Highway (zu schnell?)
Chantalle Sky Hope wachte auf. Ihr Kopf schmerzte, als hätte sie einen Liter Vodka zusammen mit einem Glas Honig geschluckt. Außerdem tat ihr Rücken schrecklich weh.
Langsam kam sie zu sich und sah sich um. An allen Seite waren blanke Metallwände mit diversen Streben und Löchern. Die beiden schmalen Wände hatten zudem Fenster. Durch das eine Paar sah sie zuerst zwei helle Lichter und nach einiger Zeit eine breite Straße, die sich zu bewegen schien. Zu schnell. Vor Chantalle Sky Hopes Augen begann sich alles zu drehen und sie setzte sich schnell hin. Langsam atmete sie ein und aus. Nach ein paar Wiederholungen ging es ihr besser und sie wandte sich dem anderen Fenster auf der gegenüberliegenden Wand zu. Doch das war abgeklebt, und deswegen setzte Chantalle Sky Hope sich wieder hin, um zu überlegen.
Langsam fielen ihre kaputten Erinnerungen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Sie nahm sich die am neusten aussehenden Erinnerungen aus dem Haufen und sortierte sie. So erinnerte sie sich schließlich. Sie war in einem Van. Und sie wusste nicht, wohin dieser unterwegs war.
Unzufrieden mit diesem Schluss rollte sich Chantalle Sky Hope wieder zusammen, legte den Kopf auf ihre Arme und starrte auf die Wand. Langsam übermannte sie das rhythmische Schaukeln und Brummen des Wagens (wer auch immer hinter dem Steuer saß, er konnte wirklich gut fahren) und sie schlief ein.
In ihrem Traum sah sie Schackqueline. Diese saß an einem IKREA-Schreibtisch und wurde von einer Billiglampe (an ihr hing sogar noch das Preisschild - 5,99€. Chantalle Sky Hope rümpfte die Nase. Sie hatte Zahnbürsten, die mehr kosteten), die überraschenderweise grell leuchtete, geblendet. Chantalle wollte sich bewegen, denn die Lampe tat auch ihr mittlerweile in den Augen weh, doch sie stellte fest, dass sie sich nicht bewegen konnte. Oder besser gesagt: Sie stellte fest, dass sie sich in einem Körper befand und dieser sich nicht bewegen konnte. Sie schielte aus den Augenwinkeln nach unten und sah, dass der Körper an einen Stuhl gefesselt war. Doch was sie noch mehr erschreckte, war der Körper selber. Weiße Haut klebte in Fetzen auf grauem Fleisch. Chantalle Sky Hope war zwar nicht wirklich da, aber sie war davon überzeugt, dass sie den Gestank der Verwesung riechen konnte.
"Ist sie da?", frage eine Stimme hinter der Lampe. Chantalle Sky Hope versuchte, die Augen zusammen zu kneifen, doch die Lampe war zu hell. Sie konnte nichts erkennen.
Von irgendwo hinter ihr kam ein zustimmendes "Hmm."
Wieder die Stimme hinter der Lampe: "Perfekt. Dann brauchen wir sie nicht mehr."
Ein Schatten schlug zu und Schackqueline rutschte wie vom Blitz getroffen vom Stuhl. Chantalle Sky Hope wollte schreien, doch erstens konnte sie nicht, und zweitens wurde sie von der Stimme hinter der Lampe unterbrochen: "Keine Sorge, der da geht's gut."
Zwei Schatten packten Schackqueline unter den Schultern und zerrten sie wie einen nassen Sack in das Dunkel. Die Stimme fuhr fort: "Du fragst dich bestimmt, warum du hier bist- Nein, versuch' gar nicht erst Fragen zu stellen, dafür haben wir keine Zeit. Du bist hier und ich habe eine kryptische Botschaft für dich. Du bist die Auserwählte dieser Welt, die alle Welten retten wird. Wir - es tut nichts zur Sache, wer wir sind, aber wir sind die Guten - setzen grosse Hoffnung in dich. Du bist gerade auf dem Highway 24 in einem unmarkierten Van. Die Bösen - es tut auch nichts zur Sache, wer die sind, aber glaub' mir, sie sind böse - haben dich in deiner Gewalt. Wenn du aufwachst, werden wir dich befreien. Nimm' das mit, es wird dir helfen." Bei diesen Worten schob der Schatten Chantalle Sky Hope, beziehungsweise ihrem Gastkörper, einen länglichen Gegenstand in den Mund. Die Stimme hinter der Lampe fuhr fort: "Das wird dir auf deiner Mission helfen. Wir werden deine Freundin freilassen und ihr Anweisungen mitgeben. Sie wird sich an nichts erinnern, aber wenn du ihr gegenüber das Wort "Apfelküchlein" erwähnst, wird sie dir alles erzählen. Und nun geh' - es ist an der Zeit, aufzuwachen."
