3. Kapitel

„Wohin fährst du überhaupt?“, brach ich die unerträgliche Stille.
Louis sah von seinem Handy auf, welches er aus seiner Jackentasche gezogen hatte und meinte schließlich: „Mein Stiefvater hat mich rausgeworfen. Jetzt tauche ich für eine Weile bei meinem Kumpel Liam unter“

Einen Moment betrachtete ich ihn nachdenklich. „Guck nicht so mitleidig“, sagte Louis da, als hätte er meine Gedanken gelesen.
„Es war höchste Zeit da endlich raus zu kommen“

Nach einer Weile fügte er hinzu: „Obwohl Liam mich sicherlich auch bald raus schmeißen wird“
Für einen Augenblick huschte ein Grinsen über seine Lippen. Es sah ungewohnt an ihm aus, da es nicht zu dem Rest seines Gesichtes passte. So schnell wie es gekommen war, war es jedoch auch wieder verschwunden.

„Und du fährst zu deiner Mum?“, wich Louis unser Schweigen aus und senkte seinen Kopf wieder zu seinem Handy herunter. „Ja, ich will möglichst weit weg... von all dem“, meinte ich mit belegter Stimme und fuhr mir durch die Haare.

„Verstehe“, murmelte Louis in sein Handy vertieft. Da ich erneut Bedenken hatte ihn zu nerven und mir sowieso nicht danach war, schon wieder mit dem Thema anzufangen, zog ich ebenfalls mein Handy hervor. Kurze Zeit später hatte ich auch die Kopfhörer in den Tiefen meiner Tasche gefunden.
Ich öffnete meine Favoriten-Playlist und war schon bald in den Klängen der Musik vertieft.

Die restliche Zugfahrt schwiegen wir uns weitgehend an. Ich konnte mich nicht daran hindern, auf meinem Handy alte Fotos anzuschauen. Fotos, auf denen Zayn und ich beide glücklich waren. Das hatte sich wohl zumindest bei mir geändert. Wobei ich ihn mittlerweile so gut kannte, dass ich mir ziemlich sicher war, dass es ihm ähnlich erging. Wie konnte auch ein Mensch glücklich sein, der einen anderen derart verletzte?

Plötzlich riss mich die schrille Ansage der nächsten Haltestelle aus den Gedanken. Erschrocken stellte ich fest, dass soeben mein Heimatsort genannt wurde. So packte ich schnell meine Sachen zusammen und erhob mich von dem Sitz. „Tschüß“, sagte ich noch in Louis' Richtung, als ich realisierte, dass er ebenfalls seinen Rucksack eingepackt hatte.

Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. „Keine Angst, ich verfolge dich schon nicht. Liam wohnt zwei Straßen vom Bahnhof entfernt“, redete er drauf los, während er sich ebenfalls erhob. „Ah“, machte ich und fügte, als ich meine Stimme wieder gefunden hatte, hinzu: „Bei uns sind es drei Straßen“

„Na Mensch“, meinte Louis und erneut vernahm ich ein mattes Grinsen auf seinen Lippen. Da schob er mich plötzlich zur Abteiltür, da ich noch immer keinen Schritt voran gegangen war.

Der Bahnhof war um diese Uhrzeit menschenüberflutet, sodass ich schnelles Schrittes und dicht gefolgt von Louis mich an den anderen vorbei schlängeln musste. Da erreichten wir endlich die Straße und ließen die vielen Stimmen hinter uns.

Man hörte einzig und allein die Rollen meines Koffers, die sich geräuschvoll auf den Bürgersteig drehten. Eine Weile liefen wir schweigend neben einander her, als Louis plötzlich stehen blieb. Verwirrt sah ich ihm dabei zu, wie er begann in den Innentaschen seiner Jacke zu kramen.

„Was...?“, fing ich an zu fragen, als er ein zerknitterten Zettel und einen Kugelschreiber hervor zog, den er mit Hilfe seines Mundes öffnete. Den Deckel des Stiftes noch immer zwischen den Zähnen, kritzelte er etwas auf das Papier und überreichte es mir schließlich. Dann bog er, ohne sich noch einmal umzudrehen, an der nächsten Ecke ab.

Mein Blick wanderte von den krugeligen Zahlen auf dem Zettel zu Louis, der in der Ferne die Straße herunterlief. Einen Moment verharrte ich in dieser Position. Dann schaffte ich es doch mich von dem Anblick zu lösen.

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