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Die dunklen Haarsträhnen glitten durch meine schmalen Finger, während ich geistesabwesend Löcher in die Luft starrte. Es waren einige Stunden vergangen seit dem Yellow Ball, um genau zu sein war es der nächste Morgen. Doch ich hatte in der Nacht kein Auge zu bekommen. Zu viele Gedanken waren mir durch den Kopf gegangen und zudem hatte ich schreckliche Angst, dass mich Tony Stark aufsuchen würde, was er natürlich nicht getan hatte. Um ehrlich zu sein war diese Nacht sowieso ziemlich ruhig gewesen, fast schon zu ruhig. Niemand aus meinem Team hatte mich kontaktiert und Thomas war noch immer wie vom Erdboden verschluckt. Jedoch hatte es einen neuen Angriff von Red Stormi gegeben. Diesmal allerdings in Washington, weswegen alle in Alarmbereitschaft waren, da man nun den Präsidenten schützen musste. Außerdem war noch nicht geklärt, was sie genau getan hatte, aber anscheinend war irgendeine antiker Dolch aus einem Museum entwendet worden und keiner wusste wieso.
Mein Blick glitt hinüber zu dem schwarzen Koffer, der am anderen Ende meines Zimmers stand. Unscheinbar, aber dennoch gefährlich, das wusste ich. Es konnte eigentlich gar nicht anders sein, denn weshalb hätten ansonsten Stormis Handlanger sich dieses Artefakt aneignen wollen? Ich hatte lange darüber nachgedacht, was ich nun damit tun sollte. Denn einerseits wollte ich es nicht Mrs. Hampton oder irgendwem anders von SOP anvertrauen, denn ich fürchtete, dass seine Macht ausgenutzt werden könnte – ganz egal was es bewirkte. Andererseits konnte ich es aber auch nicht wieder an das Museum zurückgeben. Schließlich hatten sie es schon einmal verloren und vermutlich würde Red Stormi immer mehr Leute schicken, bis sie endlich das bekommen würde, was sie wollte. Denn so langsam hatte ich die böse Vorahnung, dass sie niemals so alleine war, wie alle immer dachten.
Ein letztes Mal glitten die einzelnen Strähnen der Perücke durch meine Finger, ehe ich mich mit einem leichten Seufzer von der Matratze meines Bettes erhob und ins Badezimmer ging. Das Netz für meine Haare lag noch immer im Waschbecken, zusammen mit den unzähligen Make-Up Tüchern, die ich gebraucht hatte, um die Schminke aus meinem Gesicht zu bekommen und wenn ich nun so in den Spiegel sah, würde ich auch sehr viel Concealer brauchen, um die Spuren der Nacht zu verdecken. Dunkle Augenringe zierten mein Gesicht und meine Haut wirkte irgendwie fahl und kränklich. „Na los Charlize. Du musst arbeiten", murmelte ich, während ich mich ans Werk machte.
Doch ich wusste genau, dass mir nicht nur der Schlafmangel zu schaffen machte, sondern auch die Tatsache, dass ich Malcom umgebracht hatte. Ich hatte schon öfters Menschen ermordet, teils aus Notwehr, teils weil es einfach mein Job war. Aber dieses Mal war es anders, denn ich hatte meinen Fähigkeiten eingesetzt, um ihn umzubringen und eigentlich hatte ich mir selbst ein Verbot gegeben meine Kräfte wirklich einzusetzen. Denn ich mochte sie nicht wirklich und meiner Meinung nach, machten sie es viel zu leicht einen Kampf zu gewinnen oder gar ein Leben zu nehmen. Sie versetzten mich in eine überlegene Position und ich wusste, dass damit eine Arroganz verbunden war, die man ab einem gewissen Punkt nicht mehr kontrollieren konnte, denn zu viel Macht macht einen blind. Und ich wollte nicht das Gefühl verlieren, wie es war eine bewusste Entscheidung zu treffen und einen fairen Kampf auszutragen, natürlich war die Gefahr vorhanden, dass ich einen gerechten Zweikampf verlieren würde, aber das war besser als alle mit einer einzigen Handbewegung niederzumetzeln.
