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Versuchte Manipulation

Immer wieder hört der Butler den Regen gegen die Scheibe des Taxis schlagen.
Hört wie jedes einzelne Tropfen um Einlass erbittert, um an ein bisschen Wärme zu kommen.
Er schweigt. Tut es schon seit dem Befehl des Herrn - was bereits eine sehr lange Zeit her ist.
Immer wieder schaut er zu ihm. Möchte heraus finden durch den Blick, was dieser hat. Finden, tut er nichts.
Nicht einmal ein kleines Anzeichen, was diese Reaktion auslösen kann, erblickt er. Was eigenartig ist. Sebastian kennt seinen Herrn. Kennt ihn in- und auswendig. Ist ihn immer ein paar Schritte voraus. Doch jetzt bleibt er am Ort des unwissend stehen und man mag es kaum zu glauben - rühren tut er sich auch nicht vom Fleck.
Der junge Herr benimmt sich so seit dem Sebastian mit dem Menschen geschlafen hat, daher kann man eigentlich nur schlussfolgern, dass es damit zu tun haben muss.
Einen Sinn ergibt jedoch dieses Denken ebenfalls nicht. Denn sonst wäre Ciel bereits so gewesen, als der Butler zurückgekommen wäre und dies war er ganz gewiss nicht.
Was ist also geschehen?
Der Herr war doch ganz alleine draußen, nicht wahr? Niemand war bei ihm. Die Aura hätte er verspüren müssen.
Hätte es so stark spüren müssen, dass man denken würde, die Person wäre direkt neben ihn.

Ein zarter Windhauch verspürt er neben sich. Es streichelt seine rechte Seite und ließ sie ebenfalls etwas feucht werden durch die Regenkristalle.
Der Herr hat das Fenster geöffnet, um von seinem hektischen Atem abzulenken.
Denn Nässe lenkt die Menschen schneller ab, als man zu verdenken vermag.
Sie mögen nicht, wenn es zu feucht wird - schon hat nicht ihr Eigentum.
Weshalb die Ablenkung bei dem Taxifahrer ganz leicht gelingt, nur nicht bei dem Butler selbst.
Er sieht es in Ciels Auge.
Sieht diese Panik, die er sich nicht erklären kann.
In all den Jahren ist Ciel immer mit einem Stolz vorangegangen und jetzt passiert es öfters, dass er Schwäche zeigt.

Die Menschenwelt ist schuld, denkt Sebastian.
Die Menschenwelt ist schuld, da sie momentan nichts ihn gutes schenkt.
Immer mehr verändert sich die Welt, durch die Menschen allerdings nicht ins Gute.
Alles, was die Natur erbracht hat, zerstören sie immer mehr.
Hilflose ermorden sie, um an mehr Macht zu kommen.
Dies haben sie schon immer getan. Menschen sind grausam. Deshalb erfand Sebastian sie immer so amüsant.
Doch sein Herr, ihn kommt es wahrscheinlich langsam nicht mehr zur gute.
Sie müssen hier weg. Weg, damit Ciel endlich was anderes erblickt - außer die grausame Welt der Menschen.
Nicht sicher ist es, dass dieser wirklich deshalb sich so benahm, doch ein Versuch ist es Wert.
Und vielleicht werden sie sich dann doch wieder näher kommen.

~

Zurück in der Wohnung hat sich Ciel sofort in seinem Zimmer eingesperrt.
Lässt niemanden ein, bei jeden klopfen.
Sieht starr zur Wand, um seinen Geist eine Beruhigung zu erbringen.
Nicht sicher fühlt er sich hier vor Sebastian.
Wenn er bei ihm ist, fühlt er sich verraten. Alleine gelassen und einsam.
Diese Gefühle müsste er unterdrücken können. Es tief in sein inneres Sperren, damit niemand diese erfährt. Doch es fällt ihm immer mehr schwer, dies zu tun. Wenn er es weiter so tun würde, würde er daran zerbrechen. Zu viele Jahre hat er es bereits getan und sein Körper rächt sich nun.
Seine Arme schlingen sich um sich selbst.
Mit einer Umarmung, die er sich selbst gab, versucht er sich die Geborgenheit zu schenken, die ihm verwehrt wird.

Erbärmlich ist er.
War es schon immer, wird es immer bleiben.
Andere hat er gehabt, die ihn den Weg erleichtern konnten.
Doch jetzt hat er Niemand, die es tun können. Niemanden der ihn unterstützen könnte. Bei seinem Leid, den er momentan erfindet.
Sebastian ist schuld, dass er momentan so erfindet. Hätte dieser doch nicht mit diesen Menschen geschlafen. Hätte doch nicht dieser Engel nicht mit ihm geredet.
Gott hatte ihn damals in Stich gelassen.
Ihn Rücksichtlos liegen gelassen. Sebastian würde dies sicherlich auch tun, wenn Luzifer ihn zurück haben will.
Denn er hat Respekt vor dem Teufel. Auch wenn er dies nie sagen würde, so empfindet Sebastian großen Respekt vor ihn.
Bevor der größte Verrat eintreffen kann, muss sich der jüngere für die Seite entscheiden ...

