Dritter Advent
Sie lächelte mich schief an, beinahe entschuldigend: „Dann geh mal lieber los"
Kaum war ich aus dem Café draußen, fing ich an zu sprinten, die Bürgersteige waren nur festgetretener Schnee und deshalb schlitterte ich mehr, als wirklich zu rennen.
Aber immerhin irgendwie anstrengen, die Luft bohrte sich scharf in meine Lunge hinein und der Schmerz erinnerte mich daran, dass ich das hier nicht träumte, dass die gesamte Woche real war.
Was wenn ich mir das wirklich alles nur einredete?
Wenn ich mich in etwas hineinsteigerte?
Ich rutschte in einer Kurve aus, knallte der Länge nach hin.
Mein Kinn tat weh und mein Gesicht wurde langsam kalt, aber ich blieb dennoch liegen.
Wie komisch das doch alles war?
Wann hatte ich begonnen Basti so zu mögen?
Ich konnte es nicht genau sagen, wenn ich mich erinnerte, mochte ich ihn im Sommer schon ein wenig mehr als ich sollte und dass wir uns jetzt getroffen hatten, machte alles nur schlimmer.
Ich hatte über den Gedanken ganz kurz nachgedacht, natürlich, ich war kein Teenager der das erste Mal verliebt war, aber es war das erste Mal in Basti, das erste Mal in einen meiner engsten Freunde.
Ich wollte es vielleicht nicht ganz wahrhaben, ich konnte doch auch nichts dafür, dass er so war wie er war.
Ich rappelte mich auf und lief dann in einem normalen, vernünftigen Tempo zurück, obwohl ich viel lieber erneut rennen würde, rennen so das meine Füße anfingen weh zu tun, rennen, weil rennen mich vergessen ließ.
Ich stieg behutsam die Treppen hoch und fand einen zerknirscht lächelnden Basti vor meiner Tür stehen.
Seine Haarsträhnen, die immer in seinem Gesicht hingen, waren leicht feucht, vereinzelt konnte ich Schneeflocken in seinem Haar erkennen.
Warum war er auch draußen gewesen, warum sperrte er sich auch aus?
„Wie war's?"
Er verschränkte seine Arme und schaute mich so emotionslos an, dass es beinahe gruselig war. In seinen Augen leuchtete nichts, sie waren so dunkel geworden, als hätte sich irgendein Schatten über sie gelegt.
„Ganz gut" antwortete ich schüchtern, seine Anwesenheit machte mich so dermaßen nervös, ich musste einfach nur normal seinm so schwer konnt
„Ich hab einen Schlüssel dabei, aber ich hab mich so hingelegt, weiß gar nicht ob ich den noch habe, obwohl ich den natürlich nicht verlieren möchte, ich meine dann wären wir ja beide ausgeschlossen und es ist kalt, aber das Date war prima, sie war total nett und-"
Ich stoppte meinen Redeschwall abrupt, das war nicht normal, das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen, überhaupt nicht, besonders weil ich viel lieber bei ihm war, viel lieber seine funkelnden Augen anstarrte und mich in ihnen verlor.
Ich lief rot an, spürte wie meine Wangen rot wurden, und hoffte das er das nicht bemerkte.
Fuck, er sah so scheiße gut aus. Seine Haare, seine Augen und seinen Lippen, seine Hände die sich erneut in einander verknoteten.
Was wenn, da vielleicht doch irgendwas war?
Was wenn?
Aber was wenn nicht, was wenn ich ihm irgendwie alles erzählte und er mich absolut hasste?
Selbst wenn er mich nicht hassen würde, es würde alles komisch machen zwischen uns.
Komischer als eh schon.
Deshalb reichte ich ihm einfach mit zitternden Händen den Schlüssel und verdrückte mich in die Küche, kaum waren wir drinnen, mit der Ausrede ich hätte Hunger.
An diesem Abend existierten wir nur aneinander vorbei.
Am nächsten auch.