Erneut entwich mir ein leiser Seufzer, als ich mit ein paar Nadeln das Perückennetz auf meinem Kopf befestigte und danach die falsche Haarpracht überzog – würde das letzte Mal sein, dass ich mich in Aileen verwandeln würde. Irgendwie hatte ich es schon immer gewusst, dass ich mich nicht ewig hinter Aileen verstecken konnte, aber nach all den Jahren war sie zu einem bedeutenden Teil von mir geworden, den ich nun aufgeben musste, aber vielleicht war es auch ganz gut. Denn ich hatte bereits in den letzten Monaten festgestellt, dass die Fassade hin und wieder Risse bekam, die man zwar reparieren konnte, aber vielleicht wären sie mir irgendwann zum Verhängnis geworden.
In meiner Anfangszeit als Agentin hatten Nat und ich uns unzählige geheime Identitäten gebastelt, die alle mehr oder weniger gut waren. Manche hatten wir nur für einen einzigen Abend benutzt, aber dennoch war es lustig gewesen, sich das Aussehen des Charakters zu überlegen, welche Haare er trug, wie er sich schminkte, was für Klamotten er trug. Und natürlich gehörte auch ein gewisses schauspielerisches Talent dazu, denn man musste ja seine Identität so verkörpern, dass sie glaubwürdig rüberkam.
Bei dem Gedanken an Natasha schlich sich ein leichtes Grinsen auf meine Lippen. Es war schön gewesen sie gestern Abend nach der ganzen Zeit wiederzusehen, selbst wenn die Umstände unseres Aufeinandertreffens nicht sonderlich fröhlich gewesen waren und natürlich war mir auch bewusste, dass sie mich bei Tony Stark verraten würde. Schließlich konnte ich mir fast bildlich vorstellen, wie er meine alte Kollegin mit Fragen durchlöchern würde, bis er endlich die Wahrheit aus ihr herauskommen würde oder sie würde die Karten gleich von Anfang an auf den Tisch legen, damit er sie nicht zu Tode nervte. Zudem musste ich mir selbst eingestehen, dass ich Nats Partner, Captain America, irgendwie beeindruckend fand und das nicht nur weil er gut aussah. Er hatte etwas an sich, dass ich bei nur sehr wenigen Menschen gesehen hätte, denn es lag etwas Ehrliches und aufrichtiges in seiner Art, so als würde er seine Freunde und Kameraden niemals im Stich lassen. Jedoch wusste ich nicht, ob das an seiner mysteriösen Verwandlung lag oder an seiner natürlichen Art, eventuell könnte auch die Kriegszeit hineinspielen, schließlich war Brüderlichkeit zu jener Zeit ein hohes gut gewesen.
Nach einiger Zeit, die mir wie viele Stunden vorgekommen war, hatte ich mich endlich fertig gemacht, mein Zeug zusammengepackt und das Artefakt in meine Tiefgarage gebracht, wo ich nun umringt von Autos war. Zuvor hatte ich noch Selene eine Nachricht zukommen lassen, damit sie Mrs. Hampton über meine Ankunft informieren konnte, allerdings hatte ich dieses seltsame Objekt, in dem schwarzen Koffer, mit keiner Silbe erwähnt, denn egal wie sicher unsere Server waren, so wollte ich solche Informationen nicht per Handy weitergeben.
Automatisch gingen die Scheinwerfer meines Mino Coopers an, mein gefühlter Standardwagen hier in New York City. Jedoch wollte ich heute nicht, wie eine normale Hausfrau wirken, die von ihrem Mann ein solches Auto geschenkt bekommen hatte. „Nein, Ava nicht heute", erwiderte ich der künstlichen Intelligenz und wendete mich von dem Wagen ab. Sofort wurden die Scheinwerfer meinen Aston Martins aktiviert, doch irgendwie schien mir das britische Flair heute auch nicht zu gefallen. Kurzzeitig überlegte ich einfach mit dem Motorrad zu fahren, aber dann musste ich daran denken, dass es heute Morgen ziemlich bewölkt gewesen und ich hatte nur bedingt Lust nass zu werden. Etwas unschlüssig drehte ich mich mehrmals im Kreis, ehe mein Blick auf ein weiteres Auto fiel, das etwas Abseits geparkt war.
„Ava, heute nehmen wir mal den Tesla", erklärte ich meiner Assistentin, bevor ich auf den dunkelblauen Wagen zulief, dessen Innenbeleuchtung augenblicklich anging.
Wie Sie wünschen
Erklärte mir Ava, während ich mit einer raschen Bewegung die Fahrertür öffnete und den Koffer zu meiner Rechten platzierte. „Bitte fahr mich zur Universität", erklärte ich Ava und lehnte mich in meinem Sitz zurück und nur wenige Sekundenbruchteile später manövrierte sich das Auto selbst aus meiner Garage und fuhr auf die offene Straße.