Wärme verspürt er neben sich, bevor er sich darüber tiefer Gedanken machen konnte.
Er blickt zu der Wärmequelle.
Raphael sitzt ganz dicht neben ihn, hat weiterhin diesen neutralen Blick. Doch irgendwie sieht Ciel dort noch etwas drinnen. Was er sich einfach nicht erklären kann.

»Sind deine Augen endlich geöffnet worden? Ist dir nun bewusst, dass Sebastian Michaelis dir nicht das geben kann, was du dir so sehr erwünscht?«

Ihn nicht zuhören sollte Ciel. Ihn ignorieren und seinen Butler rufen. Der ihn all die Jahre treu gedient hat. Seine Lippen öffnen sich, doch entkommt diese nichts. Sein Kopf hält ihn auf.
Lässt ihn innehalten und weiterhin den Engel erhören.

»Du sehnst dich nach einer Familie, nicht wahr? Und diese kann nur der Himmel dir geben. Also komm mit mir. Lass dich auf die Wärme ein, die nur das Licht geben kann. Gott wird die Sünden vergeben, die du als Mensch begangen hast. Wenn du ihn nur lässt. Dein Körper kann sich noch ins Licht hüllen.«

Floskeln, die vielleicht Ciel glauben konnte. Sein Gewissen möchte es wirklich. Doch er selbst weiß, dass es nur leere Lügen sind. Gott wird ihn nicht helfen, seine Vergangenheit ist der beste Beweis dafür und außerdem möchte er nicht die Marionette eines Gottes werden. Abhängig ist er bereits zu genüge, um sich noch auf einen Gott einlassen zu müssen.

»Ich kann nicht zu Gott gehen, wenn er damals nicht bei mir war. Er ist schuld, dass ich jetzt hier bin. Ich werde niemals ins Licht gehen wollen. Das dunkle ist mein Zuhause.«

Auch wenn irgendwann der Tag kommen solle, an dem er hintergangen wird. So bleibt er im Dunkeln. Das Licht kann ihn vielleicht Geborgenheit und eine falsche Familie geben, doch in der Dunkelheit fühlt er sich am wohlsten.
Den Pfad, den er eingegangen ist, möchte er weiterhin ohne jegliche Reue beschreiten, der Engel ist nur eine Versuchung. Diese Versuchung muss widerstanden werden, damit er mit Stolz in der Richtung weiter gehen kann.

»Du bist ein Narr. Das, was du verlangst, kann er dir nicht geben. Dein Begehren wird niemals erwidert. Dazu trägst du eine Angst vor ihm und trotzdem willst da bei ihm bleiben?«

Mit Wut ist die Stimme Raphaels bedeckt.
Missverständnis trägt er für ihn. Mit dieser Wut - hat er sich allerdings auch verraten.
Ciel hat niemals gesagt, dass er eine Angst zu Sebastian hegt. Kann es auch nicht - die Angst liegt woanders.
Doch sein inneres ruft nach Angst vor Sebastian, was er aber nicht ausgesprochen hat, geschweige denn jemals tun würde.
Es liegt nicht in seiner Interesse es zu tun, da er ihn vertrauen möchte.
Vielleicht, nur vielleicht wird er ihn eines Tages doch hingehen - da er das Leben mit ihm Satt hat.
Bis der Tag jedoch kommt, so will Ciel ihn sein Vertrauen schenken.
Die Angst sollte unterdrückt werden, wenn es wirklich seine Angst ist - die er in seinem Körper empfindet.
Beim genaueren nachdenken macht dies jedoch keinen Sinn.
Davor hat er nichts weiter als Wut und vielleicht auch Eifersucht erfunden, jetzt empfindet er allerdings eher Angst - als diese Emotionen.
Unerklärlich ist es.
Der Blauhaarige steht von seinem Bett auf. Etwas verändert sich in seinem Blick. Das Auge beginnt zu glühen, in einem Rubinrot. Den Engel vor sich betrachtet er herablassend und ein wenig erzürnt.
Ihm gefällt da einen Gedanken nicht, der sein Gewissen beschleicht.
Der Gedanke manipuliert geworden zu sein, sodass er seinen Butler hintergeht.
Natürlich gibt es keine Beweise für diese Vermutung, jedoch auch keine Beweise dagegen.

»Verrate mir eines, Raphael«

Der angesprochene zog eine Braue hoch. Etwas desinteressiert ist sein Blick, dennoch versucht er ihn Aufmerksamkeit zu geben.

»Können Engel lügen?«

Eine Frage, die der jüngere stellen musste. Teufels können lügen. Lügen und manipulieren gehören zu ihr Leben dazu. Sie müssen es können, um ihre Opfer verführen zu können - mit falsche versprechen.
Ob es aber Engel tun, dies weiß Ciel nicht. Schließlich sollen sie rein sein und nicht mit Sünden befleckt sein.
Raphael schwieg. Sieht ihn nicht mehr in die Augen. Versucht die richtigen Wörter zu finden, die ihm jedoch nicht einfallen können.
Somit war es den kleineren klar, Engel lügen. Können es ebenfalls, um die Opfer ins Himmelsreich zu locken. Welch eine Ironie. Sie sind nicht einmal besser als Teufel.