Am übernächsten setzte ich mich aktiv neben Basti, in der Hoffnung er würde mit mir reden, aber alles was er tat war irgendein oberflächliches Gespräch über den bald schmelzenden Schnee.
Wir streamten miteinander und kaum beendeten wir unseren Stream beendeten wir auch unsere Gespräche.
Was hatte ich falsch gemacht?
Hatte ich etwas falsches gesagt?
War ich einfach das Problem?
Nachts lag ich da, starrte die Decke an und lag so nah an der Bettkante, dass ich fast hinunter fiel, einfach um ihn nicht zu berühren, weil ich dann wirklich anfangen müsste zu weinen.
Ich hatte Hugo erzählt was los war, einfach weil so viel in meinem Kopf war, aber er hatte auch keine Erklärung für Bastis Verhalten gefunden, mir nur geraten mit ihm darüber zu reden.
Aber was wenn er einfach wollte, dass ich ging?
Ich könnte seit Mittwoch wieder, der Schnee schmolz langsam und ich wusste, ich sollte mich freuen, aber es gab nun keine Ausrede warum ich noch hier war.
Außer, dass ich einfach bei Basti bleiben wollte.
Am Freitag fasste ich dann schließlich den Mut mit ihm zu reden.
Mit zitternden Knien und sich überschlagenden Gedanken, weil was wenn er mich gar nicht mehr haben wollte?
Was sagte ich überhaupt?
Was konnte man überhaupt sagen?
Aber ehe ich überhaupt richtig nachgedacht hatte, klopfte meine Faust schon an die Tür von Bastis Arbeitszimmer, drückte die Klinke und ich stand in seinem Zimmer.
Scheiß Impulskontrolle.
Er schien mich nicht zu bemerken, hatte Kopfhörer auf und fluchte leise vor sich hin.
Dann wurde sein Bildschirm komplett schwarz, er stieß ein lautes Fluchen aus, dann starrte er still auf seinen PC.
Zögerlich räusperte ich mich, einmal leise, dann etwas lauter.
Er drehte sich um, riss die Augen weit auf, als er mich erkannte.
Ich biss mir auf die Unterlippe, weil seine Haare etwas abstanden, er sah so gut aus, obwohl in seinen blaugrünen Augen Wasser zu erkennen war.
Er blinzelte mehrmals schnell, atmete nur hektisch, ansonsten schien er in einer Schockstarre gefangen zu sein.
Ich war auf vieles vorbereitet, aber nicht auf das. Mit einem emotionslosen Basti konnte ich umgehen, aber mit einem der weinte absolut nicht, weil ein Basti weinte nicht.
Ich hatte ihn noch nie weinen gehört, allerdings ging man nicht in einen Call wenn man weinte.
Oder er nicht, weil ich hatte schon vor ihm geweint, nicht oft, aber ab und zu.
Jetzt war ich komplett überfordert, vorsichtig tat ich einen Schritt auf ihn zu, ganz behutsam noch einen, bis ich direkt vor ihm stand. Unsicher ob ich ihn berühren sollte, streckte ich meine Hand nach seiner aus, drückte sie leicht.
„Scheiß Computer ist abgestürzt" schniefte er, es war offensichtlich, das ihm unangenehm war vor mir zu weinen.
„Ich hätte mit dir reden sollen, es tut mir leid"
„Ist schon okay" sagte ich leise und nahm seine beiden Hände in meine.
„Lass uns was essen und dann schauen wir ob irgendwelche Dateien verloren gegangen sind ja?"
„Danke" wisperte er leise, lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Nur ein bisschen viel gerade..." Er war ein verdammter Wichser, ich sollte sauer auf ihn sein, aber er wirkte so seltsam schmal und verletzlich, wie er zitternd in seinem Stuhl hockte, dass ich viel eher das Bedürfnis hatte, ihn zum Lachen zu bringen, als ihn anzubrüllen.
„Darf ich dich umarmen?" fragte ich schüchtern. Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht ob das meine Berührungsangst grad so fühlen würde. Es tut mir so leid, dass du das sehen musst, Stegi ich-"
„Es ist verfickt nochmal alles gut" unterbrach ich ihn, obwohl es das natürlich nicht war, nichts war gut, nichts würde gut werden.