Sie wissen, dass dieses Auto über einen bereits eingebauten und funktionsfähigen Autopiloten verfügt
Ertönte Avas mechanische Stimme nach wenigen Minuten fahrt. „Ja, ich weiß, aber dir vertraue ich mehr", erwiderte ich und fühlte mich komisch, so viel Vertrauen in einen Computer zu stecken, allerdings vertraute ich Tom, weshalb Ava auch in diese Kategorie fiel. „Außerdem sollte man den Autopiloten von Tesla nur auf Highways verwenden...denke ich..."
Möchten Sie sonst noch etwas über das Model S von Tesla erfahren?
„Nein danke", konterte ich freundlich und richtete meinen Blick auf die vollen Straßen von New York. Es dauerte einige Zeit bis wir an der Universität angekommen waren und ich war eigentlich ganz froh über meine Schonfrist. Immer wieder warf ich nervöse Blicke zu meiner gefährlichen Fracht und als wir endlich das wunderschöne, alte Campusgelände erreicht hatten, spürte ich wie mir das Herz in die Hose rutschte. Ich konnte bereits am Eingang die fetzige Kurzhaarfrisur von Selene erkennen, weswegen ich Ava sagte, dass sie auf dem Besucherparkplatz parken sollte, denn es machte sowieso keinen Unterschied mehr, ob ich gesehen wurde oder nicht. Ein paar Studenten warfen meinem Fahrzeug ein paar beneidende Blicke zu als es sanft zum Stehen kam, jedoch beachtete ich diese einfach und machte mich mitsamt dem Koffer zum Hauptgebäude auf.
„Scheint als hättest du gute Arbeit geleistet", begrüßte mich Selene und ncikte dabei zufrieden zu meinem Koffer. „Wie man es nimmt", erwiderte ich mürrisch und folgte ihr nach Innen. Es war mehr los, als an den anderen Tagen und ich wunderte mich, dass wir uns so offen zeigten, immerhin hatten wir sonst immer alles ziemlich geheim gehalten. „Wir werden glaube ich bald abreisen", erklärte mir Selene, als wir in den abgelegenen Gang einbogen. „Was? Aber die Mission...", fing ich an zu protestieren. „...ist laut Mrs. Hampton abgeschlossen, aber das wird sie dir bald erklären", unterbrach sie mich und öffnete währenddessen die Tür zu Hamptons Büro, die mich bereits mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen erwartete.
„Ich habe von Ihrem Triumph über Malcom gehört und natürlich von dem Artefakt, das sie bei sich haben." Natürlich wusste sie von dem Koffer, was auch sonst und dennoch ging mir ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter, als sie so gierig auf den Gegenstand in meinen Händen schaute.
Zögerlich trat ich näher an ihren großen Schreibtischheran und legte meine Ware dort ab, ehe ich mich, wie versteinert, in ihren Stuhl sinken ließ. „Ja...allerdings war das mit Malcom reines Glück und naja ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich da gefunden habe...Aber es leuchtet grün", erklärte ich ihr schüchtern und sah zu, wie sie den Koffer öffnete. Es war ein Fehler in ihr gegeben zu haben, denn genau in dem Moment als sie das leuchtende Teil sah, wurden ihre Pupillen riesig und man konnte genau erkennen, wie sehr sie dieses Objekt begehrte. „Es tut auch nichts weiter zur Sache, was dieses Artefakt kann. Wichtig ist nur, dass Red Stormi es nicht bekommt, denn in den falschen Händen hätte es eine verheerende Wirkung", schilderte mir Mrs. Hampton und klappte gleichzeitig den Deckel des Koffers zu. „Und was tun wir nun damit?", entwich es mir. „Wir bringen es ins SOP Hauptquartier, wo es sicher sein wird und sie werden auch dahin zurückkehren", meinte sie und setzte ein gefälschtes Lächeln auf. „Aber Red Stormi wurde noch nicht gefasst. Ich kann mich jetzt nicht um irgendein leuchtendes Ding kümmern", platze es fassungslos aus mir heraus, schließlich war ich hergekommen, um meine Mission zu erfüllen und nicht, um irgendetwas zu stehlen. „Sie werden sich auch nicht um das Artefakt kümmern, das übernehmen die Wissenschaftler von SOP. Sie müssen es nicht mal im Jet betreuen, denn darum werde ich mich, zusammen mit ihrem Team kümmern. Stattdessen werden sie die Staaten heute Abend verlassen und einen neuen Auftrag erhalten, der sie nach Japan bringt, davor erhalten Sie natürlich noch ihre neue geheime Identität, da wir Aileen Roux ja nicht mehr nutzen können. Ihr Team wird in drei Tagen nachkommen, da wir erst übermorgen fliegen werden", erklärte mir Mrs. Hampton und je länger sie sprach, desto mehr begriff ich, dass irgendetwas faul sein musste.