»Engel können Lügen. Uns ist dies erlaubt bei wichtigen Situationen.«
Versucht der Erzengel sich jetzt herauszureden, mit einer neutralen Stimme.
Dies glaubt Ciel jedoch nicht. Zu spät hat er geantwortet, um dies als Wahrheit ansehen zu können.
Seine Hand hebt er, um seine Augenklappe zu öffnen.
Mit einer befehlenden Stimme sagt er die Worte, um seinen Butler erscheinen zu lassen; »Sebastian, komm her« ...

Nicht einmal der Wind konnte gegen den Butler ankommen, als dieser urplötzlich im Raum stand.
Dicht neben seinen Herrn.
Am Anfang wusste er nicht, weshalb er gerufen wurde. Hat sich gewundert, da er keine Gefahr aufspüren konnte.
Selbst als er vor einige Minuten vor der Tür stand. Seine Hand etwas angehebt hat, um zu klopfen. Diese Idee hatte er jedoch schnell verworfen. Mit schnellen Schritten war er in sein Zimmer gegangen, um ein paar Briefe zu schreiben - für die verschiedenen Ämter.
Jetzt steht er hier, in Ciels Zimmer und genau hier ist auch Raphael.
Wie konnte er ihn nicht verspüren? Jetzt, wenn er da ist, bemerkt er die Aura sehr stark. Sie ist zu erdrückend um diese ignorieren zu können. Ja. Ganz lästig.

Mit die dämonischen Augen betrachtet er den Engel, sowie es Ciel vor einigen Sekunden getan hat - herablassend.
Als wäre nicht Sebastian der Butler in diesem Raum, sondern dieser Engel.
Nun ja. In gewisser Weise stimmt es schon. Schließlich dienen Engel dem Gott, somit ist nicht viel Unterschied zwischen die beiden. Mit Ausnahme, dass Sebastian einem Teufel dient ...

Seinen Bocchan zieht der schwarzhaarige dicht hinter sich. Zu gerne würde er erfahren, wie lange sie schon in denselben Raum sind. Eine Frage, die er später seinen Herrn unbedingt stellen musste - jetzt muss er allerdings erstmal diesen Vogel hinausschaffen.
Das Silber Besteck holt er heraus und stellt sich in einer Kampfposition. Sprechen, oder verhandeln möchte er jetzt nicht. Nicht mit ihm.
»Nicht Sebastian«, wird er von seinem Herrn unterbrochen, als er den Kampf beginnen wollte.
Die zierliche Hand legt sich auf seinen muskulösen Arm und hielt ihn somit von der Tat ab.
Den Kopf dreht er zu ihm. Mit Missverständnis sieht er ihn an.
»Sollte ich ihn nicht umbringen?«, hinterfragt er es.

»Nein«, wird ihn sofort die Antwort geliefert. »Noch nicht. Ich habe Fragen an ihn, die ich ihn stellen möchte.«
Wieder vor begeht sich der Master, somit ins Blickfeld des Engel.
Die Finger zucken von Sebastian, als er beobachten muss, wie dieser ihn ansieht. Das knurrartige Geräusch, muss er herunterschlucken. Er hasst diesen Engel. Konnte ihn noch nie leiden. Selbst als die Reinheit des Himmels auf ihn gelegen hat, so hat er ihn gehasst.
Raphael war ein enger Freund von Uriel gewesen.
Sie beide waren ein Herz und eine Seele gewesen, während Sebastian immer ein Einzelgänger gewesen war. Selbst Michael konnte ihn nicht von dem einsame Leben locken.
Keiner. Bis auf Luzifer.
Der einzige ist es gewesen, der zu diesem Zeitpunkt ...
Nein. Er möchte nicht mehr darüber nachdenken. Die Erinnerung ist unwichtig.
Kein Bedeuten trägt diese und somit sollte er damit aufhören.
Denn Raphael ist zwar ein Engel, doch ein Meister in Manipulieren.
Dies war er nicht immer gewesen. Erst hat dies angefangen, als Uriel seinen Stand verloren hat.
Nicht jeder weiß es.
Uriel und Raphael waren zusammen. Auch wenn es zwei Engel waren, so waren sie ein paar.
Und wer hat dieses Traumpaar nur zum Zerstören gebracht? Kein Geringerer als Sebastian selbst.
Somit ist das Risiko nun groß, dass Raphael sich nun nach all den Jahren rächen möchte.

Der Erzengel geht einige Schritte auf Ciel zu, betrachtet ihn. Bevor er laut zu seufzen begeht.
»Ich habe das Interesse verloren, dich zu mir zu nehmen.«
Weiße Feder schweben in die Lüfte.
Ciel möchte nach Raphael greifen, um ihn aufzuhalten. Doch Sebastian selbst wusste, er wird ihn nicht kriegen.
Schließlich kann niemand mit Raphaels Geschwindigkeit mithalten, niemand außer Luzifer oder Sebastian ...

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