Aber wir aßen zu Abend und er lachte wieder, fuhren seinen PC hoch und als er erkannte, dass ein komplettes Video verschwunden war, fuhr er sich nur genervt durch die Haare.
Er hatte wieder die Maske auf, die er immer trug, er hasste sich vermutlich, dass er mir mehr gezeigt hatte.
Ich war ihm dankbar dafür, sehr dankbar, aber das konnte ich ihm nicht sagen.
„Kevin kommt übrigens morgen vorbei, wär cool wenn du noch bisschen hier alles aufräumen würdest, besonders die Küche ist wirklich unordentlich und ich weiß nicht ob ich das alles allein schaffe"
Es war Nachts, Basti ging schon ins Bett, aber ich hörte ihm nur mit halben Ohr zu, gab ein zustimmendes Mhhm von mir, mehr allerdings auch nicht.
Als ich schlafen ging hatte ich es bereits vergessen, sehr zu Bastis Missfallen am nächsten Morgen.
„Du hast doch gesagt, du räumst auf" Er stand neben dem Bett, völlig entnervt.
„Lass mich schlafen" murrte ich, aber er dachte gar nicht daran.
„Kevin kommt in einer halben Stunde, ich hasse es, wenn es hier dreckig aussieht!"
Langsam bekam ich auch schlechte Laune, ich hatte es vergessen, aber warum machte er für Kevin so einen Aufwand.
Mit mir redete er fast eine Woche lang nicht, erwartete dann, dass ich für ihn da war, aber für Kevin musste die Wohnung blitzen, obwohl er gestern nicht Bastis Hände gehalten hatte.
Ich war unfair, ich wusste das, trotzdem zickte ich zurück: „Ich machs ja noch, stell dich nicht so an, lass mich kurz ausschlafen"
„Es ist meine Wohnung und du hast das Chaos angerichtet also räum es jetzt verdammt nochmal auf!"
„Es tut mir ja leid, ich machs ja schon, für deinen liebsten Kevin alles"
„Du bist gemein, das weißt du!"
„Eine Woche nicht mit mir zu reden ist nicht gemein oder was?"
Es hatte mich verletzt, es tat immer noch weh, weil ich gemerkt hatte wie er so viel Abstand zu mir genommen hatte, obwohl er so nah mit Kevin war.
Immer wenn ich ihn fragen wollte, ob wir was zusammen machen wollten, machte er bereits etwas mit Kevin und ich wollte nicht deren Zweisamkeit zerstören.
Scheiße, ich war so verdammt eifersüchtig auf Kevin.
Obwohl Basti vermutlich eh keine Männer liebte, aber selbst wenn er Männer lieben würde, dann als allerletztes mich.
Was wehtat, es tat so verdammt weh, aber ich konnte den Schmerz in Wut umwandeln, weil es einfacher alles andere war.
„Es tut mir leid, Stegi, aber kannst du nicht bitte einfach putzen?"
„Ich bin ja offensichtlich schon aufgestanden, damit du und dein Lieblingskevin ein schönes Date haben!"
„Wie meinst du das?"
„So wie ich es sage, nicht meine Schuld wenn du es nicht verstehst."
Vorhin hatte er noch an der Wand gelehnt, jetzt kam er drohend auf mich zu.
„Kevin hat eine Freundin und selbst wenn da auch nur irgendetwas wäre, versteh ich nicht was dein Problem damit wäre!"
Ich biss mir auf die Lippe, um nichts zu sagen, nicht noch mehr zu ruinieren.
„Ich weiß es nicht Basti, ich hab grundsätzlich kein Problem mit deinen Freunden, es wär nur cool wenn du dich daran erinnerst dass ich auch existiere"„Frag dich mal warum ich mich so auf Kevin freue. Weil er, im Gegensatz zu dir, mir nicht immer Vrwürfe macht"
„Mhm, dann wärs ja eigentlich besser, ich würd einfach gehen"
„Da hast du Recht"
Ganz kurz funkelte in seinen Augen Panik auf, als würde er sich an ein altes Trauma erinnern, doch schon wieder sah er gleichgültig aus.