Denn erstens hatte sich Mrs. Hampton noch nie um irgendetwas selbst gekümmert, das ließ sie immer ihre Handlanger machen, zu denen auch ich gehörte. Zweitens wurde ich noch nie von irgendeiner Mission abgezogen, vor allem dann nicht, wenn es um die nationale Sicherheit ging, wenn nicht sogar um die gesamte Welt. Und drittens, warum zum Teufel wollte sie mich von meinem Team trennen und alleine vorfliegen lassen? Normalerweise war es immer so, dass jemand von der IT vorging, um schon einmal die Lage zu erkunden.
Mein Blick zuckte kurz zu dem Koffer der wieder geschlossen dalag und danach sah ich wieder in die kalten Augen von Mrs. Hampton. Ich wusste ganz genau, dass wenn ich jetzt das Falsche sagen würde, dass ich noch in diesem Raum sterben würde – obwohl sie sich mit meinem Tod bestimmt Zeit lassen wollte, bis ich in Japan war, wo ich dann erschossen, vergiftet oder überfahren worden wäre. Ihr Blick verriet mir mein Todesurteil und es lag nur an mir, wie viel Zeit mir noch blieb, denn ich hatte das Gefühl, als hätte ich etwas entdeckt, ohne zu wissen, dass ich es entdeckt hatte – ich wusste nur noch nicht was. Und egal was es war, es betraf dieses Artefakt, das vor mir auf dem Tisch lag. Jedoch würde es niemandem etwas nützen, wenn ich mein Wissen mit ins Grab nahm, weshalb ich einmal tief durchatmete und dann so freundlich, wie es nur ging antwortete: „Wie Sie wünschen", kurz darauf erhob ich mich und spürte, wie mir ihr Blick bis zur Tür folgte.
Doch kurz bevor ich die Klinke nach unten drückte, zögerte ich einen Augenblick und drehte mich nochmal zu Mrs. Hampton um, die fragend eine Augenbraue nach oben zog. „Gibt es noch etwas?", erkundigte sie sich nach einigen Sekunden der Stille. „Ja...Also ich weiß zwar nicht, ob Sie mir bei diesem speziellen Problem weiterhelfen können, aber mein guter Freund Thomas, er arbeitet auch bei SOP. Er ist nun ja...verschwunden. Und ich habe mich gefragt, ob Sie etwas von ihm gehört haben?" Sie schien kurz zu überlegen, ehe sie mit einem bedauerlichen Ausdruck den Kopf schüttelte: „Nein habe ich nicht, aber sobald ich etwas weiß, werde ich Sie oder einen Ihrer Kollegen darüber informieren." – Lüge. Ich wusste es, genau in dem Moment als sie ihre Lider geschlossen hatte, um mir ihr Bedauern mitzuteilen, denn normalerweise hätte sie ihre kalte Miene aufbehalten und nicht so getan als würde sie sich darum kümmern, sofern sie überhaupt gewusst hätte wer er war.
Das musste wohl heißen, dass sie eine Ahnung hatte, was mit Tom geschehen war. Aber fürs Erste musste ich mich wohl mit dem alleinigen Wissen darüber zufrieden geben. „Vielen Dank für ihre Bemühungen", erwiderte ich höflich und verließ den Raum, wohl wissend, dass ich auf Schritt und Tritt beobachtet wurde, solange bis ich die Universität verlassen hatte und wieder in meiner Wohnung war. Doch darauf würden sie lange warten können.
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Hallo :) Hier kommt das neue Kapitel ^^ Was glaubt ihr hat es mit diesem mysteriösem Artefakt auf sich? Und was ist wohl mit Thomas passiert? Schreibt doch eure Vermutungen mal in die Kommentare, würde mich nämlich wirklich sehr interessieren. Außerdem würde ich mich auch über euer Feedback zu dieser Geschichte freuen :D
ladyciriloki
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