Chantalle Sky Hope spürte plötzlich einen Ruck, und ihren normalen Körper. Die Lampe wurde weggerissen und durch das hässliche Innere des Vans ersetzt. Ihr Kopf schmerzte. Sie stöhnte und spürte etwas in ihrem Mund. Etwas längliches. Mutig spuckte sie das Objekt in ihre geöffnete Hand. Es sah aus wie eine Mischung aus einem EiPhone und einer AppelTiVI-Fernbedienung. Es war flach, etwa fünf Zentimeter breit und etwas höher. In der unteren Hälfte waren ein Steuerkreuz und drei Knöpfe, die Chantalle Sky Hope wegen der Dunkelheit nicht identifizieren konnte. Die obere Hälfte nahm ein kleiner Bildschirm ein, der allerdings ausgeschaltet war. Chantalle Sky Hope erinnerte sich an die Worte der Stimme hinter der Lampe und beschloss, das Gerät später weiter zu untersuchen. Sie steckte es weg. Es stellte sich heraus, dass das die richtige Entscheidung war, denn in genau diesem Moment gab einen einen Ruck und Krach und der Van bewegte sich seitwärts. Chantalle Sky Hope griff verzweifelt nach irgendetwas, um sich festzuhalten und bekam eine Strebe der Wand zu greifen. Dann knallte der Van in die Leitplanke und überschlug sich. Glas splitterte. Jemand schrie. Chantalle Sky Hope schrie. Dann war alles ruhig. Chantalle Sky Hope sah sich um und bemerkte, dass der Van seitwärts lag. In der Wand, die jetzt die Decke darstellte, war eine riesige Beule mit einigen Löchern. Sogar ein Scheinwerfer steckte darin. Die schwarze Abdeckung des Fensters zur Fahrerkabine war weg und an ihrer Stelle war ein Männerkopf gegen das Glas gepresst. Er trug einen schwarzen Hut und sah nicht mehr lebendig aus. Chantalle Sky Hopes Blick wanderte weiter. Eine der hinteren Türen des Vans war abgerissen. Vorsichtig stieg Chantalle Sky Hope aus dem entstandenen Loch. Draußen war es dunkel und es roch nach Erde, Gras, Bezin, Eisen und verbranntem Gummi. Chantalle Sky Hope sah einen schwarzen SUV, dessen vordere Hälfte vollständig zerstört war. Ein Scheinwerfer fehlte. Wäre Chantalle Sky Hope nicht so mitgenommen gewesen, hätte sie gesehen, wie ein Schatten vom Fahrersitz des SUVs glitt und mit der Dunkelheit verschmolz, die Sekundenbruchteile später von Scheinwerfern zerrissen wurde. Reifen quietschten. Irgendjemand fluchte. Nachdem sie sich versichert hatte, dass sie alles beisammen hatte (Körperteile, Handy, etc.) schlich sich Chantalle Sky Hope vom Highway weg, in die Dunkelheit hinein. In der Ferne sah sie die blauen Sirenen der Einsatzfahrzeuge. Sie ging schneller. Es war schon so viel passiert, und noch eine Befragung wollte sie sich nicht antun. Alles, was sie wollte, war ein wenig Ruhe und Schackqueline finden. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken. Sie ging auf einen Wald zu, der sich am Horizont in der Morgendämmerung abzeichnete. Nach ein paar Schritten fand sie einen Stock, den sie sich wie ein Gewehr über die Schulter legte. Diese simple, kindliche Geste gab ihr ein Gefühl der Sicherheit. Ohne viele Gedanken ging sie über die Felder in Richtung Wald. Schon bald konnte sie die Sirenen und den Highway nicht mehr hören. Sie begann zu pfeifen und schlenderte jetzt eher, als zu laufen. Nun hatte ihr Abenteuer richtig begonnen. Das war der Anfang.
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