waren. „Nicht sonderlich viel", erwiderte sie mit einem Achsel zucken. „Ist er so wie Red Stormi?", hakte ich mit einem leicht nervösen Unterton nach und warf Cap einen beunruhigten Blick zu. „Ich hoffe nicht, andererseits zweifle ich stark an, dass Stormi einen normalen Menschen in ihr Team aufnimmt", und damit war das Thema gegessen, schließlich würden wir die Antwort in wenigen Minuten erfahren.

Die Fahrt nach Burrow Castle war sehr unangenehm. Eine erdrückende Stille hatte sich im Auto ausgebreitet und jeder dachte darüber nach, was uns wohl vor Ort erwarten würde. Selbst die idyllische Landschaft konnte die Stimmung nicht aufhellen. Im Gegenteil es machte alles nur noch schlimmer, die saftigen, grünen Wiesen und die freilaufenden Schafherden ließen alles so friedlich und ruhig wirken. Jedoch wussten wir, dass das alles in Gefahr war, dass unsere gesamte Welt in Gefahr war. Und ich war mir nicht sicher, ob die Avengers dieses Unheil abwenden konnten. Immerhin war Red Stormi noch ungreifbar für uns, fast wie ein Phantom, aber bis jetzt hatten wir ihren Plan kaum durchkreuzen können, nicht einmal durch Malcoms Tod.

„Da ist es", riss Selene mich aus meinem Gedankenkarussell und ich blickte erschrocken auf. Burrow Castle erstreckte sich vor uns, es war riesig, eines dieser alten Anwesen, in denen früher irgendein Markgraf gewohnt hatte. Inzwischen war ein Teil bereits verfallen und auch die anderen Gebäude des Anwesens wirkten ziemlich baufällig, dennoch war der Geist seiner Vergangenheit noch immer zu spüren. „Na Captain? Traurig, dass die Amerikaner diese glorreichen Zeiten nie hatten", gab Selene bissig von sich, wofür sie einen vernichtenden Blick von mir bekam. „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für sowas", beendete ich das Gespräch frühzeitig, bevor ein Streit ausbrechen konnte.

Wir parkten abseits des Weges, am Rand eines kleinen Waldes, der bestimmt zum Jagdgebiet des Anwesens gehörte, danach liefen wir Querfeld ein, in der Hoffnung, dass wir durch eine morsche Kellertür ins Innere des Schlosses gelangen konnten. Unsere Stiefel gaben bei jedem Schritt ein schlickiges Geräusch von sich, während wir durch den matschigen Boden wateten, es hatte erst vor kurzem geregnet, weswegen die ganze Landschaft wie frisch gewaschen aussah und ein leichter Nebelschleier lag über den Mauern von Burrow Castle.

„Dort hinten ist eine Tür, vielleicht sollten wir es da mal versuchen", flüsterte Steve, nachdem wir uns dem Schloss bis auf wenige Meter genähert hatten. „Könnte klappen", entgegnete ich knapp und pirschte mich zur alten Steinmauer vor, dicht gefolgt von meinen Begleitern. Nach wenigen Schritten hatten wir eine alte und ziemlich gebrechliche Holztür vor uns, die sicherlich mal ein Bediensteten Eingang war, nun aber von Efeuranken zerfressen wurde. „Lasst mich mal ran", meinte Steve, der sich nur Sekunden später mit voller Wucht gegen die Tür fallen ließ, die sofort unter dem Druck zusammenbrach und einen dunklen, modrig riechenden Gang freigab. „Gemütlich", entwischte es Sel sarkastisch, während ich voraus lief und mir meinen Weg durch das Gewölbe bahnte.

Es schien so als wären wir in einem Vorratskeller gelandet, den zu unseren Seiten, stapelten sich alte Fässer und meterhohe Regale, in denen bestimmt früher einmal Lebensmittel gelagert worden waren. Am Ende des Ganges befand sich ein flackerndes Licht, auf das wir zusteuerten. Jedoch bemerkten wir leise Stimme, je näher wir kamen, weswegen wir alle in Kampfposition übergingen. Langsam zog ich meine Pistole, sowie einen Schalldämpfer, den ich während wir uns nach vorne bewegten, am Lauf befestigte. Nur wenige Meter vor dem Ende des Ganges blieben wir stehen. Mit einem Finger zeigte Cap auf eine angelehnte Tür, die wir gerade noch so sehen konnten, dahinter vernahmen wir weitere Stimmen. Selene hatte inzwischen auch ihre Pistole gezückt und antwortete mit einem Nicken, während ich versuchte, die Tür weiter auszuspähen, jedoch konnte ich nicht viel erkennen und es schein der einzige Weg aus dem Gewölbe zu sein.

Es dauerte nicht lange, bis wir den kleinen Küchenraum eingenommen hatten. Zwei präzise Kopfschüsse meinerseits, sowie Caps Schild, der durch den Raum flog und drei der Angreifer ausknockte, hatten gereicht, weshalb wir uns kurze Zeit später auf den Weg nach oben machten. „Wo könnte Thomas stecken?", hakte Sel nach, nachdem wir den Bereich der Bediensteten verlassen hatten und uns im Eingangsbereich des Herrenhauses befanden. Es war ziemlich prunkvoll, mit sehr hohen Decken und verzierten Wänden, jedoch waren alle Möbel entfernt worden und nur noch ein verstaubter Kronleuchter erinnerte an die glorreichen Feste, die hier stattgefunden hatten. „Fragen wir doch einfach den Kerl da drüben", schlug Cap uns vor und lief seelenruhig zu einem Wachposten, der mit dem Rücken zu uns stand, weswegen er uns nicht hatte eintreten sehen, immerhin war seine Aufgabe die Tür zu bewachen. Wenige Augenblicke später befand er sich allerdings im Schwitzkasten und während sein Kopf rot anlief, bemerkten wir, wie seine innere Standhaftigkeit schwindet. „Oben im Salon", presste er kurz vor der Bewusstlosigkeit hervor und fiel Sekunden später prustend zu Boden, nur um von Selene eins mit der Pistole übergezogen zu bekommen. „Was? Er ist ein Zeuge und die brauchen wir hier nicht", verteidigte sie sich, nachdem sie unsere vorwurfsvollen Blicke gesehen hatte.

