1. Kapitel

Der Zug fuhr langsam in den Bahnhof ein und hielt schließlich mit einem quitschenden Geräusch an. Ich atmete noch einmal tief durch und blickte mich in dieser vertrauten Umgebung um.

Jedes Detail dieser Stadt kam mir bekannt vor. Und auch die Menschen, die hier tagtäglich einkaufen gingen oder zur Arbeit fuhren, kannte ich mittlerweile beim Namen. Es war ein merkwürdiges Gefühl all dies hinter sich zu lassen. Doch nach der letzten Woche hatte sich mein Bild von diesem Ort drastisch verändert.

Zayn und ich waren ganze drei Jahre zusammen gewesen. Wir hatten ein Jahr zusammen gelebt und uns jeden Tag mehr in unser Herz geschlossen. Doch nun wusste ich, dass es ihm anders erging. Nun würde er mit seiner „Prinzessin“ (wie er sie nannte) unser Café besuchen, in unserem Haus leben und in unserem Bett schlafen. Anscheinend reichte ihm ein Prinz nicht aus.

Schnell biss ich mir auf die Lippe und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Jeder Gedanke an Zayn tat weh. Es war als würde man mir meine ganze Vergangenheit weggenommen haben. Nun blieb mir nur noch der Blick in eine düsterte Zukunft, von der ich überhaupt nichts wissen wollte. Ohne Zayn an meiner Seite wollte ich nämlich nirgendswo mehr hin gehen.

„Wollen Sie noch in den Zug einsteigen?“, riss mich auf einmal eine Stimme aus den Gedanken. Ich konnte nicht vermeiden, erschrocken zusammen zu zucken.
„Ja“, murmelte ich leise und versuchte meine Beine zum Einsteigen zu bewegen.

„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, blaffte mich der Schaffner nun genervt an. Ich drehte mich noch einmal um und ließ mein Blick über den Bahnhof gleiten, ehe ich langsam in den Zug stieg. „Hier endet die Reise mit ihm“, dachte ich traurig und versuchte den Klos in meinem Hals hinunter zu schlucken. Hinter mir schlossen sich bereits die Türen, als ich den Gang hinunter lief.

Schnell verstaute ich meinen Koffer in der Ablage und öffnete eine Abteiltür. Es war bis auf einen jungen Mann frei, sodass ich mich erleichtert auf den hintersten Sitz fallen ließ. Ich blickte zur Fensterscheibe, in der mich mein Spiegelbild anstarrte. Meine Locken hingen mir wirr ins Gesicht und meine Augen sahen trübe und gerötet aus. Erst jetzt bemerkte ich die Tränen, die meine Wangen hinunter liefen.

Ich blickte vorsichtig zu dem Fremden auf. Er schien jedoch ebenfalls in seinen Gedanken versunken zu sein, sodass er es überhaupt nicht bemerkte. Das Letzte was ich jetzt wollte war, mit einem Fremden über meine Trennung zu reden.

Trennung! Das Wort versetzte mir einen Stich. Ich wusste nicht, wann ich aufhören würde zu glauben, dass dies alles nur ein Alptraum war und ich im nächsten Moment in Zayns Armen aufwachen würde. Ich war mir ziemlich sicher, dass es noch eine ganze Weile dauerte.

Gedankenverloren sah ich dem Bahnhof beim kleiner werden zu. In mir kam der Drang auf, die Notbremse zu ziehen. Nur wusste ich, dass es nur Ärger geben würde. Zudem würde mir Zayn wohl kaum die Tür auf machen und meinen Schlüssel hatte er mir abgenommen. Abermals biss ich mir auf die Lippe.

„Alles okay?“, durchbrach auf einmal eine Stimme die Stille. Erschrocken sah ich zu dem Mann auf, der mich aus seinen blauen Augen ansah. „Ja“, murmelte ich schnell und erwiderte seinen Blick. „Bei Ihnen auch?“

Ich wusste nicht, weshalb ich es tat. Es war nicht so, dass ich scheu gegenüber Fremden war, doch war dies nicht der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch. Zudem schien es ihm tatsächlich nicht gut ergangen zu sein. Unter seinen Augen waren dunkle Schatten und der Teil seines Gesichtes, welcher nicht unter der Kapuze verborgen lag, sah ungewöhnlich bleich aus. „Ja“, antworte der Mann schließlich.
Wortlos ließen wir unsere Lügen im Abteil stehen und wandten uns wieder dem Fenster zu.

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