„Gut, weißt du was, du kannst mich mal Bastian" ich brüllte, ich merkte es nur weil meine Stimme langsam zu schmerzen begann, schloss die Tür hinter ihm, schnappte mir meinen mittlerweile trockenen Pulli und meine Schuhe und rannte nach draußen, raus aus dieser Wohnung gefüllt mit Selbstzweifeln und Vorwürfen.
Meine Hände zitterten, Tränen liefen auf meinen Pulli und ich hasste mich so sehr, so unglaublich sehr, niemand hatte eine Ahnung, wie sehr ich mich hasste.
Warum machte ich ihm so unnötig Vorwürfe warum, warum, warum?
Warum war ich so kompliziert?
Warum konnte ich mich nicht einmal im Griff haben?
Warum dachte ich nie nach, bevor ich Dinge sagte?
Wie automatisch gesteuert lief ich wieder zu dem Café
, in dem ich ein Date hatte, weil es der einzige Ort war, an den ich gehen konnte.
Ich wollte nicht weinen, probierte nicht dass die anderen Menschen es sahen, ein erwachsener Mann weinte in der Öffentlichkeit, das war so albern und dämlich.
Atmen war so schwer, aber immerhin hatte ich als ich das Innere des Cafés betrat meine Tränen wieder unter Kontrolle nur meine Finger zitterten immer noch, als ich einen Tee bestellte und ins Nichts starrte.
Scheiße, ich hasste mich.
Mein Handy leuchtete auf, hoffnungsvoll blickte ich drauf, vielleicht hatte mir Basti geschrieben.
Stattdessen war es Kevin, dessen Nachrichten ich keinerlei Beachtung schenkte.
Warum dachte ich auch, dass zwischen den beiden was lief?
Selbst wenn, Basti hatte Recht, es sollte mir egal sein.
Ich sollte ihn nicht lieben.
Jetzt rief Kevin an und ich drückte ihn trotzig weg.
Er rief mich zum zweiten Mal an und ich tippte erneut auf den roten Hörer.
Beim dritten Mal, als mich die Leute vom Nachbartisch schon etwas komisch anstarrten nahm ich ab:
„Bro, ich weiß nicht was passiert ist, aber im Nachbarraum sitzt ein echt aufgewühlter Bastian, der mir nur wirr erzählt, dass er alles zerstört hat und du ihn hasst und ich ihn allein lassen soll"
„Haben uns gestritten" murmelte ich, meine Stimme brach ein wenig weg.
Das schlimmste war, dass weder er ganz Schuld war, noch ganz ich.
Ich konnte weder komplett sauer sein, noch komplett mir die Schuld geben, konnte nur beides, und das war so viel schlimmer.
Jetzt weinte ich wirklich.
Scheiße.
Warum war alles so kompliziert?
Omg, omg ein Kapitel, was tatsächlich am Tag kommt, an dem es kommen sollte?
Idk, wie ich das hingekriegt habe, besonders weil ich fr viel Speedrunners gespielt habe.
Die Wörter dieses Mal kommen von Livanjya peepohappy und sie waren: panik trauma emotionslos schock(starre) berührungsangst
danke erst mal dafür <3
In einer Woche ist ja Heiligabend (holy warum so schnell, schwöre gestern noch 2022 gewesen)
deshalb kommen da zwei Kapitel: eins so morgens ig und das andere weiß ich noch nicht, später als morgens halt, uhrzeitvorschläge nehm ich gerne an.
Naja für das für morgens hab ich schon wörter, aber für das richtige Heiligabendkapitel noch nicht, deshalb: schreibt hier einfach wörter rein (also so in die kommentare) und ich wähle einfach 5 aus, idk ob über zufallsgenerator oder über likes (fr nutzt das irgendwer) naja
jedenfalls frohen dritten Advent (und bitte nicht halbebibelwörter kommentieren, danke.)
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