Mit einem letzten Blick auf den bewusstlosen Wachmann, schlichen wir die große Holztreppe nach oben hoch, immer mit wachsamen Augen, denn es gab bestimmt mehr Wachposten hier. Und damit sollten wir auch Recht behalten, denn kurz bevor wir im oberen Stockwerk angelangt waren, mussten wir auf der Treppe in Deckung gehen, da eine fünfköpfige Patrouille gerade dabei war, die Zimmer zu kontrollieren. Glücklicherweise schien die Treppe nicht zu ihrem Aufgabenbereich zu gehören, weshalb wir drei mit pochendem Herzen abwarteten was geschehen würde, immer mit einer Hand am Waffengurt und aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Steve sein Schild vor sich in Stellung brachte. Jedoch verschwanden die Wachen nach einigen Augenblicken des Wartens wieder, weswegen wir schnell die letzte Stufen nach oben nahmen und dann den Gang entlang hetzten. „Und wo soll der Salon sein?", wisperte unser männlicher Begleiter verzweifelt, nachdem er alle die Türen und Seitenkorridore erblickt hatte, die sich hier oben befanden, weswegen meine Freundin und ich uns ein leichtes Grinsen nicht verkneifen konnte. „Immer am Ende des Hauptkorridors", erklärte ich ihm leise, immer darauf bedacht, dass uns niemand hören konnte. „Hat etwas mit der britischen Bauweise dieser Häuser zu tun", führte Sel meine Erklärung noch etwas weiter aus, jedoch hatten wir für einen historischen Exkurs nun wirklich keine Zeit.

Das Ende des Ganges hatten wir schnell erreicht und mit einem raschen Schulterblick konnten wir erkennen, dass der Gang noch immer leer war, aber vermutlich würde die Patrouille bald wiederauftauchen. Nervös vor dem was drinnen auf uns wartete, zückte ich erneut meine Pistole und gab den beiden anderen ein Zeichen, damit sie sich formierten. Ganz vorsichtig drückte ich die goldene Türschnalle herunter und einen Moment später stürmten wir drei das Zimmer, das komplett leer war. Bis auf einen Klappstuhl, in der Mitte des Raumes auf dem gefesselt und blutüberströmt Thomas saß. „Oh nein", entwich es mir panisch, während ich zu meinem Freund rannte, um zu sehen, wie schlimm seine Verletzungen waren. Er hatte eine üble Platzwunde am Kopf, sowie eine aufgeplatzte Lippe und seine Nase sah ziemlich gebrochen aus. Jedoch konnte ich auf den ersten Blick keinerlei Verletzungen an seinem Oberkörper erkennen, was meinen Herzschlag etwas ins Gleichgewicht brachte. „Tom? Tom hörst du mich?", wisperte ich panisch, ehe ich mich schnell zu meinen Freunden umdrehte. Steve sicherte die Tür ab, während Selene sich zu mir auf dem Boden kniete. „Tom?", rief ich noch einmal seinen Namen und tatsächlich schien er diesmal zu Bewusstsein zu kommen. „Charlize?", stöhnte er ungläubig, kaum in der Lage seine Augen zu öffnen. „Wir sind da! Es ist alles gut", versuchte ich ihn zu beruhigen, obwohl ich nicht sicher war, ob meine Worte nicht eher mich aufbauen sollten. „Ihr müsst verschwinden", murmelte er, wobei seine Stimme immer wieder abbrach, weswegen ich ihn zunächst kaum verstehen konnte. „Nicht ohne dich", widersprach ich ihm hastig.

„Das wird auch nicht nötig sein, ihr werdet nämlich alle hierbleiben", unterbrach eine kühle Stimme unser Gespräch. Ein kalter Schauer durchzog meinen Körper, während ich mich langsam umdrehte. Wir waren nicht mehr alleine, stattdessen stand ein junger Mann mit silbernen Haaren vor uns, der ein teuflisches Grinsen aufgesetzt hatte. Schlagartig wich mein Blick zur Tür, wo Steve scheinbar ohne Bewusstsein am Boden lag, ehe ich mit Panik in den Augen wieder zu dem Fremden aufsah. „Keine Sorge euer Freund wird wieder, denke ich mal", meinte er ruhig, nachdem er wohl meine Angst wahrgenommen hatte. „Ich bin übrigens Reed Miller, aber ihr dürft mich gerne Silver nennen", stellte er sich vor, nachdem er mit einer Armlänge Abstand von uns stehen geblieben war und uns böse angrinste. Und genau in diesem Moment wurde mir klar, dass Red Stormi niemals einem gewöhnlichen Menschen ein solches Schloss anvertraut hätte.

Weiter geht es! Und diesmal kommt endlich wieder Thomas zurück und endlich betritt Silver die Bühne.

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